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Veit IIIIII Donnerstag. «. Februar 1W8. »er ß-U UU «b-iin-iileii! Rr. 3«. Dritter Jahrgang ttuer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Lsnntagsblatt. Für di« Inserat« vera,»wörtlich: Gebrüder Beuthner Walter «raus Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von ^-5 Uhr. — Telegrammadresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher IM. »Jnh.: Paul Beuthner) beide in Aue. ' Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. in Aue. Das Wichtigste vom Tage. Kaiser Wilhelm wird sich am 6. März nach Korfu begeben. (S. N. a. a. W.) * Die erste Kammer des sächsischen Landtags erledigte gestern einige EtatSkapitel und Petitionen, der Reichstag stthrte die Beratung des Militäretats zu Ende. (S. Parl.-Ber.) Die B u dg e t k o m m i s s i o n des Reichstags nahm einen Antrag aus 6 Uhr - Schluh der P o st s ch a l l e r an Sonnabenden an. l» Die bürgerlichen Fraktionen des Reichstags sind dahin überein gekommen, die Finanzrcform bis zum Herbst zu vertagen. In der Frage der Vcrlängcrung der Zuckerkon- vcntion ist bei den Besprechungen des Schatzsekretärs mit Mitgliedern aller gröberen Parteien des Reichs tags eine Einigung erzielt worden. (S. pol. Tgssch.) * Der Bayrische Landesverband des deutschen Flotten Vereins fordert seine Ortsgruppen aus, im Verband zu bleiben. * S h ö p o n ist nunmehr endgültig zum russischen H a n d c l S m t n i st e r ernannt worden. tsine Intervention in Portugal ist vorläusig :!lfgegebcn worden, die Lage im Lande ist anscheinend ruhig. (S. Leitart. u Tel.) Das Königsdrama in Portugal. Ergreifend ist die Traue. Im Königsschlosse zu Lissabon um den so meuchlings hingemordeten König und Thronfolger. Dir Königin Amelie weilt fast ununterbrochen im Gebet bei ihrem toten Gemahl und ihrem Sohn. Die Leichen sind auf zwei ganz einfache Lagerstätten gebettet. Unaufhörlich b etreten Perionen, denen der Zutritt gestattet ist, das Zimmer, in dem ein Altar errichtet ist und von Zeit zu Zeit ein stiller Gottes dienst abgehalten wird. Die andachtsvolle Stille wurde nur einmal unterbrochen, als der D i k t a t o r Franco das Toten gemach betrat. Die Königin wies auf die Leichen und ries aus: Hier ist Ihr Werk! Franco erbleichte, stotterte einige Morte und verlieh den Raum, während die Königin laut auj- schluchzte. Von der aufopfernden Mutterliebe der königlichen Dulderin, die, um den Sohn zu schützen, ihren eigenen Körper den mörderischen Kugeln aussetzte, wird übrigens jetzt ein bis her wenig bekannter Vorfall mitgeteilt, bei dem sich die Königin nicht minder tapfer zeigte. Damals setzte sie ebenfalls ihr eigenes Leben auf das Spiel, um das ihres ältesten Sohnes zu retten. Es gelang ihr — allerdings um den Preis eines anderen, noch keimenden Kinüeslebens. Der Kronprinz Dom Luiz Filippe war am LI. März 1887 in Lissabon im Vclem-Palastc geboren, Bezugspreis: Durch unsere Loten frei ins lfaus monatlich so pfg. Bei ber Geschäftsstelle abgeholt monatlich so psg. und wöchentlich >o pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich i.so Mk. — Durch den Briefträger frei ins Dans vierteljährlich i.yr Mk. — Einzelne Nummer io pfg. — Deutscher postzeitmigs- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, nut Ausnahme von Sonn- »nd Feiertagen. Vies* rtrrnrnrrV ttinfatzt 8 Seiteir. das sein Vater, der damals noch nicht zur Regierung gelangt war, zu jener Zeit bewohnte. Die Königin nährte ihren Erst geborenen selbst, wie sie später auch dessen jüngeren Bruder, den neuen König, genährt hat. Der Infant Luiz Filippe war erst wenige Monate alt, als er beinahe das Opfer eines Unfalles geworden wäre. Dom Carlos und seine Gemahlin Amelie waren von Villa Viciosa von einem Iagdausfluge zurllckgekehrt — gerade wie am Sonnabend, am Tage des Attentats — und sahen in ihrem Palast beim Essen. Plötzlich vernahmen sie Ge schrei und Angstrufe in den Gängen, und alsbald stürzte die Königin (damals noch Herzogin von Vranganza) nach dem Kin derzimmer. Ein entsetzlicher Anblirt bot sich ihr hier dar: die Wiege, in der der kleine Jnsant lag, st a nd in Hellen Flamme n. Ohne sich zu besinnen, rih die Königin, der dabei empfangenen Brandwunden nicht achtend, das Kind aus den lodernden Flammen und bewahrte es so vor dem sicheren Tode. Die Er regung über den Unfall war freilich so stark, daft sie frühzeitig ein Mädchen zur Welt brachte, das bei der Geburt starb. Die Königin, die sich sehnsüchtig ein Töchterchen wün'chte, hat den Fehlschlag dieser Hoffnung nie ganz verwunden. Jetzt hat ihr das Schicksal eine noch viel härtere Prüfung auferlegt. Wie schwer sie an dem neuen Leid tragen mag, kann man aus ihren Worten ermessen, die sic seinerzeit bei der Ermordung König Humberts von Italien gesprochen. Jene Katastrophe ging ihr so zu Herzen, daß sie anhaltend über die Bluttat weinte und za ihrem jetzt ermordeten Gemahl äuhcrte: Wäre ich in der gleichen Lage, wie die Königin von Italien, ich würde sofort ins Kloster gehen und meine Tage in Andacht beschlichen. Ob sie unter den jetzt waltenden Umständen, noch zumal, da sic ihrem jungen Sohne eine Stütze wird sein müsse», es durch führen wird, muh die nächste Zukunft lehren. * An neuen Meldungen liegen die folgenden vor: Das neue Ministerium. Die Lissaboner Abendblätter von gestern enthalten gün stige Urteile über die neuen Minister. Das Organ des früheren Ministerpräsidenten Franco spricht sich dafür aus, dah sich alle Portugiesen um den neuen Herrscher sci-aren und ihm eine glückliche Regierung wünschen zu des Landes Wohlfahrt. Die Novidades de Lisboa, das Organ der Regeneradores, erklärt, das neue Kabinett sei ein Ministerium der Beruhi gung. dies sei auch das einzige, wonach das Land sich sehne. Eine unbeachtete Warnung. Als Königin Amelie jüngst von England nach Lissabon zurückkehrte, übergab ihr König Eduard ein Handschreiben an ihren Gemahl, in dem er diesem ungefähr folgendes mitteilte: Er habe auf Grund sicherer privater Informationen erfahren, dah sich in Portugal ein Komplott gebildet habe, dessen ver brecherische Pläne sich sogar gegen die königliche Familie richte ten. König Carlos möge also seine Vorsichtsmaßregeln treffen. Dieser aber erachtete den Rat des Königs Eduard nicht und glaubte auch nicht an eine solche rlerschwörung, er betrachtete diesen Bries nur als einen Beweis für die grohe Freundschaft der englischen Königs. Dir Intervention. Aus Paris wird vom ft. gemeldet: Die Verhandlungen zwischen Frankreich, England, Spanien und Italien über ein et wa lf^sEiMreifenin Portugal waren, wie aus zuverlässiger Quelle mitgeteilt wird, bereits ein geleitet, sind aber wieder abgebrochen worden, als man in Paris sah, dah Deutschland darin einen unfreundlichen Akt er blickt. Das neue Regierungsprogramm. Wie die Agence Havas aus Lissabon vom 5. meldet, be gaben sich die Minister aus dem königlichen Palais in die Woh nung des Ministerpräsidenten, wo eine vierstündige Beratung stattfand. Sie'erörterten die Lage und setzten die Grundzüge des künftigen Programms fest. Am nachmittag ver sammeln sie sich wiederum, um über die Lage zu beraten und Be schlüsse zu fassen. Trotz der allgemeinen Niedergeschlagenheit in folge der Ermordung des Königs und des Kronprinzen kann man leicht die Beobachtung machen, dah die durch die Neubildung des Kabinetts erfolgte Lösung der politischen Krise ein Gefühl der Erleichterung hervorgerufen hat. Der Thronprätendent. Die Giornale d'Jtalia meldet aus Viareggio, das Dom Miguel von Vraganza, der sich seit einem Monat als Gast der Prinzessin Massimo, Tochter des Prätendenten Dom Carlos, dort aufhielt, plötzlich von dort