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Donnerstag, SS. Oktober LW8. Veli Iw 3800 »«m« MmmMi Rr. 253 Dritter Jahrgang. ttuer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Lonntagsblatt. v-,.-, und v-r-ag: F».bi.Inserat.---antwortlich- »N,»-M>g Wolter Nroa» Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von q—5 Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher in A„, l « . beide in Aue i. Erzgeb. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. , Bezugspreis: Durch unsere Boten frei in» Haus monatlich so Pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich 40 pfg. und wöchentlich 10 pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich l.so Mk. — Durch den Briefträger frei ins kau» vierteljährlich i-yr Mk. — Einzelne Nummer -o Pfg. — Deutscher Postzeitungs katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens Uhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmten - , stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher be« nns eingehen. Znsertionspreis: Die fiebengespaltene Rorpuszeile oder deren Raum -o pfg., Reklamen 2» Pf«. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Diese rrrrnrnrev «inf<rtzt v -eiten Das Wichtigste vom Tage. Der erste Nachtrag zu dem ordentlichen sächsischen Staatshaushalts-Etat für die Finanzperiode 1908/09 weist Mehrausgaben in Höhe von gemein jährig 6 148 811 Mark nach. Die beiden Kammeru des sächsischen Landtags haben gestern ihre Sitzungen wieder ausgenommen. (S. Brcht. i. B.) O Ftir heute ist ein Aufstieg des Grafen Zeppelin ge- plant, an dem Herzog Albrecht von Württemberg teil- zunchmen gedenkt. Graf Zeppelin hat den Reichs kommissaren mitgcteilt, daß er die Forderung einer Tages und Nachtfahrt nach einem so entfernten Ort wie Mainz zurzeit ablehncn müsse. (S. Art. i. Hptbl.) Wie die Norddeutsche Allgemeine Zeitung meldet, ist den vom Bundesrat bereits verabschiedeten Vorlagen zurReichs- finanzreform eine allgemeine Begründung beigegeben, aus der das offiziöse Blatt heute Auszüge veröffentlichen wird. * In den türkisch-bulgarischen Verhandlungen z. scheint eine Wendung zum Besseren eiugetretcn zu sein. Die bulgarische Regierung neigt zur Nachgie - j bigkeit. Alle Inserate, die sich auf Veranstaltung von Vergnü gungen. Konzerten usw. am Sonntag beziehen, ferner die üblichen Restaurations- und Eeschäftsanzeigen, die gewöhnlich für die Sonnabendnummer des Auer Tagebl. ausgegeben wer den, bitten wir in dieser Woche schon siir unsere Freitags- Ausgabe uns übergeben zu wollen, weil am Sonnabend des Neformationsfestes wegen das Auer Tageblatt nicht erscheint. Inserate für die Resormations-Festnummer, die Inca. Svll0Exemplarenerscheint, bitten wir, wenn an gängig, bis heute abend 8 Uhr, spätestens aber bis morgen. Freitag, vormittägig Uhr, bei uns ein- liefern zu wollen, da späterhin besondere Wünsche nicht mehr berücksichtigt werden können, unter Umständen selbst «in« Auf nah m e der später aufgegebenen Inserat« n i chtm eh r garan tiert werden kann. -Wc Die Präsidentenwahl in Nordamerika. Alle vier Jahre am ersten Dienstag im November findet nach den Verfassungsbestimmungen der nordamerikanischen Union die Präsidentenwahl, oder wie sich der smarte Amerikaner in seiner Vorliebe für alles Sportliche auszudrücken beliebt, das große Rennen um die Präsidentschaft statt. Die Verfassung sieht die indirekte Wahl Les Präsidenten durch Aja hlmän - ner vor, doch sind von Beginn des Verfassungslebens an die Wahlmänner einfache Vollstrecker der Entscheidung der Urwähler. Jeder der 46 Staaten, aus denen