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und Anzeiger für das Erzgebirge veianlivo,Kicher Redakteur: Fritz Rrn hold. Für die Inserate verantwortlich: Arthur Rupfer, beide in Ane. mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion init Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—5 Uhr. — Telegramm-Adresse- Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrllder Beuthner (Inh.: Paul Beulhner) in Aue. Bezu gs preis: Durch unsere Boten srei ins Haus monatlich sn pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich -tv pfg. und wdchentlich >0 pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich 1.50 Mk. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich >.gr Mk. — Einzelne Nummer 10 Pfg — Deutscher Postzeitungs- katalog — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätesten; -y, Uhr vormittags. Für Ausnahme von gräßere» Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher bei uns eingehen. Tinsertionspreis: Die fiebengcspaltene Rorpuszeile oder deren Raum 10 pfg-, Reklamen 25 Pfg. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Viese Nuntiner ttnrfnszt Seiten Das Wichtigste vom Tage. Die Flcischu0I -Intc 1 vellati0 neu wurden gestern im Reichstage dnrch Staatssekretär Gras PosadowSky bcaniworlel. Demnach ivird alles l>cim Alten bleiben.* « Prinz Heinrich nahm die angcbolcnc Ehrenmit glied s cb a f t des englisch c n A n l v in abilklnbs an. * Monseigneur Moutaguini ist geiler» abend 7 Uhr 30 Minuten von Paris abgereist. Er wird bis zur italienischen Grenze von einer besonder e n R 0 in m issi 0 n begleitet. ch In vatikanischen Kreise» verlautet, der Herzog von Orleans werde del» Papst einen Besuch abslaltcn nnd ihm Ansklärn n g über die Situation in Frankreich geben. Die Errichtung e i u e s scl b st st ändige n K 0 l 0 nial - amte s mit einem Staatssekretär an der Spitze nnd einem ll n t e 1 st a a I s s e k r e l ä r ivird im neuen Etat gefordert. Ein P 0 r st v st gegen d a s p r e u st i s ch e V a nd t a g s - iv ahlr e ch t nürd von freisinniger Leite »»gekündigt. Näheres siehe unten. Marokko Wieder einmal hat sich der deutsche Reichstag mit der Auswärtigen Politik des Deutschen Reiches zu befassen gehabt, und wieder war es Marokko, über das man sich unterhielt, und zwar ziemlich leidenschaftlich unterhielt. Die Algeciras-Akte standen zur Diskussion, und wenn von Algeciras die Rede ist, dann sind wir immer schon ein wenig aufgeregt, weil wir es nicht vergessen können, das; man uns in der schönen spanischen Hasen stadt gründlich hineingelegt hat. Basser mann, der sich in der letzten Zeit immer mehr zum Schwarzseher zu entwickeln scheint, hat in unserer Marokko-Politik begreiflicher weise ein dickes Haar gesunden, und da er bei aller Konzilia»; nicht gewohnt ist, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen, hat er seinem Verbrich auch redlich Ausdruck gegeben. Herr v. Tschirschky antwortete, wie er bis jetzt noch immer geantwortet hat: kurz und bündig, aber ohne die Gemüter be ruhigen zu können. Es ist alles in Ordnung, und die Franzosen und Spanier tun ganz recht daran, wenn sic ihre Truppen in Ma rokko landen, und in dem Reiche seiner scherisischen Majestät die Ruhe und Ordnung wieder Herstellen. Man ist ja gewohnt, daß die Herrschaften, die für die Aus wärtige Politik des deutschen Reiches verantwortlich zeichnen, immer den Himmel voller Geigen hängen sehen. Nur wenn neue Flotten- oder Heeresforderungen im Hintergrund lauern, kommt Fürst Bülow, und malt uns ein Bild voller Schrecken und Grausen. Der Nachfolger des Freiherrn von Richthosen in der sogenannten Leitung der Auswärtigen Politik wird aber wohl an dem Schweigen des Hauses selber gemerkt haben, daß unsere Volksvertreter heute fürderartige Rosamalereien nicht mehr empfänglich sind. Und wenn er das noch nicht gemerkt hat, dann haben es ihm die Redner, die auf ihn solgten, deutlich genug ge sagt. Man