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Dienstag, 14 April 1S08. IbimM Rr. 87. Dritter Jahrgang, l^uer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur: Fritz Arn hold Für die Inserat« verantwortlich: N) alter Kraus beide In Aue. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von »—5 Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprechers.1. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Inh.: Paul Beuthner) in Au«. Bezugspreis: Durch unsere Boten srei ins Hau; monatlich so pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich 40 Psa. und wdchentlich (0 pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich l.sv Mk. — Durch den Briefträger frei ins Kaur vierteliährlich t.gr Mk. — Einzelne Nummer ;o Pfg. — Deutscher Postzeitung;, katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. 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Tel.) Die Schrecken ver Schlafkrankheit. Der Gouverneur von Uganda, Mr. H. H. Bell, wendet sich in einer Zuschrift an die Times, an deren Leser um Mithilfe zur Besserung der Lage der an dieser furchtbaren Seuche erkrank ten Eingeborenen: Er schreibt: Bor kurzer Zeit besuchte ich die Zufluchtstätte für die an der Schlafkrankheit leidenden Eingebo renen in Kissubi, nicht weit von Kampala, die von den Weihen Vätern von der algerischen Mission unterhalten wird. Selbst zur Zett, als die Krankheit für so ansteckend galt, daß ihre Opfer wie von der Pest befallen ge mieden wurden, haben diese musterhaften Missionare eine große Zahl von Leidenden zusammengesührt und sich, trotz der ossenbaren Unmöglichkeit der Heilung, der Aufgabe gewidmet, ihre Schmerzen und ihr Elend zu lindern. Die Kran ken, die häufig von ihren Anverwandten in die Wildnis getrieben wurden, um dort Hungers zu sterben oder von reihenden Tieren aufgefressen zu werden, wurden von den Missio naren gerettet und, ohne Rücksicht auf ihren Glauben oder ihren Charakter, gepflegt. So gut wie ohne Beihilfe haben diese wür digen Väter während der letzten fünf Jahre durchschnittlich IVO dieser unglücklichen Geschöpfe in ihrem Asyl unterhalten und die 500 Gräber in ihrem Friedholx^iezeugen die Nutzlosigkeit der ver schiedenen Heilmittel, die von Zeit zu Zeit empfohlen und versucht werden. Dieses Werk der Barmherzigkeit bildet natürlich nur «inen Tropfen in der See von Elend, von dem die unglückliche Bevölkerung von Uganda während der letzten einigen Jahre heimgesucht ist, es ist aber deswegen doch nicht weniger verdienst lich unv der Anerkennung wert. Zur Zeit meines Besuches der Zusluchtstätte befanden sich daselbst 110 Kranke. Sie waren in grohen, mit Schilf eingedeckten Hallen untergebracht und nach ihrem Geschlecht und dem ver schiedenen Krankhcitszustande geschieden. In einer der Einfrie digungen sahen wir eine Zahl von Kindern, bei denen sich gerade die ersten Zeichen der Seuche zeigten. Ahnungslos von dem ihnen bevorstehenden Verhängnis spielten und tummelten sich die armen kleinen Dinger in voller Lebenslust in dem Schat ten des Bannanenhaines herum und nur die geschwollenen Drü sen an ihrem Halse zeigten, daß ihr Schicksal besiegelt war. Es war in der Tat traurig, zu denken, das; in kurzer Zeit das frohe und Helle Lachen dieser Kinder immer seltener werden würde und daß alle diese kleinen Geschöpfe, die jetzt vor Lebenslust über sprudelten, nach einem Jahre oder zwei Jahren des Elends ihren Platz auf dem Friedhöfe gefunden haben werden, den man zwischen dem Blättergewinde hindurch sehen konnte. In einer Reihe von Schuppen, die von den Bananenhainen umgeben waren, welche die Nahrung für die Kranken liefern, sahen wir eine Zahl derjenigen, die in das z w e i t e S t ad i u m der Krankheit eingetreten waren. Die