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Scene: Der Burghof von Theben. Morgendämmerung. Im Hintergründe der Palast des Oedipus. An den Seiten Hallen, vorn die Götterbilder und Altäre des Vorhofs. Antigone (tritt mit Jsmene aus der Palast-Pforte und führt sie iu den Vordergrund). Jsmene, theure Schwester, die gleich fühlt mit mir, Weißt du, was Zeus vom Unheil uns des Oedipus In unfern Lebenstagen irgend nicht erfüllt? Nein, was nur kränkend fein kann, geistumstrickend sein, Und was entehrend, alles, was erniedrigend! Jetzt eben wieder, welch' Gebot ward, wie es heißt, Der Volksgesammthcit von dem Feldherrn kundgethan! Vernahmst du's auch schon, oder ahnst noch Nichts davon? Jsmene. Was ist es? heiß ja ringt ein Wort in deiner Brust. Antigone. Hat unsre Brüder Kreon doch mit Grabgebühr Den hochgehalten, den hingegen schnöd verkürzt! Eteokles hat er, treu dem Brauch, verhüllt im Schoos Der Erde, würdig einvermühlt dem Todtenreich; Doch Polyneikes' unglücksvoll entseelten Leib Darf, wie den Bürgern, hör' ich, laut Gebot erscholl, Niemand bestatten, niemand klagen, liegen müss' Er unbetrauert, unbedeckt, der Vögel Kost. Jsmene. Was aber, Aermste, wenn es so steht, kann da ich Dafür, dawider, irgend noch zum Bessern thun? Sophokles, Antigone. 1