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und Anzeiger lür das Erzgebirge Norantmortlickcr Rckmktci'.r: rns />rn!,oi!l Für die Inserate »rrannvartlich: iilriter iiraur beide in Aue i. Lrzaeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—5 Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher Für unverlangt ciugesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag: Ku-r vru». unck Verl»», ««IrlM-tN m. b. ts. in Aue i. Lrzgeb. Bezugspreis: Durch unsere Lote» frei ins Laus monatlich 50 f«g. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich «0 pfg. und wöchentlich >0 pfg. — Lei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich i.öo Mk. — Durch den Lriesträgcr frei ins Haus vierteljährlich >.y2 Mk. — Einzelne Lummer <0 pfg. — Deutscher postzeitungs- . katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens g '/r Uhr vormittags. 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Im Grubenschachl der Königs grübe bei Königs Hütte brach Mittwoch Feuer ans, bei dem mehrere Per sonen den Tod fanden. (2. Art. i. Hplbl.) Bei der L u f t b a ll 0 n w c t t f a h r t ist a b e r m a l s cin Ballon, und zwar der spanische Ballon Ca st i l l a auf der Nordsee u n t e r g e g a n g e n, die I u s a s s e n sind von einem Fischerboot gerettet mordest. (2. Art. i. Hplbl.) Die NeKiermlgs-Grklärnnil zur Wahlrechtsreform. Der gestrigen Sitzung wohnten Staatsminister Dr. Graf von Hohenthal, Geh. Regierungsrat Heink und Regie rungsrat Adolph bei. Der Staatsminister erklärte zuvörderst, daß die Regierung nunmehr die volle Verantwortung für die von Herrn Geh. Regierungsrat Heink ausgearbeitete Wahlkreis einteilung übernehme und nach deren Durcharbeitung jetzt zum Signor Parasano Skizze von Alwin Rath. Eben war aus dem schmutzigroten Haus, das unweit des Meeres und des uralten Jnselstädtchens Erado in den Lagunen von Eörz-Eradiska, neben dem Fischlager des Signor Parasano, anfragte, ein kleiner, krummgehender Mann in hohen Wasser stiefeln und mit der Flinte am Schulterriemen herausgetreten, da knarrte im zweiten Stock ein Fenster und eine blasse Blon dine rief ganz leise herunter: Vater, ich hab' keinen Sirup. — Er äugte schräg hinauf und zupfte an seinem weihen Bartwust. „Ei was, du kannst ihn nachher noch über den Pfannkuchen gießen." Er stieg die Steinstufen hinunter, da sah er in der Ferne die Gestalt des jungen Lehrers Eulau, der sich gegen seinen Millen um Lisettes Hand bewarb, herankommen. Sogleich ging er wieder ins Haus und schaute am Fenster nach Eulau aus. Nicht weit von dem winzigen Fachwerkhaus, das er vor acht Monaten an den Lehrer vermietet, sah er Berkens, dessen Musik schüler, sich zu ihm gesellen und die Wildenten befühlen, die jener im Netz aus dem Rücken trug. „Lisette, laß mir den Kerl nicht wieder herein!" drohte Parafano seiner Tochter und rannte die Stiege hinunter in den unteren Stock. „Karl! — Karl!" „Ja—a—-a—a?" gähnte eine faule Stimme. „Geh' cherauf, Lisette soll dir 'n Pfannkuchen mit Sirup machen." „Hm — ja." Des jungen Krischma plattstirniger Fischerkopf guckte heraus und nickte. „Ja — ja." Draußen machte sich der Alte an Eulau Hera». „Halunke," schrie er ihm schon von weitem zu, „hast du mir wieder die Enten weggeschossen?" Eulau sah ihn ruhig an, schüttelte mit dem Kopf, nahm seinen Schlüssel und schloß seine Tür