sich die Union zusammensetzt, stimmt unter sich ab. Die Staaten haben, je nach ihrer Ein wohnerzahl und Bedeutung, eine verschiedene Anzahl von Wahl männern zu wählen. An der Spitze steht der Staat Neuyork, dem 39 Elektoralstimmen zugestanden sind, dann folgen Pennsyl- vanien mit 34, Illinois mit 27, Ohio mit 23, Missouri und Texas mit je 18, Massachusetts mit 16, Indiana mit IS, Michigan mit 14, Georgia, Iowa, Kentucky und Wisconsin mit je 13, Neu- Jersey, Nordkarolina, Tennessee und Virginia mit je 12, Ala bama und Minnesota mit je 11, Kalifornien, Kansas und Missi- sippi mit je 10, Arkansas, Louisiana und Südkarolina mit je 9, Maryland und Nebraska mit je 8, Connecticut, Oklahoma und Westvirginien mit je 7, Maine mit 6, Florida, Kolorado und Washington Mit je S, Neu-Hampshire, NorddHkota, Oregon, Rhode Island, Süddakota und Vermont mit je 4 und endlich Delaware, Idaho, Montana, Nevada, Utah und Wyoming mit je 3 Elektoralstimmen. So entscheidet nicht die Mehrzhl der Wähler stimmen im ganzen Lande, sondern die Mehrzahl der Elektoralstimmen. Da insgesamt 483 Stimmen abge geben werden, so beträgt die absolute Mehrheit 242. Auch diesmal stehen sich, wie es bisher Regel war, zwei Kandidaten gegenüber, nachdem die Arbeiterpartei, die ur sprünglich einen eigenen Bewerber ins Rennen senden wollte, davon abgesehen hat, wohl weil sie sich noch nicht stark genug fühlt und deshalb die enormen Wahlkosten bei der Aussichts losigkeit ihrer.Cache sparen will. Hie Republikaner! heißt es auf der einen Seite und kräftig schallt es aus dem anderen Lager zurück: Hie Demokraten! William H. Taft, der bisherige Kriegsminister, ist von den Republikanern, die seit zwölf Jahren an der Staatskrippe sitzen, zum Nachfolger Roosevelts ausersehen, während die Demokraten an Bryan festhalten, der schon zum dritten Male den Versuch macht, die republikanische Phalanx zu durchbrechen. . - Im letzten Wahljahre, als Oklahoma noch nicht mitstimmte, erhielt von den damals 476 Stimmen R 0 0 seveltals Kandi dat der Republikaner 336; der Demokrat Parker konnte nur 140 Stimmen auf sich vereinigen. Daß die Republikaner diesmal wieder ein so bedeutendes Uebergewicht in die Wagschale werfen könnten, wagt selbst der Optimistischste unter ihnen nicht zu hoffen. Dem Namen Taft fehlt der populäre Klang, der dem Namen Roosevelts, des ehemaligen Rauhen Reiters und kühnen Führers im Kubafeldzuge anhaftet. Durch eine geschickte Taktik der Demokraten ist zudem vielfach Mißtrauen aufgekommen gegen Taft, dessen Versprechungen von einem frischen, fröhlichen Turnier gegen die Trusts nicht recht ernst genommen werden. Die Zahl der für die Republikaner unsicheren Staaten ist dies mal bedeutend größer als sonst. Es gibt in der Union ein Staatsgebiet das zum sicheren Besitze der Demokraten, und eins, das zuni sicheren Besitze der Republikaner gehört. Das erstere ist der einige Süden, der die vierzehn Staaten Alabama, Arkan sas, Florida, Georgia, Kentucky, Louisiana, Mississippi, Missouri, Nordkarolina, Oklahoma, Südkarolina, Tennessee, Texas und Virginia umfaßt und, wie die obige Uebersicht zeigt, 158 Stim men aufbringt. Das andere sind die sechs Neu-England-Staaten Connecticut, Maine, Massachusetts, Neu-Hampshire, Rhode Is land und Vermont, wozu noch der stets republikanische Staat Pennsylvanien und Michigan kommen, mit zusammen 89 Stim men. Alle übrigen Staaten haben mehr oder weniger oft ihre Parteifarbe gewechselt; immerhin kann man folgende Tabelle aufstellen: Zu Taft: neigend: Zu Bryan neigend Delaware 3 Indiana 15 Illinois 27 Kentncky 13 Iowa 13 Maryland 8 Monkana 3 Missouri . 