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Udmmtml Rr. S3. Erster Jahrgana. Donnerstag, 20. Dezember 1906. Aüü 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge mit der wöchentliche,i Unterhaltungsbeilage: Illustriertes ^onntagsblatt. Visse rr»t»n»nev »»«»sertzt 8 Seiten Näheres siehe unten. Auch die ReichSpartei hat jetzt ihren W a h l a n s r u s erlasse», der sich nainciitlich gegen das Zentrums-Joch und gegen die Sozialdemokratie ansspricht. In verschiedenen Orlschastcn Frankreichs kam es gelegentlich der Ausführung des Tiennungsgesetzes gestern erneut zu K nndgebnnge n und Zusa in m enstößc n .* Die Lage in China wird als c r n st geschildert. Man erwartet A n sstände nnd irisst Borsichlsina s, rgeln. Die Gerüchte voll einem Attentat aus den Zaren werden offiziös sür undegr ü ndet erklärt. In Soja hat die Garnison, weil der Sold rückständig war, gemeutert. 28 Pcrsoueu wurden dabei gelotet.' Druck Uttd Verlag Gebrüder Beut Huer (Ink.: Paul Beuihner) in Aue. verantworllichcr Redakteur: Lritz Ar» hold. Lür die Inserate verantwortlich: Arthur Rupfer, beide in Aue. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—5 Uhr. - Telegramm-Adr-sse-. Tageblatt Aue. - L-rusprecher 20- M unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. heitsprinzip erzielen können und auch erzielen werden, wenn eben die Geschichte nicht wieder in die Brüche geht, wie das schon z»?oft der Fall gewesen ist. Man kann sich freilich schwer den ken, wie ein Heyl zu Herrnsheim etwa mit einem Gothein auf einer Bank sitzen könnte, und die wirtschaftspolitischen Differen zen zwischen den einzelnen Schattierungen des Liberalismus werden sich nie ganz aus der Welt schaffen lassen, weil der Libe ralismus schon seinem Wesen und seiner Zusammensetzung nach eben keine so stramme Parteidisziplin zu halten imstande ist, wie beispielsweise die Sozialdemokratie oder auch das Zentrum, das gewiß in wirtschaftspolitischer Beziehung sehr viele Differen zen in sich birgt, ohne sie zum Ausdruck zu bringen. Aber es handelt sich für die liberalen Parteien auch gar nicht um den Ausgleich dieser Meinungsverschiedenheiten, sondern darum, bei den kommenden Wahlen gut abzuschneidcn, und darum gebietet es die Vernunft, der nackte Nützlichkeitsstandpuukt alles, was die einzelnen Schattierungen voneinander trennt, aus die Seite zu stellen, und sich über die Wahlhilfe zu einigen. So hat die Einigungsparole jetzt den besten Boden — was nach den Wahlen geschehen wird, und wie die einzelnen liberalen Schat tierungen sich zu einander in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen stellen wollen, das ist ein Ding für sich, das man am besten jetzt ganz unerörtert läht. Man braucht auch gar nicht eines Sinnes und einer Richtung nach der Wahl zu sein, wenn cs schon so viel Köpfe, so viel Sinne geben mutz, wenn nur in nationalen Fragen eine Einigkeit nach auhen hin we nigstens besteht. Und das scheint der Fall zu sein, nachdem die Freisinnige Bolkspartei, die sonst der deutschen Kolonialpolitik so schroff und unversöhnlich gegenüberstand, die Richtung ge ändert hat, und letzthin für die Bewilligung des Nachtragsetats eintrat. Die nationalen Gesichtspunkte sind unter den ge genwärtigen Verhältnissen die Hauptsache, und die sind glück licherweise sür alle fortschrittlichen Parteien so ziemlich gleich. So möge man also Herangehen an das Einigungswerk — es verspricht Erfolg! Jetzt mehr denn je. Aber man wird sich vor verschiedenen Dingen zu hüten haben. Einmal vor dem Bombast in allen Wahlaufrufen. Das deutsche Volk ist heute für die grotzen Worte nicht mehr so empfänglich, wie einst, wenn diese