abgereist ist, wie es heiht, nach Griechenland. Dom Miguel erhielt zahlreiche Depeschen. Nach einer Prtvatmeldung heiht es, dah Dom Miguel nachOporta abgereist sei. Eine Bestätigung fehlt aller dings. Dev offiziöse Dementierapparat ist in Portugal zurzeit überaus beschäftigt. Am Mittwoch wurde aus Lissabon ossiziös gemeldet: Die im Ausland verbreiteten Gerüchte von einem Anschlag gegen den K r i e g s m i n i st e r sind nicht zutrcsfend. Wenn man nach den bisher gemachten Erfahrungen urteilen darf, so mühte man eigentlich annehmen, dah das wahr ist, was hier dementiert wird. Die portugiesi schen Offiziösen haben in der Tat den Rekord im Telegraphieren von LUgennachrichten erreicht. Sie sind darin unter dem Regi ment Franco noch den russischen Offiziösen Ubergewesen. Ueber die Persönlichkeit der Königsmörder versichern die Berichterstatter der spanischen Blätter in Portu gal, dah alle drei auf der Stelle getöteten Mörder Portu giesen waren. Der erste hieß Manuel Silva Boica. Er war 82 Jahre alt und ein begabter Lehrer an der Nationalschule. Er lebte zurückgezogen und einfach, scheinbar sich ganz der Pflege seiner zwei kleinen Töchter widmend, von denen eine bei einer Amme untcrgebracht war, da die Mutter gestorben war. Boica gab noch am Tage des Verbrechens den gewohnten Unterricht und verschwand dann. Der zweite ist der junge Alfredo d a Costa. Er war wegen seiner vorzüglichen Führung Kassierer in dem grohen Almeidaschen Ladengeschäft und kam später in ein Bankhaus in der Douradoresstrahe. Der dritte, dessen Namen nicht genannt wird, gehörte den untersten Volksschichten an. Er war stets überspannt und zu jedem Abenteuer geneigt, wenn es Geld einbrachte. Deutscher Reichstag. 05. Sitzung. 8. Berlin, i>. Febr Die Beratung des MilitäretatS, GehaltStitel KriegSminister wird fortgesetzt. Abg. Müller-Meiningen (Frs. Vp.): Unsere Militärjustiz bedarf dringend der Reformen. Muh man nicht unwillig werden, wenn z. B. der Kommandeur, der den Tod des Der blaue Käfer. Humoreske von A. Andes. Nachdruti v N'oten. Der Registrator Karl Freundlich führte seinen schönen Namen sehr zu unrecht, denn einen mürrischeren, unfreundlicheren Kumpan konnte man so leicht nicht finden. Seinen Vorgesetzten gegenüber milderte sich seine Grobheit zwar zu einem gedämpften Knurren, ähnlich Len Tönen, die ein gestreichelter grohcr Kater von sich gibt, aber seine Schreiber fauchte er an wie ein wüten der Panther, und beim Publikum war er so verrufen, dah ängstliche Gemüter nur mit Zittern und Zagen das Bureau des groben Registrators mit dem sanften Namen betraten. Stets lag eine finstere Wolke auf seiner von tiefen Furchen durchzoge nen Stirn, und er machte gewöhnlich ein Gesicht, als ob er soeben von der Testamentscrösfnung eines Erbonkels käme, der sein Ver mögen wohltätigen Stiftungen hinterlassen hatte. Und doch gab es e,twas, das die Wolke von des Registrators Stirn für eine Weile verscheuchen und um seinen eingcknissenen Mund etwas erscheinen lassen konnte, das besonders sanguistisch veranlagte Leute vielleicht ein Lächeln genannt hätten. Dieser unerhörte Ausnahmezustand trat jedesmal ein, wenn der Registrator aus seinen Spaziergängen einen seltenen Käfer fand oder ein Be kannter ihm einen solchen zum Geschenk machte. Das Käfer sammeln war die einzige Lcidenlchaft, die des Registrators le derne, sonst nur mit trockenen Zahlen ungestillte Seele bewegte. Um eine rare Lauftätigkcit oder einen nur sporadisch auftreten den Borkenkäfer auszustöbern und seiner wohlgeordneten Samm lung einzuverleiben, unternahm Freundlich metlenweite Wande rungen, überkletterte mit seinen steifen Beinen Dornhecken und ktacheldrahtzäune und watete durch Bäche und Flüsse. Wen» s sich dann der unvermeidlick)« Schnupfen einstellte sah er mit roter Nase und schwimmenden Augen ganz selig vor