meisten von ihnen schienen schwer zu leiden. Sie mieden den Schatten der schilsbedeckten Dächer und zogen es vor, in der Hitze der Mittagssonne zu liegen oder zu sitzen. Selbst da zitterten viele beständig vor Kälte und zogen die aus Baumrinde angesertigten Decken um ihre abge magerten Glieder. Der Ausdruck ihres Gesichts und ihre müden Augen verrieten die nagenden Schmerzen, unter denen sie bestän dig litten, und die unglücklichen Geschöpfe schienen vor jeder Be rührung besondere Angst zu haben. Viele von ihnen waren in jenen sonderbaren Zustand der Lethargie versunken, der für den irreleitenden Namen der Krankheit verantwortlich ist, der ihr gegeben wurde. Unglücklicherweise ist gerade ein tiefer Schlaf diesen Unglücklichen vorenthalten, und die Teilnahmslosigkeit, in die sie versinken, rührt von den ununterbrochenen gräßlichen Schmerzen her. Häufig benutzen sie die Augenblicke, wo sie un beobachtet sind, dazu, Selbstmord zu begehen und es ist ein Wun der, daß es nicht häufiger geschieht. Weiter hin kamen wir zu jene», die sich in dem letzten Stadium der Krankheit befanden. Auf Betten von trockenem Laub herumliegend, boten sie bei ihrem entsetzlich abgemagerten Zustande einen schrecklichen Anblick. Die unglücklichen Menschen sahen aus wie Totengerippe und nur ihr schmerzliches Stöhnen verriet, daß das Leben in ihnen noch nicht erloschen war. Einige waren wahnsinnig geworden und trotzdem, daß sie an schwere Baumstämme angekettet waren, um sie unschädlich zu machen, so konnte man sie doch nur beneiden, daß sie sich der furchtbaren Martern, die ihre Mitleidenden beinigten, nicht länger bewußt waren. Das tolle Lachen dieser Unglücklichen war in dieser Heim stätte der Schmerzen und des Todes besonders entsetzlich. Als wir durch die Reihen der Hütten zurückschritten, in denen sich die im zweiten Stadium der Krankheit befindlichen Patienten befanden, fragte ich den guten Bischof, der an der Spitze der Mis sionare steht, was ich tu» könnte, um den unglücklichen Leuten im Asyle eine glückliche Stunde zu bereiten. Er erwiderte, daß ein unnatürlicher Hunger eines der Zeichen der Schlafkrank heit sei. „Sie werden verstehen," sagte er, „daß wir mit unseren geringen Mitteln nichts mehr tun können, als die armen Ge schöpfe in der einfachsten und billigsten Weise zu verpflegen. Ba nanen bilden so gut wie ihre ausschließliche Nahrung und diese wachsen in den großen Hainen in der Umgebung der Mission. Eines der charakteristischen Symptome der Krankheit ist ein« unbezähmbare Sucht nach Fleisch und Fett, und es ist nichts Ungewöhnliches, daß Eingeborene, die von der Krankheit be fallen wurden, in der leichtsinnigsten Weise alle ihre Schafe und Ziegen in der kürzesten Zeit schlachten und verzehren." Der Bischof hatte kaum den unglücklichen Leuten verkündet, daß noch vor Abend ein Ochse für sie geschlachtet und geröstet würde, als sie in die größte Aufregung gerieten. Ihre Gesichtszüge leuchteten vor Freude, jene, di« noch imstande waren, sich zu bewegen, tanzten vor Freude und andere warfen sich uns zu Füßen, um uns zu danken; selbst die Gesichtszllge der Kranken, die schon ganz apathisch geword^ waren, schienen sich zu erhellen. Für den Augenblick hatten sie offenbar ihre Leiden vergessen und man konnte nur bedauern, daß dem nur eine kurze Dauer beschieden war. Der Gouverneur erörtert dann di« verschiedenen aufgestellten Theorien über den Ursprung der Krankheit und die eingelei- teten Heilverfahren sowie die von der Regierung in Aussicht genommenen Maßnahmen zur Bekämpfung derselben. Er führt an, daß von den 300 000 Eingeborenen entlang den Ufern des Victoria Nianza und auf den Inseln in dem Großen See bereits 200 000 hi »gerafft worden sind. Ob nun