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Die Privatangestellten nnd die Politik. - Aus den Kreisen der Privatbeamtenschaft wird uns ge schrieben: In den letzte» Wochen hat eine Reihe von Ereignissen die P r i v a t a n g e st e l l t e n in erhöhtem Matze aus die Tätig keit des Reichstags aufmerksam werden lassen, ohne datz es je doch gelungen wäre, die Gleichgültigkeit, die weite Kreise der in Frage kommenden Verufsgruppen im Vanne hält, ganz zu brechen. Ob im Reichstage über eine Verbesserung der Arbeits bedingungen oder eine Vermehrung der öffentlichen Rechte der kaufmännischen und technischen Angestellten debattiert wird, oder ob große maßgebende Körperschaften, wie der Deutsche Handels tag oder die großen Unternehmerverbände, gegen dringende Wünsche der Angestellten sich abweisend verhalten, scheint auf die Beteiligten recht wenig Eindruck zu machen. In den Leitungen der großen Angestelltenverbände rumort es natürlich jedesmal, sie lehnen sich dagegen auf, wenn wieder die von ihnen oft und eingehend begründeten Forderungen ein ungünsti ges Schicksal erfahren, aber die Masse verharrt im Gleichmut und wartet auf irgend einen glücklichen Zufall, der sie ein Stück vorwärts bringen soll. Nun könnte man das alles ja von einem gewissen Standpunkt aus sogar begrüßen. Denn wäre das alles anders, dann hätte man wohl dem Eindringen berufs mäßig oppositioneller Elemente in diese Kreise nicht so erfolg reich entgegenwirken können, wie das bis jetzt geschehen ist. Immerhin muß es beklagt werden, daß in unserer heutigen politisch so bewegten Zeit die Privatangestellten nicht mehr zur Teilnahme am öffentlichen Leben herangezogen werden konnten, als es leider eben der Fall ist. Nun soll ja durchaus nicht ver kannt werden, daß verschiedenfache Verhältnisse sozialer wie wirtschaftlicher Natur die Privatbeamtenschast beengen, daß es also nicht immer der Mangel an gutem Willen ist. Aber be dauerlich bleibt die Erscheinung deshalb doch. Das neue Vereinsgesetz bietet vielleicht eine Hano- habe dazu, daß cs anders wird. Denn die bisherige Vor schrift, daß politische Vereine ihre Mitglicderverzeichnisse bei Der kranke Wittelsbacher n.chd..-o.b.„» auf vem Throne. Am 2 7. Aprild. I. begeht der bayerische K ö n i g O t t o 1. seinen 8 0. Geburtstag; er begeht ihn in dem abgelegenen stillen Schlößchen Fürstenried bei München, in dem er nun mehr schon 30 Jahre die Hälft« seines Lebens — iy geistiger Umnachtung, doch sonst bet bewundernswerter körperlicher Gesundheit verbringt. Des Königs geistige Erkrankung ließ sich schon in den Tagen seiner Kindheit in unverkennbaren An zeichen nachweisen, was seiner nächsten Umgebung, insbeson dere den geängstigten Elter», große Sorgen bereitete; noch hoffte man in dieser Zeit, daß Erziehung, Lebensweise und Erfahrung das Gefürchtete nicht etntreten ließen. Die Vergangenheit hat uns gezeigt, wie trügerisch diese Hoffnungen waren. Er wurde zum Opfer einer tückischen, langsam fortschreitenden Krankheit, mit ihm bekanntlich auch später sein Bruder, der von seinem Volke abgöttisch geliebte König Ludwig II., und neben dem Elternpaar sah sich ein ganzes Volk um seine reichsten Hoff nungen betrogen. König Otto ist am 27. April 1848 geboren; er war von den Leiden Söhnen des bayerischen Königspaarcs, Maximilian II. und desscn Gemahlin Marie, einer preußischen Prinzessin, vcr Nachgeborene und kam zwei Monate zu früh zur Welt, wohl infolge eines jähen Schrecks, der die damals 22jährige Königin in den revolutionären Tagen überfiel; er zeigte sich sehr schwäch lich entwickelt und