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Freitag, 21. Dezember 1SV6 Rr. "4 Erster Jahrgang und Anzeiger für das Erzgebirge init der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Soiintagsblatt. Vi«se Nnnrnrev »»nrfotzt 6 Seiteir Näheres liehe unten. i Eine nenc japanische Schiffahrtsgesellschaft mii 40 Millionen Mark .Kapital will regelmäßige V i n i e n im grohe » Ozcan ci » richIen. Gestern Abend ist am Vesuv ein neuer K r a l e r e i n- st u r z erfolgt, der mit A schenrege n verbunden mar.* Der französische Ministerpräsident Clemence a» glaubt, dass man seine» Sturz vorbereitet.' Verantwortlicher Redakteur: Fritz Arii hold. Für die Inserate verantwortlich: Arthur Rupfer, beide iu Aue. Druck und Verlag Gebrüder Beuthiier (Inh.: Paul Bruthner) in Aue. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von -z—s Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher eor. Für unverlangt eingesaudte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. ES nützt nichts, man kann es nicht verschweigen: die Re st i e r n n g lrisst die Hauptschnld an dem Missstand. Die ver kehrte Wirtschaftspolitik aus der einen, die Einengung und Be schränkung des GeldverkchrS aus der anderen Seite, mutzten schliesslich zu solchen Zuständen führen. Ausserdem ist unsere po litische Lage der grossen Welt gegenüber keincssalls sehr angenehm, wofür wir allerdings die Negierung nicht verantwortlich machen wollen. Aber was im Innern gesündigt worden ist durch eine verfehlte Zollpolitik und durch eine verfehlte H.rndclspol tik, das rächt sich jetzt bitter, und den Schaden mutz das deutsche Volk in seiner Gesamtheit tragen. Dass nebenbei auch unser Kredit im Ausland unter solchen Verhältnissen nicht gerade glänzend sein kann, das versteht sich wohl von selber. Die jetzige Kalamität ist eine ernste Mahnung zur Umkehr au die Negierung, aber mir fürchten sehr, man ivird auch diesmal nicht hören, und sich mit einigen Ncchcnkunslslückeu aus der Schlinge zu ziehen versuchen. Denn das ist viel bcgucmcr, als einen falschen Schritt wieder znrückznlun. Das politische Jahr 1W6. (Nachdruck verboten.) Wenn wir am Ende des vorigen Jahres mit einiger matzen gemischten Gefühlen dem schwindenden Unglücksjahre 1905 nachschauten, so können wir diesem Jahre der anhaltenden Spannung 1906 auch gerade keine Segenswünsche widmen. Frei lich wollen wir gern zugeben, das, unsere Lage, namentlich die a u vr »P o l i t i sch e, gegen das Vorjahr sich ganz wesentlich g e b e s s e ttvhat. Trotzdem ist Deutschland nach wie vor ge- »oi.en, auf de,3 Posten zu scin. Ist das unsere Schuld allein? Wir glänbkn i.'chr, denn kein Jahr war vielleicht mehr prädestiniert, ein Jahr des Friedens zu werden, wie 1906. Standen wir doch schon zu seinem Beginn noch unmittel bar unter dem Eindruck jener Worte, die der Kaiser zu dem französischen Militärattachä in Berlin getan hatte, und die der Temps der Oesfentlichkeit zugänglich machte. Der Kaiser hatte seine Friedensliebe betont, da der Krieg ihm unvereinbar mit seinen Pflichten gegen Gott und das deutsche Volk erscheine. Und diese Worte haben sich wie ein farbiger Faden durch unsere ganze politische Geschichte gezogen, bis sie anläßlich der Wieder aufnahme der Reichstagssitzungen im November d. I. in anderer Form aber in gleichem Sinne vom Reichskanzler nochmals in die Welt hinausgesprochrn wurden. War somit die Tendenz unserer deutschen Politik die altbe währte friedliche Richtung nach außen wie nach innen, so mutz doch andererseits gesagt werden, daß die Wege, welche die Re gierung wandelte, um dieser Tendenz Ausdruck zu verleihen, nicht immer die richtigen wären. Wir wollen nur auf unsere Haltung gegen Italien und Oesterreich-Ungarn beim Echo von derAlgectras-Konferenz verweisen und zweitens an die Fleischnot und dtePodbielskt-Frage ruhig weiter, und dann kam der große Krach, dessen Nachivehen heute noch kaum verschmerzt sind. Die