seinem Käserkasten und betrachtete schmunzelnd die mühsam erworbene Bereicherung seiner Sammlung. Da cs nur sehr wenige Men schen gab. die dem grämlichen Registrator von Herzen wohl- wollteii^ blieb es natürlich nicht aus, dah seine Sammelwut öfters benutzt wurde, ihm einen Streich zu spielen. Obgleich er schon so ost angeführt worden war, dah er mihtraui'ch hätte werden sollen, siel er doch immer wieder hinein, wenn ihm irgend ein seltener Käfer in Aussicht gestellt wurde. Es war an einem herrlichen Julimorgen, als der Herr Regi strator wieder einmal ganz besonders schlechter Laune war. Nie mand konnte ihm etwas zu Dank machen und vor allem Fritz Sumpke, der jüngste Schreiberlehrling hatte viel von dem Ge strengen zu leiden. Ein Esel nach dem andern flog an den Kopf des hochaufgeschossenen blonden Jünglings, ja einmal sogar ein dickes Aktenbündel. Fritz, der sich leider nicht zu der Auffassung bekannte, dah man die linke Wange Hinhalten müsse, wenn man eine Backpfeife aus die rechte erhalten, sondern den alttestainen- tariichen Grundsatz: Äug' um Auge, Zahn um Zahn, huldigte, sann aus fürchterliche Rache. Am liebsten hätte er dem geschätzten Vorgesetzten eine Tracht Prügel verabreicht. Da sich dies jedoch nur schlecht mit seiner amtlichen Eigcnichast und auch mit seinen Körperkräften vereinigen lieh, verfiel er aus etwas anderes, nicht minder schreckliches. Welch' fürchterlicher Art der finstere Plan des lichtblonden Fritz war, wird der fernere Verlaus dieser wahrhaftigen Erzählung offenbaren. Die Bureaustunden waren beendet. Freundlich hatte sein bescheidenes Mittagsmahl einge nommen und befand sich nun in seinem Junggesellenstübchen. Gerade hatte er sich der Stiefel erledigt, um auf dem alters harten, lederllbcrzogenen Rohhaarsofa ein Stündchen der Ruhe zu pflegen, als cs an die Tür klopfte. Aus Freundliches ärger liches Herein trat Fritz Sumpke mit einer devoten Verbeugung ein und blieb demütig an der Tür stehen. „Nanu, dummer Junge, was willst Du denn um diese Zeit hier, lautete des Regi strators Begrühungsrede an seinen Untergebenen, mach' schleu nigst das Maul auf und richte aus, was Du zu bestellen hast und dann pack' Dich! Fritz blieb trotz des wenig ermutigenden Empfanges höflich wie immer. Sie werden entschuldigen, Herr Registrator, Hub er an, aber da ich weih, wie sehr Sie sich für Käfer interessieren, möchte ich Ihnen eine Mitteilung machen. So, so, antwortete der Registrator schon um ein bedeutendes milder, na, denn schieß los mein Sohn. Ja, sagte Fritz, Sie kennen doch das Dors Steinberg, das ungefähr zwei Meilen von hier liegt? Nun, eine Strecke hinter Steinberg liegt das Gehöft des Bauern Wumske, und an diesem Gehöft befindet sich ein groher Garten mit vielen Mistbeeten, in dem sich allerlei Käfer arten auszuhalten pflegen. — Hier machte Fritz eine Kunstpause und sah den Registrator erwartungsvoll an. Er hatte sich nicht verrechnet, Freundlich hatte schon Feuer gefangen. Weiter, weiter, sagte er mit vor Sammeleifer glänzenden Augen. In diesen Mistbeeten, fuhr Fritz fort, soll nun eine ganz neue Mist- käserart, hellblau mit gelbgetupften Flügeln entdeckt worden sein. Es ist wohl so gut als gewiß, denn Dr. Kurz, der Naturwissen- schaftslchrer des Gymnasiums, hat es selbst in der Obertertia, in der mein Bruder sitzt, erzählt. Dr. Kurz will am Sonntag hinaus und sich die besten Exemplare holen. Vielleicht würde der Herr Registrator auch gern solchen Käfer für seine Sammlung haben wollen, und deshalb bin ich gekommen. — Freundlich ging aufgeregt umher. Ein himmelblauer scarabaeus mit gelben Tupfen! Sollte man es für möglich halten? Natürlich gehe ich schon morgen nach Steinberg und dem Gehöft des Mauern Bums . . Sums . . . Wumske, Herr Registrator, schaltete Fritz liebenswürdig ein. Ganz recht, Wumske, sagte Freundlick^