wurde von den Aerzten als nicht lebensfähig erklärt. Er wuchs indessen zu einem anmutigen Kinde heran, ward durch seine Sanftmut und sein weiches Gemüt bald der Liebling des ganzen Hofes und wurde infolge seines Fleißes und seiner seltenen Gewissenhaftigkeit Altersgenossen als Muster hingestellt. Es war ein herrliches Familtenbild, wenn man der Polizei einreichen mußte», ist ja weg gefallen, und damit wird manches ängstliche Gemüt, besonders aus Ange stelltenkreisen, von einem gewissen Druck befreit werden. Ob man es nun, gemäß einer von dem Kölner JungliLeralen Dr. Brunhuber unlängst gegebenen Anregung, für richtig hält, liberale Angestelltenvcreine zu begründen oder nicht, jedenfalls wird man diesen Kreisen einen politischen Zu sammenschluß zu bieten vermögen, der ihnen eine nachdrück liche Vertretung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen ermöglicht. Dann werden auch die liberalen Fraktionen in den gesetzgebenden Körperschaften die brennenden Fragen des Pri- vatangestclltenstandcs beachten und die berechtigten Forderungen dieser Kreise verfechte», wo und wann immer sich das mit oen Interessen der Allgemeinheit und den berechtigten Interessen der anderen besonders Beteiligten verträgt. Die einzelnen liberalen Parteien widmen ja neuerdings der Frage mehr Aufmerksam keit und deshalb ist zu hoffen, daß der E e s a m t l i b e r a l i s- m u s in der Lage sein wird, in Zukunst gerade aus dem Lager der Privatangestellten seine wertvollsten Truppen zu rekru tieren. Für die Privatangcstellten selbst kommt dabei noch in Frage, daß sie sich gegenwärtig in einer eigenartige» Zwickmühle be finden. Die gewerblichen und industriellen Arbeitgeber stehen hinsichtlich der großen sozialpolitischen Fragen zurzeit in einem ziemlich osfenen Gegensatz zum Reichstage, der ja in Deutsch land dafür die maßgebende gesetzgeberische Stelle ist. Ja, die Deutsche Arbeitgeber-Zeitung fordert ganz offen dazu aus, gegen die sinnlose sozialpolitische Gleichmacherei der gesetzgebenden Körperschaften durch Gründung eines Bundes gewerblicher Ar beitgeber ganz energisch Front zu machen. Die Folge davon wird sein, daß die Privatangestelltcn aus hundert Gründen — die hier nicht angeführt zu werden brauchen — überall da recht wenig Entgegenkommen finden werden, wo man in der Lage wäre, wohlwollende Sozialpolitik mit privaten Mitteln zu trei ben oder die gesetzgeberischen Arbeiten durch Befürwortung irgendwelcher Art zu fördern. Die Arbeitgeber i» Handel und Gewerbe haben gerade in der letzten Zeit bewiesen, daß ihrer Meinung »ach für die Angestellten vorläufig reichlich genug getan sei. Der Reichstag — und vornehmlich auch die liberalen Fraktionen — hat dagegen zum Ausdruck gebracht, daß er in bezug auf die berechtigten Svünsche der Privatangestellten durchaus ein etwas schnelleres gesetzgeberisches Tempo wünsche. Wollen also die Privatangestellten, daß ihre Hosf- nungcn in Erfüllung gehen, so mögen sie sich geschlossen hinter die liberalen Parteien stellen. Nicht nur platonisch, sondern auch mit der Tat. Wenn der Umstand, daß das Vereinsgesetz für politische Vereine vielfach so wesentliche Verbesserungen bringt, in den Kreisen der Privatangestellten richtig erfaßt und vom Gesamt liberalismus geschickt und mit Nachdruck benutzt wird, dann muß es möglich sein, einen so wertvollen Bestandteil unserer erwerbs tätigen Bevölkerung für den liberalen Gedanken zu gewinnen. Daraus würde sich dann die weitere Möglichkeit — von mehr wollen wir hier nicht reden — ergeben, daß die Arbeiter schaft mit Hilfe der Angestellten dem Liberalismus zurück gewonnen werden könnte. Man mache sich nur an den maß gebenden politischen Stellen einmal klar, was das bedeutet, damals die königliche Mutter mit ihren beiden Söhne», die sich sehr zugetan waren, in den Straßen Münchens promenieren sah. Die Erziehung der Prinzen war streng — vielleicht zu streng. Neben seiner militärischen Ausbildung besuchte Otro auch die Vorlesungen der Universitäts-Professoren Eiesebrecht, Riehl, Carriere. 