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Iltstr 4000 utlitte stemitti. Rr. 61 TechSter Ja-rggng Dienstag. 14. März 1911 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge ViantwortUchi Redakteur, peil» Hrvd«l«t. ,»r dl« Inserat« verantwortftch - yllaNer Arao» Beide in Au« i. Lrzged. mit der wSchentlichen Unterhaltungsbeilage: Lluer Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntag» nachmittag» van st—» Uhr. — Telegratnm.Adreffe: Tageblatt Nueerzgebirge. — Ferntz-rechrr er. Für unverlangt ringesandt« Manuskript« kam» Gewähr nicht geleistrt werden. vr»ck «Nd vwstg V»«svm«U-».vwstg»-ÜwckstR»tt m. b. kf. in Nu» t. Erz-et. Sezuaeprei,: Durch unsere Baten frei in, Hau, monatlich »o 0fg. Bei der GeschLst^iell« abgeboltmonatlich stopf«, und wöchentlich io 0fg. — Bet der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich >.so Mk., monatlich »o pfg. — Durch den Briefträger frei in, Hau» vierteljährlich ,.g2 Mk., monatlich 6-» pfg. — Einzelne Nummer <o pfg. — Deutscher Posq«m»ng»katalog. — Erscheint täglich in den Mittag,stunden, mit kiuinahme von Sonn» und Feiertagen. 2ns«rtion»pr«i»; Di« fiebengeh>alten« Korpuszeile oder deren Raum für Inserat« au» Aue und dm «Ortschaft« d« Amt»h«chtmannschast Schwarzmverg »o Pfg., sonst «5 Pfa. Reklamwetitzeil« 2» pfg. Bet grS-erm Abschlüffen mt- tz-rechmder Rabatt. Annahme von Anzeigen bi» spatesten» 9>/> Uhr vormittag». Für Aufnahme von arSßerm Anzeigen an bestimmt« Stell« kann nur dann gebürgt werd«, wmn st« am Tag« vorher bei un» «ingehen. viele Nuuiwer »küßt g rette» Das Wichtigste vom Lage. Die ReichSregierung beabsichtigt da» Besetz über privat« Pensioneeinrtchtungen zugunsten der privaten Pensioneeinrtchtungen zu ändern. Prinzregent Luitpold spricht in eine« Erlaß allen seinen Dank au«, die sich au derLande «sammlung beteiligt oder ihm Glückwünsche »um 90. Ge burt»t a g e dargebracht haben. Zum Obervr äsident derProvtn-Westfalena« Stell« de« verstorbenen StaatSmtnisterS v. d. Reck« ist Regi« rungspräsident Dr. jur. Prinz von Ratibor und Torvey ernannt worden. Führende Geschäftsleute aller amerikanischen Groß städte trtten im Juni eine Studienreise nach Europa an und besuchen mehrere deutsche Städte, darunter auch Dresden. Au« b,m Peninsula«.Exvreßzug wurden zwischen Ala und Bologna ein Postwagen erbrochen uud sieben deutsche Postsäcke geraubt. Bon den Dieben fehlt jede Spur. « Di» Nachricht von einer Entente zwischen Japan und Mexiko hat in Tokio den Eindruck einer lächerlichen Erfindung gemacht. Deutschland uud England. Es ist im allgenreinen nicht Gepflogenheit, daß Aeuße- rungen, di« Minister anderer Staaten im Parlament getan ha ben, in einem offiziösen Organ einer besonder«» Würdigung un terzogen werden. In der Wochenschau der Norddeutschen All gemeine» Zeitung werden derartig« Vorkommnisse zwar oft be handelt, aber die dort enthaltenen Ausführungen dürften, wenn fie auch dem Sinne der Regierungskreis« entsprechen, doch Privat- arbeit der Redaktion sein. Ander» steht es mit den zuweilen er- * folgenden Veröffentlichungen, und da ist es denn recht ausfallend, daß am Freitag Abend «ine, kurzen Erklärung de» englischen Staatssekretär« des Auswärtigen, Sir Eduard Grey«, über di« deutschen Rechte an der Bagdadbahn an der Spitz« de« Blatte» in rühmenden Worten gedacht wird. E» heißt dort: Die in staatsmännischem Geist« gehaltenen Ausführungen de» britischen Staatssekretär» de» Auswärtigen, Sir Eduard Grey, in Sachen der Bagdadbahnfvage Haden in hiesigen Re- gt«rung»kreis«n «inen sehr günstigen Eindruck hinter lassen. Die Darlegungen de» britischen Minister» weisen den Weg, auf dem «ine Verständigung sowohl in der