auf. „Mensch, du hast gar kein Ehrgefühl! Wenn mir einer so was sagte, ich nähm' die Flint« und schöß ihn nieder. Weißt du, was du bist? — Ein Lump!" „Und Sie? — Ein Proletarier!" fuhr ihn Berkens empört an. Eulau fordert« diesen mit kaum merklich zitternder Stimme auf, hereinzukommen. Parafano schnitt eine höhnische Grimasse. Aus der Fischerkneipe rief ihn Krischna sen. an. Dem erzählte er am Fenster unter Lachen, Kompromisse Stellung nehme. Er rechtfertigt das bisherige Schweigen der Regierung und erklärt nochmals ausdrücklich, daß die Regierung an ihrem Entwürfe festhalte und auch im Plenum der Kammer diese energisch verteidigen werde. Weiter gibt Graf von Hohenthal und Bergen folgende Erklärung ab: Gegen den Inhalt des K 0 m p r 0 m i s s es, den die kon servative und die nationalliberale Fraktion bezüglich der Wahlrechtsreform geschlossen haben, gehen der Königlichen Siaatsregierung — von minder wichtigen Punkten abgesehen — zunächst zwei grundsätzliche Bedenken bei. Sie hält einige Bestimmungen des Kompromisses, so wie sie jetzt gefaßt sind, praktisch nicht für durchführbar und nimmt Anstoß daran, daß die Wähler, die durch Pluralstimmen privilegiert werden sollen, hinsichtlich ihres Stimmrechts verschieden be wertet werden. Die Regierung ist ja mit der Wahlrechts deputation darin einig, daß durch die Gestaltung des Wahl rechts der Einfluß der Massen auf die Staatsleitung in an gemessener Weise begrenzt werden muß, damit gewisse Kate gorien der Bevölkerung, die einerseits für das ganze Staats leben von großer Wichtigkeit, andererseits aber der Zahl nach verhältnismäßig schwach sind, nicht Gefahr laufen, von der großen Masse unterdrückt zu werden, sondern zu dem ihnen gebührenden Einfluß gelangen können. Zu diesem Zwecke wird das allgemeine Wahlrecht zu differenzieren und hierbei von Merkmalen auszugehen sein, welche es ermöglichen, auf Grund leicht festzustellender Tatsachen zuverlässigeWäh- Ierlisten in kurzer Zeit zu gewinnen. Von den Merk malen, die in den Sitzungen der Wahlrechtsdeputation als hierzu geeignet befunden worden sind, akzeptiert die König liche Staatsregierung die Einkommenshöhe, den Grundbesitz, die Zugehörigkeit zur Wählerschaft der Eewerbekammer, das Maß von Bildung, das in den Besitz der wissenschaftlichen Be fähigung zum einjährig-freiwilligen Dienst zum Ausdruck kommt und endlich den Staats-, Kirchen-, Schul- und Ge- meindedicnst, soweit er dem Inhaber wenigstens 1800 Mark jährlich cinbringt. Dagegen hat sich die Königliche Staats regierung nicht davon zu überzeugen vermocht, daß die Wäh ler über äö Jahre numerisch so schwach seien, daß sie eines besonderen Schuhes gegen den Einfluß der jüngeren Wäh lerschaft bedürften. Auch hat die Erfahrung gelehrt, daß das bloße Alter keine Garantie für höhere politische Einsicht oder wie er den Lehrer wieder angcrcmpclt, schluckte ihm zum Schluß den Kümmel von der Fensterbank weg und stiefelte vergnügt zu seiner Strohhütte draußen in den Lagunen, in der er seine Jagdtonne liegen hatte. In Eörz-Eradiska wi d nämlich die Entenjagd derart betrieben, daß man, in einen: tiefen Faß stehend, mitten in den Lagunen oder am Meercsstrano den Enten auslauert. Parasano ließ sich von einigen bleichen Weibern und Kin dern, die den Schlamm barfuß nach Muscheln, Fischen und See sternen absuchten, durch die weiten