Worte eben nur Worte sind. Da ist der Ausruf der Zcntrumspartei geradezu m u st e r g i l t i g abgesaßt. Diplo maten haben zusammengeholfen, aber alle Schönrederei hat man verpönt, und darum liest sich das Schriftstück außerordentlich gut. Für die liberalen Parteien besteht die große Gefahr, in das alte Erbübel zurllckzufallcn, und den Wählern zuviel versprechen zu wollen. Wir halten cs nicht sür gut, wie es beispielsweise be reits geschehen ist, daß eine Partei nur mit der Parole „Gegen das Zentrum!" in den Wahlkamps ziehen will. Und wer gar zu viel schlimme Dinge von einer politischen Partei behauptet, der läuft Gefahr, daß man ihm nicht recht glaubt. Der Wahlkampj wird heftig genug werden, besonders wo Zentrum und Liberale auseinanderstgßen — möge der Liberalismus alles vermeiden, was aus das konfessionelle Gebiet übergreist. Wenn die liberalen Parteien daraus rechnen wollen, in den Städten auch katholische Elemente zur Wahl zu gewinnen, dann kann man wohl gegen das Zentrum fechten, aber Rom möge man so viel als möglich aus dem Spiel lassen. Das deutsche Volk, und zwar die beiden Konfessionen, wünschen keine Neuauslage des Kul tur ka m pfes, und darum wäre cs sür die liberalen Parteien ver- derblich, sich vom rein politischen Gebiet auf ein anderes zu begeben, aus dem parteipolitische Kämpfe nicht ausgesochten wer den sollen. Man mag gegen die Wirtschafts-, gegen die Armee- und Flotten-, oder gegen die Kolonialpolitik des Zentrums kämpfen aber die konfessionelle Streitfrage muß im kommenden Wahl kampf ruhen. Mag das Zentrum immerhin als die Vertreterin der katholischen Konfession sich gerieren — dieser halb hat die Regierung den Reichstag nicht aufgelöst, sondern weil die Mehrheit, bestehend aus dem Zentrum, den Sozialdemokraten und den Polen die Gelder verweigerte, die nun einmal zur Fortsetzung und Beendigung des Feldzuges in Südwestasrika notwendig stnd Damit ist für die nationalen Parteien die Wahlparole ohnehin gegeben, und wenn die Liberalen aller Schattierungen sich daraufhin einige», dann ist ein ansehn licher Erfolg sicher. Den Wahlkampf aber noch mit anderen Dingen belasten, das würde sich bitter rächen und zu gar nichts führen. Wenn die Liberalen einen Sieg erringen wollen, dann müssen sie einig gehen und streng bei der Stange bleiben! Lrzn gr preis: Durch unsere Baien frei ins Hans mouaNich so vsg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich 40 Pfg. und wdchentlich ,0 pfg. — Lei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich ,.so Mk. — Durch den Briefträger frei ins Hans vierteljährlich ,.g2 Mk. - Einzelne Nummer ,0 Psg. — Deutscher Postzeitnngs- katalog — Grschelnt täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Leiertagen. Die Cinigungsparole. - In allen liberalen Lagern herrscht emsige Geschäftstätig keit. Man sucht eine Einigung unbedingter Art sür die am 2b Januar stattsindenden Neuwahlen zum Reichstag zu erzielen, ein unbedingtes Zusammengehen aller fortschrittlich ge sinnten und nationalen Parteien, die zwischen dem Zentrum und der Sozialdemokratie stehen. Und das ist gewiß sehr lobens wert. Man berichtet auch bereits von guten Resultaten, die der Blockgedante gezeitigt haben soll. So kommt aus Nürnberg die von uns schon erwähnte Kunde von einer angebahnten Verstän digung mit dem Zweck, in allen vom Zentrum und der Sozial demokratie bedrängten Wahlkreisen einen einzigen libe ralen Kandidaten auszustellen, und zwar sollen diese Ab machungen gleich sür das ganze deutsche Reich mit gerin gen Ausnahmen Giltigkeit haben. Aus Karlsruhe wird berichtet, daß die badischen Liberalen gleichsalls einen neuen Block sür die