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Billigste Tageszeitung im Erzgebirge Nr. 140 Sonnabend, den 26. August 1899. 12: Jahrgang. Brrau»w»rtticher Redakteur-i Er«st Tr»uke,Mue sE:zgcbirge.) Redaktion u. Expedition: Au«, Marktstraße. August stattgefunden. Er sei am Sonntag vorher zum ersten Male beauftragt worden, den Inhalt des BrieflofferS zu General Boisdefsre zu bringen. — Zeuge, Dubreuil, ehemaliger Richter, erzählt aus führlich, auf welche Weise er in den achtziger Jahren das Ehepaar Bodson, bei dem der damalige Leut nant Dreysus verkehrte, kennen gelernt habe. Im Jahre 1896 habe er bei Bodsons einem Diener bei gewohnt, an dem auch Dreyfus und ein Ausländer, der als Attaches der deutschen Botschaft vorgestellt worden sei, teilgenommen hätten. Er, Zeuge, sei verblüfft gewesen über den Grad von Vertraulich keit, der zwischen Dreyfus und dem Attaches herrschte. Den Namen des Attaches wisse er nicht mehr Weil er die Deutschen nicht liebe, habe Zeuge seine Be suche bei Bodsons eingestellt. Dies habe er auch einmal Herrn Bodson mitgeteilt, der daraus er widerte. Ich teile Ihre Gefühle; die Fremden sind nicht..weine Freunde, sondern die meiner Frau" (Große Heiterkeit, in welche die Richtereinstimmen.) Bodson habe weiter gesagt, er habe alle möglichen Beweise, mit deren Hilfe er Dreyfus aus dem Heere wegjagen lassen könne. — Hauptmann Leroud gieht Einzelheiten über die ihm 1896 von Picquart aufgetragene Ueberwachung Esterhazys. Grcffier verliest Esterhazys bekannte Briese an Felix Leval, in denen er seine und seiner Vorfahren Verdienste um Frankreich herausstreicht, betont, daß er das rettende Schriftstück der verschleierten Dame selbstlos dem Generalstab wiederg'egeben habe und den Prä sidenten der Republik mit dem Eingreifen des Deutschen Kaisers, dem Krieg und äußerster Schmach für Frankreich bedroht habe, wenn er ihn nicht gegen die Judenverschwörung schütze. Hierauf wird der Dixi-Aufsatz verlesen, der in dem Augenblick erschien, als Mathieu Dreysus Esterhazy öffentlich als Verfasser des Begleitschreibens bezeichnete. — General Boisdefsre protestiert gegen die Behaup tungen Esterhazys. — Nun wird die Aussage der Madame Pays verlesen. — Der General Lebelin sagt aus, weshalb er Dreyfus schlechte Noten ge geben habe. — Nachdem noch Zeuge Lanquet be kundete, daß er Dreyfus in Brüssel getroffen habe, wird der Prozeß vertagt. * Paris, 23. Aug. Oberst Schneider richtete an den „Figaro" einen Bries, in welchem er sein früher abgegebenes Dementi bestätigt. * Paris, 24. Aug. In den Redaktionen einiger Blätter war diese Nacht das Gerücht verbreitet, Präsident Loubet sei in Rambouillet ermordet worden. Dies Gerücht wurde amtlicherseirs sofort für! unbegründet erklärt. * Esterhazy wurde hier bei einem Spaziergänge in Oxsordstreet erkannt und von zahlreichen Neu gierigen umrsngt, we!che ihn zu lynchen drohten. Der Polizei gelang es nur mühsam, die Menge zu zerstreuen und Esterhazy mittels einer Droschke in Sicherheit zu bringen. * „Daily Mail" melden aus Shanghai, einem chinesischen Blatte zufolge sei der Kaiser von China vollständig irrsinnig. * Konstantinopel, 23. August. Das auswärts verbreitete Gerücht, die türkischen Botschafter in Wien, Rom und Petersburg seien hierher berufen worden, wird amtlicherseits für falsch erklärt. * London, 23. Aug. Im Auswärtigen Amte wird die TranSvaalkrisis als sehr ernst und der Krieg als unvermeidlich bezeichnet. * Zur Transvaal-Angelegenheit Im Verlaufe einer Debatte im Kapparlament drückte Cecil Rho des die Meinung aus, die Transvaalfrage würde ohne Blutvergießen gelöst werden. Präsident Krü ger würde noch mehr nachgeben. Wenn diese Frage gelöst sei, wäre es sicher, daß Transvaal ein englisch. sprechendes Gemeinwesen werden müsse. Die