18 Norddakota 4 Nebraska 8 Süddakota 4 Navada 3 Ohio 23 New-Jersey .... 12 Westvirginien . . . . 7 Wisconsin 13 Neun Staaten . 97 Sieben Staaten 77 Als fragliche Staaten bleiben Idaho, Kalifornien, Kan- sas, 'Kolorado, Minnesota, Neuyork, Oregon, Utah, Washington und Wyoming mit zusammen 93 Stimmen. Für Bryan fällt seine geschickte Taktik ins Gewicht; in den pazifischen Staaten Auf die Probe gestellt. Von S. Halm. Nachdruck vsrbotrn. Warum Jan van Herges so beliebt war? Vor allem war er Junggeselle; das im Verein mit seiner günstigen Vermögens lage machte ihn zum Liebling aller hoffnungsvollen, töchter gesegneten Mütter. Die Männer aber hatten ihn einfach gern, weil er ein fideles Haus — kurz, ein famoser Kerl war. Alle zeit gutgelaunt, witzelte er sich mit Bonhomie durch's Leben, den Kollegen ein treuer Zechkumpan, den Damen immer ein ga lanter Ritter. Nicht daß er sich vielleicht nie für eine ganz besonders erwärmt hätte, das passierte ihm leider nur zu ost. Aber wenn er dann fest glaubte, jetzt endlich die Richtige erkoren zu haben, tauchte flugs ein neuer Stern aus, und machte den alten erblassen. Das war Jan van Herges' Pech! Es waren zu viel liebe nette Weiber auf der Welt. Und während Jan von Blume zu Blume glitt, erst voll Jugendfeuer, flatternd wie ein lebenstrunkener Falter, später behäbig, schwerfälliger, wie ein surrender dicker Käfer, verflogen die Jahre — lichtete sich sein Scheitel —, schwand die Jugendelaftizität. Mit fünfzig ist man kein Jüngling mehr — da pocht schon der Herbst des Lebens mit hartem Finger an, «in unerbittlicher Mahner. Und vor Jans geistigen Augen tauchte das Bild der Zukunft aus — «ine Per spektive grau in gym — trostlos, öde — gleichförmig — keine netten kleinen Abenteuer mehr. Er mußte sich die Grillen aus dem Kopf schlagen. Da stand noch eine Flasche Pommery, die hatte die hübsche Emmy neulich nicht mehr bewältigt. Die sollte chn jetzt etwas ausmöbeln. Ja, die kleine Emmy, auch so'n netter Käfer! Allein hatte der Racker nicht auch etwas vom Sltwerden geschwatzt? Richtig, mein Altchen hatte sie ihn ge nannt. Und die fesche Frau von F ? Sie war Mitte der Drei ßig, und er? Parbleu! die dummen Gedanken! Alt —? lächer lich, er alt!? Er war nicht umsonst eine gute Partie! Schließ lich war er doch immer noch «in netter lieber Kerl, und manches Mädchen würde froh sein, wenn er ihm die Hand bieten würde, auch ohne fein Geld. Der Gedanke hatte etwas Beruhigendes. Jan van Herges kokettierte gewissermaßen damit. Er wünschte plötzlich arm zu sein, um seiner selbst willen geliebt zu werden. Und plötzlich kam ihm «ine Idee. Wie — wenn er diplomatisch diesen Prüf stein aufstellte, wenn er so den Weg zum wahren Glück fand? Glückte der Versuch — war er ja vor aller Altjunggesellenmisere bewahrt — mißlang er — na — so galt's eben, die bittere Pille mit guter Miene hinabzuschlucken und sich so gut es ging aus der Affäre ziehen! Zwei Tage darauf erzählten sich Jan's Bekannte kopfschüttelnd die große Neuigkeit: Jan van Herges war über Nacht ein armer Mann geworden. Wer hatte das geahnt? Der biedere Jan ein Börsenjobber! Unglaublich! Aber der kläg lichen Miene des Heimgesuchten, seinen veränderten Verhältnissen mußte man wohl oder übel Glauben schenken. Hatte Jan seine schöne Garconwohnung doch aufgegeben, sogar der Wirtin, wie er erzählte, seine schönen Möbel überlassen müssen, war der bequeme Faullenzer doch jetzt bei einem Freunde in Stellung getreten. Man schüttelte die Köpfe, wunderte sich über seinen