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Dienstag, 21. Juli 1808. M Ster 38V0 udleiti Idoniitei! «r. 167. Dritter Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge ... -'irDUivoitNchcc ReS.itleui Frig Ui » hoid. jüi di, Inserat» »«rantwottiich. II. all-l Rruus oeide ui Aue. mit der wöchentliche,: Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—s Uhr. — Telegramm-Adreffe: Tageblatt Aue. — Fernsprecher ros. Für unverlangt eingcsaiidte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Inh.: Paul Beuthner) in Aue. Bezugspreis: vur-b unsere Boten frei ins Haus monatlich so psg. 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(S. pol. Tgssch.) * Der geschästsführcnde Ausschuß des Deutschen Handwerks- und G c w e r b e k a m in e r t a g e S beschloß, den Gesetzent wurf über die A r b e i t s k a m m e r n ab ;u lehn en, sich aber in einer Eingabe au die Negierung für Schaffung einer besonderen Vertretung für die Arbeiter- interessen auszusprcchen. Grete Veier soll morgen früh hingerichtet werden. (S. Tclegr.) * Der sozialdemokralische Reichstags- und bayerische Landtagsabgeordnete Ehrhart ist in Ludwigs hafen gestorben. (S. pol. Tgssch.) * Der österreichische F i n a n z m i n i st e r, Baron Burian der auf Urlaub gegangen ist, wird nicht auf seinen Posten z u r ü ck k c h r e u. Des Thronfolgers Kandidat für den Posten ist Graf Zichy. Jnsuftriepolitik. In der neuen Revue veröffentlicht Reichstugsabgeordneter Dr. Stresemann einen ungemein instruktiven Aufsatz über Industriepolitik. Dr. Stresemann geht von dem bekannten Ver langen nach einer Nichts-als-Arbeitgeberpartei aus und lehnt eine solche rundweg ab, wie er dies bereits auch in einer süddeutschen Arbeitgeberversammlung getan hat. Doch gibt er hier seinem ablehnenden Standpunkt naturgemäß eine breitere und tiefere Begründung. Er weist aus die U n te r s chi ed e hin, die in bezug auf die Wirtschaftspolitik und in der Industrie herrschten, und die keineswegs mit den Namen Freihandel und Schutzzoll genügend charakterisiert wären, auf den Gegensatz zwischen Rohstoff- und Halbzeugindustrie, der immer mehr sich verschärfe, und meint, daß nur für die verarbeitende Industrie, die allerdings der größte Teil der deutschen Industrie sei, ein einheitliches wirtschaftliches Programm sich würde auf stellen lasten. Von dissem Programm schreibt Dr. Sresemann: Es würde in bezug auf die Zollpolitik einige Grade links von dem jetzigen Zolltarif liegen müssen, es würde fordern müssen, daß die Politik der großen Syndikate nicht in einer unseren Weltmarktsinteresten schädlichen Weise ausgenützt wird, es würde eintreten müssen für eine zielbewußte und großzügige Flotten- und Kolonialpolitik des Deutschen Reiches. Dr. Stresemann er örtert dann die sozialpolitischen Probleme: hier L0 Millionen Mark für Schundliteratur. Olm«' Qukllt'imnfftkbe Nachdruck verboten. ' Der Dürer-Bund schreibt dem Auer Tageblatt: Sollte / man es für möglich halten, daß die Pest der Hintertreppen- . roniane (und der schlechten Literatur überhaupt) trotz ihrer / Scheußlichkeit, trotz unserer steigenden Volksbildung, trotz der Anstrengungen aller einsichtigen Leute nicht abnimmt, sondern zunimmt? Nicht weniger als 8000 selbständige Kolportage buchhandlungen geben sich allein tm Deutschen Reiche mit dem Vertrieb von Kolportageliteratur ab, deren überwiegender Teil aus Schundromanen oder Hintertreppenromanen, oder wie man sie sonst bezeichnen mag, besteht; der guten Bücher, die durch Kolportage vertrieben werden, sind im Verhältnis dazu leider nur wenige. Und diesen 8000 selbständigen Geschäftsleuten stehen 30 000 Kolporteure zur Seite, die den Vertrieb