Frage der Zollerhöhung, wie hinsichtlich der Durchführung de« Babn- baue» von Bagdad bi» zum Golf angebahnt und erreicht wer. den kann. Dies« Wort« atmen «inen ungemein herzlichen Ton und find zweifello» ein Beweis für den augenblicklich erfreulichen Stand der beiderseitigen Beziehungen. E» geht darau» hervor, da» man jetzt soweit ist, sich selbst über ein« so komplizierte Frage, wie es di« der Bagdadbahn ist, zu einigen. Seit einigen Jahren bildet diese Bahn den Widerstreit von Interessen; es handelt sich dabei am letzten Ende weniger um die Dahn selbst, als um den dadurch erreichten wirtschaftlichen und teilweise auch erreichten politischen Einfluß in Vor de,asten. Darum war man schon von je in England geg en di« deutfchen Vorrecht«, und es hat nicht an lebhaften Intrigen gefehlt, um uns au» dem Sattel zu heben. Unsere Konzession war den Eng ländern stet» ein Dorn im Auge, und darum hat auch eilst kür,, lich Balfour ein« Anfrage an di« Regierung gerichtet, wobei er bekanntlich dvrchSir Eduard Grep «in« scharfe Zurückweisung erfuhr. j Um die Bagdadbahn selbst kann es sich fetzt auch nicht mehr handeln, hier liegen verbriefte Rechte deutscher Interessenten vor. Aber ander» ist e» dagegen mit der Verlängerung der Bahn, di« strittiger Natur ist und wobei auch di« Bemühungen an derer Mächte «insetz«, um für sich etwa, herauszuschlagen. So wohl England wie Frankretch verhandeln schon seit einiger Zeit in Konstantinopel, ohne da» di« Konferenzen Fortschritte brachten. Man weiß, daß England die Vorherrschaft im persi schen Golfe für sich erstrebt und im besonderen den Hafen Ko- «weit mit Beschlag belegen möchte. Da» dürfte ihm aber kaum gelingen, Koweit ist türkisch, und man wird «p nirgend« zu- lassen wollen, daß dieser wichtige Hafenort in den Besitz der Eng- länder übergeht. Da» weiß man in London sehr wohl, und da- rum bemüht man sich auch, wenigsten» in wirtschaftlicher Hin. ficht, dort Vorteil« zu erhalten. Darum auch da» Bemühen, di« Bahn dorthin zu leiten und den englischen Einfluß dominierend zu gestalten. Soweit wird «» hoffentlich nicht kommen, wenn man vielleicht auch nicht wird umhin können, England «inen ge wissen Anteil an dem Bahnbau zu überlassen. Darauf scheinen denn auch die Verhandlungen abzuzielen, di« jetzt zwischen den einzelnen Kabinetten untereinander und mit der Pforte geführt werden. Zu wünschen bleibt Indessen, daß unser« Annäherung an England nicht dazu führt, diesem «in allzu wette» Ent gegenkommen zu Lewetsen. - Politische Tagesschau. Au«, lä. März. Etat ds» Ssttchomnst de» Innee» X Am Sonnabend w^r «» allgemein aufgesallen, daß der Präsident des Reichstages nicht de» am nächsten Tage stattstnden- den Geburtstages d«»Pr inzregentenLuitpold gedacht«. Die Ehrung kam erst gestern, und um ihretwegen sah man wohl auch den bayerischen Gesandten Grafen Lerchenfeld am Bunde» - ratsttsche. In warmen Worten g^acht« der Präsident, Graf Schwerin, de» greisen Regenten und verlas den Depeschenwechsrl, den da» Hau» stehend anhörte, wobei auch der größer« Teil der Sozialdemokraten sich erhoben hatte. Dann wurde in der Be ratung de» NetchiamtD de» Innern fortgefirhren. Dabet war der Montag der Tag der großen Reden. Der RationqlliLeral« Stressmann erging sich ausführlich über di« Volkswirtschaft- ltche Lage und brachte für verschieden« Industriezweige wünsch« vor. Er kritisiert« den portugiesischen Hachelovertrag, di« Zu« fammensetzung de» wirtschaftlichen Ausschuss«», auch hi« Erwäh nung de» HausabuNd«» fehlst nicht, und schlstßlichMpfMist.