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Mer Tageblatt s. Mrgang. Dienstag, 10. Juni ISIS. Nr. IN. Sittmtti aus M Hkim -<v Hatte NS Anzeiger für -as Erzgebirge «MMMD mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. uN Sprechstunde »er «e-akNon mit Ausnahme -er Sonntag» nachmittag, 4—L Uhr. — Telegramm-stSreste, Tageblatt flueerzgebirg». Zernsprecher SS. -«hm.a'Äst-llüoa«» «»,,!,?" Zür unverlangt «lngefaaSt» Manuskript« kann SewShr nicht geleistet wrrSe«. »ntsprichint«« NodaU. »»«« In »«« «rstheUnmaevelt» hum «,»«hr nicht aetelikt ««chm, »«nn »I« Nufeak» »«» Sntirot», »urch lirntprich«« »rtvlat »t«r Manuskript nicht »«utlich l«, da» Ist. Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Die Budgetkommission de- Reichstages hat am Montag den Wehrbeitrag in erster Le sung angönommen^ Das Lustschiss Sachsen stieg am Montag früh um r/,6 Uhr in Baden-OoS auf und landete kurz nach 2 Uhr aus dem Flugfeld« bet Wien.*) * Die erste Sitzung der Pariser Jtnanzkommts- ston sand am gestrigen Montag statt. In Nord-Marokko greift nach neueren Meldun gen der Aufruhr immer Wetter um sich. Präsident Polnear« hielt in Toulon eine Rede, in der er auSsührte, daß die französische Armee und die Flotte immer bereit sein mühten, um Kriegsdrohungen abzukehren. * Mus dem Balkan ist «in« weiter« Verschlechte rung der Situation etnaetreten. Serbien sucht bereit» Rumänien zu einem Bündnis zu bewegen, während Griechenland der Türkei einen Allianz-Antrag gemacht hat.*) n flitz« an an»««« Ti«!«. IW- Mutmaßlich« Witterung am 11. Junti Böig« Nordwestwlnde. meist bedeckt, kühl, Niederschlag. -Wc Der starke Mann. "s? In Ungarn ist an Stelle des Herrn v. Lukacs Gras Tisza getreten. Das bedeutet keinen Wechsel im System, nur einen in der Person. Denn Stefan Tisza, der Sohn des früheren Ministerpräsidenten Koloman Tisza und selbst schon Ministerpräsident in den Jahren 1903—1904, hat als Präsident des Abgeordnetenhauses ja das Kabinett LukaeS mit all der Energie, die ihm zu Gebote steht, unterstützt. Die Opposition, die ihre zählen mäßige Schwäche durch ihr« Lungenkraft und ihre Fer tigkeit im Schleudern von Tintenfässern und anderen handfesten Gegenständen zu ersetzen suchte, wurde von der Polizei aus dem Sitzungssaal getrieben, und, un bekümmert um das Lärmen und Toben der Kossuth- und Justhleute, hat Titz« das Rekrutenkonttngent zur Be ratung gestellt, in der es dann mitten in dem Lärmen Der Detter. Skizze von B. Rtttweger. klachd.uck v«kbol«a. Medizinalrat Doktor Robert Althoff Hat istch nach dem frühen Tod seiner Gattin von Mer Geselligkeit zurückge zogen ,umd nur nach seinem Berus undfeinem einzigen Kind, einem Sohn, gelwt. Gins ältere Wirtschafterin versorgt den Haushalt. Der Sohn, ebenfalls Mediziner, steht schon vor dem Examen, der Vater hat grau« Haare bekommen und wird von den Bekannten, namentlich von den jungen Töch tern befreundeter Familien, al» alter Herr betrachtet. Und doch ist er noch gar nicht so alt. Ein guter Fünfziger, das ist doch noch kein Alter, wenn man gesund Und rüstig ist, wenn man seinen Mann steht im Berus, und wenn man sich jung fühlt, innerlich jung. Nein, nein, er, Msdiztnalrat Althoff, hat wohl da» Recht, sich gegen die Bezeichnung alter Herr aufzulehnen, sie sich wenigsten» von seinem Sohn zu verbitten. Früher hat er gutmütig gelächelt, wenn er mal zufällig hörte, daß der Han« von seinem alten Herrn sprach. Da» ist eben so Mode unter der Jugend. In letzter Zeit kann er'» nicht mehr ertragen und hat sich den Ausdruck al» un passend verbeten. Er Habs zu feinem Erohvater Sie gesagt und zu feinem Vater immer