Reichstagswahlen ins Leben rufen wollen, und anderwärts zeigen, sind solche Bestrebungen gleichsalls. Nun muß man sagen, daß der Einigungsgedankc zu einem bestimmten Zweck niemals so viel Aussicht auf den gehassten Er folg gewährte, wiejetzt. Es kann nicht geleugnet werden, daß die Gesamtheit der liberalen Parteien Erfolge mit diesem Ein- Das Wichtigste vom Tage. Koionialdirektor Dcrnburg soll sich gegenwärtig in L ondon anshaltcn, uni mit der Regierung wegen der Grcnz- n b e r s ch r e i I n n g in S n d w c st a f r i k a zu verhandeln * Politische Tagesschau. Aue, 20. Dezember 1906. Im Reichstagswahlkampf. In einer Betrachtung tnr Süddenischen Reichskorr. über den Wahlkamps heißt cS: Man stellt schon kleinmütig Berechnungen über einen zweiten Wahlkampf an, der auf den ersten folgen müsse. Das heißt doch, die Ausgabe — und der deutsche Libera lismus steht vor einer großen Aufgabe - beim verkehrten Ende angreiscn. Es handelt sich darum, die Aussichten, die durch die erste Reichstags-Auslösung eröffnet sind, energisch wahrzuneymcn, daß keine zweite zn erfolgen braucht. Es gilt, der Bildung einer schwarz-roten Mehrheit, deren Schalten in unserer Volksvertretung die nationale, wie die internationale Abdankung Deutschlands sein würde, im Bunde mit den anderen Parteien so viel Abbruch zu tu», daß aus der nationalen Minderheit bei den Abstimmungen des 13. Dezember ein Nebergcwicht des deutschen patriotischen Ge wissens erwachse, das ohne Zweifel in unserem Volke lebendiger ist als in dem zu den Wählern hcimgeschickten Reichstage. - Die offiziöse Nordd. Allg. Ztg. bemerkt dazu, daß die Annahme, die Regierung plane eine zweite Auslösung, gründlich ver kehrt ist. Die erste Auflösung sei ja gerade im Vertrauen aus die Nation erjolgt; au der N ati 0 n sei cs, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. In Mittweida- Burgstädt habe« die Konservalivcn, die Nationalliberalen und der Bund der Landwirte den Gutsbesitzer Starke- Frankenau, Sohn des früheren Land tags-Abgeordneten Starke, als gemeinsamen Kandidaten in Ans- sicht genomnicn. — Im Wahlkreise Pirna ist GrasRcx - Zehista als gemeinsamer Kandidat aller bürgerlichen Parteien aus gestellt worden. — Im RcichStagSwahlkreise Reichenbach- Kirchberg haben die Sozialdemokraten wieder den Zehn-Ge bote-Hoffmann ans ihren Schild gehoben, der bei der letzten Wahl mit l9l06 Stimmen über den damaligen Kartellkandidaten Grasen v. Hoensbrocch siegte, der >2988 Stimmen erhielt. Sei tens der Ordnungöparteicn ist die Kandidatensrage noch nicht ganz spruchreif, jedoch steht das eine fest, daß Graf Hoensbrocch nicht Tannenvamn, Weihnachtsrose, Mistel. Von Jaques Mrff«. (Nachdruck verboten.) Die in unserer Ueberschrist genannte Dreiheit ist das Zei chen, unter den in den Kulturländern das Wethnachtsfest ge° setzst zzi werden pflegt. Spielt auch die Tanne in dieser Drei heit die HksProlle, so haben doch auch die anderen beiden Weih nachtssymbole ihre nicht zu unterschätzende Verbreitung. Alle drei Symhole aber bis kn aus alte Kulte hin, wie wir es in den folgenden Zeilen klarzulegen versuchen werden. Die Tanne ist der alte Baum des germanischen Julsestes. Schon «in alter Chronist schreibt: Die alten Germanen satzten vor ihr« Häuser zweene Dannen Bäume crautzcwegs überein ander und aßen und tranken 19 Tag lang. — Dann wurde das > Julfest christianisiert. Die Kirche hatte festen Fuß in den ger manischen Gauen gefaßt, es aber nicht vermocht, den Tannen baum seiner uralten Würde ganz zu entkleiden. Nun aber steht die Tanne nicht mehr, wie in alten Zeiten vor den Häusern, sondern sie beginnt allmählich indiese hineinzuwandern. Auch