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Donnerstag, !5. November 1WK. Ar. t»4. Erster Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge r ii.nrorili.pc-. Kcd.isleur' ( riy 'I: '! '' e! > F-ir > ic ^>il,i.ne ecr.viM'eiiHU' 'l r I !> » r 1t >i e 1 >' r. !>ci^e in 'Ine in'tt d?r wöcl?ont!lcbdn Iluterbaliung^beilagd: ^clliftriortes r?O)iiitrcg-5blatt. ^xicchsliinöc >Vr Kcö.islieu IIÜI Viisuabme öcr ^en>N,i.ic Iiachi»iiia.i5 I'.'I I — ', !I!>r. e.c!cgl.'.im>! ^Ikircssei T>igc!i>ui :'n>'. — z'c'iüiprc i l I .für nin'ciluiial .iiizes.iiidle 'N.iiiiiskriple k.iiin c.ycn>>ibr ivchl .iiicislcl werden. IKnct :i>e t'erln.r G < !> r n d e i Bent!> ii e r iFnI>.: st.inl VenNnieri in dlne r'e^ n 7 - I eis: Dir.!, liniere V.-Ien Irei i IS ic. ns Iiionolli.h 5» stfz. Vei der Geschäüssleüe .i!nie!>oll nien>il!i,b «I st)., und wl.tu'nilud III z'üz. Vri der bci'ce!» nnd segisc nbnclwit eieiteljölirlich 1 ',<> !Nr - Durch .' ii ^-.iesträger frei in- !'i> ; ' e.icljiikrlich i.ne !Nk Einzelne Niiiiinicr io Pfg. — Deutscher töestzeivmgs- Nit.ilon ^r-chei tt lä.gic!, in den !Niü lassninden. niil 'lu-nahnie von Soun und ,>seiert>i>i.c>i. Annnl nio von Anzeigen bis höleflens <>'.., tlbr vormillngs ,Hir A. i uchme een rrSiieren Anzeigen an beslimmlen Strlion kann nur i>nnn gedingt inerden, wenn ne nm Lage vorder lui uns eingedeu Fnseriionspreis: Dio siedengeh-ütene Aorpuszoilo oder deren Aanni i<> zifa., Aeklanirn 2'> Pin Vei gr»s,eren Aniiragcn entsprechender Anbau. Lr'.s;;rtt?cv <» Ssit-rrr Das ä6iihti-',ste iwra Tage. Der Kaiser ist gestern in Donaueschingen einge- trossen, die Kaiserin in Baden-Baden. - In der gestrigen 'N e i ch s t a g s s i tz u n g dezeichnete aus die Interpellation Basser in an hin der Reichs kanzler die gegenwärtige Lage der a u s w ü r t i g e n P o l i - tik als durchaus b e s r i e d i g e n d. * * Der ö st e r r e i ch - u n g n r i s ch e M i n i st e r des Neuster» Frhr. von A ehre n t Hal ist gestern in Berlin einge lros s r n. Der Präsident von 'Venezuela, Castro, soll un- verdürgter Meldung zujolge, ge stör den sein. Die serbische 'N »leihe ist von einer G r uppe sr a n - zösischer Banken und einer sranzösisch-schweizcrischen Bant fest übernommen worden. Prandeni Roosevelt in gestern an Bord des schlacht ichi-'ec Bruinaua io Columb e iug e i ro i se u. Die Do mla i'i io! v o u Po sen und Ui uesen richteten ,.,r dra Zl aiii r d e Bille um W ie d er eiu! ü hrn ng de s > e ' n > > chen :>! eligi ous u u i e er i >l> I es.* Die ,-!eu t r nuisat ii o n lureitet eiu,n '.'In trag vor. der im Bundesrat und Reichstag größeren Ciniinn auf lac aitswariigi Politil sichern sotl. Dir österreichische B er las sun g sa usseb un bat eguerii die tstisepesoerlage iid.r Abänderungeu des die *imnii!nitäl belresseudeu rs !c! des Siaalsgeundgeiepes gemäst ter Faisung des Snbscnuiiecs a u» en omiuen. * Näheres liehe unten. Aus in den Kampf . ! Li Vorüber ist die parlamenlsloje, die schreckliche Zeit! des Reiches Boten sanden sich in der Reichshauptstadt zusammen, um zu Rutz und Frommen des deutschen Volkes ihre gesetzgeberischen Fähigkeiten zu betätigen. Es wird aber diesmal nicht eine Kampagne im üblichen Sinn des Wortes werden, sondern ein wirklicher Kamps, ein Kamps zwischen der Regie rung und der Volksvertretung. Die Nervosität, die heute ihren Höhepunkt erreicht, wenn nicht überschritten haben dürfte, wird sich mit elementarer Wucht Lust machen, und wir glauben sehr, dast des Reiches verantwortlicher Lenker ein gehei mes Grauen spürt. Es ist da unendlich viel auszutragen zwischen ihm und der Volksvertretung, und wenn die Affäre Pod- bielski auch glücklich der (beschichte angehörl, der Disferenz- punkte gibt es noch mehr als genug, obwohl ja das Programm des Reichstags in diesem Abschnitt nicht sonderlich reich an gra sten Punkten sein dürste. Da