Schilfgründe bis zu einem Arm der Sdobba schaffen. Aber wie lange er auch mit seiner Flinte in der Tonne saß, nirgends fiel eine Ente ein. Erst als die erwachende Flut das Brackwasser in die Kanäle spülte, zog er heim, und es war seinem Grimm eine willkommene Nachricht, als ihm an der Kneipe Frau Krischna entgegengelaufen kam und ihm zustieb, Eulau sei bei Lisette im Zimmer. Das junge Mäd chen hatte nach Fortgang des Vaters eine Vase ans Fenster gestellt, dem Geliebten zum Zeichen, daß Parasano nicht zu Hause sei. Da war Karl hereingepoltert: „Back' mir 'n Pfannkuchen, Lisette." Sie ging in die Küche, kam gleich wieder heraus und bat Karl, ihr Mehl aus der Stadt zu holen, sie habe nichts mehr. Er hielt die Hand hin, sie zuckte mit den Schultern und sagte, sie habe keinen Heller. Er sagte, er wolle es auslegcn, und klumpte in seinen schweren Holzschuhcn hinaus. Bald darauf kam Eulau vorn durchs Haus zu ihr hinauf. Lisette erschrak; sonst schlich er sich durch die Hintertür — und wie laut er austrat! Und warum schaute er so ernst heute aus? „Was ist, Gerd, hat dich Krischna gesehen?" „Es kann mich jedermann hier im Hause sehen, es ist mir gleichgültig. — Wir müssen auseinander, Lisette. Am Montag zieh' ich in die Stadt. Ich wollte dir Lebewohl sagen, und es wird besser sein, du besuchst mich in Erado nicht." „Gerd!" „Ja, so weh es mir tut, wir können nie zusammen kommen. Dein Vater beschimpft mich in Gegenwart anderer. Er weiß, ich verlange ihn nicht, aber sobald ich in Bcligna bin — mein Versetzungsgesuch nach dort hab' ich cingereicht —, werde ich ihn anzeigen." „Nach Beligna? — So weit fort? O Gott, ich halt's nicht aus." „Dein Vater hat übrigens auch schon sein Testament gemacht, du bist darin enterbt, wenn du mich hei ratest. So sagte mir Berkens. Er steckt es nämlich jedem unter patriotische Gesinnung böte. Noch weniger hat die Königliche Staatsregierung das von der Deputation aufgestellte Merkmal der wirtschaftlichen Selbständigkeit zur Diffe renzierung des Stimmengewichts als geeignet befinden können. Eine sichere Feststellung der Tatsachen, welche diese wirtschaft liche Selbständigkeit erweisen sollen, ist in der Praxis so schwie rig und zeitraubend, daß sie der Anfertigung der Wählerlisten unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten würde. Will man den Vevölkerungsgruppen, die numerisch ver hältnismäßig schwach sind, den ihnen gebührenden Einfluß auf die Gesetzgebung sichern und damit zugleich die Herrschaft der Massen in die nötigen Grenzen weisen, so darf man doch mit der verschiedenen Bewertung der Wähler nicht weiter gehen, als zu dem eben angegebenen Zwecke nötig ist. Es ist nach Ansicht der Regierung nicht erwünscht, die Staatsbürger für die Wahlen in vier Gruppen oder Klaffen zu scheiden, näm lich erstens in solche mit bloßer Erundstimme, zweitens solche mit Grund- und einer Zusatzstimme, drittens solche mit Erund- und zwei Zusatzstimmen. Es wird der richtige Grundgedanke, welcher der Deputation vorgeschwebt hat, schon dann und nach Ansicht der Regierung sogar bester zum Ausdruck kommen, wenn die Wähler nur in zwei Gruppen gesondert werden, nämlich erstens in solche, welche einer der erwähnten numerisch schwachen, aber doch für das staatliche Lehen wertvolle Be völkerungsschichten angehören, die eines besonderen Schutzes bedürfen, und