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Allerthal -Zeitung. Lokalblatt für Aue, Auerhammer, Zelle-Klösterlem, Meder« u. Oberpfannenstiel, Lauter, Bockau, Bernsbach, Beyerfeld und die umliegenden Ortschaften. Erscheint Mittwoch», Kreitag» n. «Sonntag», «vonuemenl-prei» mcl. de» 3 werlbvoilen Beilagen vierteljährlich mit Bringe.lvhn 1 Mk, 20 Pf. durch die Post 1 M. 25 Pf. Mit 3 issustrirten Kteivlattern: Deutsches Zamilienvtatt, Hute Heister, Zeitspiegel. Verantwortlicher Redak en»: Emil Htgemristtr in Aue (Erzgebirge). Redaktion u. Expedition: Aue, Marktslraße. Inserat« die einspaltige EvrpuSzeile 10 Pf,, die volle Seite 30, >/z S. 20, '/, St. 6 Mk. bei Wiederholungen hoher Rabatt. Alle Postanftallen und Landbriesträger nehmen Bestellungen an. No. 70. Freitag, den 16. Juni 1893. 6. Jahrgang. Totengräberstelle in Aue. Die durch den Tod des bisherigen Inhaber- frei gewordene Totengräberstelle soll baldigst wieder besetzt werden. Der Äuzustellende erhält neben den üblichen Gebühren von zusammen etwa 700 Mark jährlich schöne freie Wohnung, muß aber im Stande sein, die Gräberlisten zu führen und soll auch einige gärtnerische Kenntnisse besitzen. Selbstgeschriebene Gesuche sind bis zum 20. Juni bei dein unterzeichneten Rathe einzurcichen. Aue, den S. Juni 1893. Der HlcrLb der Stadt. vr. Kretzschmar. E. Politische Nachrichten. Deutschland. Berlin, den 13. Juni. — In verschiedenen Wahlkreisen ist den Kandidaten unter anderem anch dle Frage vorgelegt worden, ob sie versprechen wollten, im Fall der Wahi ihren parlamenta rischen Pflichten auch tbatsächiich so regelmäßig wie irgend möglich auSzuüben. Das ist ein ganz nachahmenswerter Vorgang. Der schlechte Besuch des Reichstags war in der verflossenen Legislaturperiode zu einem parlamenta rischen Notstand geworden, der das Ansehen des Reichs tags aus liesst« geschädigt hat und zeitweise die ganze Ge- jetzgebungsmaichine labm zu legen drohte. Es ist bei al len Parteien in dieser Hinsicht gefehlt worden, und sie baden leinen Anlast, sich gegenscittg Vorwürfe zu machen. Es muß eben auf allen Seiten eine Besserung eintreten. Die Wähler lönnen veriaugen, daß der Mann ihres Ver trauens auch wirklich so regelmäßig wie möglich die Pflich ten ausübt, di« er übernommen hat. Sonst thut er bes ser, er bewirbt sich lieber gar nicht erst um ein Mandat. Hoffentlich tritt >m neuen Reichstag wouigsteus in dieser Hinsicht eine Besserung ein. — Üebcr die inneren Wanderungen im Deutschen Reich und die Verschiebung, die die Bevölkerung durch riese erleidet, erhält man ein einigermaßen zutreffendes Bild durch einen Anfiatz des letzten reichsstalistischen Vier- leijahrcsheues, der di« Zusammensetzung der Bevölkerung Deutschlands nach oem Geburtsort berechnet. ES sind hierbei innerhalb Deiuschlancs drei große Gebiete ausein ander gehallen, ter Osten, der Westen und der Süden. Der Süden wird durch die Mainlini« abgklrennt, und zwischen dem Ollen und dem Westen bildet die Elb« die ^Nachdruck verbvtens. JeuMeton. Das Schütze nliesl. Eine wahre Geschichte, erzählt von Robert v. Hagen. (Fortsitzung.) „Dann seit auch so gut" sagte der Fremde, „gebt mir ein Stück Papier, damit ich meinen D ener, welcher in Brixen im Holet zum Erzherzog Johann auf mich wartet, benachrichtige, wo ich mich befinde, und damit er mit dem Gepäck hierher kommt." Da» geschah, und der Kranke wurde sodann nach dem oben gelegenen Fremdenzimmer, welche« Vie herrlichste Aus sicht auf die mächtigen Berge und hinab in ein reizende- Thal gewährte, tran-porNrt. „I mnatz den Menschen schon g'sehn habe im Leben. I hält thn gern «'tragt- wer er iS und woher er iS. — — I hätl'S ailch,/lhau, wenner g'sund wär', — aberan- Kranken fragt