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Billigste Tageszeitung im Erzgebirge IS. Jahrgang Nr. 148 Dienstag, den 5. September 1899 -r! '1 1 Halskragen von Fevern, I Paar neue Pantoffeln, 1 Spazierstock, kannt sind, von der Sicherheitspolizei Haussuchun gen vorgenommen, die mit Lein Komplott gegen die Sicherheit des Staates i.l Verbindung stehen und, wie es heißt, zu der Verhaftung des Leiters einer großen Vereinigung in der Provinz führen würden. Auch in Rennes wurden heute früh bei dem Sekretär der Antisemillniiga und bei einem Kaffeehausbesitzer Haussuchungen vorgenommen. Zahlreiche Papiere wurden beschlagnahmt. Verantwortlicher Redakteur: Gruft Aiurk«, Aue (Erzgebirge.! Redaktion u. Expedition: «ne, Marktstraße. * P-ozeß Dreyfus. Am Freitag wurde zunächst eine Anzahl Zeugnisse der Behörden des Heimats ortes des Herrn Du Breuil (des Zeugen, der Drey- sus mit einem fremden Attaches bei Maoame Bod- son gesehen haben will) verlesen. Die Zeugnisse lauten höchst ehrenhaft. Du Breuil bittet, den An geklagten zu fragen, in welcher Epoche seine Ver bindung mit Madame Bodson abgebrochen sei. Dreyfus erwidert, er glaube, daß er Madame Bodson 1887 nicht mehr gesehen habe; sicher aber nicht mehr. 1889. Zeuge Du Breuil bekundet, er könne zwei Personen-bÄbringen, die imstande seien, Bestimmtes über die Verbindung Dreyfus' mit Frau Bodson auszusagen; es seien 2 ehemalige Kammerdiener. (Gelächter). Zeuge verliest den Brief eines dieser ehemaligen Diener, in dem es heißt, Dreysus sei noch 1887 in das Haus Bodsons gekommen, und zwar hauptsächlich nachmittags, wenn Herr Bodson abwesend war. (Ironisches Gelächter) Dreysus bezeichnet es als unwürdig, daß Herr Du Breuil diese persönlichen Beziehungen hier erörtere. Er erkläre nochmals, daß er niemals mit einem fremden Militärattaches diniert habe. — Stallmeister Germain will Dreysus bei den deut schen Manöoern in Mühlhausen gesehen haben. Er erzählt, er sei eines Morgens um 5 Uhr von dem Reitstallbesitzer Kullmann beauftragt worden, zioei fremde Herren mit Pferden vom Bahnhof abzuholen. Einer der Herren sei dann aus den deutschen General jenseits eines Grabens zugeritten und habe diesen begrüßt. Später habe er den Fremden im Bois getroffen und jetzt in der Uni form eines französischen Artillerieoffiziers. Vom Hauptmann d'Jnsreville habe er erfahren, daß der Offizier Dreyfus heiße. Dreyfus erklärt, vor der Einführung des Paßzwanges fei er jedes Jahr in seiner Vaterstadt Mühlhausen gewesen; er habe auch Pferde gemietet: aber er habe nie amtlich oder nichtamtlich einer deutschen Feldübung beigewohnt. — Hauptmann d'Jnsreville >agt aus, er fei öfters mit Germain ins Bois geritten. ,Aus nnem dieser Ritte habe Germain ihm von einem Fremden, der in Mühlhausen nach dem Manöverselde geritten sei, erzählt und sein Erstaunen ausgedrückt, daß er diesen dann in Paris in der Uniform eines Artille rieoffiziers wiedergefehen habe. Den Namen Drey sus habe er, Zeuge, dem Germain nicht genannt und auch nicht nennen können, denn er habe Dreysus vor 1894 gar nicht gekannt. Germains Gedächtnis müsse unzuverlässig sein. — Präsident Jouaust fragt den Zeugen Germain, ob er wisse, wer ihm den Namen Dreysus genannt habe. Zeuge Germain erwidert, er sei der Meinung, Haupmann d'Jnfre- ville sei es gewesen, aber er könne sich ja irren. Gefragt, ob er in dem Angeklagten den Fremden wiedererkenne, den er zum Manöver begleitet habe, antwortet Germain (Dreysus betrachtend): „Er war damals gesunder, es sind aber dieselben Züge." — Dreyfus wiederholt seine obige Aussage. Reit- inftitutSbesttzer Kullmann aus Mühlhausen bezeichnet die Aussage Germains von dem Abholen Dreysus' vom