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Verantwortlicher Redakteur! Fritz Aenhold. Für di» Inserat« verantwortlich; lvalt« r Arau» beide in Aue. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Anenahm» der Sonntag« nachmittag, von 4—s Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher lN. Für unverlangt «ingesandt« Manuskript» kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Znh.: Paul Beuthner) in Aue. fl'rl"— Bezug,prei,: Durch unser» Boten frei in. Kau, monatlich »0 pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich 40 pfg. und wöchentlich l<> pfg. — Bei der Post bestellt und selbst adgeholt vierteljährlich ».so Ulk. — Durch den Briefträger frei in» Kau, vierteliährkich ».92 Mk. — Einzeln« Nummer »0 pfg. — Deutscher Postzeitungs katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bi, spätestens 9'/, Uhr vormittags. 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Man redet davon, Mecklenburg, das Land der Obo- ' triten, solle eine Verfassung erhalten. Man glaubt sogar daran, vor allem deshalb, weil jedermann weiß, wie not es tut. Meck lenburg als Bundesstaat hat eine Verfassung, Mecklenburg als Einzel st aat hat keine Verfassung. Vierzig Jahre nahezu ist's so gegangen. Die Ritterschaft saß im Rohr und schnitt die Pfeifen. Sie befand sich wohl genug Labei. Dem Volke war weniger wohl die Jahve daher, den Lehrern noch weniger, wenn das möglich ist. Daß mit der Verfassung sich Spreu und Distel nicht in Aehren und Früchte wandeln, ist richtige Man kann es in Preußen sehen. Auch dort herrschen noch antedilu- viale Zustände in Schulen, Schulhäusern, Lehrergehältern und Lehrerwohnungen. Aber alljährlich einmal kommen diese trau rigen Zustände in der Volksvertretung wenigstens zurSprach e. Wenn nun deren Zusammensetzung auch derart ist, daß die Kritik, die sie übt, im wesentlichen Kritik bleibt, so bringt doch schon die öffentliche Erörterung der Ding« manchen zur Raison, und der Volksvertreter, mag er noch so feudal gesinnt sein, riskiert es nicht ohne weiteres, von seinem Feudalismus Gebrauch zu machen, denn er verfällt unrettbar dem herben Urteil der öffent- 2, lichen Meinung, die gerade in Schulfragen hellhörig und kritisch * gestimmt ist. Mecklenburg, das Land der Obotriten, kennt von Lieser Art Kritik einstweilen nichts. So muß die Presse einspringen, und da finden wir in der Korrespondenz des deutschen Lehrer vereins einige recht erbauliche Geschichten. Da ist ein mecklen burgischer Ritter, der unter seinen Leuten eine Führerrolle spielt. Er hat die Einkünfte aus seinen Gütern zu verzehren, die nicht gering find. Daneben ist er Klosterhauptmann, ein angenehmer Posten ohne Arbeitsmüh', aber mit dem Ertrag von 16 vvv Reichs mark iM Jahre und mehr. Kurz, ein Main», der genau weiß, was hungern heißt, denn er hat es nie durchgemacht. Dieser sprach zu seinen Standesgenossen also: Gegen «ine weitere Erhöhung der Lehrergehälter spricht, daß es nicht wünschenswert ist, die Lehrer besser zu stellen, als die in ähnlicher sozialer Stellung befindlichen Personen auf dem Lande, mit denen zu verkehren der Lehrer angewiesen ist. — Also Förster, Nachtwächter usw. vermutlich. Es wäre ja auch himmelschreiend ungerecht, wenn der Schulmeister, der die Kinder lehren soll, mehr Einkommen hätte, als die Bauern und Kossäten. Da kennte er sich am Ende vor Ueberhebung nicht aus und erschiene wohl gar als Autorität. Das könnte seinem Amte und dessen Einflüssen nur Segen brin gen. Aber, aber, das geht nicht. Der Kerl liest so schon die liberalen Blätter. Wohinaus soll das? Schulmeister, bleib' bei deinem