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Donnerstag, 14. Mai 1S08. v« IM S»00 nffntt »mntnl Rr. 111. Dritter Jahrgang. Ku er Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur! Fritz Arnhold. Mr dt« Inserate verantwortlich; Malter Rraur beide in Aue. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von L Uhr. — Telegramm-Adreffe: Tageblatt Aue. — Fernsprecher l». Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Inh.: Paul Beuthner) in Aue. Bezugspreis: Durch unsere Boten frei ins Haus monatlich so pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich 40 pfg. und wSchentlich io pfg. — Bei der Post bestellt und selbst atgeholt vierteljährlich ».so Mk. — Durch den Briefträger frei ins Saus vterteliährlich l.92 Mk. — Einzeln« Nummer lo pfg. — Deutscher Postzeitungr- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. 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Das sächsische Ministerium des Innern veröffent licht die Ausführungsbestimmungen zum Reichs vereinsgesetz. Die Haftentlassung des Fürsten Eulenburg ist nunmehr endgültig abgelehnt worden. (S. N. a. a. Welt.) * In den Staaten Arizona und Illinois haben W i r- belstürme großen Schaden aiigerichtet. 100 Personen sollen um gekommen sein. (S. N. a. a. Welt.) Die Abgesandten Muley Hafids wurden gestern in Berlin im Auswärtigen Amt inoffiziell empfangen. Was dem Handwerk not tut. In neuer Zeit haben in der Handwerkerwelt die alten Be strebungen, die unter anderem namentlich auf die Einführung des allgemeinen Befähigungsnachweises gerichtet waren, immer mehr an Anhängern verloren. Hat doch selbst de: Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag, der als die offi zielle Vertretung des gesamten deutschen Handwerkerstandes an gesehen werden kann, sich gegen die Einführung des allgemeinen Befähigungsnachweises erklärt. An die Stelle der alten Hand- werkerforderung find natürlich neue, neuzeitlichere getreten. Neben der Förderung des gewerblichen Unterrichts und der Die Rednerin. Nach Aufzeichnungen eines früheren Junggesellen von Margarete Pochhammer. Nachdruck verboten. Um keinen Preis wäre ich zu dem Vortrag« in Waldungen geblieben! Lange genug hatte ich di« eifrige Unterhaltung dar über mit anhören müssen, ob di« berühmte Rednerin wirklich ihre Tournee bis in unser Waldstädtchen ausdehnen würde. Als dann endlich di« ersehnte Zusage gekommen, waren unsere Damen ganz aus dem Häuschen geraten, und mir, dem alt modischen äteren Junggesellen, wurde dabei mit Bekehrungs versuchen arg zugesetzt. Der große Tag nahte, und ich hatte schon längst versichert: Ich reis« ab. An jenem Tage richtete ich mich für eine mäßige Fußtour ein und machte mich zum Einuhr-Zuge auf nach dem Bahnhof. Eh« die Berühmte auf der Bildfläche erschien, wollte ich so weit wie möglich entflohen sein. Doch — wie ich fröhlichen Muts um di« Ecke Liege — wer biegt in die Bahnhofstraße von der andren Seite ein? Das ganze Damen-Komitee! Ich mußte wohl oder Übel hinüber und Hände schütteln; mit der Frau Post direktor, der Frau Güterinspektor, Wei Kollegenfrauen; auch mit der Frau Oberförster und der Frau Forstpraktikant. Frau Postdirektor marschiert an der Tüte und trägt einen umfang reichen Blumenstrauß. Sie ziehen zum Bahnhof. — jetzt schon — um di« Gefeierte abzüholen! Da« sollte mir fehlen, der Zu- kunftsfrau so ungewollt in dt« Arm« zu laufen! Ich machte Kehrt. An den Rhein, — an den Rhein! — In di« Fähre! Ueber den Strom! Gerettet sp«rng ich ans Land auf Schweizer Boden, und schlenderte die halbe Stund« Wege» bi« zum kleinen Bahnhof. Hier