zweitens in solche, welche den numerisch starken BevölkerungSschichten angehören, die eben wegen dieser ihrer numerischen Stärke eines besonderen Schutzes ohne Nachteil entraten können. Die Bildung von vier Gruppen, wie sie der Kompromiß der beiden Landtagsfraktionen ins Auge gefaßt hat, führt einerseits zu Schwierigkeiten bei der Listenauf stellung, die nicht zu unterschätzen sind, andererseits zu einer Gestaltung des Wahlrechts, die für die kleinen bürgerlichen BevölkerungSschichten und dem sozial überaus wertvollen Mit telstand durchaus nicht vorteilhaft sein kann. Hat man für die Differenzierung des Wahlrechts eine sichere Grundlage in der Weise gewonnen, daß die Wählermasse nach den ange gebenen Gesichtspunkten in zwei Gruppen gesondert wird, von der die eine Gruppe in der Lage sein soll, bei den Wahlen eine stärkere Einwirkung auf die Zusammensetzung der Kammer auszuüben als die andere Gruppe, so ist weiter die Frag« zu beantworten, in welcher Form diese Differenzierung äußerlich zur Erscheinung kommen soll. die Nase. Und aus Angst vor dir trägt er es fortwährend mit sich herum. „O Gott, diese Blamage!" „So ist er nun, und er würde mich, wenn du mir nachkämest, bei der Behörde in ein nettes Licht setzen, und bei seinem Geld würde man ihm glauben. — Na, ich armer Schlucker flög' bald aus dem Amt. Gründe gibt's ja immer." „Aber ich bitte dich, wer gibt denn 'was auf sein Geschwätz?" „Wenn der größte Narr Gold auf den Tisch legt, ist er ein kluger, ein weiser Mann. Aber dein Vater ist kein Dummkopf, und wie — wir können dann nachher in den Lagunen den Schlamm absuchen." „Gerd, du stehst Gespenster! Sei doch wieder lieb!" Sie legte ihren Arm um ihn und begann mir einem Lächeln auf den Lippen leise und innig zu singen: I-isetta guarlla, bellu ä luvrr ^rgonto i>iove suII .... Wie schön spieltest du es gestern abend noch." „Ach, laß mich, ich bin ein Schwärmer — man soll seinem Herzen nicht gehorchen." „Mach' mich nicht unglücklich, Gerd!" „Eben deshalb werde ich ein armes Fischermädchen heiraten. Hab' auch keine Lust mehr, mir zuzischeln zu lasten, ich hätt' mich einer Reichen ins Herz gespielt." „O, wie häßlich, Gerd! — Du bist ungerecht!" „Ich sehe nur klar, und es wär' mir lieber, du hättest weniger Geld — aber einen anständigeren Menschen zum Vater." Parasano, der unversehens eintrat, vernahm noch den letzten Satz den Eulau, Auge in Auge mit ihm, rrchig beendet«. Er riß das Gewehr von der Schulter, aber ehe er einen weiteren Handgriff tun konnte, hatte der junge, sehnige Mann es ihm entrungen und nahm die Waffe, nachdem er sich unter dem Poltern und Fluchen des Vaters von Lisette verabschiedet, mit sich. Am anderen Tage hockte Parasano des Mittags bereit» mit einer neuen Büchse am Strande in seiner Jagdtonnee. Es war unbeständiges Wetter; hin und wieder fuhr aus der stillen Bläue des Himmels ein plötzlicher Sturmstoß ins Meer und türmte eine Welle hoch empor, daß sie wie ein mächtiger Türkis zum flachen Strande glitt und dort zerbrach. Das sah der Alte zwar, aber er war auch für die Enten nicht blind, die an dieser Lagunenmllndung heute in Scharen sich tummelten. Wie er eben vier Stück in seinem Kahn von der Wasserfläche aufsammelt«, bemerkte ihn Berkens, der von Erado kam. Gleich darauf eilte er mit Eulau wieder heraus. Möglichst geräuschlos schlichen sie