haben wir vor allem einmal die gegenwärtige Teue rung. Es herrscht nicht nur eine Flrischnot in den deutschen Lau den, die mastlose Erhöhung der Flcischpreise hat auch die Preise der übrigen Lebensmittel Hinausgetriebe», und man must, auch wenn man nicht zu des Reiches und seiner Regierung allergetreuester Opposition gehört, heute leider von einer U n - t e r ernährung bei dem weitaus grössten Teil des deutschen Vol kes sprechen. Diese Frage wird angeschnitten werden, sobald sich dazu Gelegenheit bietet, und wir glauben nicht, dast Fürst Bü low viel Vergnügen an den Debatten über diesen kihlichcn Punkt erleben dürste. Seine Politik ist es doch, die hier in schädigen der Weise auf die Lebenshaltung des deutsches Volkes eingewirkt hat, und wenn er auch schliesslich bei der Fnaugurierung dieser Politik nur der Geschobene war. er ist verantwortl ich, und er wird die Suppe auslösseln müssen, zu der er wenig Appetit haben dürfte. Was wird der Kanzler anworien, wenn man ihn nach diesen unangenehmen Dingen frägt? Wo wird er die Freunde finden, die ihm den Rücken decken? Bis hinein ins agrarische Lager geht heute die Unzufrieden heil mit unserer inneren Politik. Sogar die ehrlichen Funker müssen zugestehcn, dast wir der Auspowerung und Aus hungerung des Volkes entgegcntreiben, und wenn sie den Kanz ler noch stützen, so werden sie den Ueberwiuder ihres Freundes Podbielsti kaum unter ihre juchtenen Fittiche nehmen. Das ist der zweite Punkt der Tagesordnung: der Kamps der äustersteu Rechten gegen die Widersacher des preustischen Landwirtschafts ministers. Zwar klingt es seit einigen Tagen aus den Organen, die de» Ueberagrariern nahestehe», ziemlich angenehm, wenn vom Kanzler dre Rede ist, aber Fürst Bülow dürste seine Pap penheimer kennen — sie werden mit aller Macht vorstosten, so bald sich die Gelegenheit dazu bietet. Fürst Bülow hat sich gegen den Träger der überagrarischen Ideen versündigt und das wird er bitterbüsten müssen. Schauen wir uns einmal im Kreise der Parteien um, seheu wir zu, wie sie sich dem Kanzler gegen über stellen werden. Dast die S o z i a l d e m o k r a t e n mit aller Wut und Wucht gegen den Kanzler verstosten werden, bedars nicht der Er wähnung. Aber auch in liberalen und in Zent ru ms- kreisen wird man harte Worte finden gegen die innere und die ändere Politik, und nichts wird dem Fürsten erspart bleiben. Das Zentrum wird einen mächtigen Vorstost wegen der Po len- politikder preustischen Regierung auch im deutschen Reichstag inszenieren. Und dann kommt die agrarische Fronde, die dem Kanzler ebeuscstls keine Schmeicheleien sagen wird, zu mal wenn er sich etwa unter dem Zwang der Not dazu verstände, Konzessionen inbezug aus die Vieheinsuhr zu machen. Kurz, der Kanzler hat einen harten Stand, denn man ist in allen Lagern nervös geworden, man ist in allen Lagern nnzusrieden mit der gegenwärtigen Politik im Innern und im Acustern. Die Ver drossenheit, die sich schon lange bemerkbar machte, ist zum Hellen Aerger geworden, der unbedingt zu einer Krisis treibt. Und das Schlimme an der Sache ist: der Reichstag wiro Zeit und Gelegenheit zur Genüge haben, diese Dinge br c i t zu schlagen. Graste Gesetzeutwürsc stehen nicht zur Beratung, sondern nur kleinere, zum Teil schon besprochene. Da wird man dem Etat eine Sorgfalt widmen, dast dem Kanzler in Gedanken daran schon heute angst und bange werden möchte. Beim Ge setzentwurf betr. den V a n h a n d w c r k e r j ch u tz werden die gegensätzlichen Weltanschauungen mit aller Macht auseinander platzen, und die Regierung steht mitten dazwischen. Die Hast- pslichl des Tierhalters, Vogelschutz, Hilsstas - sen wer glaubt denn, dast der Reichstag über diese Kleinig keiten die innere Krise vergessen könnte? Und dann ist wieder der Handelsvertrag mit den Vereinigten Staaten zu diskutieren, da das Provisorium