mutzt« bald der linksrheinisch« Mtttagszug durchkommen. E« «ar ja gleichgültig, ob ich recht, »der link, «am Rhein meinen Tag verlebte. Al« ich den Bahnsteig betrat, — in d«r -and mein« Fahrkarte für die zweitnächste Station — war der Zug schan da. «her an die Weit«rfahrt schien «r vorläufig Heranbildung eines tüchtigen Handwerkernachwuchses ist es gegen wärtig namentlich das gewerblich« Genossenschafts wesen, dem die maßgebenden Handwerkerkreise wiederum ihr erhöhtes Interesse zuwenden. So ist die Handwerkergenossen- schaftsbowegung seit etwa einem Jahrfünft in eine neue Ent wickelung eingetreten. Seit dieser Zeit ist eine ganze Anzahl neuer Handwerkergenossenschaften entstanden, die sich auch zu Landes- oder Provinzialverbänden zusammengeschloffen und in dem Haupt erband deutscher gewerblicher sGe- nossen schäften zu Berlin ihre neueste Zentralisation ge funden haben. Für die Handwerker haben vor allem Wei Formen des Ge nossenschaftswesens: die Kreditgenossenschaften oder Vorschuß- kaffen und die Einkaufsgenossenschaften oder Rohstoffvereine, größere Bedeutung erlangt. Die Kreditgenossenschaften haben insbesondere den einen großen Vorteil, daß sie den beteilig ten Handwerkern, welche di« von ihnen hergestellten Waren sehr ost den Kunden auf Kredit liefern müssen, das erforderliche Be- triebskapital verschaffen zum Barbezug ihrer Rohstoffe und sonstigen Bedarfsgegenstände. Infolgedessen find die Handwer ker nicht mehr beschränkt in der Auswahl ihrer Lieferanten; sie werden von diesen unabhängig und können somit die Rohstoffe möglichst wohlfeil und in guter Qualität einkaufen. Dies« Wirkung wird aber noch bedeutend erhöht durch Zusammenschluß der Handwerker zu Einkaufsgenossenschaften, die den Beteiligten die Bedarfsgegenstände im großen und zu Großhandelspreisen aus den besten Bezugsquellen zu beschaffen vermögen. Bisher haben namentlich di« Kreditgenossenschaften schon einer ganzen Anzahl von Handwerkern gute Dienste geleistet. Immerhin hat sich zunächst nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der 1SOO VOO deutschen Handwerker die Vorteile dieser Ee- nossenschaftsart zunutze zu machen gewußt. Den Vorschubvereinen, die dem von Schulze-Delitzsch gegründeten Allgemeinen deutschen Genossenschaftsoerbande angeschloffen sind, gehören etwa 140 00 selbständige Handwerser an, und im ganzen wird es im Deutschen Reiche wohl allerhöchstens 200 000 selbständige Handwerker geben, die Mitglieder von Kredit genossenschaften sind. Viele Handwerker können demnach noch Len bestehenden genossenschaftlichen Kreditorganisationen bei treten oder im Verein mit anderen Kleingewerbetreibenden neue Kreditvereine errichten und hierdurch ihre wirtschaftliche Lage verbessern. Noch sehr entwickelungsfähig find aber die ge werblichen Einkaufs- »der Rohftoffvereine, die vor allem bisher von Schuhmachern und Schneidern, sowie neuerdings auch von Bäckern, Barbieren und M a- lern und anderen Handwerksgruppen ins Leben gerufen wor den find. Für die Errichtung von Einkaufsgenossenschaften können sich die Handwerker vielfach ein Beispiel nehmen an den landwirtschaftlichen Bezu gsg e nosse n scha f- t« n, denn diese find im Deutschen Reiche geradezu vorbildlich organisiert und haben glänzende Ergebnisse geliefert. Allerdings haben die Handwerker bei der Errichtung von Einkaufsgenossen schaften mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen, als die nicht zu denken. Der Stationsvorsteher, der Zugführer und zwei Schaffner standen ernst beieinander und redeten auf eine junge Dame ein, die anscheinend eben den