Putz und Schmuckwerk bekommt sie nun; aber immerhin noch keine Kerzen. Das ganze Mittelalter hindurch ist einzig und allein von dem grünen Baum die Rede. Erst das zur Neige , gehende 18. Jahrhundert kennt einen Lichterbaum. Um dieselb« Zeit etwa tritt auch zum ersten Male die Bezeichnung Christ- baum und Weihnachtsbaum auf, von dem wir heute singen: O Tannenbaum, 0 Tannenbaum, Du tust mir sehr gefallen I * Wie oft hat nicht zur Weihnachtszeit Ein Baum von dir mich hoch erfreut! O Tannenbaum, 0 Tannenbaum, Du tust mir sehr gefallen! Was die Weide sür das Osterfest und die Birke sür das Pfingstfest, das bedeutet die Tanne sür das Weihnachtssest, und bedeutete sie in früheren Zeiten sür das Julfest. Um sie herum führten die jungen Leute ihre Reigen- und Rundtänze auf. Die Tanne war cs, die mit ihrem immergrünen Nadelgezweig mitten im kalten Winter das Bild vom lachenden Sommer erstehen ließ und so über die trübe Zeit der frostigen Wintersonnenwende hin- sorttäuschte. Eine Reihe alter Symbole, die sich nun schwer noch deuten lassen, sind mit dem Begriff der Tanne verquickt. Uralte, alle Kulturvölker verbindende Kulte sprechen hier mit. Wir denken an Tannhäuser. Er ist der, der im Tann haust. Tann aber bedeutet mythologisch das Nichts, die Unterwelt. Und Tannhäuser sehnt sich aus dem Venusberg, d. h. aus dem Tann, wieder ans Licht. Hierher gehören auch Wortspiele, wie: in die Tannen gehen (von dannen gehen), sich in die tannenen Bretter legen (sterben) usw. Der Tannenbaum ist also ein Totenbaum; man pslanzt ihn liebr Angehörigen aus's Grab. Aber man ver ziert den Baum auch und schmückt ihn mit leuchtenden Kerzen. Dann hat dasLeben aus dem Baum des Todes sein Heim aus geschlagen. Dann ist der Tannenbaum, das Symbol der erstor benen Erde, wieder zum Leben erwacht: er ist zum Weihnachtsbaum geworden, d. i. zum Baum der Gewißheit da für, daß die erstarrte Erde aus ihrem Todesschlafe erlöst werden wird. Diese schöne symbolische Bedeutung unseres Weihnachts baumes ist im Lause der Zeiten dem Bolksbewußtsein fast gänz lich verloren gegangen. Es offenbart sich aber gerade hier eine tiefe und schöne Poesie germanischer Weltanschauung die Be achtung und Würdigung verdient. Auch die Weihnacht s'rose dürste als Zier des Tan nenbaumes allgemein bekannt sein. Ein Chronist aus der Zett des dreißigjährigen Krieges erzählt wohl als erster von ihr. Gr berichtet: Auf Weihnachten errichtet man Dannenbäume zu Straßburg in den Stuben auf, daran hanket man roßen, aus vielfarbigem Papier geschnitten usw. Allbekannt dürfte auch das Lied sein: . j Es ist sine Ros' entsprungen Aus einer Wurzel zart. Wie uns die Alten sungey, Von Jeffs kam die Art, Und hat ein Blümlein bracht Mitten im kalten Winter Wohl zu der halben Nacht. In manchen Gegenden finden wir denn auch nur fast Weth- nachtsrosen als Symbole des Christfestes. Der Tannenbaum fehlt mitunter ganz. An seine Stelle ist ein grünveklebtes Rad getreten, das mit weißen — nut selten mit farbigen — Pa pierrosen geziert »st. Aus dem Radkranz prangen dann die Weihnachtskerzen. Hier haben wir es mit dem einfachsten Lhrtstfestsymbol zu tun : dem weihnachtlich ausgeschmückten volks tümlichen Kronleuchter, wie er in vön Schenken des Mittelalters vom mittelsten Deckenbalken herabhing. Dieser Radkranz be kommt aber ost auch mehrere Ctägen. Zwei oder drei Radkranze von verschiedener Größe find in gemessener Entfernung pyra midenförmig übereinander gesetzt. Die Speiche« Mem Dt« Verbindung ist darch Querleisten hergestellt, so daß die Pyra miden, oder besser gesagt, die abg-stunchste Kegelform doS zur Geltung kommt: wir haben Vie Weihnachtspyramide