dieser lite rarischen Schundwaren in wohlorganisierterWeise in jede groß städtische Mietskaserne, in jedes Mietshaus in der Kleinstadt, in jedes Bauernhaus zu tragen suchen. Die Summen, Vie von diesen Kolporteuren umgesetzt werden, sind ganz ungeheuer. Sicher schätzen lasten sie sich nicht, aber wahrscheinlich ist es eher zu niedrig als zu hoch gegriffen, wenn man annimmt, daß i n Deutschland Jahr für Jahr etwa 30 Millionen Mark in den übelsten Arten der schlechten Literatur angelegt werden.! Diese riesenhafte Summe wird jedem, der mit den Verhalt nisten nicht näher vertraut ist, als übertrieben erscheinen. Aber er wird anderer Ansicht werden, wenn er hört, daß zum Beispiel «in einziger Berliner Verlag, der sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Hintertreppenromanen, ägyptischen Traum büchern, Geister und Gespensterbüchern und ähnlichen Dingen be faßt, offen angibt, daß er in einem einzigen Jahre 2k» Millionen Kolportageheste verbreitet habe. empfiehlt er gegenüber der rein negierenden Haltung des Zen tralverbandes Deutscher Industrieller Selbsthilfe in kraft vollen Organisationen und im übrigen positive Mitarbeit bei allen sozialreformerischen Versuchen. Um zum Schluß sich über die Kardinalfrage zu verbreiten: wie gewinnt die Industrie Einfluß in den Parlamenten. Der Jn- dustriepartei, wie die Menck und Tille sie gefordert, würden je und je die Mähler fehlen. Hingegen scheint Dr. Stresemann ein anderer Weg gangbar: Die Industrie muß aus sich heraus Persön lichkeiten in die Parlamente entsenden, welche auf Grund ihrer praktischen Erfahrungen, auf Grund ihrer sach lichen Kenntnisse in der Lage sind, der Industrie in denjenigen Fraktionen, denen sie angehören, die gebührende Stellung zu verschaffen und einseitigen Maßnahmen auf dem Gebiete der Gesetzgebung vorzubeugen. Gewiß ist es außerordentlich schwer, solche Persönlichkeiten zu finden. Der Landwirt befindet sich in Lieser Beziehung in einer viel glücklicheren Lage, weil die parlamentarische Arbeit gerade in die Jahreszeit fällt, in der die Arbeit auf seinem Besitz nicht drängt. Wenn es sich aber, wie allerseits anerkannt wird, um die Verteidigung von Lebens interesten der Industrie handelt, dann müssen von denen, die es angeht, auch Opfer gebracht werden. Daß eine starke Mit arbeit der Industrie an der Gesetzgebung, eine Führung des poli tischen Lebens durch die Industrie nicht unmöglich ist, beweisen Vie Verhältnisse im Königreich Sachsen. Was hier möglich ist, das sollte auch anderwärts erreicht werden kön nen, und es wird am besten erreicht werden können durch die Organisation der Industrie in Landesverbän- d e n, die am ehesten in der Lage sind, auf die Landtagswahlen in den einzelnen Staaten Einfluß zu nehmen und auch die Per sönlichkeiten auszuwählen, die für eine Vertretung der Jndu strie in den Parlamenten in Betracht kommen. Hand in Hand damit muß natürlich das Bemühen gehen, auch in Vas Reichs- Parlament Männer von Klang und Ansehen, Industriekapi täne zu senden, die an der Spitze ihrer Unternehmungen stehend, von ihren Kämpfen im Wirtschaftsleben, von ihren Erfahrun gen auf praktischem Gebiet, etwas mitbringen und so der grauen Theorie der, die heute vielfach den größten Einfluß im politischen Leben haben, etwas von den Ergebnissen einer prak tischen Lebenstätigkeit entgegensehen können. Dabei wird natürlich die Frage nicht zu umgehen sein, ob sich die Vertretung der Industrie am besten durchführen läßt im Sinne einer konservativen oder einer liberalen Weltanschauung. Man versucht ja jetzt von verschiedenen Seiten, die Industrie in das konservative Lager herüber zu ziehen und sie unter dem