der Rest wird gerettet werden können, werde sich zeigen. Von diesem sind aber auch schon bereits 20000 von der Schlafkrankheit er griffen und sie würden jetzt in großen Lagern, die je 1000 Per sonen faßen, untergebracht. Trotz der Beiträge des Schatzamtes müsse aber da mit der größten Sparsamkeit vorgegangen werden. Ein bißchen Fleisch von Zeit zu Zeit würde aber die armen Ge schöpfe glücklich machen, und um dies zu ermöglichen, richte er diesen Ausruf an das Publikum. Politische Tagesschau. Aue, den lg. April Aus mittelständischen Organisationen. Wieder kommt die Kunde von Reibungen innerhalb einer mitlelständischcn Organisation. Die beiden Vorsitzenden der Berliner Ortsgruppe der deutschen MiltelstaiidSvereinigung, Ober meist, r Rahardt und Postsekretär Stockmann, haben nach der Deutschen Tagesztg., der wir die Verantwortung für die Nachricht überlassen müssen, ihre Aemtcr niedcrgeiegt; die Herren Fritz Schmidt und Ernst Hagemann sind an ihre Stelle getreten und es soll eine röllig neue Agilatlons» und Organisationswcise ent sprechend den Ideen des rheinisch-westfälischen Landesverbandes der MiitelslandSvereinignng (mit dem Sitz in Düsseldorf) Einzug halten. Soviel erscheint sicher, daß einmal wieder Leute, die vor dem von politischer Weisheit trieften, an das Ende ihrer Weis heit gelangt sind. Die Geschichte der Mittelstandsbewegung ist reich an Zusammenbrüchen und Zwisttakeiten an den verschiedene. H. W. M. Skizze von Hermann W. Klar. (Nachdruck verboten.) Am Schalter des großen Postamts lehnte ein Herr in mitt leren Jahren und sah gespannt d«m Beamten zu, der einen Stoß postlagernder Bries mit flinker Hand durchblätterte. Der War tende klopfte indessen mit dem Klemmer in der rechten Hand ner vös auf den Fensterrahmen, während die Link« den Habitbart noch straffer «mporzog. „Nichts da!" ries der Beamte, indem er das Schiebefenster zurückzog. „Das ist unmöglich," sagte der Herr draußen, „ich habe meinen Brief deutlich gesehen, kleines Qua drat-Format, weißes, geripptes Papier, er liegt verkehrt, bitte noch einmal nachzuschauen." Eine bange halb« Minute — dann wieder dieselbe Antwort: „Es ist nichts da!" Ueber den Arm de» Wartenden reicht bereits e-n Dienstmädchen ungeduldig eine Postanweisung. — Andere drängen nach. Als aber die Küchenfee in das Gesicht des still zurückwetchenden Nachbars sah, ging es wie Mitleid Uber ihre hübschen Züge — so tottraurige Augen hatte sie noch nie gesichen. Langsam schritt der Herr durch di« Halle, stieg die Stufen zum Ausgang hinab und verschwand im Gewühl der Großstadt. — Vor einem Jahre sah er sie nach langer Zeit wieder. Aus der hübschen Kleinen war «in bildhübsches Mädchen geworden. Und was ihn am meisten fesselte bo m Wiedersehen, das war der Dust h««llfrifcher Reinheit, der von ihr ausging. Er hatte so viel Häßliches gesehen, daß ihm diese keusche Schönheit seltsam ergriff. Harry Treuberg hatte sein Leben lang das Herz des Woibes zum Gegenstand seines Studiums erkoren. Er fand innige Freude an feiner Arbeit, deren Resultate er eifrig registrierte und sein Wtßenkreis auf diesem schönen Gebiete erweiterte sich immer m«Hr. Bitter« Enttäuschungen blieben nicht au», aber da der Grundzug seines Strebens Uneigennützigkeit war, so gewann die Grsud« immer wieder die Oberhand und ließ ihn den Schmerz vergessen. Er hatte sich bei seinem Studium der Frauenseele ein großes Ziel gesetzt: er wollte beweisen, daß es falsch sei, was scharf züngig« Philosophen und Literaten vom Weibe behaupten: es sei im Grunde unwahr, am letzten Ende herrschsüchtig, grausam, die Stärke des Weibes sei seine Schwäche, er wollte zeigen, daß allein das Herz des Weibes gut sei und nur verdorben würde durch äußere Einflüsse, vor allem