nur respektvoll gesprochen, -an halte im stillen den Kopf geschüttelt. Papa ließ doch sonst der Jugend und ihren Dummheiten ihr Recht. Aber in letz- ter Zett ist überhaupt manche» ander» geworden. Han, Alt hoff findet e» gar nicht gemütlich zu Hause während der Sommerferien. Sein alter Herr — ja so — fein Herr Papa ist sonderbar empfindlich und wenig zugänglich für den Sohn, den er früher doch immer ein bißchen verwöhnte. Und er hat doch nicht mal Schulden gemacht im letzten Semester. Ist der Later einmal so recht freundlich zu ihm, dann scheint'» Ham», al» zwing« er sich förmlich dazu. Und fo ist,» in der Lat. Au» eben dem Gefühl heran», daß der Junge ihm dtemnal wirklich im Weg«, ist der Medizinalrat bald heftig und zurückstohend, bald übertrieben liebenswürdig gegen ihn. Er kann kaum de« Beginn de» Semester» erwarten. der Gegner von der Regierungspartei angenommen wurde. Gras Tisza ist also der starke Mann, der Un garn braucht, um nicht in die politische Anarchie zurück zufallen, die da- Treiben der Unabhängigkeitspartei in ihren zwei Spielarten, der Kossuth« und der Justhe Partei Wer das Land gebracht hatte. Diese adlen Her ren, die letzten Endes die völlige Loslösung Ungarns von Oesterreich und Pom Hause Habsburg erstrebten, hatten die Staatsmaschine lahmgelegt, da ihren Forderungen na mentlich aus militärischem Gebiete, die auf eine Tren nung der österreichischen und ungarischen Armee hinaus liefen, nicht nachgegeben wurde. Ein Versuch, die Nein sager selbst zu positiven Leistungen heranzuziehen, in dem man sie an der Regierung teilnehmen ließ^ endete mit einer völligen Katastrophe dieses sogenannten Koo litionSkabinettS. Damals, im Jahre 1910, war Gräf Khuen der Retter in der Not. Jetzt, da die Opposition, neugestärkt in ihren Hoffnungen durch die Blöße, die sich LukaeS gegeben, zu einem neuen Schlage ausholt, soll Tisza sie bändigen. Diese Ausgabe wird der neue Mann am Staats- rüder sicher lösen, e» sei denn, daß ihm ein Teil der Regierungspartei die Gefolgschaft verwetgert, oder doch h«tmltch gegen ihn intriguterte. Bet der Kliquenwirt« schast in Ungarn ist kein Ministerpräsident vor der Ge fahr sicher, daß Parteifreunde, die gern an der Staats krippe sitzen möchten, ihm alle möglichen Schwierig keiten bereiten. Diese Kliquenw-irtschast aber zu vernich ten, diese HerkuleSarbett ist ungleich schwieriger, als rabiate Abgeordnete au- dem Parlament mit mehr oder weniger sanfter Gewalt zu komplimentieren. Denn das ganze tnnerpolitisch« System im Lande der Ma gyaren ist aus der Herrschaft der Kltqu« aufgebaut. Nicht einmal da- ganze magyarische Volk, nur der kleine Adel meist reformierten Glaubens, stellt die herrschende Schicht dar. Mit ängstlicher Sorge ist sie darauf bedacht, alle, die nicht zu ihr gehören, oder die sich ihren An schauungen nicht anpassen, fernzuhalten von der Staats krippe. Man betrachtet dort den Staat als seine Domäne, au- der, grob materiell, wie nun einmal die Magyaren trotz ihrer vielgerühmten Ritterlichkeit sind, möglichst viel Gewinn herauszuschlagen ist. Diejenigen, welche den größten Gewinn davontragen, werden natürlich auch am meisten beneidet. Am allermeisten die Minister, auch wenn sie noch so waschechte Ungarn, das heißt Magyaren sind. So sehen wir fortgesetztes Hin und Her kleiner Gruppen und Grüppchen, die die großen politischen Gegenstände höchst persönlichen Bestrebungen nutzbar ma chen und zur Zersetzung der großen politischen Parteien beitragen. Auch die nationale Arbeitspartei, die jetzt am Ruder ist und die schon in ihrem Namen den Wil len, positiv zu arbeiten, kundtut, ist nicht