einladenden Bau der freikonservativen oder konservativen Partei aufzunehmen. Wenn man jedoch poli tisches Glaubensbekenntnis als gleichbedeutend ansieht mit den im Geiste eines einzelnen ruhenden Gedanken eines wirtschaft lichen, politischen und geistigen Programms, dann wird man sagen können, daßderPIatzderJndustrienurinner- halb des liberalen Heerbannes sein kann und sein muß. Die Tradition, die in dem einzelnen Menschen und die in der einzelnen Partei wurzelt, führt Vie konservative Par tei in erster Linie an die Stätte des Großgrundbesitzes, sie macht die konservative Partei zur Trägerin extrem agrarischer Anschauungen, und jede Seite der wirtschaftlichen Bewegung spricht davon, wie jeder Fortschritt auf dem Wege der Freimachung ver gewerblichen Kräfte, auf dem Wege der An erkennung, der Gleichberechtigung des Bürgertums, zu welchem die deutsche Industrie doch in erster Linie zählt, der konser vativen Gedankenwelt hat fabgerungen wer den müssen. Wäre die konservative Partei eine Industrie partei, dann könnte es wohl nicht vorkommen, daß unter den 12 Mitgliedern ihres Zwölferausschustes sich 10 adlige Vertreter des Großgrundbesitzes befinden, dann wäre es wohl unmöglich, daß sie noch heute, wie die Zusammensetzung der preußischen konservativen Landtagsfraktion beweist, ganz überwiegend eine Vertretung Les deutschen landwirtschaftlichen Adels darstellt. Innerhalb des Liberalismus muß die deutsche Industrie ihre Wohnstätte suchen und finden, und wenn sie es bedauert, daß in seinen Reihen vielfach Theorien auftauchen, die sie als volkswirtschaftlich gefährlich ansieht, so muß sie eben ihn mit Persönlichkeiten versehen, die in ihm und mit ihm dafür wirken, Laß die natürlichen Wechselbeziehungen zwischen dem gewerblichen Leben und der gegebenen Vertretung des gewerblichen Lebens wieder dieselbe Engigkeit und Ge schlossenheit erhalten, die früher vorhanden waren. Diese Darlegungen des Abgeordneten Stresemann werden, wie wir vertrauen, vielfach auch in Len Kreisen der Industrie klärend wirken. MM Elftes Deutsches Turnerfest. (Vom Spezialkorrespondenten des Auer Tageblattes.) Nach den geschäftlichen Beratungen und den festlichen Ver anstaltungen des elften Deutschen Turnfestes begann gestern, Montag, früh die turnerische Arbeit, die stets eine Fülle anregender Betrachtungen für Vie auslöst, die körperliche Gewandheit, Kraft und Kühnheit Interesse und Verständnis entgegenbringen. Trotz der frühen Morgenstunde umlagerte eine große Anzahl Zuschauer die Tribünen, auf denen die einzelnen Vorführungen vor sich gingen. Sie begannen mit einem Sechskampf-, Einzelwetturnen, in Geräte- und volkstüm lichen Hebungen für Turner der Kreise Pommern, Bremen, Han nover, Westfalen, Niederrhein, Schwaben, Bayern, Thüringen und D.-Oesterreich. Hieran schlossen sich Wettspiele und Turnen der Kreise Nordosten, Schlesien, Sachsen, Niederweser und Oberrhein. Die turnerische Arbeit des Sonntags bot noch mancherlei interessante Momente. War doch der Fünfkampf, an dem sich gegen 3000 Turner beteiligten, ein Novum für die Deutschen Turnfeste. Dieser Fünfkampf umfaßt Vie Uebungen Weithoch sprung, Steinstoßen, Hundert-Meter-Lauf, Dreisprung, Schleudsr- ball-Weitwerfen nebst einer Freiübung; an ihr dürfen sich nur die Turner beteiligen, die ihre Befähigung bei einem Probe turnen bewiesen haben. Die erzielte Beteiligungsziffer von 3000 Mann darf mithin als ein erfreuliches Resultat betrachtet werden und es dürften hinsichtlich der Punktezahl sicher Re korde aufgestellt worden sein. Der Wettkampf wurde in das Das macht also, da jedes Heft mit 10 Pfg. bezahlt wird, allein für die Erzeugnisse eines einzigen Hintertreppenromanverlages 