ist heute unzufriedener als je mit der Aus wärtigen Politik des deutschen Reiches, und läßt das die Regie rung umso deutlicher fühlen, weil man sich ganz besonders dar über ärgert, dah der deutsche Reichstag nur die Gelder für die Auswärtige Politik bewilligen darf, Uber diese selbst aber nur höchst unzulänglich unterrichtet wird. Der Zentrumsabgeordnete Spahn hat wohl allen Parteien im Reichstag — die Konser vativen ausgenommen — aus dem Herzen gesprochen, als er sich darüber ganz besonders beschwerte. Freilich ist die Regierung aus diesen Vorwurf immer gleich mit der schönen, aber wenig überzeugenden Ausrede bei der Hand, daß die Geheimnisse der Diplomatie nicht ohne wesentliche Gefahr für den Weltfrieden preisgegeben werden dürfen. Dah diese Geheimnisse aber hinter her dann doch in der ganzen Oessentlichkcit breitgedroschen wer den, macht anscheinend nichts. Man kommt uns mit der Dro hung vor Verwickelungen, und da hat der Deutsche selbstverständ lich sein Mundwerk zu halten. Und nun wieder aus Marokko zurückzukommen: Es be steht gar kein Zweifel, daß die projektierte Invasion der Fran zosen und Spanier in Marokko keinen anderen Zweck verfolgt als den, das Kaiserreich de» Franzosen in ihre algerische Küche zu jagen. In der französischen Deputiertenkammer hat die Regie rung der Herren Cleine nceau und Pichon allerdings den gewohnten Eiertanz ausgeführt, und die Sache ist s 0 dargestellt, wie es ihr gerade patzte. Man sprach von den bedrohten europäi schen Interessen, von der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im marokkanischen Kaiserreich, und wie diese abgeleierten Phrasen alle heitzen mögen. Jan res, der den Regierenden lange nicht so serne stehen dürste, als man an nimmt, hat sich kein Blatt vor den Mund genommen, und von einer Abenteuerpolitik gesprochen, die Frankreich mit Spanien in Marokko treibt. Damit hat der französische Sozialist das richtige Wort gesprochen: es ist ein Abenteuer, in das sich Frankreich gestürzt hat, und das mit der Okkupierung des marok kanischen Reiches enden wird. Denn Frankreich hat den englischen Freund weiter hinter sich, und wenn man über die Bundesge- nossenschast der Spanier auch lachen kann, da die edlen Hidalgos in der Regel nur ein grotzes Maul haben, so sind sie doch als erstes Kanonenfutter gut zu gebrauchen. Wie das marokkanische Abenteuer ausgehen wird, das weitz man also, und wir brauchen uns wenigstens die Köpfe darüber nicht mehr zu zerbrechen. Die Frage ist nun natürlich die, was das deutsche Reich gegen diese offenbare Verletzung des Abkommens von Algeciras unternehmen wird. Und da hat der elsässische Demokrat Blu menthal das richtige Wort gesprochen, indem er der An- sich Ausdruck gab, dah Deutschland hier am besten schweigend zusehen und keinen Einspruch erheben soll, um sich nicht der Ke- fahr auszusetzen, sich einen neuen Echec zu holen. Es hat auch in der Tat gar keinen Zweck, über die Verletzung des Abkommens zu sprechen. Dah das Kaiserreich Marokko uns keinen Krieg wert ist, das ist schon wiederholt von berufenster Sette ver sichert worden. Wir haben in dem Land allerdings wirtschaft liche Interessen von ziemlich großer Bedeutung, und unsere In dustrie wird unter der Preisgabe dieser Interessen zu leiden haben. Aber das kann uns nicht veranlassen, uns in ein aus sichtsloses Abenteuer zu stürzen, zumal da Frankreich entschlossen ist, die Okkupation unter allen Umständen, und selbst um den Preis eines Krieges zu vollziehen. Die gegenwärtige sranzösische Regierung ist, wie man weiß, sehr ehrgeizig, Revancheideen gehen wieder gewaltig um, um jenseits der Vo gesen, und wir tun am besten, dem freundlichen Nachbar vorerst ganz sich selbst zu überlassen. Wenn der Kaiser von Ma rokko darüber enttäuscht sein sollte, so dürfen wir uns darum nicht kümmern, denn das Hemd ist uns näher als der Rock. Also gute Miene zum bösen Spiel. Politische Tagesschau. Aue, 