Zug verlassen hatte. Das bewies Las Rundreisegepäck neben ihr am Boden und .in ratloser Ausdruck in ihrem Gesichte. Unwillkürlich ließ ich die Klinke der Kupeetür fahren, die ich eilfertig schon ergriffen hatte. Der Stationsvorsteher legte Li« Hand an die Mütze: „Diese Dame ist in Basel in den falschen Zug geraten, und nun weiß sie nicht, wie sie nach Waldungen kommen soll. „Hab' ich a schon gesagt," brummte der Zugführer, „bis Koblenz fahren, da auf den Anschluß warten, dann über die Rheinbrücke retour nach Waldungen." „Das kann ich nicht," rief die Reisende er regt. „„Das wird zu spät. Ich werde in Waldungen erwartet." Ein flüchtiger Verdacht stieg in mir auf, — aber ich bat ihn der fremden Dame gleich wieder ad. Um ganz sicher zu gehen, beschloß ich aber doch, sie auf di« Probe zu stellen. Ich zögerte nur noch einen Moment, denn ich wußte ja nicht, sollte ich gnä dige Frau oder gnädiges Fräulein sagen? Schließlich entschied ich mich für letzteres. „Gnädiges Fräulein," tröstete ich, „drüben verlieren Sie heute nicht viel. Da ist großer Klimbim — ein langweiliger Vortrag, der Sie schwerlich interessieren wird. Das ganze Städtchen lifuft dazu hin, also würden Sie niemand..." „Zu dem Vortrage gerade will ich nach Waldungen, unterbrach fie mich. „Ich kenne die Rednerin. Ich. . . reise mit ihr." „Ah so," sagte ich, nun doch ein wenig enttäuscht, „Sie haben sich von der Dame getrennt, Sie . . ." „Ich will sofort auf dem kürzesten Wege nach Waldungen," rief fie energisch. Inzwischen hatten die beiden Schaffner sich ihrer dienst lichen Pflichten erinnert. Der Lokomotivführer schwenkte gleich- fall» auf seinen Posten ab. Der Stationsvorsteher gab mit lauter Stimme die Weisung: Abfuhren! Fort rollte der Zug und ließ mich neben d«r Fremden und ihrem Gepäckhäufchen zurück. „Ich habe der Dame gesagt," wandte sich der Mann mit der roten Mütze noch einmal an mich, »Wenn fi«'s eilig hat, mutz fie zu Fuß gchen, runter zur Fähre." „Gern," »ersetzt« die Dame rasch, ,/»b«r man -ehauptet, hier gSLe .es keinen Kofferträger." Landwirte: die räumliche Zersplitterung der einzelnen Hand werksbetriebe des gleichen Faches, der Mangel geeigneter, wohl habenderer Eenoffenschaftsleiter, die großen Preisschwankungen und Qualitätsunterschiede der gewerblichen Rohprodukte sind die hauptsächlichsten Umstände, die in manchen Handwerks zweigen die Errichtng von Einkaufsgenossenschaften sehr er schweren. Indessen beweisen die Erfolge vieler gewerblicher Rohstoffvereine, daß der genossenschaftliche Rohstoffbezug wenig stens von einem Teil der Handwerker noch viel weiter aus gebaut werden könnte. Die übrigen Genossenschaftsformen, wie die Absatzgenos- senschasten, die W e r k genossenschaften und die Produktiv genossenschaften, kommen in der Hauptsache nur für einzeln« Handwerkszweige und auch für diese oft nur in beschränktem Maße in Betracht. Unter den Absatzgenossenschaften find es namentlich die M a g a z i n genossenschaften der Tischler und neuerlich die Häute- und Fellverwertungsgenossen- schäften der Fleischer, die größere Verbreitung gewonnen haben. Sicherlich.ist aber der genossenschaftliche Warenabsatz für manche Handwerkergvuppen noch in weit höherem Maße zu verwerten. Die Erkenntnis bricht sich immer mehr Bahn, daß das Genossen schaftswesen den Handwerkern noch ein reiche» Feld der Selbstbetätigung und Selbsthilfe bietet. Die Handwerkergenossenschaftsbewegung durch tatkräftige Mitarbeit zu fördern, müßte eine dankbare Aufgabe der Ver treter des gewerblichen Mittelstandes sein, die sich in den Dienst Les Handwerks