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Sonnabend 25. März liill. llidn 4000 »mm, Luint«. Nr. 70. Sechster Jahrgang. Ku er Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge v«antwortlich<r Redakteur: fett, Ri-nkolL für die Inserate verantwortlich: Matter Rran». Beide in Ane i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Huer Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntag» nachmittag» von 4—» Uhr. — lelegramm-Ndreffer Tageblatt Nueerzgebirge. — Fernsprecher »s. Für unverlangt eingesandt» Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und verka nnte vruclt-a. ve^ig»^«—ttted»N m. b. H. in Rue i. Lrzgeb. Bezugspreis! Durch unsere Boten frei ins ksau, monatlich dv psg. 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Die Schssfahrisabgadenkom Mission beschloß, daß die Unterhaltungskosten für bestehende Anlagen nicht aus den Schiffahrtüabgabm bestritten werden dürfen. O De Pariser Handelskammer hat sich gegen die Ve anstallung einer Pariser Weltausstellung im Jahre 1920 auegcsprochcn. Di' Verhandlungen Japans mit Mexiko wegen Erwerbs einer Kohlen st alton an der pazifischen Küste sind abgebrochen worden. Zwischen Rußland und China soll unverbürgter Nach- rich en zufolge der Ausbruch eines Kriege» bevoistehen. - fS. Tel.) Der Reichstag unv sein Jubiläum. Der Präsident des Reichstag», Graf Schwerin-Löwitz, hat sich also doch noch veranlaßt gesehen, des 40. Jahrestages der ersten Reichstagseröffnung zu gedenken I Es hat eines An stoßes von außen «bedurft, arm chn die Bedeutung dieses Tages würdigen zu lasten; eilst als vom Deutschnationalen Verbände des österreichischen Abgeordnetenhauses ein Jubiläurnsgruß ein gelaufen war, ließ sich der Präsident Lewegen, über diesen Tag eine kurze Bemerkung zu machen. Im deutschen Volke wird man es nicht verstehen, daß die Mrperschaft, in der «ss di« oberste Vertretung seiner Rechte zu sehen hat, einen solchen nationalen Gedenktag ignoriert. Es'wird auch den Einwand, den der Präsident geltend machte, nicht verstehen, daß der 40. Jahrestag der ersten Reichstagseröffnung deshalb mit Schwei gen übergangen werden müßte, weil der 80. Jahrestag nicht ge feiert worden ist. Da in diesem Jahre überall im Reiche der Tag derReichsgrilndung und der Kaiserproklama- tion besonder» festlich begangen worden ist, hätte auch der Reichstag Grund genug gehabt, seines 40. Geburtstage» in wür diger Weisse zu gedenken. Mit welcher Freuds ist am 18. Januar bei allen deutschen Stämmen die feine Kundgebung ausgenommen worden, mit der Bayerns Regent dem Retchsgedanken huldigte! Der Reichstag aber, der der erste Hüter unserer nationalen Einheit sein sollte, findet kein Wort für die 40. Wiederkehr des Tage», an dem da» Parlament de» neu geeinten Reichs zum ersten Male zu sammentrat. In Kiel pries vor wenigen Tagen der Reichs kanzler Leim Stapellauf unseres neuesten Kriegsschiffes Li« Kaiseridee. Er nannte den /Kaiser den Siegespreis bluti ger Kämpfe vor 40 Jahren. Und der Reichstag, der «sich mit dem gleichen Recht so nennen darf und der mit dem Kaisertum an einem Tage geboren wurde, er muß stch mit einer nachträglichen kurzen Bemerkung seines Präsidenten begnügen. Man klagt viel darüber, daß die Teilnahme des Volke» am politischen Leben so gering sei, daß es der Nation an staats bürgerlicher Bildung und an Verständnis für ihre nationalen Einrichtungen fehle. Der 40. Jahrestag der ersten Reichstags eröffnung