- di« Schaffung einer Rtichsverkauf,stell« für Pstststum. Staats- sekretär Delbrück wie» in nicht Minder umfangreich«» Dar legung«» zunächst d«n Vorwurf »«rück, daß auf sozialpolitischem Gebiets zu wenig gescheh«, in dem er «in« -r»ß< Rechnung auf macht«. Daß man jetzt weniger mit neuen Bestimmung«» tsmm«, hab« darin seinen Grund, daß für di« meisten Fäll« schon vor- gesorgt sei. D«r Staatssekretär b«merkt« dabei sehr richtig, daß da, viele Reglementieren überhaupt wenig Sinn hab«. Wenn «au doch in alle» Ressort, diese» Satz befolg«! von ein«» ge setzlichen Regelung de» Tarifvertrag«» verspricht sich der Sstttt». sekretär höchsten» «in« Verschlechterung. Rach dem St«atSsekr«tär kam noch Herr Br ey»ki mit den üblichen polnischen Beschwer den, dann der Mittelständler Rieseberg. Nachdem Abg. Bruhn von der Reformpartri in vorgerückter Stund« noch üb«r dir Warenhäuser zu sprechen müssen glaubte, wa» er ab«r vor ziemlich leeren Bänken tat, v«rtagte sich da» Hau» auf den heuti gen Di«n»tag. > * Di« R«ich»tag»fraktio»«n und di« «lsaßüpthrstgifch» Btt- fassungssrag«. Ueber di« Lufnahmo de» neuen Kompromisse» in Der Flöteumauu. Skizz« von Räch» Eangmnna,«. Sonnabend morgen», wenn wir Kinder eilig unser« Schrip pen verzehrten — es war natürlich gleich acht, und wir mußten schnell zur Schule — da hörten wir plötzlich von der Straße her den zartem, süßen Ton «tner Flöte. Dann sprangen wir auf und riefen: Mutter, der Flötenmann ist dai — bitte, gib einen Dreier. Und unser« Mutter gab den schon bereitli«genden Dreier, der sorgfältig in Papier gewickelt und auf die Straße geworfen wurde, wo «in kleiner, gebückter Mann in einem von langem Gebrauch grünlich gefärbten Rock, mit «tn«r großen Schirmmütze auf dem Kopf stand, und mit andächtiger Hingebung di« Flöt, blie». Di« Fenster in der Nachbarschaft öffneten sich dann, und viel« w«tße Päckchen fielen um den Alten nieder. Gin klein«. Jung«, d«r ve- gl«it«r d«» Flöstnmann», sammelt» di« Gaben uiw steckt« sie in di« Tahche d«» grünlich«» Rocke». D«r Alte aber kümmert« fich nicht darum. Erst awnn da» Lt«d b««nd«t «ar, s«tzt« er di» Flöt« ab und ging, von dem Jungen g«l«ft»t, ein paar Häus«r w«it«r. von firn lher klang noch «1» w«tlch«n di« süß« W«is« d«r Flöt« zu un», bi» stündlich starb, «t« den» auch v«r ylätenmann l«if« au» m«in»r Kmderzeit v«rschwund«n ist. Aber nicht au» meiner Erinnerung. In d«r Gass« neb«n unser«, alten Kirch«, dien Glockenuhr so schön finge» kann, wohnte di« Witwe Schleif. Die Gass« war sthmal, eigentlich war'» sogar nur «in« -alb« Gass«, denn nur auf «tner Seit» standen Häuser. Di« and«« Seit« wurd« von der Ktrchhoftmau«, -«bildet. Gerade d«m Mauerpförtche» g«g*n- über, da» nur Sonntag» geöffnet wurde, starch Frau Schleif» Kau». Man könnt« au« den Fenstern auf die kleinen Hügel d«, Friedhof«» und auf di« Kirchentür sehen. Die oberen Stockwerk« waren vermietet, im unstrften hauste Frau Schleif mit ihren Kin dern, di« in der strengem Zucht der Mutter kräftig und lustig gediehen. Nur «in«r, der Aelttfst, war ander». Gr machte d«r rd«ntlich und fleißig, viel fleißi- i der», so viel für etwa» Unnütz«» auszugeb«». Da» war denn hatt« gar keine Lust, da» Hand- j ein« Freud« und ein Glück am Weihnachtsabend gowefen. Hätte di« Mutter freilich gewußt, wa» nun weiter geschah, st« hätte doch da, Geld für di« Flöt« gespart. D«nn d«r Knab« verstand e», au» dem Instrument eine Füll« von Tönen zu locken, di« rüh rend und lieblich zugleich all« Kerzen bezaubmten und in dem Knaben den heiß«» Wunsch «rweckten, sein L«b«n d«r Musik zu «widmen. >' Das war Frau Schleif« Sorge, von d«r Musik verstand st« nicht». St« erschien ihr überflüssig und unnütz. Da wann doch all« die teuren Schlosserhandwerkszeug« — „Theodor," sagt« st«, „haft du denn gar stine Lust zur Schlosseret: Handwerk hat gol denen Boden, sagen di« Leute —" Der Knabe hatte am Fester gesessen Jetzt stand er auf. Ti«f ausseufzend antwortet« er: „Ich hab, gar kein« Lust dazu, Mutter." Fra« Schleif stutzt« auch. „Wenn du dann ein and««» Handwerk lerntest, du kannst Bäcker werden. Di« Frau Bäckermeister Not ist ein« gut« Frau —" „Nein, Mutter, Bäcker werd« tch nicht." „Ich «riß noch etwa», das ist stin«r. Wenn ich Herrn Blum« in der «tralaunstraße «in gute« Wort geb«, dann nimmt er dich al» Konditorlehrltng. Hübsch mit «in«, weißen Jack«. G-fiUÜ di, da»?" „Ach - - Mutter — Lu w«ttzt ja Menn ich» nur «üsst«! Wa« soll au» dir w«rd«n, wenn du immer nur Musik machst?" Theodor wurde dunkelrot. Er preßt« dst Händ« fest zusammen um hob den Kops. „Ein Künstler, Mutter. Ich will »in Künstler wer den." Frau Schleif schlug di» Hände zustmm«»: „Da, steckt di» also im Kopf," stutzt« sie. „Ein Künstler — wa» du für kst- danken -ast!" ,H«rr Haupt hat in d«r Stngstund« doch gesagt, ich verstände «twa» - Di» Mutter setzt« fich an de« SW und üd«rl«gt». Her, Haupt, der Organist. Zu ihm tonnt« di« Mutter gehen und ihn um Rat bitten. M« st« so nachdacht*, fstlen khr« Amen von ungefähr auf den eifern*» Ostnvorfrtzer, d«r vor d«r Feuerungpttl, dm Kachelofen» stand. Da» war auch so «in überflüssig«» Dina, da» ihr Mann einmal gemacht hatt«. Früher, al» st» eben gehttsastt hatten, und «r allerlei erdachte, womit«, voll Luft und Lieb» den Mutter Sorge. Er war zwar ordentlich und fleißig, viel fleißi ger al« die Geschwister, aber er s . ' ««rk seine« verstorben«« Vater» zu lernen. Da lag noch all da» gute Handwerkszeug und di« Einrichtung zur Schlosserei. Freilich allzuviel hatte Vater Schleif mit der Schlosseret nicht verdient, und wenn di« Frau nicht da, -Hau» von ihren Eltern geerbt hätte, dann hätte «» kaum zum L«L«n -eretcht. Denn anstatt daß der Mann fleißig Schlüssel und Schlösser Handwerke, saß er tage- und wochenlang über irgendeinem Stückchen Hauirat, da» nie mand bestellt hatte, und bastelt« und feilt« daran und hatte «nd- lich doch auch nur «in Schlüsselchen oder ein Kästchen fertig, was «in anderer im Handumdrehen gemacht hätte. Und doch so ganz ander». Fein« Linien und schlank« Blätter zogen fich leicht über da» Eisen hin «nd machten da» Stück -ausrat zu einem Kunst werk. Aber nur für den Kenner. Und «in Kenner war damal» noch nicht in der -alben Gass« zu finden. Die Frau stört« ihn nicht, wenn sie ihn so arbeiten sah. St« stutzt» nur, wenn «r «» nicht hören konnte, und begriff nicht, warum er so lange an Un nützem -antstrt*. St» arbeitet« darum um st «tfriger. Da» Hau» verwalten und di, Kinder in Ordnung -alten, da» war i-r» Sach«. Al» dann der Mewer noch in jungen Jahren starb, macht« stin Lod kein« st groß« Lück«, wie «» sonst zu sein pfstgt. Di« Mutter r«gt«rst kräftig ««ist». Ast der Aeltest* so «eit «ar, daß «r anfangen sollst, da» Handwerk zu strnen, da zeigt, sich da», »a» der Mutter Sorg« machst Der Theodor kannst stund«nlang sitzen und sinnen und träumen. Nur daß all» stin« Gedanken nickst, u»st beim Vater, auf da» Zeichnen und Feilen ««richtet waren, sondern auf di« Musik. Gr kannst schon ast Kind nicht» -Lst-erm, ast der alten Turmuhr zuzuhöven, w«nn fie ihr« ftom- m«n Lieder sang, von ihr lernst «r all« Ktrchenweisen so gut, daß «r in der «hust vom H«rrn Organisten Haupt immer ast Betspstl Lingestellt wurde. Aus sein« inständig« Bttstn hatst ihm di» Mutter auf dem letzten weihnachstmarkst »in« Flöt« gekauft. Gin, sehr stur,; ordentlich mit Klappen und fein poltert, st« kostet» zwei Lalor und «» war «igsntltch «in« unverantwort lich« vstschwendung für «in« Witwe mit vier unversorgt«» Kin-