durch — den Mann. Wenn er voll Begeisterung in stillen Stunden seinen Freun den die Resultate seiner Forschungen mitteilte und mit leuchten dem Auge seine Grundsätze verteidigte, lachte ihn manch einer lustig an und sagte: „Laß ab, Liebster, von deinem Tun, du änderst nichts, sie sind doch alle falsch. Du mußt erst einmal gründlich reinfallen, um von den idealen Anschauungen ge heilt zu werden. Und weißt du, wer am meisten über deine Weisheit lachen wird? Die Weiber! Die erste beste vom schönen Geschlecht, das du so lebhaft verteidigst, würde sich eine wahre Lust daraus machen, dich an der Nase herumzusühren. Verliebe dich einmal rechtschaffen, dann kannst du die Probe auf dein Exemcel machen." entrüstet wandte sich Treuberg ab — ab«: er dachte Uber den Schlußsatz nach. Ja, wirklich, die Liebe wäre eigentlich der beste Prüfstein für dein Studium, sagte er sich. Aber er war noch nie verliebt gewesen — nie, wirklich nicht! Wenn es -hm einmal schien, als wenn er für ein Weib tiefere Empfindungen hegte, dann kämpfte er seine Neigung nieder, weil er sie für ein Hindernis hielt. Er wollte frei, unparteiisch sein. Und jetzt? Jetzt, während er über dem letzten Kapitel seines Werkes: Die Wahrheit über die Frauenfeele schrieb und mit schwungvollen Schlußworten beweisend seine Behauptungen zu- sammensaßte, jetzt war er verliebt, und -war sehr! Nach jenem Wiedersehen verlebte er «ine Nacht voll harter Kämpfe. Er suchte sich der gewaltigen Regung seines Herzens zu entziehen — aber so ost er die Feder eintauchte und zu schrei ben anfing, flößen di« Zeilen in einander und hinter dem Schreib tisch hervor lugte ein rosiges Antlitz und dunkle Augen schauten ihn bedeutungsvoll an. Da verließ Treuberg das graue Feld der Theorie und zog auf di« von leuchtendem Sonnenschein erfüllt« Au des warm pulsierenden Lebens — er wollte die Probe auf sein Exempel machen. * Er gestand ihr seine Liebe brieflich, wie sich das für einen Schriftsteller schickt. Die Antwort war ablehnend, das heißt äußerlich. Aber gerade darum, weil sie ihm mit scharfen Grün den auseinandersetzte, daß eine Verbindung unmöglich sei und besonders darum, wie sie das tat, gewann sie sein Herz. So schmerzlich er die augenblickliche Abweisung empfand, so sehr er blickte er darin einen Beweis für die Wahrheit seiner Grundsätze von der Reinheit der Frauenseele. Seine Erwiderung war ein Meisterwerk diplomatischer Kunst. Er schrieb thr^ sie habe ihn falsch verstanden, es läge ihm nur daran, ein freundschaftliche» Verhältnis anzubahnen, bestimmt, auf den Gebieten der Literatur und Kunst sich gegenseitig reichen Genuß zu verschaffen. Am Schluß des umfangreichen Briefes bat er um eine Zusammen kunft zur ruhigen Ausst rache. Er war ordentlich stolz, seine Lüge so tadellos umschrieben zu haben. — Die Aussprache erfolgte und das Verhältnis und Verhängnis begann. Treuberg ging systematisch vor. Alles, was er in langen Jahren aus seinem Studium geschöpft und in Grundregeln ge bracht hatte, wandte er nun an und sah mit wachsender Freud«, wie sich sein Prinzip bewährte. Immer inniger wurden die Be ziehungen zwischen den beiden. Ihr Inneres schien eine wahre Fundgrube köstlichster Eigenschaften. Hier sah Treuberg sein Ideal verwirklicht. Wenn er heimkam von ihr, rührte er «nutz die Feder, um Nachträge zu seinem Werke zu machen. So standen seine Liebe und seine Arbeit in steter Beziehung; Herz und Be stand. sonst 10 oft im Leben in hartem Widerspruch, harmonirrlen hier in schönster Wcise. Er glaubt« sie nun völlig zu kennen. Ein stimmungsvolles Gedicht, das er ihr widmete, hatte sie vsit.ndo besiegt: Schau tief in meine Seele, St« sei dir wie ein Buch, Lies Blatt und Blatt, Geliebt«, Lie» jeden Vers und Spracht