Leichtsinn, schalt auch wohl hie und da, und beruhigte sich schließ lich wieder, da man sah, daß der Hauptbeteiligte selbst sein Schicksal mit stoischer Ruhe zu tragen schien. Am schwersten beruhigten sich di« Gemüter der Damen über die große Neuig keit. Ach, wie manche Mutter atmete erleichtert auf und beglück wünschte sich zu der Nichterfüllung einst gehegter Schwieger- mutterträume. Ha, der Gewissenlose! Der Spekulant! Und «ins — zwei — drei war aus dem lieben, guten, netten Jan ein leichtfertiger, garstiger, alter Rou6 geworden. So brachen die, die der gute Jan am höchsten verehrte, die Frauen zuerst und mit der ganzen Emphase tiefster Entrüstung und geheimster Enttäuschung den Stab'Über ihr einstmaliges Hätschelkind. Armer Jan! E< erlebte manche bitter« Enttäuschung durch das schöne GesOeO. Die erste kam von Emmy. Von ihr erhielt er gleich in>en ersten Tagen «inen geharnischten Brief, Inhalt: «in paar Verbalinjurien und ein halbes Dutzend unbeglichener Rechnungen, die er für sie zu bezahlen versprochen hatte. Mit leid fand er bei seinen ehemaligen Freundinnen wenig. Um ein Haar hätte er das Spiel aufgegeben. Doch blieb er fest. Gin halbes Jahr hatte er sich vorgenommen sein« Komödie durch zuführen, und wenn's ihm zuweilen auch schwer ward, blieb er doch standhaft. Sein Freund, dem er sich anvertraut, und der obwohl der Schrulle, spottend doch Diskretion gelobt, erleichtert« ihm sein Vorhaben tunlichst. Zu plagen brauchte sich Jan van Herges nicht. Und wenn er nach Geschäftsschluß in seinem schlech testen Habit durch die Straßen hummelt, freute er sich zuweilen sogar seines Harun al Raschidtums, freute sich des Moments, wo die vorgenommene Maske wieder fallen würde, freute sich sogar über Frau von F.s sehr kühlen Gruß. Jetzt war er nicht mehr ihr lieber alter Freund. Er fühlt« deutlich heraus, daß sie sich seiner Bekanntschaft schämte. Warte nur, schöne Frau, dachte er dann wohl schadenfroh, wer zuletzt der Blamierte von uns beiden ist, wird sich zeigen. Mitleidig hatten nur die Augen des Töchterchens auf ihm geruht. Er glaubt« in den jungen Augen lesen zu können. Ach, er wünschte, plötzlich um ein Vierteljahr hundert jünger zu sein. Dann schöne Frau von F. hätte es sich fast gelohnt, Ihnen eine Blamage nicht zu ersparen. Aber er und das Kind? Undenkbar, unmöglich! Jetzt, wo die Leute ihm nicht mehr seines Geldes wegen schmeichelten, bekam er ja löffel weise ihre Ehrlichkeit zu schmecken; jetzt wußte er, daß er ohne den Nimbus des Geldes nur noch ein alter Knabe sei,'der sein« Ansprüche nicht mehr gar zu hoch schrauben dürfe. Tat das nicht ein wenig weh? Na, er trug'» mit Humor! — Und mit etwa» wie Resignation! Die Frauen, all di« lieben, netten, blonden, braunen Mädeln — sie schienen ihm jetzt wie eine ferne Fata Morgan«. Hand davon! sprach di« Wirklichk«it. Wieder ging er eines Tages in dergleichen Betrachtungen versunken seine» Wegs, als ihm eine sehr einfach, aber adrett ge kleidete Dame auffiel, die ihm schon öfter» begegnet sein mußte. Ein zierliches Persönchen, aschblond, nicht mehr ganz jung, mit sinnigen und doch lebensmutigen Augen, — Augen, die zu sagen schienen: Ah, bah, nur nicht di« Flinte ins Korn werfen, sich nur nicht unterkriegen lassen! — Die Augen gefielen ihm. Eine Stehaufnatur, dachte er und ging ihr kurzentschlossen nach. Er wollte wissen, was und wer sie war. Aber sie anreden? Dao ging doch nicht so leicht. Ein« Dame mußt« das als Beleidigung auffassen. So trottete er denn beharrlich schweigend hinter ihr her. Ihr« Bewegungen waren jugendlich, aber die Falte am