wäre ein Tag gewesen, an dem «ine eindrucksvolle Kundgebung der Volksvertretung dem Volke hätte zum Bewußt sein bringen können, was ihm der Reichstag ist al» der Reprä sentant seiner Rechte und seiner Freiheiten^-Vielleicht wird aber auch da» Unterbleiben solcher.Kundgebung poli tisch aufklärend wirken. Denn es beweist dem Volke bes ser, al» lange Reden es vermöchten, wie gleichgültig, wenn nicht feindselig, di« gegenwärtige schwarz-blaue Reichstag-Mehrheit, die da» Präsidium gestellt hat und deren Geist sich in solcher Führung der Präsidialgeschäfte offenbart, den Volk-rechten und den parlamentarischen Einrichtungen überhaupt und dem Reichs parlament im besonderen gegenübersteht. Bei den nächsten Reichstagswahlen wird man auch der Uebergehung des Reichs tagsjubiläum» gedenken. Zur Hamburger Schiffsspiouage. Das Hamburger Fremdenblatt ist in der Lage, Näheres über die Aufsehen erregende Schiffsspionage, die im Hamburger, Bre mer und Kieler Hafen ausgeübt ist, mitzuteilen. Als vor eini gen Wochen die Hamburger Polizeibehörde von einem Verdacht : Kenntnis erhielt, daß «in Hamburger/Konfortiumsich s mit dem Auskundschaften unserer Krtegsschiffneubauten befasse, ' setzte ein Ueberwachungsdienst «in, der nicht nur den Verdacht bastätigte, sondern noch zur Entdeckung 'einiger Bremer Helfershelfer führt«. In Kiel sorgte der spionierend« Auftraggeber selbst für sein Material, das man fein säuberlich ausgezeichnet bei ihm vorfand. Man hätte in Hamburg längst Verhaftungen vornehmen können, zögerte jedoch damit, um noch bester«» Deweismaterial zu beschaffen. Al» sich die Absicht de» Haupte» der Sptonagegesellschaft, zu verreisen, erkennen ließ, nahm man den Engländer am 10. März in einem Hotel fest. Er ist ein Schiffshändler aus London, nicht ein Schiffsoffizier au« Southampton, wie in auswärtigen Blättern zu lesen war. Sein mitverhafteter Hauptkomplize ist «in Hamburger Werstangestell ter in besserer Stellung. In Bremen verhaftete man anderen Tages drei Mitschuldige. Zwei von ihnen sind im Werftbetriebe tätig, die drittschuldig« Person ist ein junges Mädchen, Braut ei nes der Verhafteten. Das sechste Mitglied der Spionagegesell schaft ist entkommen, doch sind seine Personalien genau bekannt. Die in Hamburg in Gegenwart Delegierter de» Reich»- marineamte» geführten Verhandlungen ergaben belasten, des Material. Während der etwa SOjährige Engländer, «in äußerst gewandter und durchaus nicht niedergeschlagener Mann, seine Verfehlungen ohne weitere» zugab, «ollen stch di« Wrtgen Angeklagten nicht der Strafbarkeit ihrer Handlungsweise bewußt gewesen sein und die Anschaffung des Material» al» «in« harm lose Sache aufgefaßt haben.«..Jn welchem Umfange di« Anklage bei den einzelnen Verhafteten erhoben werden kann, muh die jetzt in Leipzig stattfindende Untersuchung ergeben. Di« An geklagten werden wahrscheinlich in den nächsten Tagen schon dorthin überführt werden. Wie da» beschlagnahmte Material, das der Hauptbeschuldigte noch nicht nach England wettergegeLen haben will, in den Besitz der Spion« gelangen konnte, ist noch nicht zweifellos festgestellt. Im Anschluß an Obiges geben wir noch da» wichtigste au» einem Artikel der Daily Expreß, die sich allerdings durch be sondere Zuverlässigkeit nicht auszeichnet, deren Information dieses Mal aber offenbar aus guter Quelle geschöpft ist: Sorg fältig« Nachforschungen ermöglichen mir, die folgenden authenti schen Einzelheiten