der Tiroler nit um so etwa«, a Kranker g'hört der Menschheit an, ob er der, oder der Nation an g'hört, — ob er Bettler oder Kaiser isl" Der Kranke war bereits zwei Lage in der Gogelwirth- schast. Bei allem Unglück hatte er doch Glück gehabt; denn ter Arzt konstatirte, daß von einem Bruch keine Spur, son dern einzig der linke Fuß ausgerenkt gewesen und da dir Wiedereinrenkung nicht hart« sogleich vorgenommen werden können, so heftige Schmerzen, eine hohe Geschwulst und bedeutendes Fieber entstanden seien. k- «ar gerade am Palmsonntag. Scheidegrenze. Sieht man von 518510 im Ausland« ge borenen Personen ab, so ergibt sich, daß von den Bewoh nern des Ostens 16 911916 im Osten, 490 976 im Welten und 89558 im Süven geboren waren; von den Bewohnern dcs Westens stammle» 18804 551 au« dem Westen, 630 791 aus dem Osten und 236 089 ans dem! Süden; v»n den Bewohnern de« Südens waren 11532323 im Süden, 216 881 im Westen und 55874 im Osten geboren. Der Verkehr zwischen Westen uns Osten war demnach ziemlich lebhaft und ergab e>n-n Ueberschuß von 139 816 zu gunsten deS westlichen Gebiets. Weniaer leb haft war der Veikehr zwischen Wegen und Süden, der zu gunsten des Westens mit 19208 abschloß. Noch schwächere j Bezi bungen bestanden zwischen dem Osten und dem Sü-s den, wobei der Süden von oem Osten 16306 Köpfe ge-s wann. ' f — Bei den 500 Influenza-Erkrankungen unter der Mönche- ncr Garnison ist ein beträchtlicher Teil in Typhus ausgear-' tet. Diese Erkrankungen trrfsen fast ausnahmslos Mann-' schasten deS Jnfauterie-Leib-Regimeuts. — Der dänische FolkethingS-Abgeordnete Lauridsen äu ßerte in einer Wähierversammlung in Jhdstrup auf Seeland bezüglich des Militarismus, wenn Dänen art nicht aus die allgemeine Dienstpflicht verzichte, so habe es nur zwei Wege offen, entweder die Vereinigung mit Deutschland von dein Dänemark ölonomisch abhängig sei, oder die Verminderung deS Heeres aus 8 bis 10000 Mann. — Der Sultan von Johore (Singapore) wird von Karls bad mit Gefolge demnächst nach Berlin kominen, um dem Kaiser sechs ganz aus Elfenbein geschnitzte prachtvolle Stühle als Geschenk zu überbringen. Die Reise dürste aber erst unternommen werden, nachdem die Hochzeit zwischen dem Reffen de- Sultans und der Tochter des Schtossebmeister» Gebhard au« Karlsbad statlgefunden haben wird. Das acht ¬ zehnjährige junge Mädchen hat bereits die Stelle im Ge schäft ausgeben müssen. Wie außerdem verlautet, hat der Sultan der Braut seines Neffen eine Million und deren Eltern 300000 Gulden ausgesetzt; die Summen sollen bei einem Wiener Bankier niedergelegt werden. — In dem Judenflintenprozeß, der seit der Auflösung des Reichstages wieder seinen Fortgang genommen hat, ist den Beteiligten vor einigen Tagen da» Urteil zugestellt wor den. nach dem Rektor Ahlwardt wcgeq Beleidigung Isidor Löwes, Oberstleutnants Kühne und der Büchsenmacher zu 5 Monat Geiängnis verurteilt wurde. Gegen da» Urteil ist bekanntlich Revision seitens des Verurteilten angemeldet. — DaSWöitchen „von" hat kürzlich in der alten freien Reichsstadt Bremen die Gemüth.w der Bürgerschaft nicht wenig erregt, und das kam so: In der Verfassung der Hansa- und freien Reichsstadt Bremen findet sich ein Avelsarkuel, welcher lautet: „Der Bremisch« Staat erkennt bet seinen. Angehörigen Adel an." — Hatte da der Bremische Senat der Bürgerschaft zuge« muthet, folgenden Aendernngs-Antrag zuzustimmen: „Der Bremische Staat ertennt bei seinen Angehörigen keine Adelsvorrechte an." Der Senat begründete seinen An trag damit, daß er darzulegen suchte, die zugezogenen Ade ligen in Bremen befände,» sich in einer unverantwortli chen Nechtsung'.eichheil, jedoch die Bürgerschaft war anderer Ansicht und die von den