Leisten. Dein Leisten sind Bibelsprüche und Hungern, oder Hungern und Bibelsprüche. Am besten drückt deine Stel lung das schöne Soldatenlied aus: Und wenn im Dorf 'ne Hochzeit ist. Ei, seht doch, wie der Lümmel frißt, Das grüßte Stück muß seines fein; Das arme Dorfschulmeisterlein. Da haben wir all sein« Aggregate beieinander. Und damit hat di« Welt nach den Forschungen des Barons von Hühnerbein von der erlauchten Ritterschaft 2666 Jahre und länger bestanden, und es ist gut gegangen. Gut gegangen vor allem der Ritter schaft, und wer an deren Wohlbehagen rüttelt, — aber das ist ja ganz undenkbar, denn im Grunde kommt erst di« Ritterschaft und dann die übrige Weltgeschichte, Kaiser, Könige, Großherzöge und sonstige Potentaten eingeschlossen, und zwar nicht nur im Lande der Obotriten, sondern auch anderweit. Die Korrespondenz des deutschen Lehrervereins meint nun, jenes Wort des hochmögvnden Führers müsse allein genügen, um den Rittern das Recht der Schulgesetzgebung rundweg abzuspre chen. Das riecht schon brenzlig nach Liberalismus und schul meisterlicher Ueberhebung. Selbst «in Mehr an geheizten Zim mern wird verlangt und ein bestimmtes Ausmaß für den Kubik inhalt der Schulzimmer, ja sogar Besserung der Wasstrverhält- nisse. Alles ganz unerhört. Und dann fährt die' Korrespondenz fort: Die Unterrichtszeit in den ritterschaftlichen Schulen betrug im Winter meistens 26, im Sommer sehr häufig 12 Stun den. Die Woche natürlich. Als ob das nun nicht genügte, wenn draußen die Sonne lacht und Feldarbeit zu verrichten ist. Mancher wird übrigens auf dem Acker beim Rübenstecken und Kartoffellegen wirklich klüger als auf der Schulbank. Denn noch gibt es in mecklenburgischen Landen 35 Schulen, in denen weder Geographie, noch Welt-, noch Naturgeschichte gelehrt wird, Rech nen, Schreiben und Lesen aber so knapp wie möglich. Wie die Schulen, so die Seminare oder das Seminar. Denn di« Ritter haben für ihre Lehrer natürlich auch ihr eigenes Seminar und sorgen für di« Ausbildung ihrer Lehrer auf ihre Weise. Die Vor- und Ausbildungsschule für ritter- schaftliche Lehrer umfaßt zwei Klaffen. Als die Regierung vor einigen Jahren eine dritte Präparandenklasse forderte, weil der jetzige Zustand besorgniserregend sei, und als sie deshalb an die patriotische Gesinnung d«r getreuen Stände appellierte, al» döic Direktor des ritterschaftlichen Seminars klagte, daß da» Semtnar sich außerstande sehe, vollwertiges Material zu entlassen, wett selbst die besseren Zöglinge eine zu weng gediegene Vorbildung mitbringen, wurde die Forderung kurzerhand als nicht not wendig abgelehnt. Die Ritter glauben, daß der zweijährige Kursus die Zöglinge genügend vorbereiten und in ihnen eine echte Gesinnung pflanzen kann, so daß sie später als zufrieden« Menschen in ihren Beruf eintreten und nichts davon merken, daß sie hungern, daß sie gleich hinter dem Nachtwächter rangieren, daß die Schulstube keinen Ofen hat und die Wohnstube erst recht nicht und daß das Schulhaus jeden Tag einsallen kann. Solch zufriedene Leute sind di« brauchbarsten Staatsbürger im Land« aller Obotriten, dessen Grenzen weit über beide Mecklenburg hinausgehen, namentlich im Osten und im Süden. Die Ritter schaft erzieht solch zufriedene Menschen aus reinem Edelmut, und dann, weil ihre eigen« Zufriedenheit und Seelenruhe, zu mal bei 36 ovo Mark Einkommen, dabei keinen Schaden leiden. Und eine Verfassung, nimmermehr. Man sieht ander- weit zur Genüge, wohin man damit kommt. Verfassungen machen die Menschen nur unzufrieden, auch die Lehrer. Sie verlangen immer größere Einkünfte, wollen eine sozial« Stellung haben und