frei von Klt- Es ist auch 'ne Schande, wie lange Hiess Studenten Ferien haben! Bollständig verbummeln tun sie Label. Der Vor- wurs ist ganz.ungerecht. Hans hat noch nie so eifvig gear beitet wie in diesen Ferien. Die Laune des Medizinalvates hebt !sich sichtlich, als da» Ende der Ferien da ist und die Wirtschafterin alles zur Abreise de» Haussohnes rüstet. Wären nur die letzten Tage erst vorbei! Althoff kann kaum die Zeit erwarten. Denn so lange muß er sich noch gedulden. Schriftlich wird sich'» ganz anders machen. So dem Jungen -ins Gesicht sagen, daß er, daß fein Vater eine junge Frau — nein, das geht ein fach nicht! Wenn er ihm alles schreibt, wie's gekommen, wie die reizende Nachbarin sich in fein Herz gestohlen, wie es ihn danach verlangt, noch einmal glücklich.zu werden an der Seite einer geliebten Gattin, wie er, der Hans, es in Zukunft doch auch behaglicher zu Kaufe finden wird, wenn «ine Hausfrau sorgt, anstatt der grämlichen, alten Person, der Kathrine — wenn <r ihm da» alle» vorstellt, dann wird'» der Junge etnsehen. Er kennt ja Elsbeth bereit», hat mit ihr getanzt auf,einigen Landpartien, die er, der Medizinal rat natürlich nicht mitmachen konnte. Elsbeth hat sicherlich nicht großen Spaß an solchen Vergnügungen. Sie ist so ge. reift. Cr hat sie beobachtet, seit sie feine Nachbarin ist, seit fast zwei Jahren. Da ist ihre Mutter al» Witwe in die Hei matstadt -urückgekehrt. Wie sich Elsbeth ihm gegenüber gibt, so voll Vertrauen, darf er die Zuversicht hegen, daß sie nicht nein sagen wird, wenn er sie um ihre Hand bittet. Sie hat noch drei Brüder, und die Mittel sind beschränkt. Um der Mutter Sorg, zu ersparen, hat Elsbeth schon manchmal am Gattenzaun, der die beiden Grundstücke trennt, sich von ihm «einen Rat wegen der Jungen erbeten. Bald ging'» bet einem nicht mit dem Latein, bald haperte e» beim an dern in der! Mathematik. E» hatte sich «ine förmliche Freund schaft entwickelt zwischen ihm und Elsbeth. Und au» dem Samen dieser Freundschaft sollte, so hoffte er, eine köstlich« Frucht, reifenz dte Liebe de» Weihe» zum Mann. An Iah. ven jung ist Gl»-eth, oder Lurch den Tod de» Vater», die Sorge für di« Brüder ernster, al» sonst Mädchen ihre» Al ter» zu sein pflegen. St« wird di« Neigung de» älteren quen und Gruppen. Und Graf Tisza, der Mann der eiser nen Faust und der persönlichen Unantastbarkeit, der jedem Günstlingswesen feind ist, mag vielen nicht der Mann nach dem Herzen sein. Wenn diese zunächst ins geheim, später vielleicht einmal ganz offen, die lieber« magyaren der Unabhängigkeitspartei unterstützen, dann kann es dem neuen Herrn begegnen, daß er trotz des Ver trauens der Krone, sich einem Wall von verärgerten, getäuschten Freunden gegenübersieht, den auch dieser nervenschwache Junker nicht übersteigen kann. Die englische Aottenpolitik. Der erste Lord der britischen Admiralität, Chur chill, hat im englischen Parlament auf eine Infrage, wel che Schritte die britische Regierung zu unternehmen gedenke hinsichtlich der drei Schlachtschiffe, die dte kanadische Regie rung für die Neichsflotte nicht zu stellen bn der Lag« sei, er klärt, daß die durch dte Ablehnung der kanadischen Flotten- Vorlage geschaffene Situation ein sofortige» Handeln verlange. Der Kräftellberfchuh der Flotte, der Mr den Schutz des britischen Reiche» in der ganzen Welt erforderlich sei, müsse auch im Herbst und im Winter 191V, sowie tm Früh jahr 1916 auf der Höhe erhalten -leiben. Dte Regierung habe deshalb auch beschlossen, denBauvon dreiSchif- f e n innerhalb de» Programm» diese» Jahre» zubeschleu nigen, nmd es feien bereit» von der