Uuglückoprophctcn hatte man verlacht, aber das Lachen war bald verlernt. Als Folge des Kraches kam die wirtschaftliche Depression, nnd da allerdings wurde das Bargeld wieder billiger, aber es hals zumeist nicht viel. Heute nun liegt kein unmittelbarer äußerer Anlaß zu der Erhöhung des Diskonts vor; sie ist begründet in rein wirt- schastlichcn Ursachen. Der kolossale Aufschwung, den unsere Industrie in den letzten zwei Jahren genommen hat, kostete natur gemäß viel Geld. Dazu kam, daß die Löhne eine bedeutende Erhöhung erfuhren nnd daß außerdem mit dem Inkrafttreten dcS neuen Zolltarifs jene Teuerung der L c b e n s m i t t t c l einge- leitct wurde, die heute eine erschreckende Höhe angenommen hat. Auch die Konsolidation dcS Kapitals in Niesenttulernchmungen hat das ihre dazu beigetrageu, de» Geldmarkt zu erschöpfen, und nun was wird geschehen? Erleben wir einen neuen Riesen krach, oder werden sich die Verhältnisse von selber wieder sanieren? ES ist schwer, hier Mutmaßungen anszustellc», Voraussagen kann man gar nichts. N n r muß betont werden, daß die Spekulation doch durch die bitteren Erfahrungen vor sieben Jahren bedeutend vorsichtiger gemacht wurde, und wenn das faule Gründertum auch Henle noch in einer gewissen Blüte steht und gerade cmsangen wollte, sich schärfer zu betätigen, so sind im allgemeinen die finan ziellen Verhältnisse doch lange nicht so im Arge», wie vor sieben Jahren. Aber die mittleren Leute, die aus den Bankkredit ange wiesen sind, werden das gegenwärtige Verhältnis sehr schwer empfinden, überhaupt kann der Rückschlag aus unser öffentliches Leben nicht auSbleiben. Denn je höher der Zinsfuß für täg liches Geld ist, desto mehr muß ans den Unternehmungen herans- gepnmt werden, wenn sic rentieren sollen. Das werden die Ar beiter sehr bald empfinden, und die allgemeine Teuerung ivird noch eine wesentliche Verschärfung dadurch erfahren, daß aus die Löhne wohl oder übel gedrückt werden mutz. Zwar hat der Rcichsbankpräsidcnt Dr. K o ch, einer unserer erfahrensten Volks wirtschaftler, in der Begründung dieser Maßnahme der Reichs bank die Hoffnung ausgesprochen, daß der Zinsfuß bis Mille Januar ungefähr wieder herabgesetzt werden kann, aber wir wollen das doch lieber erleben, als uns unbedingt aus diese Worte verlassen, trotzdem sie aus dem Munde eines Fachmannes kommen. Aber jedenfalls ist das Eine totsicher: wenn der höhere Dis kontsatz mehr als ein halbes Jahr bestehen bleibt, dann wird eine Reihe von industriellen und Handelsunternehmen vom deutschen Erdboden verschwinden. Wenn es sich dabei nur um faule Grün dungen handelt, wäre das zu ertragen, denn Leute, die iht^Geld in faule Gründungen stecken, sind iu der Regel betrogene Betrüger, denen ganz recht geschieht. Aber auch besser fundierte Unter nehmen müssen zu Grunde gehen, wenn ihnen der Lebensnerv durch die Erhöhung des Zinssatzes ans tägliches Geld abgeschnitten bleibt, besonders jung e Unternehmungen, die wohl aussichlsvoll, aber noch nicht gefestigt sind. Das ist natürlich im hohem Maaße zu bedauern, aber die Reichsbank kann dafür auch nicht haftbar gemacht werden. Sie hat sich eben schon zu viel Metall ent ziehen lassen, und muß nun auf sich selber sehen. Wer aber ist Schuld an diesem ungestu den Verhältnis, an dieser traurigen Finanzlage? erinnern. So ist es gekommen, datz weite Kreise unseres Volkes den Wegen der Regierung nicht folgen tonnten, und das Schreckensgespenst der Reichsverdroffenheit begann bereits bei Tage umzugehen. Glücklicherweise wird es auf ewige Zeiten ein Gespenst bleiben, das nur schreckhafte Gemllter zu beunruhigen in der Lage ist. Die ersten Tage des Januar 1906 brachten uns neben der einzigen Kälte des ganzen Winters aus unseren Kolonien erfreuliche Nachrichten. In Ostasrika mar der Ausstand im Er sterben, nur kleinere Räuberbanden fristeten dort ein gefähr detes Dasein. In Südwestasrlka waren alle unsere ernsthaften Gegner bis auf Morenga beseitigt