ähnliche neuzeitliche Erfindungen. Nein, Verfassungen find Teufelswerk, sie schaffen Rechte, und der Ritter hat allein Recht für sich, für andere gilt seine Willkür im Patriarchenland« Mecklenburg. Politische Tagesschau. Nur, den 11. Mai. > Eine Belohnung für den Staatssekretär Dernburg. Der Kaiser hat dem Staatssekretär des Reichskolonialamts, Dern- burg, aus Anlaß der Annahme der Kolonialbahnvorlage den Kronenorden erster Klasse verliehen. Dem Staatssekretär ging folgendes Telegramm des Kaisers aus Donaueschingen zu: Mit besonderer Genugtuung habe ich die Meldung von der durch den Reichstag erfolgten Annahme der Eisenbahnvorlage, die dem Aufschluss« unserer Kolonien in Afrika dienen soll, er halten. Mit meiner besten Gratulation zu diesem verdienten Erfolge verleihe ich Ihnen als Zeichen meiner Anerkennung den Kronenorden erster Klaffe und wünsche Ihnen zugleich glückliche Reise zu Ihrer Reise nach Südwestafrika. Wilhelm I. R. * Di« Reichsbank erholt sich. Der Ausweis der Reichsbank vom 7. d. M. zeigt ein besseres Bild als das vom gleichen Tage des Vorjahres. Der Status hat sich diesmal um 73,7 Mil lionen verbessert gegen 54^ Million im Vorjahre. In der Vor woche war die Bank noch mit 42,4 Millionen in der Notensteuer pflicht. Jetzt verfügt sie wieder über eine steuerfreie Noten- res«rve von 30s/s Million. Im Vorjahre betrug die Noten reserve nur 7^ Million. Das diesmalige bessere Resultat hat seinen Grund darin, daß sich der Metallbestand um 10,3 Millio nen vermehrte, während er im Vorjahre um 2,8 Millionen ab genommen hatte. Das Wechselportefeuille nahm um 35,6 (ini Vorjahre nur um 4,1 Mill,) ab und das Lombard konto um 32,2 (22,2 Mill.). Die Girogelder haben eine Ver minderung von 2,2 Millionen erfahren, während sie im Vor jahre um 16,2 Millionen zugenommen hatten. Ein Wettrennen. Novellett« von Thea von Harbou. Nachdruck verboten „Missus, da ist ein Mann," wisperte die kleine Negerin, die zu den Füßen der Farmerfrau gesessen und deren dreijährigem Töchterchen geholfen hatte, eine stattliche Rinderherde aus Mais körnern in den Grashalmenstall zu treiben. Frau Waller und ihre Schwester Elsie hoben die Köpfe von den Leinenballen, an denen sie schnitten, und das Mädchen wurde so weiß, wie der Stoff auf ihrem Knie. Am Eingang des Torrals lehnte Toby Broker, der berüchtigte Pferdedieb zwischen dem Mississippi und den Rocky Mountains, den Hut im Genick, die Hände zwischen die blaue Bluse und die fuchsrote Schärpe geschoben, aus der die Griffe des Revolvers und des Messers schauten. Als er sich 'entdeckt sah, kam er langsam herangeschlendert. „Geh' ins Haus, Klara» und nimm das Kind mit," flüsterte Elfte der Schwester -p. Ohne an Widerspruch zu denken, hob die junge Mutter ihr ' Töchterchen auf den Arm, daß die erschrockene Kleine nur eben noch Zeit fand, eine Handoll ihrer goldigen Herde aufzuraffen. Hinter ihr flüchtete die klein« Schwarze ins Haus und schloß schleunigst die Türe. . ' Gifte hatte gelassen ihre Arbeit wieder ausgenommen und sah auch nicht empor, als Toby Broker dicht vor ihr stand. „Glaubt qg,. daß ich kl«ine Kinder fresse?" fragt« der Mann mit einem AnWdern, das sein braunes Gesicht ganz in Glut tauchte. „Man soll nichts verschwören," erwiderte da» Mädchen gleichgültig. „Jch wtztß ja, was ihr von mir denkt," fuhr der Mann fort und . Ktzt» sich auf den umgestülpten Melk-Eimer vor der Tür. „Sv? Dann wißt ihr auch, daß ihr euch nicht viel darauf einbilden Vchchrft." Toby Broker lachte vor sich hin, aber es klang nicht sehr heiter. „Euch muß eure Haut gewaltig unbequem sein, daß ihr sie so zu Markte tragt," sa/gte