abläust. Dann ist der Gesetzentwurf betr. die Kontingentierung der landwirtschaftlichen Brennereien zu beraten — wird da nicht Rechts und Links wieder in alter Schärfe ausein- anderplatzen? Und die Regierung steht mitten dazwischen! Es kommt eine böse Zeit, eine Krisenzeit s ii r den Fiirsten Bülow! Und dabei haben wir noch gar nicht daran erinnert, was in der auswärtigen Politik des deutschen Reiches alles krumm gegangen ist! Die Beratung des Etats des Aus wärtigen Amtes wird sich sehr interessant gestalten, aber auch Vor hmiveti fuhren. Novellette von E. o. Arnim. (Nachdruck verboten.) Fn dem Estsaale des alten Herrscherhauses von Barkwitz war eine frohe, lärmende Gesellschaft versammelt. Die Kerzen der Kronleuchter beschienen erhitzte Gesichter, der Champagner verltc in den Gläsern und ausgeregt und laut tlangen die Stim men der Gäste durcheinander. Droben am Tische säst der alte Herr von Barkwitz, noch stattlich und ungebeugt, und seine dunklen Äugen blitzten noch in demselben Feuer wie einst, da er als junger Ossizier im Heer des grosten Königs stand und die Schlachten des siebenjährigen Krieges mitsoclst. Fhn: zur Rech ten säst die noch immer hübsche Gattin uno ihm gegenüber die blühende Tochter, Fulie von Barkwitz. Sie war ein schönes Mädchen mit weichem, blondem Haar. Neben ihr säst ihr Verlobter, Ferdinand von W n l t e n t i n, ein hüb scher, schlanker Ossizier in der Uniform des Regiments Gendar mes. Mit einer ganzen Schar seiner Freunde war er heur mittag eingetrossen, galt es doch Abschied von Braut und Pslege eltern zu nehmen, denn endlich, nach vielem Zaudern und Za gen, ging cs nun sort in den Krieg, gegen 'Napoleon. Fulie lehnte ihr Haupt au die Schulter des Verlobten. „Richt dec Papa allein, auch du wirst künftig von deinen Kriegstaten er zählen," sagte sie. „Ach, Ferdinand, ich wollte, ich könnte dich begleiten! Dast doch wir Frauen untätig zu Hause sitzen müssen." Fhrc Worte riefen bei den jungen Ojjizieren, deren Köpse bereits von Wein und Kricgslust glühten, lauten Veisall hervor. Drüben aber, vom untersten Ende der Tafel, schauten zwei groste, dunkle Hcrbstabend breitete sich über Garten und Park. Ein Sibylle von Hallek war cs, eine arme Waise, die im Hause des reiche» Onkels das Gnadenbrot ast. Wie konnte man nur solche jrevelhasten Worte sprechen! Ihr schien der Krieg schrecklich, und der Vetter, den sie heimlich so glühend verehrte und bewunderte, der zog nun fort in Ecsahr und Kamps. Sie presste die kleinen, weißen Hände zusammen. Ach, Sieg oder nicht, wenn Golt nur ihn schützte, ihn wieder sicher heimgelcitcte. Draußen ertönte ein Hornjignal, das Zeichen siir oie Her ren, daß es Zeit sei, auszubrcchen. Zum letzten Male süllte man die Gläser und der Hausherr hielt eine zündende Rede. „Fhr werdet ihn züchtigen, den übermütigen Eroberer, vor Fried richs Fahnen wird seine Unbesiegbarkeit schnell verfliegen!" ries er. Unter dem lauten Fubel, der seinen Worten folgte, war das Brautpaar leise hiuausgeschlüpjt, eine Minute ungestörten Beisammenseins zu geniesten, vor der langen Trennung. Der dunkle Hcrbabend breitete sich über Garten und Park. Ein leises Frösteln, ein Gesiihl von dem Ernste des Augenblicks über kam nun doch die beiden Uebermütigen. Oh, wenn es sich nur zeigte, das 'Regiment Gendarmcs, dann würden sie davonlaujen, diese Franzosen, diese 'Narren! So dachte Ferdinand. Rasch schüttelte er das Zagen, oas ihn beschleichen wollte, ab und um armte zärtlich die Geliebte. „Als Sieger siehst du mich wieder!" Fulie wischte sich energisch die Träne sort, die nch ihr in's Auge gedrängt halte. „Fch zweisle ja nicht, mein Geliebter, dast du mir als Sieger wiederkehren wirst, des Vaterlandes Ruhm ist unser Ruhm! Lebe denn wohl, lebe wohl, meine Gedanken, meine Gebete werden mit dir und seinen Siegen sein!" Sie hielten sich innig umschlungen. Lärm