Admiralität entspre chende Anweisungen ergangen. Statt tm März.nächsten Jah res werde schon jetzt mit dem Bau begonnen swerden. Nun besteht aber zwischen den Regierungen England» und Deutsch lands das Einvernehmen, daß in der Flottenstärk« der Leiden Staaten das Verhältnis van 1V zu 16 eingehal« ten werde. Infolgedessen wird die zweischneidige Wirkung der geplanten englischen Maßregel auf die deutsch-englischem Beziehungen von der liberalen Londoner Press« ziemlich scharf kritisiert. Mit Recht wird erklärt, wenn England zehn Schiffe Kegen sechs deutsche bau« und außerdem beliebig viele mit der Begründung, man brauche sie zum Schutze de» weltweiten Reiches, so liege tn dieser ^Haltung eine Um- aufrich-tigkeit sowohl gegen den britischen Steuerzah ler als gegen das deutsche Marineamt. Die englische Re- gierung dürfe keime Schiffe an Stelle der kanadischen Dread noughts bauen, weil dann tn Deutschland der Wert eines je den britischen Versprechens bezweifelt werden könne, Es möge daran erinnert werden, daß vor noch nicht ganz einem Vierteljahr, am 26. März, bei Einbringung des Flottsnetats bin engl. Unterhaus Lord Churchill jene große Rede hielt, in der er von neuem das Hohelied einer deutsch-englischen Flöt- ienverständigung sang ^nd dabei an die Adresse Deutschlands den offiziellen Vorschlag richtete, für ein Jahr im Schiffbau einen Feiertag eintreten zu lassen. Die praktische Umdurch- sührbarkeit dieses Vorschlags wurde damals fasst tn der ge- ben. — , , Es ist der Abend vor Hans' Abreise. Der Medizinalvat und sein Sohn haben gegessen und sitzen noch am Tisch. Der Vater in Lester Stimmung, über die er sich freilich inner- lich Vorwürfe macht. Er freut sich, daß sein Einziger geht! >Na ja, da» liegt eben diesmal an den Verhältnissen. Dafür soll der Han» aber, wenn er wiederkommt, zu Weihnachten, ganz besonders liebevoll empfangen werden, da soll er «in« Mutter finden, die den Christbamn anzündet. Eine Mut ter? Nun ja, so ist'» doch Wenn auch — sie ist fast gwei Jahre jünger als ihr künftiger Sohn. Tut nichts. Es liegt so viel Mütterlichkeit in ihrem Wesen den ^Brüdern gegen über, von denen der älteste doch zu Ostern auch schon das Abiturientenexamen machen soll. E» wird anes gur gche... Morgen schon, gleich nach >Hans' Abreise, prird er Elsbeth fragen, und dann — man wartet nicht lange mit der Hoch zeit in seinen Jahren. Der Medtzinalrat ist völlig in sein« Gedanken versunken. E» ist schon seit geraumer Zeit nicht» mehr gesprochen worden. Er hat auch nicht bemerkt, daß Hans ein paarmal ungeduldig nach der Uhr gesehen hat, Und er schrickt förmlich zusammen, al» der Zunge jetzt anhebt: Hör', Papa, ich hab' noch allerlei zu packen, du erlaubst, daß ich schon aufstehe. —. Gehs nur, mein Junge, geh nur. Später trinken wir noch eine gute Flasche zusammen. — Schön, Pa pa, ich bin durchaus kein Unmensch. Han» verschwindet, und der Medtzinalrat, von innerer Unruhe getrieben, erhebt sich ebenfalls nach kurzer Weile, um feine Zigarre fertig zu rauchen. E» ist zwar schon ziemltch dunkel, Wer dte Lust ist wunderbar mild, fast wie im Sommer. Und man ist doch schon Anfang Oktober. Ein Gang durch die Wege Le» park- artigen Garten» wird den Nerven gut tun. 7- Elastifchen Schritte» wandelt Althaff stoischen allerlei Stauchwerk hin und her, sie in Gedanken suchend, di« dort drüben wohl jetzt hausmütterlich zwischen den Brüdern mal- tet. Da hört er gedämpft« Stimmen —< Han»' Stimme und — ja, e» ist keine Täuschung — di« ihr»! Ein Blutsttom dringt ihm jäh zum Herzen. Unwillkürlich sucht er ein« Stütz«, lehnt er sich gegen «inen Baumstamm. Und dann