Ausländer würden, da sie in ungeheuerer Mehr heit seien, eine Regierung im Einklänge mit ihren Anschauungen bilden. Das ist deutlich und offen gesprochen. Air» <rltt* wett. * Ueber die Krisis in Preußen liegen thatsäch- tche Mitteilungen, die eine Klärung der Lage be wirken könnten, nicht vor. Gestern war der Tag der Entscheidung; es fand vormittags ein Kronrat statt, zu dem sich sämtliche Staatsminister im Neuen Palais bet Potsdam einfanden. Ueber die Ergeb nisse der Beratungen ist nichts bekannt geworden. Aeußere Umstände geben jedoch nach den „Leipz. N. N." begründeten Anlaß zu der Annahme, daß der Kaiser die angebotene Demission des gesamten StaatSmtnisteriums nicht angenommen hat, daß vielmehr die Stellung des Ministeriums sowohl, wie insbesondere die des Ministers von Miquel un- erschüttert ist. * Der häufig offiziös bediente „Hamburger Korr." schreibt: Wenn immer wieder verlangt wird, die deutsche Regierung möge Dokumente ver öffentlichen, die die Schuld von Dreysus beweisen sollen, so ist daraus zu erwidern, daß Dokumente dieser Art schon aus dem Grunde nicht vorhanden sind, weil Deutschland eben mit Dreyfus me und nirgends etwas zu thun gehabt hat. * Königsberg i. Pr., 23. Aug. Unter dem Ver dacht der Spionage ist am Montag in Pillau ein Franzose Namens Müller aus Paris verhaftet worden. * Den Bau des Mittellandkanals aus Reichs kosten schlägt der „Vorwärts' vor Nachdem der preußisch.' Landtag den Bau des Kanals abgelehnt habe, bleibe zu seiner Verwirklichung immer noch der Weg der Reichsgesetzgebung offen, und zwar auf Grund der Versassungsbestimm.ung. * Das Beiblatt des „Vorwärts" wurde gestern konfisziert, angeblich wegen Majestätsbeleidigung. * Die Vorgänge in Graslitz haben in ganz Oesterreich eine ungeheuere Aufregung hervcrgerufen, denn sie zeigen deutlich, wie weit bereits die Er bitterung gediehen. Ganz richtig sagt die „N. Fr. Pr.": „Die Regierung scheint noch immer keine richtige Vorstellung von dem Gemütszustände der Deutschen, insbesondere der Deutschen in Böhmen zu haben, denn die bisher ausschließlich angewen deten Mittel: Maßregelung, Polizei und Gen darmerie hätten nur dann einen Sinn, wenn darans zu rechnen wäre, daß die Bevölkerung sich dadurch werde abschrecken oder durch die Länge der Zeit werde ermüden lassen. Die Erfahrung lehrt aber das Gegenteil. * Prozeß Dreyfus. Labvri wohnte auch vor gestern wieder der Verhandlung des Kriegsgerichts bei. Der erste Zeuge ist der Generalkontrolleur der Armee, Le Roy. Er bekundet, Dreyfus' indiskrete Haltung habe sich sehr von der schweigsamen seiner Kameraden unterschieden. - - Kommandant Der- vieu sagt aus, Dreyfus habe stets besser unterrich tet sein wollen als die anderen Offiziere. - Ka- pttän Duchateler erzählt, Dreysus habe ihn am Ende ver Manöver im Juli 1894 einmal über die Post mappen des Generals de Boisdefsre, sowie über die fremden MilitärattacheeS ausgesragt. Zeuge erzählt weiter, daß Dreyfu» Beziehungen zu Damen der Halbwelt gehabt und dem Spiele gehuldigt habe. - Dreysus bemerkt, daß vom Zeugen an- geführte Gespräch habe nicht im Juli, sondern im «rfchiiut täglich Rachmitläqs, außer an Sonn- u. Feiertagen. — Preis pro Monat frei ins hau» LV Pfg-, auswärts 25 Psg. — Mil der Sonntagsbeilage: „Der Zcitspicgcl" 5 Pfg. mehr. — Bei der Post abgcholt pro Vierteljahr 1 Mk. — Durch den Briefträger 1.40 Mark. Inserate die einspaltige Petitzeile 10 Pfa-, amtliche Inserate die Corpus Zeile 25 Psg-, Reklamen pro Zeile 20 Pfg. Bei 4 maliger Ausnahme M/o Rabatt. — Bei größeren Inseraten u. mehrmaliger Ausnahme wird entsprechend höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten und Landbriesträger nehmen Bestellungen an. V e P «r i s t e » 8 Berlin, 23. August. Das Gerückt, daß der Chef des Generalstabes der Armee, General der Kavallerie und Generaladjutant Graf von Schlieffen, nach den diesjährigen großen Herbstmanövern aus seiner Stellung, die er seit dem 7. Februar 1891 inne hat, scheiden und a>s Nachfolger den kommandierenden General des Gardekorps, General der Infanterie von Bock und Polach erhalten dürfte, wird in maß gebenden Kreisen als zutreffend bezeichnet. 