Bahnhose und dessen Ritt in das Manöver als völlig unwahr. Er stelle dieser Behauptung das formellste Dementi entgegen. Er habe niemals 8 Zwistigkeiten zwischen Militär und Bürgerschaft haben die Polizeioerwaltung zu Neustadt in Ober, schlesien zu folgender Bekanntmachung veranlaßt: „In letzter Zeit haben mehrfach Zwistigkeiten zwischen Kanonieren der hiesigen Garnison und Civtlpersonen stattgefunden, welche geeignet sind, zu einem ge- spannten, unfriedltchen Verhältnisse zwischen Mtlitä, 13 Gel d stü 1 Schmiege, 1 Meffinghahn, 1 Broche, 1 Taschenmesser, 1 Tabakpfeife, 1 Guminimaiitel-Pelleriiie, 1 Hammer. Aue, den 24. August 1899. für Dreyfus Pferde an den Bahnhof geschickt und ihm niemals Pferde vermietet. Dreyfus habe er gekannt, weil man seine Familie in Mühlhausen kenne. — Zeugs Hauptmann Lemonnier bekundet, es sei am 1. August 1894 gewesen, als in dem Bureau von den Grenztruppen gesprochen und erörtert worden sei, was am Tage nach der Kriegs erklärung zu geschehen habe. Dreyfus habe aus der Karte des Grenzgebietes eine Position zwischen Mühlhausen und Belfort beiAltkirch gezeigt, welche, wie er meinte, geeignet sei, die Deutschen auszuhalten. Er kenne die Position, weil er eines Tages dem deutschen Manöver zu Pferde gefolgt sei. Sämtliche Offiziere seien sehr darüber erstaunt gewesen, daß ein französischer Offizier ungehindert habe deutschen Manövern folgen können. Er, Zeuge, wiederhole, er habe Dreyfus sagen hören: „Ich bin deutschen Feldübungen zu Pferde gefolgt. Wenn Dreyfus das bestreitet, sagt er nicht die Wahrheit I Gefragt, wann dies Manöver stattgefunden habe, erwidert Zeuge, das wisse er nll.it. Dreyfus bleibt wiederum dabei, daß er niemals einem Manöver beigewohnt habe. Er kenne die Gegend von Mühlhausen gut und habe deshalb mit Hauptmann Lemonnier von der Position bei Altkirch sprechen können — Der nächste Zeuge ist Herr Villon, derselbe, der im Zentralhotel in Berlin das Gespräch zweier preußi scher Generalstabsoffiziere gehört haben will. Er erzählt, er sei 1894 im Speisesaal des Zentralhotels gewesen, in einem Nebensaale hätten zwei deutsche Generale gesessen, welche ihn jedoch nicht sahen. Beide Offiziere hätten in französischer Sprache über die französische Armee gesprochen, und zwar von der hydraulischen Bremse und anderen artilleristischen Fragen. Der eine der Offiziere habe gesagt: „Es ist doch ekelhaft, einen französischen Generalstabsof fizier sein Vaterland verraten zu sehen." Der andere habe daraus erwidert^ „Wir haben den Vorteil davon; Du weißt, daß wir in den nächsten Tagen den Mobilmachungsplan von Dreyfus erwarten." (Schallendes Gelächrer.) Villon bemerkt, ganz rot im Gesicht: „Ich gebe mein Ehrenwort, daß ich dies im Zentralhotel gehört habe!" — General Sebert führt aus, das Bordereau könne nicht von einem Artilleristen geschrieben fein. Dafür habe er verschiedene Beweise. „Ich bin", so schließt Zeuge, „absolut überzeugt von der Unschuld Dreysus'. Ich bin glücklich, zu seiner Rehabilitierung beitragen zu können. Ich bin voll Vertrauen, daß hier ferner von allen Leidenschaften der begangene Irrtum wieder gut gemacht wird. — Zeuge Hauptmann Ducros kennt Dreysus von Beginnseiner Offiziers- laufbahn an. Er bekundet, Dreyfus habe nie in- diskrete Fragen gestellt. — Zeuge Hauptmann Harrmann will über die ihm vom General Chamoin vorgelegten artilleristischen Dokumente des geheimen Dossiers sprechen, was ihm jedoch vom Präsidenten verweigert wird. Zeuge bittet alsdann, heute wieder zeitweilig die Oeffentlichkeit auszuschließen. Des weiteren heginnt er nachzuweisen, daß das Borde reau nicht von einem Artilleristen geschrieben sein könnte. — Die Vernehmung des