gestellt haben. Die Genossenschaf ten sind naturgemäß kein Allheilmittel zur plötzlichen Hebung des gesamten Handwerkerstandes. Wie aber die bis herigen Erfolge bereits lehren, ist die Ausbildung der gewerb lichen Genossenschaften eines Ler Mittel, die geeignet sind, die Lebensfähigkeit und die Leistungsfähigkeit eines großen Teiles des Handwerks wesentlich zu erhöhen. Es ist deshalb freudig zu begrüßen, daß di« maßgebenden Handwerker sich immer mehr abkehren von zeitwidrigen Bestrebungen, wie di« Einführung de» allgemeinen Befähigungsnachweises öder die Bekämpfung der Konsumgenossenschaften, denen übrigens selbst sehr viele Handwerker als Mitglieder angehören, und daß diese Ge werbetreibenden den Weg der kraftvollen Selbsthilfe beschreiten. Nicht durch Bekämpfung der Genossenschaften anderer Berufs kreise, sondern durch eigenen Zusammenschluß zu Genossenschaften können sich die Handwerker dauernde Vorteile sichern! Sächsischer Landtag. Erste Kammer. 45). öffentliche Sitzung. ?. Dresden, 13. Mai. Präsident Graf Vitzthum von Eckstädt eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 20 Min. Es erfolgt zuerst die Verlesung einer ständi schen Schrift über die Petition des Gemeinderats zu Erlbach, Bahnverbindung nach Erlbach betreffend, sowie weiter die Ver lesung der ständischen Schriften über die Petitionen der Ge meindevertretungen von Wurzen wegen Ausbau der Bahn- „Gibt es auch nicht," bekräftigte der Vorsteher und kümmert« sich nicht weiter um uns. „Mein Gott- — nun aber riß der Fremden die Geduld — „hier wird doch irgend ein Mensch sein, der mir den leichten Koffer zur Fähre trägt!" „Gestatten Sie," sagte ich höflich und ergriff das Köfferchen. Es war wirklich nicht schwer. Mit gutem Gewissen konnte ich mich als Gepäckträger anbieten. Ich, der Landgerichtsrat, Willibald Schröder! Ohne Ziererei nahm die Fremde meine Hilfeleistung an, und ihre harmlose Art ermutigte mich. Eiligst log ich: „Gnädiges Fräulein, ich vergehe vor Durst! Gönnen Sie mir erst «ine Tasse Kaffee, sonst schaffe ich's kaum." „Wer gewiß," rief sie freund lich, „und zur Gesellschaft trinke ich gern «ine Tasse mit." Das war'» ja, worauf ich es angelegt hatte. Und als fie in dem winzigen Bahnhofszimmer die Handschuhe abzog, da stellte ich mich in geziemender Weise vor. Sie neigte ein wenig den Kopf, um anzudeuten, daß sie verstanden hatte. Wer fie macht« von dem Rechte der Dame Gebrauch, inkognito zu bleiben. Meine Neugier wuchs, während sie für «ns Leide den Kaffee ein schenkte und von dem ländlichen Kuchen kostete. Wer mochte sie sein, die mit der berühmten Rednerin reffte? Freudtn, Nichte, Gesellschafterin? Ich erfuhr es nicht. Statt dessen fragte sie mich über Waldungen au». Al» ich die vierte Taffe Kaffee getrunken und nicht» mehr in der Kann« war, mahnte die schön« Unbekannt« zum Aufbruch. Dann wan derten wir nebeneinander in der fahlen NovemLersonn« zum Rhein, der hier al» ein munterer Bergstrom in zahlreichen Win dungen Lurch di« Landschaft rauscht. Viel zu schnell brachte un» die Fähre hinüber. Ich packte nun einem Jungen das Köffer- chen auf und begleitete ihn und fie »um Hotel. Da verabschiedeten Nir un» — vor den Augen de» Oberkellners. Den hatte fie mit. gewinnendem Tonfall gefragt: „Ist Fräulein Sibylle Hinder st«, (so hietz die Berühmtheit) schon ang«kommen?'s Gr hatte eilig verneint, und sodann versichert, da, Komitee sei vergeblich am Bahnhof gewesen und befinde sich nun in der-größten Auf- regung. „Oh, da- macht nichts," hatte fie gleichgültig gesteh, ,chie Dam« wird ficherlich kommen. Führen sie mich M M