1883 ward er Unterleutnant, 1864 Oberleutnant und nach Erlangung der Großjährigkeit — 1866 — Hauptmann. Das 5. Chevauleger-Regiment, dessen Inhaber er im folgenden Jahre geworden, inspizierte er in dessen Garnison Speyer (Rheinpfalz) im August 1867. In seiner schmucke» Uniform er regte die schlanke Gestalt des Prinzen in den Straßen der bay erische» Residenzstadt besonderes Aufsehen. Bet Ausbruch des Krieges 1866 reiste Otto, der jetzt, als großjährig, eigenen Hof staat nebst einer Apanage von 80 000 Gulden hatte, in das Hauptquartier ab. Nach Berichten von Augenzeugen sah man ihn mehrmals an bedrohten Punkten; er zeigte Mut und große Entschlossenheit, verblieb dabei aber immer in heiterer Stim mung. 1870 sandte ihn sein Bruder — Ludwig lvar seit 186-t, im Jünglingsalter von 18>(> Jahre», König geworden — wieder ins Feld, wo er im Hauptquartier König Wilhelms von Preu ßen einer Abteilung des Generalstabes zugcteilt wurde. Hier erregte er indes durch Reden und Handlungen unliebsames Auf sehen, infolge zutagegetrctender Unklarheit seiner geistigen Funk tionen gab es peinliche Vorkommnisse (er korrespondierte mit dem Feinde, drang auf Frieden u. a.), die sein Verbringen nach München, bezw. in das außerhalb der Stadt gelegene Schloß Nymphenburg, zur Folge hatte». Damit wurde ihm auch jene Stellung bei dem Heere, die ihm als Bruder des regierenden Königs zukam, entzogen. Seine jetzt häufiger gewordenen Wahnvorstellungen machten, um öffentliche Austritte zu vermei den, eine strenge Uebcrwachung nötig. Trotzdem ereigneten sich noch Zwischenfälle, so jener,, der die Aufmerksamkeit der Mün und wir sind sicher, daß man der Privatangestclltenfrage und ihrer politischen Organisierung dann «in größeres Interesse entgvzenbringen wird. Mit denen, die bei den sozialpolitischen Wünschen der Ange stellten die Leidtragenden zu sein glauben, zusammen zu arbei ten, mag nicht ganz leicht sein. Wenigstens nicht, wenn es sich um die besonderen Standesangelogenheiten handelt. Dagegen werden für die großen allgemeinen politischen Fragen, wo das Zusammenwirken aller Stände nötig ist, die politischen Ange- stelltenvereine infolge ihres — auch durch anderweite Organi sation — besseren und strafferen Zusammenhaltes die Kern truppen liefern können, aus die man sich — wenn man sie selbst nicht im Stich läßt — unbedingt verlassen kann. CtnrlPbeH-BamierlNlM -f-. Eine Meldung aus London vom 27. d. M. besagt: Der frühere Premierminister Sir Henry Camlpbell-Ban- nerman ist heute gestorben. Der Verewigte ist 72 Jahre alt geworden. Campbell-Vannermann war schon 36 Stunden vor Eintritt des Todes bewußtlos. Um 9>/j Uhr morgens erfolgte der Tod plötzlich an Herzschwäche. Die Nordd. Allg. Ztg. bemerkt zu dem Todesfall offiziös: In die nicht ganz drei Jahre, die er an der Spitze des Ministeriums gestanden hatte, fällt die Anbahnung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und England, für die er persönlich gewirkt hat. Sir Henry Campbell-Vannerman wurde am 7. September 1836 als Sohn des Sir James Campbell geboren und fügte im Jahre 1872 als Erbe seines Oheims mütterlicherseits dessen Namen Bannerman seinem Familiennamen zu. C.