12. Dezember lvOi>. Indiskretionen aus der Budgetkommission. Zk Aus welchem Wege die Enthüllungen des Abgeordneten Erzberger in der Budgetkommission Uber angebliche geheime Machenschaften zum Erwerb von Fernando-Po in die Oesfent- lichkeit gekommen sind, ist zur Stunde noch unausgeklärt, und die Wahrheit dürfte voraussichtlich überhaupt nicht an den Tag kommen. Das wäre im Grunde genommen auch herzlich gleichgültig, denn man weiß ja, daß der Inhalt geheimer Ver handlungen der Kommissionen doch stets früher oder später be kannt wird. Die Oeffentlichkeit hat natürlich ein Interesse da ran zu erfahren, was auch in den Kommissionen verhandelt wird, und so bürgerte sich der Gebrauch ein, daß die Parlamentsjour- ualistcn von einzelnenMitgliedern der betreffendeuKommissionen soweit informiert werden, als es angängig erscheint. Dabei wird die Grenze der Diskretion nicht immer streng eingehalten, und so werden oft Dinge publik, die man eigentlich geheim halten sollte. Da gibt es nur einen vernünftigen Ausweg: Die Kommissionen betrauen ausdrücklich eines ihrer Mitglieder mit der Mission, einen Bericht auszuarbeiten, der für die Presse bestimmt ist. So wird es in anderen Parlamenten gehalten, und wir können uns nicht erinnern, datz dort ähnliche Mißhelligkeiten vorgekommen wären. Es versteht sich vonselbst, datz von den Beratungen in den Kommissionen nur ein verhältnismäßig kleiner Teil für die Oessentlichkcit überhaupt interessant ist, und datz in den kleinen Sitzungszimmern viel gesprochen und verhandelt wird, worüber im Staats- und Parteiinteresse unbedingt ein dichter Schleier gedeckt werden mutz. Es gäbe beispielsweise nette Zustände, wenn vertrauliche Mitteilungen, die der Reichskanzler oder der Kriegsminister in den Kommissionen machen, an dteg roße Glocke gehängt würden! Bei der gegenwärtigen Praxis in der Publi kation von Kommissionsberichten könnte es indessen ganz gut einmal geschehen, daß auch eine streng diskrete Information von großer politischer Bedeutung ihren Weg in die Presse findet, ohne daß der betreffende Abgeordnete die Absicht hatte, eine In- diskretion zu begehen. Weihnacht in Liidwest. Novellistische Skizze von Ernst Kasch. (Nachdruck verboten.) Durch die öde, nur Sand und Gestein, hier und da spärlichen Gras- und verkrüppelten Vaumwuchs aufwcisende südwestasri- kanische Steppe, ritten langsam drei deutsche Reiter dahin. Heiß brannte di? Sonne vom wolkenlosen Himmel und cs war wahrlich kein Vergnügen, stundenlang in der Siedehitze dahinzureiten Die kleinen ausdauernden Ponys ließen die Ohren hängen: kein Wunder, schon in aller Frühe waren sie gesattelt worden, hatten eine tüchtige Tour hinter sich, ehe sic im Lager ausruhen dursten Anders ihre Reiter. Trotz des anstrengenden Patrouillcnrittcs waren sie munter und guter Dinge. Einer der Reiter, der allzeit lustige Paul Schenk aus Pirna versuchte bisweilen sogar ein fröhliches Soldatenlied anzustimmen; da er aber keine Unter stützung bei den Kameraden sand, schwieg er bald wieder. Aber guter Laune waren sie alle und das hatte einen Grund. War doch heute heiliger Abend, und welcher guter Deutsche ist am Vor abend des Wcihnachtssestes nicht in gehobener Stimmung? „Ob die Post wohl schon im Lager angekommen ist?" meinte Paul Schenk. „Du freust dich wohl schon aus die Liebesgaben, was?" antwortete der Patrouillensllhrer, der Unteroffizier Karl Sepke, „nun, ich mutz gestehen, Sehnsucht habe ich auch danach. Vor allem aber erwarte ich Nachricht, hoffentlich gute, von daheim." Mit verklärtem Ausdruck sahen die Hellen Blauaugen des statt lichen Jünglings in die Ferne, als winke ihm dort ein grotzes Glück. „Nur Geduld, Karl, sagte der dritte des Kleeblatts, der Gefreite Hans Falk, ein Jugendfreund und Landsmann des Unteroffiziers. „Deine Zeit ist ja bald um, in drei Monaten wirst du unseren alten Vater Rhein Wiedersehen, deine Eltern und deine Anna ans Herz drücken. Wir