des Falles mitzuteilen, der verspricht, eben- soviel interessante Züge zu liefern, wie die Angelegenheit der Herren Brandon und Trench. Der jetzt in Haft-befindliche Eng länder hat «in vornehmes Neußer« und sein Benehmen bezeugt, daß er eine gute soziale Stellung einnimmt. Seine Briefe und andere Schriftstücke von sein« Hand lasten erkennen, daß er Große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus. Humoreske von Georg Perstch. Steuermann Erichsen hatte die Wache. Er lief auf der Kom mandobrücke hin und her, um sich zu erwärmen. Nun, da e. Tag wurde, fror ihn. Im Osten säumte Len Horizont schon ein roter Streifen, der breiter und breiter und Heller und glänzender wurde. Bald muhte die Sonn« aufgehen. Im Westen, wohin man steuerte, stand noch dunkel di« Nacht. Nur auf dem Wasser lag schon «in ungewisses Zwielicht. Erichsen blickte häufig durch» Fernglas. „Da sind ja noch die beiden Vortopplichter!" rief er halblaut. „Eins ist da!" meinte der Matrose am Steuer „Zwei!" „Eins!" Erichsen visierte selbst wieder, wo «r die Lichter vor- hin gesichtet hatte. Hm — da war jetzt wahrhaftig nur eins. Wie hatte er stch nur so täuschen können! Er durfte stch doch sonst auf feine Augen verlassen. Beispielsweise die beiden Punkte weit vorn auf dem Wasser! Sie hoben sich kaum davon ab, aber er sah sie doch — sah sie mit bloßem jlluge. E, konnten zwei Mmm, ler sein, die um die Wett« schwammen. „Sehen.Sie denn da vorn wa», Elhers?" fragt« er überlegen, „'n Strich link» vom Lug." „Da seh' ich 'nen Schveinftsch." ,Lw«iI" Mnen!" Swei sind'»!" Ueber Erichsen kam schon eine gelind» Wut. „E» ist gewiß man einer," Leteuerte der Matrose treuherzig. Der Steuermann nahm wieder sein Fernrohr zu Hilf«. Ehler» hatte auch diesmal recht gehabt: nur «in Fisch schwamm dort. Aber der andere konnte untergetaucht sein. Er wartet, e» nützt« nicht». Hatte er zehn Gla» Grog im Leibe, daß er alle« doppelt sah? Nein, er war nüchtern, Di» ein Milchkalb. Aber müde war er. Er mußte wohl ordentlich ausschlafen, um wieder klar« Augen zu haben. Und da war sein« wache auch schon zu Ende. Die Schiffsglock« schlug an, und der dick« Kapitän keucht« di« Treppe herauf und löste ihn /lb. Al» Erichsen seine Kabine auf suchen wollte, stolpert« ,r über «inen roetchen Gegenstand. „Pe ter!" rief er erschrocken. Biech mußt du dich einem ouer in den Weg legen?" Da» Biech war die Schifs»katze, «in überau» ge- sväßige» Exemplar seiner Gattung, da« an allen Mahlz^teu von seiner Olga. Wieder «in« Sinnestäuschung, aber diese war ihm nicht unangenehm. Mit einem Lächeln schlief er ein. — Nachher machte er doch dem Kapitän Mitteilung von seinem Zustand. Der nahm'» nicht leicht. Was mit den Augen anfang«, könne bös werden, sehr bös. Er solle sich in Baltimore nur gleich die Gucklöcher von einem Arzte untersuchen lasten. Und er lieh Erichsen eine blaue Brille, die trug der Steuermann von nun an, wenn er dienstfrei war. Sahen ihn die Leute damit, so stießen sie sich in die Rippen und meinten grinsend: ,,Wi« 'n ollen verdreihten Profester seiht he ut!" Aber doppelt sah «r seitdem nicht mehr, nicht eher wieder, als bi- ,man vor Baltimore angekommen war. Das Schiff lag kaum fest, al» der Agent der Reederei an Bord kam. Er brachte die eingelaufenen Postsachen mit. „Hier ist auch für Sie etwa», Herr Erichsen!" sagt« er und reichte dem Steuermann ein Telegramm. Erichsen öffnete «», hielt das Papier dicht vor» Gesicht, dann