und Pscrdegetrappel wurde nun laut, und das rötliche Licht von Fackeln erhellte den dunklen Garten. Man brach aus. Herr von Barkwitz trat zu dem jungen Paare. „Trennt Euch, meine Kinder, trennt Euch siir heute," sagte er. „Und keine Träne, Fulie, du bist ein Sol- dalentind, sei stolz daraus, die Braut eines Helden zu sein." Noch einen Blick, noch ein Händedruck — und so schieden sie. Ferdinand schwang sich aus jein Pserd, die Schar seiner Ka meraden umgab ihn. „Vorwärts, vorwärts!" Die Pserde wieherten lustig, noch einmal wandte man sich griistend und winkend zurück, dann liest man den Lärm hinter sich, vorwärts ging cs, in die dunkle Nacht hinaus. An der Psorte, die aus dem Parke aus die Chaussee hinaussiihrte, scheute Ferdinands Pserd plötzlich vor etwas Hellem, das sich aus dem dunklen Ge büsch löste und aus ihn zukam. Es war Sibylle. Sie streckte ihm die Hand entgegen, in der sie eine blasse Rose hielt. „Du hast mir ja garnicht Lebewohl gesagt, Ferdinand!" ries sie kla gend. „Da, nimm zum Abschied diese Rose, es war die einzige, die ich finden konnte und ist nur eine weiße, aber die roten sind alle verblüht," und in einer unklaren Empfindung von Ab- schicdsschmerz sprang er zur Erde und schloß die kindliche Gestalt in seine Arme, dann schwang er sich wieder aus's Pferd und ritt den Kameraden nach, während sie, bitterlich weinend, in das feuchte Gras niedersank. » * » ilnd die Tage gingen hin. Der Herbststurm brauste über das Land und rist die letzten falben Blätter von den Bäumen. Die stolze Siegesstimmung war einer bangen 'Vorahnung von nahem Unheil gewichen. Auch über dem Schlosse von Barkwitz hing es wie eine dunkle Wolke. 'Nur Julie schien unbekümmert, sie nähte an ihrem Hochzeitskleide und eilte leichtfüßig wie immer durchs Haus. Der alte Marten, der Botengänger, brachte die erste Nachricht. „Eine groste Schlacht ist geschlagen!" erzählte er. „drunten i» Süddeutschland, Jena soll der Ort hcisten, und natürlich haben wir gesiegt!" Wie ein Lausseuer lies die Nach richt von Mund zu Mund. Der alte Herr von Barkwitz ließ seinen Schimmel satteln, mit jugendlichem Feuer schwang er sich hinaus, um nach der nahen Stadt zu reiten. „O, ich wusste cs ja!" rief er im Uebermaße seiner Freude. „Sobald ich Genaues weist, bringe ich euch Nachricht!" Er sprengte davon. Endlich, der Abend war längst herabgesunken, da hörte Juli« draußen Pserdehufe klappern, langsam, unendlich langsam nahte es, konnte das der Vater sein? Zitternd eilten die Frauen aus die Terrasse, da hielt der alte Mann, schwerfällig glitt er aus dem Sattel und schwankte die Stufen hinan, drinnen sank er auf einen Stuhl, ein gebrochener Mann. „Alles ist verloren!" mur melte er mit eintöniger Stimme. „Wir sind geschlagen, die Ar mee ist vernichtet, Preußen ist dahin!'! — „Und Ferdinand?" schrie Julie aus. „Ferdinand, Ferdinand!" Die Augen des Alten glühten in wildem Zorn. „Was frag ich nach ihm? Rnhmlose, unwürdige Söhne tapferer Väter! Wo mögen sie sein? Ge fangen, entflohen, was weiß ich? Das Vaterland beklag ich, nicht seine unwürdigen Söhne!" Julie sank schluchzend dem Vater zu Füßen. Sibylle aber rief: „Nein, nein, Ferdinand ist kein Un würdiger, er ist nicht gefangen oder entflohen! — ach wär er's doch — aber er ist tot, tot!" — * * * Za, er war tot! Mit vielen andern lag er, dahingestreckt aus dem Schlachtfelde von Jena. Er hatte den Untergang des Vaterlandes nicht überlebt und brauchte die Schande seines Re giments nicht zu teilen, der Kumpane so mancher srohen Stun den und übermütiger Scherze. Während sie, gefangen und ent waffnet, zu Fuß durch das Brandenburger Tor wieder einzogen, schlief er in seinem Grabe den langen Schlaf. In Barkwitz aber, wo die Frauen tiefe Trauer um ihn trugen und der alte Freiherr grollend und krank in seinem Zimmer saß, zog französische Einquartierung ein.