Zeugen Hart mann wird Sonnabend fortgesetzt. Erscheint ' täglich Nachmittags, außer an Sonn- u. Feiertagen. — Preis pro Monat frei ins Hau« 20 Psg-, auswärts 25 Psg. — Mit der Sonntagsbeilage: „Der Zeitspiegel" 5 Pfg. mehr. — Bei der Post abgeholt pro Vierteljahr 1 Mk. — Durch den Briefträger 1.40 Mark. De* U«»th dev Rathsassessor Taube. Herm. Air» «rlle* wett. * Berlin, 1. Septr Die „Berliner Korrespon denz" teilt mit, daß die Slaatsregierung eine An- zaht politischer Verwaltungsbeamten mit Warlegeid in den einstweiligen Ruhestand versetzt habe, weil - st« Unter den gegenwärtigen Verhältnissen den hohen Anforderungen nicht ausreichend entsprächen, die im Interesse des Dienstes und in Anbetracht ihrer Verantwortlichkeit zu erheben seien. * Das Verfahren gegen den „Vorwärts" wegen MajestätSbeleidigung ist wieder eingestellt worden. ' Gras Limberg-Stirum, der Führer der Kon servativen im preußischen Abgeordnetenhause, ist von der Hofliste gestrichen worden. * Der. Erlaß im „Reichsanzeiger" scheint that- sächlich doch nur ein Vorbote aus eine erfolgte Disziplinierung der Beamten zu sein, die gegen die Kanalvorlage gestimmt haben. * London, 2. September. Es verlautet, daß Unruhen im Hinterlande von Kiautschau ausgebro chen seien und ein Kamps stattgefunden yabe, wo bei 6 Chinesen getöret worden seien. Der deutsche Gesandte in Peking habe ein Ultimatum an die chinesische Regierung gerichtet, worin er die Aus rechterhaltung der Ordnung und die Sicherheit des Lebens und Eigentums fordere, andernfalls würde Deutschland Schritte zum Schutz seiner Interessen , ergreifen. * Die Manöver in Nordböhmen dürften bei uns besonderes militärisches Interesse erregen. Die Uebungen finden in jener Gegend Nordböhmens statt, in welche im Jahre 1866 die preußische Elb- armee und die Armee des Prinzen Friedrich Karl über das Lausitzer Gebirge eindrangen. Auch den gegenwärtigen Manövern liegt die Idee eines sol chen Einbruches zu Grunde. * Wien, 1. Sept. Der Militärattaches Oberst Schneider erhält Urlaub aus unbestimmte Zeit und kehrt nicht mehr nach Paris zurück. * Zanzibar, 1. Sept. Der englische Kreuzer „Philomena" und das Kanonenboot „Widgeon,, sind nach der Delagoa-Bay avgegangen. * Die Meldung, der Herzog von Organs sei mit .seiner Jacht an der Nordküste Frankreichs an gekommen und halte sich irgendwo in Frankreich oder sogar in Paris aus, scheint von der Regierung ernst genommen zu werden; sie hat den Unterprä- festen von Brest mit einer Untersuchung beauftragt. * Ueber dem Fort Guerin und seiner Umgebung lagert völlige Stille. Man kündigt jetzt einen An- sturm durch die Wasserleitung und Feuerspritzen für eine der nächsten Nächte an. Einem Gerücht; zu- folg« hat das ganze Narrenspiel einen sehr ernsten Hintergrund. Es soll sich in diese», Hause auch der des Landes verwiesene Herzog von Orleans be- finden. Jedenfalls steckt noch eine Ueberraschung hinter den Mauern. * Parts, 1. Sept. Heute früh wurden hier bei verschiedenen Personen, deren Namen noch nicht be Aue, Fundsachen Bei uns sind die nachverzeichneten Gegeustäude als gefunden abgegeben ! wokben und liegen zur Abholung bereit: 17 Geldtäschchen, 1 eiserne Schublehre, 1 Taschenuhr, 1 goldener Ring, Inserat« die einspaltige Petitzeile tv Pf-., amtliche Inserate die CorpuS-Zeile 2K Psg., Reklamen pro Zeile 2V Psg. Bei 4 maliger Aufnahme Rabatt. — Bei größeren Inseraten «. mehrmaliger Aufnahme wird entsprechend höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten und Landbriesträger nehmenBestellungenan. Aumyal -Zeitung. Tageblatt für die Stadt Aue and Umgedrurg Airavthsdl- Zeitung erscheint jetzt täglich, k ofst e t H-PS rttsiriht nur S4d Pfennige.