armen Kerls haben noch neun Monate länger als du hier in der verwünschten Sandwüstc auszuhalten." „Die Zeit geht auch vorüber," warf Sepke ein, „jedenfalls werde ich gutes Quartier für dich bestellen, soll ich Emma Lemke grüßen?" Er sah den Kameraden neckisch an. „Ach, was, das dumme Mädel denkt wohl garuicht mehr an mich und was kümmert's Euch auch," erwiderte der Gefragte anschei nend gleichgültig, aber da er über und über rot wurde, mußte der Unteroffizier doch wohl eine empfindliche Stelle berührt haben. Sepke wurde plötzlich wieder ernst. „Wir schwatzen und schwatzen, als ob ich tatsächlich schon bet Muttern wäre. Und doch, was kann in drei Monaten noch alles passieren. Seht übrigens gut nach rechts und links, wir kommen jetzt in gefähr liches Gelände." Die Reiter waren jetzt in eine hügelige Land schaft gekommen. Hier und da waren die kleinen Erhöhungen mit dichtem Gestrüpp bewachsen und es konnte sehr wohl sein, daß sich feindliche Hereros den einen oder anderen Busch zum Versteck er koren hatten, um aus sicherem Hinterhalt eine ahnungslose Pa trouille feige niedcrzuknallcn. Aber nichts Verdächtiges zeigte sich. - Das Gespräch der drei war verstummt. Die Folgen der An strengung machten sich geltend, schläfrig hingen die Soldaten in den Sätteln und überließen es ihren klugen Tieren, den rechten Weg innezuhalten. Da wurde cs mit einem Male in einem Ge büsch zur Rechten lebendig. Wie die Schlangen glitten etwa sechs schwarze Krieger dicht am Veden dahin, legten sich am We gesrande nieder und beobachteten das Nahen der ahnungslosen Patrouille. Die Schwarzen lagen so gut versteckt, daß ein euro päisches Auge nicht imstande war, sie zu entdecken. Die Ponys aber witterten Gefahr. Ohne eine Aufforderung schlugen sie eine schnellere Gangart an und liehen ein unruhiges Gewieher hören. „Was haben die Tiere nur?" sagte Falk und klopfte seinem un ruhig tänzelnden Pferd aus den Hals. „Vielleicht wittern Sie eine Löwenspur," meinte Sepke, „denn sonst ist nichts zu ent decken, ich wenigstens kann beim besten Willen nichts Verdächtiges bemerken." Die andern beiden bestätigten die Ansicht ihres Führers. Nichtsahnend ritten sie an der verhängnisvollen Stelle vorüber. Kaum waren sie vorbei, teilten sich die Zweige und die schmutzig-braunen, abschreckend häßlichen Gesichter einiger Hereros tauchten aus und sahen den Reitern mit teuflischem Hohnlächeln nach. Drei Schütze krachten, im fliegenden Galopp sausten die erschrockenen Ponys davon. Karl Sepke schwankte im Sattel, warf dann beide Arme in die Luft und sank rücklings vom Pferde. Mit Mühe nur gelang es den Kameraden, ihre Tiere zu zügeln. Sie saßen ab und gingen mit schußbereitem Gewehr zu ihrem gefallenen Führer, der unbeweglich dalag. Seine ge brochenen Augen starrten mit leerem Ausdruck zur afrikanischen Sonne empor, aus seiner durchschossenen Brust rann ein breiter Vlutstrom in den heißen Sand. Hülse war hier nicht mehr mög lich, es galt an sich selbst zu denken. Einige Kugeln pfiffen un schädlich über die Köpfe der beiden Retter. Im Eifer hatten die Schwarzen schlecht gezielt. Nun stürmten sie, sechs an der Zahl, mit gellendem Geschrei heran. Die Reiter feuerten und zwei Hereros sanken zusammen: die andern vier stutzten, dachten dann wohl, daß cs Ketzer sei, ihr teures Leben in Sicherheit zu brin gen und verschwanden schnell im Gebüsch. Einige ihnen nachge- sandte Schüsse hatten keinen Erfolg. „Armer Freund," sagte Hans Falk, sich über den toten Ka meraden beugend, „bald dachtest du glücklich in der Heimat zu sein und nun liegst du starr und tot auf dem Sande Slldwests." Zärtlich streichelte er die erkaltete Hand des Freundes und schämte sich nicht der Tränen, die ihm unaufhaltsam über die Wangen rannen. „Wir können nichts ändern, Soldatenlos," sprach der Sachse, aber auch ihm kamen die Tränen in die Augen. Sorgsam trugen die beiden den Toten zu seinem Pserde, das sich inzwischen