weiter ab, als könne er nicht die richtige Distanz finden. „Ich kann'» Ihnen ja vor- lesen!" erbot sich gutmütig der Kapitän. ,Ia, ich sehe schon wie der dopp — —< —" , j > . / i ' Der Kapitän nahm da« Telegramm, blickte hinein und wurde krebsrot. „Hoho!" machte er. „Hohoho! Jaja, mein lieb« Erichsen " „Doch nicht» Schlimme»?" fragte teilnahmsvoll der Agent. Da la» der^Kapitän mit Ernst und Würde:,Zwil linge — Mädchen! Alle« wohl!" „Zwillinge —1 —st" Erichs«, sprach e, nach, wie betäubt von der Botschaft. ^.U rlgkt!" gluckste sein Vorgesetzter. „Ein weiblicher Zwilling! Zwei Mäd chen! Diesmal haben St« nicht doppelt gesehen! E» ist doppelt! Und da» auf der Reise hat oorgespukt. Hohoho!" Er prustet« lo». „Aber ich gratuliere — gratuliere!" Der Agent tat ein gleiche» und feixte womöglich noch mehr al» der Kapitän, al» ob er selbst «in« so froh« Nachricht erhalten hätte. Erichsen» Ge danken waren schon wieder weit /weg, Hunderte von Meilen nord östlich „Es waren wenigsten» Vorzeichen für 'was Gute»!" dacht« er. „Gottlob!" Und nach dem .ersten Schreck über den doppelten Segen daheim fühlt« er nun auch eine doppelt« Vater freude. Groß« Ereignisse werfen ihren Schatten voran». teilnahm und doch immer vor Hunger umzukommen schien. Und weil Erichsen es am reichlichsten fütterte, war es ihm besonder» zugetan. „Willst mich wohl zum Früstück abholen, alter Freß sack?" sagte er liebevoll. ,Mr, komm!" An der Tür drehte er sich um. ,Mst du noch da? Ja, wo steckst du denn? Peter!" Er lockte mit sanfter und lauter Stimm«, pfiff — kein Peter ließ stch blicken. Da öffnete er die Mbtnentür. Starr blieb er am Eingang stehen. Auf der Bank lag zusammengerollt «ine Katze und blin. zelte ihn schlaftrunken an. Der Koch brachte den Kaffee. Da» dröhnende Guten Morgen!, mit dem er den Steuermann be grüßte, ließ diesen au» seinem Nachdenken auffahren. „Seit wann find zwei Katzen an Bord, Koch?" „Wir haben doch man eine, den Peter!" ,D«r> Peter war eben draußen, und hier liegt 'n andere» Biest." „Aber da« i t ja doch der Peter!" ,Das ist er nicht!" Da erhob sich da» T er, wie um für stch selbst Zeugni, abzulegen, miaute, machte einen RiesenLuckel, setzte sich dann hin und begann sich die Pfoten zu lecken. Keine Frag«, es war der Peter. Der Koch schaute Erichsen an, al» wollte er sagen: Glaubst du'» jetzt? Und er war tief empört, al» der Steuermann die Mütze vom Kopf riß und st« nach dem aus seinem Etilleben jäh aufgeschreckten armen Burschen warf, der mit einem Satze unter die Bank flüchtete. ,/Vu sollst mich -um besten haben!" schimpft« sein alter Freund und Gönner. ,D» und di« Vortopp, lichter und die Schw«tn»stsch«l" Sr wandte stch gegen den Koch. „Warum sperren Sie den Mund auf? Wa» wollen Sie noch?" Er faßte den Mann gewalttätig beim »bersten Jackenknvpf. „Sind Sie einer oder sind St« zwei? Sind Sie ein Koch oder sind Sie zwei Köche?" Dem Koch sträubten stch die Haare, und er stürzte schreckenr- bleich htnau«. Erichsen trank, vor stch htnbrütend, seinen Kaffe« und warf stch dann in die Koje. An der Wand daneben hing eine Photographie seiner Frau, seiner lieben kleinen Olga. Er hatte die Gedanken! in den letzten Tagen viel zu Hause gehabt, bei ihr, und davon «ar ihm wohl so wunderlich. .Süßtngl" murmelt« er. „Wie mag', dir gehen?" Und er.sah da» Bild aiß Li» ihm die Augen ,«fielen. Al« er st« mit Anstrengung «ch «imnal ausschlug, hingen an der wand zwei Photographien