und von einzelnen Räuber- und Diebesscharen abgesehen, gab es nur noch im äußersten Süden unserer Kolonien ernsthafte Kämpfe. Es gelang den um sichtigen Maßnahmen des altverdienten Majors v. Estorfs Morenga, der sich fortgesetzt bei Hartebeestmund am Oranje hielt, in weitem Bogen zu umstellen und den Ring allmählich immer enger um ihn zu ziehen, so daß Morenga seine Schrecken zu ver lieren begann. Dafür drohte in Südkamerun eine Erhe bung. Die ersten aus englischer Quelle veröffentlichten Nach richten erwiesen sich aber bald größtenteils als unwahr und wurden später durch die anderen Uber den Gouverneur v.Putt- kamer und seine famose Cousine in Umlauf gelangenden Nach richten an die Wand gedrückt. In zweiter Linie brachten die ersten Tage des Januar die vor dem Zusammentritt der Alge- ciras-Konferenz so wichtige Darstellung der Sachlage in Marokko durch das am 8. Januar veröffentlichte deutsche Weißbuch, welches das fast gleichzeitig erscheinende französische Gelbbuch nicht nur in einzelnen Punkten ergklnzte, sondern auch vielfach direkt berichtigte. Ts knüpfte sich daher an dieses Weißbuch eine neue Preßdebatke an, die sich indessen hüben wie drüben der Vogesen in maßvollen Grenzen hielt. Unsere Vettern Teueres Geld. s? Die Börse ist bekanntlich der Gradmesser des finanziellen Befindens eines Staates. Dieser Gradmesser ist natürlich infolge der Spekulation großen Schwankungen unterworfen, und auch die Politik bewegt seine Radel bald auf bald ab. Unbedingt ist also diesem Gradmesser nicht zu trauen, aber in der Regel zeigt er ziemlich sicher. Und jetzt zeigt er auf Teuerung. Das Bargeld ist rarer d.nn je geworden. Und wem die Börse das noch nicht gesagt hat, dem erzählt es deutlich genug die Er höhung des Reichsbankdiskonts auf 7 und des LombardzinssnßcS aus 8 Prozent. Diese Erhöhung hat in der deutschen Finanzwelt wie ein furchtbarer Schlag gewirkt, die priaten Banken sind sofort ebenfalls mit dem Diskont in die Höhe geschnellt, und so ist das Bargeld unendlich rar geworden, für manchen kleineren Mann überhaupt nicht mehr zu beschaffen. Dieses Ereignis, das mit den politischen nnd wirtschaftlichen Verhältnissen des deutschen Reiches aufs engste zusammcnhängt, weckt einige Erinnerungen an frühere Zeiten. Insbesondere an das Jahr 1899, da sich ganz die gleiche Geschichte vollzog. Auch damals schnellte der Bankdiskont plötzlich in die Höhe. Damals betrachtete man als Grund hierfür in erster Linie die Folgen des BurcnkricgcS. England zog seine Gelder ein, die es selber brauchte, und erhöhte zugleich den Zinsfuß. Man nahm in deutschen Finanzkreisen die Sache gar nicht so tragisch. Man spekulierte Annahme von Anzeigen bis spätestens -'s, Uhr vormittags. Für Aufnahme von grSßcien Anzeigen an bestimmten Stellen kann nnr dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher bei uns eingehen. Jnsertionspreis: Vie siebengesvaltene Aorpuszeile oder deren Raum zo Pfg., Reklamen rs pfg Lei grdtzeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Der Braunschweigische R eg c n t s ch a s t sr a I soll beabsichtigen, die Thronfolge nunmehr an de n B undc s- r a t zu bringen. In S ü d w c st a s r i k a sollen nun auch die B c r s a ba ll o I t e n t v t t e n und die Isaakleute ausständisch werden — so erwähnt eine Berliner Zeitung, jedenfalls um für Beschleunig n n g der B ahnlinie Knbuk - Hcclmannskop Slimm ung z n m ache n* MM ii ÄWMI jenseits des Kanals, seit kurzem die intimsten Freunde unseres westlichen Nachbars, waren diesmal durch die Wahlkampagne im eigenen Lande zu sehr in Anspruch genommen, um noch etwas Oel in das glimmende Feuer gießen zu können. Am 8. Januar war das englische Parlament aufgelöst worden. Campbell Bannermann, der neue liberale Premierminister, hatte seinen Wahlaufruf erlassen und sich für Freihandel und wirt schaftliche sowie soziale Reformen ausgesprochen. Im gegnerischen Lager katzbalgten sich die um V a l f o