2s/. Millionen Mark in einem Jahre aus! Und solcher Verlagsbuchhandlungen gibt es nicht nur eine, sondern eine ganze Anzahl. Millionen unserer ärmsten Volksgenossen kaufen und verschlingen diese Schundwave. In jeder großen Fabrik, in Tausenden von Handwerker- und Bauernfamilien, in den Reise körben unserer Dienstmädchen ist sie zu finden. Ja in den Kran kenhäusern wandert sie heimlich von Bett zu Bett, um unter den Kopfkissen zu verschwinden, sobald der Arzt oder die Kranken schwester in die Nähe kommen. Und selbst Leute, die von der öffentlichen Armenunterstützung erhalten werden, erübrigen Woche für Woche einen Groschen, um sich ihr Kolportageheft zu kaufen. Welche gefährlichen Wirkungen diese Schund romane ausübcn, das läßt sich kaum überschätzen. Man hat der Frage in Deutschland bisher wohl noch nicht die genügende Be achtung geschenkt, und erst in letzter Zeit nimmt die Oeffentlich- keit ein tieferes Interesse daran. Dann und wann wirft eine Gerichtsverhandlung ein blitzartiges Licht auf die Frage, welches Unheil die Hintertreppenromane in den Seelen junger Leute, aber auch bejahrter Männer und Frauen anrichten. Erst vor wenigen Tagen gingen zwei solcher Fälle durch die Zeitungen. Der fünfzehnjährige Kochlehrling Wilhelm Rüttig in Berlin erschoß seinen Koch, auf den er seinen Zorn geworfen hatte; die beständige Lektüre der Verbrecher- und Detektivhefte und ähnlicher Erzeugnisse der schlechten Literatur hatten seine Phan tasie so mit der Vorstellung erfüllt, daß er zum Revolver greifen mußt«, daß er es schließlich tat. Und die siebzehnjährige Plät terin Fanny Schneider aus Wilhelmshaven nahm sich durch Aufdrehen des Gashahnes das Leben, weil sie fort gesetzt Schundromane gelesen hatte, di« in ihr di« Leidenschaft «rweckt hatten, wie sie zu Bekannten äußerte, auch einmal so schön zu sterben, wie es in diesen Romanen beschrieben wäre! In der rechten Hand hielt sie, als man sie als Leiche fand, das Heft eines Kolportageromans. Am gefährlichsten wirken solche Hintertreppenroman«, die gleichzeitig in Blut und Wollust getaucht sind. Zwar beschäftigen sich fast alle Schundromane mit dem Ver brechen in irgendwelcher Form, und die Sinnlichkeit spielt bei ihnen allen eine große Rolle. Einige Schundromane verbinden diese beiden Kennzeichen in besonders wirksamer Art und wer den daher in ungeheuren Massen abgesetzt. Augenblicklich gilt dies zum Beispiel von dem Schundroman eines Dresdner Kolportageverlegers. Der Titel lautet: Der Unbekannte, sensationelle Enhüllungen eines Mädchen mörders. Der Titel ist also nicht einmal so zugkräftig, wie die doppelten und dreifachen Titel mancher alleren Hinter treppenromane. Das wird aber ersetzt durch das Titelbild oder vielmehr die Titelbilder, die einen Mädchenmörder, dessen Ge sicht durch ein« schwarze Maske verborgen wird, bei verschiedenen Ausführungen seiner Leidenschaft darstellen. Schon im ersten Hefte dieses auf die gröbsten Wirkungen angelegten Schund werkes werden nicht weniger als drei Ermordungen von selbst verständlich immer berückend schönen Weibern geschildert, und der Roman versucht, seinen Lesern eine Gänsehaut nach der an deren über Ven Rücken hinunterzujagen. Nach alterprobter Er fahrung arbeitet der literarische Galgenvogel, der den Roman verfaßt hat, mit den gröbsten Mitteln, indem er Geheimnisse aller Art aufeinander häuft. Schon die ersten Absätze des ersten Heftes zeigen dies. Es beginnt nämlich: 1. Kapitel. Der Bundder Dreizehn! Was war das für ein schauerliches Tasten und Schleichen in der Totengruft des verfallenen und verödeten Schlosses Rufen stein? Hatten die Dorfbewohner doch recht, wenn sie sich fiirch-