das Mädchen und bückte sich nach der Schere, die ihren Händen entfallen war. „Ich weiß, daß euer Schwager nach Trussers Farm geritten ist," erklärte er und betrachtete eifrig seine Stiefelspitzen. „Und da meint ihr heute bequem zu der Swallow zu kommen, die euch damals durch mich entging? Da seht" — sie hob den Arm und wies nach dem ein gezäunten Stückchen Weideland neben dem Hause —, „da steht die Stute! Aber nehmt euch in acht, die Boys find scharf auf euch — und heut würde ich mir's überlegen, ob ich den Hund wieder zurückriefe, wie damals, als euch seine Zähne schon an der Kehl« saßen!" „Es war eine gewaltige Dummheit, daß er nicht kräftiger zubiß," knurrte Toby Broker trübselig. »Viel leicht hätte euch das wenigstens vorm Meineid bewahrt!" stieß Elsie mit blitzenden Augen hervor. Denn habt ihr mir damals nicht bet allem Heiligen geschworen, mit beiden Füßen auf einen neuen Weg zu springen, «in neuer Mensch zu werden, fleißig und brav!" „Geschworen hab' ich's euch wohl," meinte Toby Broker, ohne sich zu rühren, „aber di« anderen, — die haben'» nicht zugelassen. Die sind schuld — und ihr seid's auch!"' „Ich?" stammelte fie. „Ja. Vorhin, wie ihr die Mutter mit dem Kind chen fortschicktet. Las war die Art aller ehrlichen Menschen — dem Spitzbuben gegenüber," sagte der Mann mit seinem häß lichen Lachen. „Ich bin von einem zum andern gelaufen und hab' meine Kräfte ausgeboten, aber gelacht haben sie, geflucht! Toby Broker und ehrlich werden! Toby Broker und ein Lraver Mensch! Da hab' ich noch di« Narb« von einem, der nach mir geschossen hat, ak» Ich mich nur von fern sehen ließ! Wie ich » gemerkt hab', daß man vor lauter Bravsein elendig verhungern kann, und wie mir die Leute ewig di« Vergangenheit vorhielten, mich Lump und Schuft schimpften, na, da hab' ich ihnen endlich den Gefallen getan. Richtig aufgeatmet haben sie, wie fie wieder die erst« Tollheit von mir hörten! Jede Teufelei trauten sie mir zu — nur kein« gute Tat. Und es hätte vielleicht nur solch ein Seilchen Vertrauen gebraucht, Las hätte mich hochgezogen aus allem, was ihr verachtet an mir. Na, ihr habt mir ja vorhin gezeigt, ums ihr denkt und glaubt und mi, zutraut . . ." Elsie wollte antworten, aber die Stimme versagte ihr den Dienst. Stumm saßen sich die beiden gegenüber, als ein schriller entsetzter Schrei im Innern des Hauses fie auffahren ließ. „Elfte, Elsie," schrie die junge Frau und wäre auf den Stufen der Haus tür fast zu Boden gestürzt in wilder Angst. „Sieh doch, was mit dem Kind ist? Was hat denn da» Kind?" Elfte flog die kleine Treppe hinauf und in die Stube. Auf der Binsenmatte am Boden lag das Kind mit blauem, entstelltem Gesicht, beide Händchen am Halse würgend, die zarten Glieder zuckend in er stickten Krämpfen. Elfte warf sich auf di« Kni« und hob die kleine Jammergestalt empor. Da» schien die Klein« ein wenig zu erleichtern, aber nur für ein paar Augenblicke, dann begann da« Würgen und Aechzen von neuem. Di« Irrenden Augen do» jungen Mädchens fielen auf die Maiskörner, die verstreut auf der Matte lägen. »Mein Gott, sie hat ein» davon verschluckt, fie erstickt daran." stammelte sie entsetzt, „und der nächst« Arzt wohnt in Daphne Hill uud der Bruder ist nicht da ... Herrgott, Toby Broker..." Ohne sich zu besinnen, sprang sie auf, zur Tür hinau» nach dem Hof«, und bat Toby Broker, mit dem Kinds nach Daphne Kill ' zum Arzt zu rett««. „Elsie, Elfi«, was tust du, was tust du!" jammerte die Schwester ünd wallte ihr da» Kind entreißest. Ab«, Elfi«, Hand drängt« K« zurück, ihre weit offerWn, Wa rnenden Augen hingen «n Taby Broker« erblaßtem GaßM »Hab