Bürgern zur Prüfung einge setzte Commission verwarf den Antrag des Senates, weil hinter den Worten „Adelsvorrechte" sich ein zwar nicht znm Ausdruck gebrachter, aber verfänglicher Gedanke berge. Die alten bürgerlichen Bremer sind nicht so d leichtgläubig, um alles zu glauben, was man ihnen vor erzählt, sie Haven sich ihren Wohlstand durch viel« Mühe und schwere Arbeit erworben und sie können den AdelS- „Geh' rauf, Liesel, zu dem Fremden," befahl der Gogel- wirth seiner Tochter — „nimm's Gebetbüchel mit, sag'ihm'- Vaterunser und 's Ave Maria vor und a Gebet zu seinem heiligen Schutzpatron. Er soll wissen, daS er in an christ lichen Haus ist." — „Ader, Vater" wandle da- Schützenlieselein, „wirstdo nit verlangen, daß i zu ein' fremden MannSbild ins Zim mer geh? Die selige Muatier hat'-mir scharf verboten — und l hab'- immer so g'halten." „Die alte Ursula iS oben bei ihm zur Pfleg' — aber sie kann ja nit lesen und 'S Vaterunser kann sie auch nit mehr fehlerfrei aufsagen. Also, Marsch 'rauf — Dein Vater befiehlt« I" DaS Schützenliesel hatte heut ihr FeiertagS-SlaatSgewan- del an und sah so hübsch und appetitlich aus, baß man hält« 'reinbeißen mögen in das MordSmädel. Sie ging 'raus. Eigentlich «ar sie schon lang« neu gierig, den Fremden zu sehen, aber sie hatte sich gesagt: „Was sich nit schickt, da« schickt sich halt nit," und so hatte sie bisher ihre Neugierde in Bann gehalten. "An die Thür' erst anklopsen? Ah, was, da- brauch i nit. Das Hau- g'hört ja uns," sagte sich daS Liesel nach kurzer Ueberlegung, „Und überdies könnt's ihm ja derschcek- ten." Und demgemäß öffnete sie ohne Weitere» dir Thür zum Fremdenzimmer Und trat «in. „Gelobt sei Jesu» Christus," sagte sie dabei, und „in Ewigkeit, Amen" hätte die alte Ursula antworten müssen, wenn sie nicht ringeschlafen gewesen wär' tm alten Groß- vatersefsel. „Der Vater hat mi 'raufg'schickt — i soll Euch da» Vaterunser vorsagen," so begann da» Liesl, ein wenig ver legen und di« Augen zu Boden geheftet. „Denn heut' i» der Palmsonntag." Der Kranke »andtr sein Antlitz der Eingetretenen zu, starrte sie eine Weile an un» seine vom Krankenlager ge bleichten Wangen belebten sich in Purpurrilhe. „Schützenliesel! Schützenliesel!" ertönte es von seinen . L'ppen. Sie sah auf vom Boden — sah ihn an, den Kranken, und rief erregt: „Ja träum' i denn oder iS e» die pure Wahrheit? I kenn Dich sa ja, ja. Du bischt'S, Du bischt der Schütz, der in Wien beim Schützenfest an mein' Stutzen dei» feinen Schuß gethan I" Ihr Gesicht glühte. „Za, ja, ich din'S, Schützenliesel, — ich habe Sie ge sucht in ganz Tirol. Ich bin gefahren und gewandert durch'- Innthal, durch'» Etsch- und Eisack- und durch's Pusterlhal. Ich habe keine Ruhe gehabt seit jenem ersten Moment, wo i.h Sie am Schießplatz in Wien gesehen und gesprochen — und ich mußte Sie wiederfinden —" „Und we-wegen denn? Was wolltest denn Du von mir?" „Ich wollte Sie fragen," antwortete der junge Mann und seine Augen hingen in verzehrendem Feuer an der holden Gestalt deS Schützenliesel, „ich wollte Sie fragen, was e« zu bedeuten hatte, al- Sw, bevor ich damals mei nen Schuß abgab, zu mir sagten: „Schieß' gut ich denkt mir etwa- dabei, triffst Du, ,o ist es richtig, da«, «a» ich mir denke, triffst Du nicht, bann ist eS nicht richtig I" Sie wurde bluiroth. „Ni» war'«," — antwort»« sie, vor Scham vergehend — „a Dummheit war'- — weiter nix . Doch jetzt muß i thun, wie mir'- der Bat« g'heißen hat!" Und zu dem über «em Kopfbettend« an der Wand befindlichen hölzernen Kreuze o«s Erlöser» hinausblickend, sprach sie langsam im echten Tirolerisch da- „Vaterunser" und da« „Ave Maria." „Und wie heißt Dein heitiger Schutzpa tron?" so fragt« st« dann den Kranken,