u r und die um den altern den C h a m b e r l a i n um die Frage, wer der Führer im Srette sein sollte. Kurz, alles Interesse Englands war durch innere Fragen absorbiert. Rußland war durch die Revolution, den blutigen Eisenbahnerkrawall in Moskau, der erst binnen etwa einer Woche niedergeworsen werden konnte, sowie durch die Aus dehnung der Erhebung in den Ostfeeprovinzen so sehr mit Be schlag belegt, daß sogar der Wechsel unseres Botschafters — der bisherige Botschafter in Kopenhagen, Herr v. Schoen, zog an Alvenslebens Stelle in das Botschasterpalais an der Neva — fast unbemerkt von der Oesfentlichkekt erfolgte. Oester - reich hatte seine Interessen bei der Durchführung der Wahl reform zu betätigen, für deren Zustandekommen Frhr. v. Gautsch zunächst vergeblich mlt den Führern der Parteien des Reichsrates sich ins Benehmen zu setzen suchte. In Ungarn lag das Kabinett Fejervary in aussichtslosem Kampfe mit der Koalition, die seinen für Debreczin neu ernannten Oberge span halbtot geschlagen noch eben mit dem Leben davonziehen ließ. Und in Italien schließlich hatte das neue Jahr eine M t - niste rkrisis gebracht, indem das Ministerium Fortts nach kaum neunmonatigem Bestände eine Umgestaltung erfahren mußte. Leider mußte bet dieser Aenderung auch der Minister de» Aenßeren, Deutschland» warmer Freund, Tittoni, gehen Politische Tagesschau. Aue, 21. Dezember 1906. Die Diätenzahlung an die Neichstagsabgeordnetrn. Anderslautenden Meldungen gegenüber stellte die Korre spondenz Woth folgendes fest: Das Diätengesetz ist in seinen Be stimmungen eigentlich erst am 1. Dezember d. I. in Kraft getre ten, da die Reichstagsabgeordneten im Mai 1906 ein Pauschale von 2500 Mark erhielten, das bis zum 30. November d. I. Gül tigkeit hatte (8 10 des Diätengesetzes). Für November wurde daher den Abgeordneten nichts besonders gezahlt, sondern ihnen nur Abzüge gemacht von dem am 1. Dezember auszuzahlenden Betrag, der nach 8 l 200 Mark betrug. Der Abzug für jede fehlende Sitzung im November betrug 20 M., und danach richtete sich die Höhe der Summe, die am 1. Dezember zur Auszahlung gelangte. Nach 8 1 des Gesetzes sollten am 1. Januar 300 Mark zur Auszahlung gelangen und von dieser Summe wären die Gel der für im Dezember versäumte Sitzungen abgezogen worden. Da die Auflösung am 13. Dezember eintrat, fällt die Januaraus zahlung fort. Die Diätenzahlung wurde also nach 8 3 geordnet, und es erhielt jedes Mitglied für jede im Dezember besuchte Sitzung 20 Mark ausgezahlt, imHöch stfalle also 2 0 0 Mark noch für den Dezember. Die Diätenzahlung für den neuen Reichstag dürfte etwas kompliziert werden, da das Piäten- gesetz eines der schlechtesten Gesetze ist, die der Reichstag jemals gemacht. Das Gesetz hat keine Bestimmungen getroffen, was zu geschehen hat, wenn der Reichstag auf- gelöst wird und in 30 Tagen wieder zusammentritt. Tier Reichstag dürste etwa am 15. Februar zusammentreten, hier ent steht nun die Frage: Erhalten die Abgeordneten sofort die Februarrate (400 Mark) oder erhalten sie für jede Februarsitzung 20 Mark. Am 1. März kämen 500 Mark zur Auszahlung; wenn die Februarrate voll gezahlt wird, müßten die Februar-Versäum nisgelder von der Märzrate abgezogen werden, im anderen Falle siele ein Abzug fort. Man dürfte sich dahin einigen, im Februar für jede Sitzung 20 Mark Diäten zu zahlen. Das Wichtigste vom Tage. Die österreichischen Postbeamten haben für heute früh 6 ii h r de n Begin» des p a s s i v e n Wider st ands festgesetzt.' L MV 5iuer Tageblatt Bezu gs preis: Durch unsere Voten frei ins kjaus monatlich LN pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich pfg. und wöchentlich zo Pfg. — Bei der Post bestellt mrd selbst abgeholt vierteljährlich ,.so lstk. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich >.gr Mk. — Einzelne Nummer zo pfg. — Deutscher Postzeitung;- katalog — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Soun- und Feiertagen.