-B., wie der verstorbene Premierminister in parlamentarischen Kreisen all gemein genannt wurde, gehörte dem Unterhause seit dem Jahre 1868 an, und zwar vertrat er diese vierzig Jahre hindurch den Wahlkreis Stirling Vuvghs. Er war erst drei Jahre Mitglied dos Hauses der Gemeinen, als er von Gladstone, der im Jahre 1868 sein erstes Kabinett gebildet hatte, zum Finanzsekretär im Kriegsamt berufen wurde. Als Gladstone im Jahre 1880 nach Disraelis Sturz zum zweiten Male die Geschäfte übernahm, übertrug er Campbell-Vannerman denselben Posten, denn dieser im Jahre 1882 mit dem des Sekretärs der Admiralität und im Jahre 1884 bis zum Antritt des ersten Kabinetts Salisbury im Juni 1885 mit dem des Chefsekretärs für Irland vertauschte. Im dritten Kabinett Gladstone, das nur vom Februar bis August 1886 währte, bekleidete E.-V. den Posten das Krtegsministers, den er im letzten Kabinett Gladstone und nach dessen Rücktritt im Kabinett Rosebery von 1892 bis 1895 von neuem übernahm. Ueber eine sein Ressort betreffende Frage kam die liberale Re gierung damals zu Fall. Das große Vertrauen, das die Liberalen in Campbell- Vannerman setzten, kam im Jahre 1899 in seiner Wahl zum Führer der liberalen Opposition als Nachfolger Sir William Harcourts zum Ausdruck, und er wußte sich dieses Vertrauen trotz der ernsten Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Par tei, in der er seit dem Beginn des Burenkrieges in im perialistischer Richtung sich lebhafter zur Geltung zu bringen ver stand, zu bewahren. Als die konservative Verwaltung im Dezem ber 1905 vollkommen abgewirtschaftet hatte, und sich nicht län- chener Bevölkerung ganz besonders auf den unglücklichen Bruder des Königs lenkte: Am Fronleichnamstage des Jahres 1873 war es dem Prinzen gelungen, sich der Bewachung zu entziehen und er erschien plötzlich in der Frauen-(Dom-)Ktrche, begab sich in das Presbyterium und sagte mit lauter Stimme das Lon- fiteor. Der Erzbischof (v. Scherr) mußte das Hochamt unter brechen, doch gelang es zwei Kanonikern, den Prinzen zu be ruhigen und wcgzusühren. Nach einer anderen peinlichen Szene — Otto war an das Fenster gestürzt, durch das er laut rief: Chevaulogers! rettet mich, man will mich umbringen I — ward er in das ca. 10 Kilometer entfernte Lustschloß Schleißheim verbracht, woselbst er bis 1878 verblieb, um dann dieses mit FUrstenried zu vertauschen, das er bis heute bewohnt. Dort steht ihm eine nach rückwärts gelegene Flucht von präch tigen Gemächern zur Verfügung. Die Fenster gehen nach dem kunstvoll angelegten Park, den Marmorgrup^n und Spring brunnen schmücken. Das Schlößchen enthält auch eine Kapelle, Gewächshaus, Wintergarten und einen Marstall. Bis vor 13 Jahren noch hatte Otto — 1886, nach dem tragischen Ende seines Bruders Ludwig II., ging die Köntgswllrde an ihn über — Spazierfahrten in der Umgegend gemacht, seitdem aber beschränkt sich sein Aufenthalt ausschließlich auf das mit hoher Mauer umgebene Schloß mit seinem Park, in dem er an schönen Tagen sich ergeht; da kommt es dann noch vor, daß man über die Mauer hinweg seine Kommando- oder je nach seiner Laune auch zornige Worte hört. Dieses einzige Fleckchen Erde in seinem ganzen schönen Königreich ist ihm geblieben, und hier wandelt, von zarter Sorgfalt und bester Pflege und mit allem denkbaren Komfort, wie es seiner Würde entspricht, umgeben, einsam auf seiner von Geistesnacht umdämmerten Höhe Bayern» König. Als König Ludwig II. auf hohem Katafalk in der Münch ner Residenz lag (Juni 1886), da traten in FUrstenried Ober-