8 Die „Akademischen Blätter" teilen mit, daß dec „Verein Deutscher Studenten" die Errichtung einer Bismarcksäule auf dem Kyffhäuser beschlossen habe. 8 Berlin, 24. August. Der Koch Thornicker ist der Staatsanwaltschaft vorgeführt worden wegen des Verdachts, den Mord an der Witwe Fielitz in Alt- Buchhorst begangen zu haben. 8 Zeulenroda, 23. August. In Triebes vernich- tete gestern ein Feuer, das in einer Scheune auS- brach, acht Wohnhäuser mit Nebengebäuden. Auch der Gasthof zum Löwen wurde vom Brande betroffen. 8 Breslau, 24. August. In Miottek im Kreise Lubiinitz geriet der betrunkene Arbeiter Kubitza mit seinem 70jährigen Valer in Streit. Der Sohn schlug seinem Vater derart auf den Kops, daß der Tod so fort eintrat. 8 Münzen. 22. August. Gestern Abend wurde hier eine Proteflveisammlung gegen die Sport ausstellung abgehalten. Die Versammlung war von 90 Münchener Firmen besucht, denen sich 41 auswärtige anschlossen; die sämtlich ihre Unzufrieden heit kundgaben. Es wurde u. - a. behauptet, cs seien 43 Firmen prämiiert worden, die im Aus stellungskatalog gar nicht zu finden sind; zwei, die überhaupt nicht ausgestellt haben, sollen die goldene Medaille erhalten haben. > ß Seltene Ehrlichkeit. Zu einem Kaufmann in Fischhausen kam jüngst ein Bettler um abgelegte Sachen. Da er ein früherer Kaufmann zu sein vorgab, so wurde er vom Kopf bis zu Fuß einge kleidet. Wer beschreibt nun das Erstaunen des Ge bers , als in der Frühe des folgenden Tages der Beschenkte wiederkehrt und SO Mark in Papier mit der Erklärung überreicht, daß er diesen Betrag im Rockfutter gefunden habe. Der Kaufmann hatte den Betrag vermißt und war d:r Meinung, er habe das Geld, als er den Rock anhatte, verloren. Der ehrliche Mensch erhielt 10 iark Belohnung unv außerdem sofort eine Anstellung im Geschäft des Kaufmanns. 8 Der letzte noch lebende Freiheilskämpfer ist der zu Wolgast in Pommern lebende, am 11. Fe bruar 1795 geborene Rentier August Schmidt. Er ist gegenwärtig 104 Jahre alt und wenn er, was bei seiner körperlichen Frische recht wohl er wartet werden kann, noch im nächsten Jahre am Leben ist, kann er sich rühmen, in drei Jahrhunder- ten gelebt zu haben. 8 Wien, 23. Aug. Abgeordneter Wolf hatte für heute und die nächsten Tage Versammlungen in Ostböhmen in seinem Wahlbezirke einberusen, welche untersagt wurden. Der Recurs an die Ltatthalterei wurde ebenfalls abgewtesen. Ebenso wurde Wols's öffentliches Auftreten bei dem All deutschen Verbandstage in Hamburg untersagt. ß Wien, 23. August. Der sozialdemokratische Schriftsteller und Agitator Karl Wiesenthal aus Leipzig, der sich kürzlich in Karlsbad aufhielt, ist, weil er sozialdemokratische Vorträge gehalten hat, aus ganz Oesterreich ausgewiesen worden. A Innsbruck, 23. August. Der Herausgeber des Witzblattes „Der Scherrer", der wegen Verbrennung eines Hirtenbriefes des Bischofs von Brtxen angeklagt war, wurde von den Geschworenen freigesprochen. 8 Prag, 23. August. Von den bei den Straßen, unruhen in Graslitz Verwundeten starb neuerlich einer, im ganzen sind es daher fünf Tote; außerdem liegen noch sechs Schwerverwundrte darnieder. In Falkenau wurden die nach Graslitz durchziehenden Truppen mit Abzugrusen und der „Wacht am Rhein" begrüßt. — A««rth«1 Zeitttieg erscheint jetzt täglich, l o st e t pP» rNsirot nur SO Pfennige. Auerlhüt -Geltung. En ge blatt für die Gta-t Aue und Umgebung