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Mer Tageblatt SW -lnzeiger für -as Erzgebirge LLLL-r^LL mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblatt. «ß-rLM-HK 8»!?«"V>!» stüsiabi^illin^stwi« Vprrchstunö» See NrSakNen mitAuenahm» -er Eenntag» nachmiNags 4—4 Uhr. — Celegramm-fiSreff»r Tageblatt /turrrAgrhlrg». )«nispr«chrr 43. »»»>> »hm^oNLL!« ^ÄM' rar unverlangt riag.fon»t. Manuskript, kann »«rühr nicht grleiM werten. Tlr. 148. Montag» 30. Juni 1913. s. Jahrgang. Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Der Reichstag erledigte die dritte Lesung der Wehrvorlage und des Wehrbeitra- ges, sowie der Novelle zum Reichsstempel, gesetz unter Zurückstellung wichtiger Absttmmun. gen für heute.*) Der rumänische Gesandte in Sofia hat der bulgari schen Negierung mitgeteilt, daß Rumänien in einem serbisch-bulgarischen Kriege nicht neutral bleiben werde.*) e Die rumänische Regierung hat nach Meldungen aus Galatz ein allgemeines Ausfuhrver bot für Bulgarien erlassen. M« große Hitze in Shieago, Cineinnatt und anderen Städten von RordamerikahatdenTod zahlreicher Personen zur Folge gehabt.*) Tin größere» Erdbeben hat tn Sizilien di« Bevülkerung tn große Aufregung v«r- —t«.. -> nah««, fte-, an anb«r«» «stlli. iF»- MutmatzlWe Witterung am 1. Juki; Nordwind», wolkig, kühl, zeitweHe Regen. -MO Derzweifelte Taktik. Nichts kennzeichnet die ausschließliche Einstellung der französischen Republik aus den deutschvsranMischen Go« genlsatz besser als der Kampf, der jenseits der Vogesen um die dreijährig «Dien st zeit geführt wird. Der Ge danke, der zur Wiedereinführung der dreijährigen Dienst zeit in das Regierungsprogramm führte, daß nur auf diese Weise Frankreich mit den deutschen Rüstungen gleichen Schritt halten könne, wird von Anhängern wie von Geg nern der dreijährigen Dienstzeit in gleicher Weise für ihre Zwecke ausgenutzt. Wenn Jauräs die Milizverfassung Mr das Heer empfiehlt, so begründet er dies damit, datz nur ein Massenaufgebot, wie es die Miliz darstellt, imstande sei, einen deutschen Ueberfall abzuwehren. Umgekehrt behaupten die bürgerlichen Widersacher des dritten Jahres, nicht die Quantität, sondern die Qualität des Heeres entscheide den zukünftigen Feldzug. Und der französische selbsttätige Sol- dat sei dem deutschen, der mr Kadavergehorsam gewöhnt sei, überlegen. Von der anderen Seite dagegen wird man Das Sonnenschloß. Eine Fcriengeschtchte von Käte LnbowMi. Machduick ««rboten. Auf dem Wege zur neuen Schlesischen Baude, der von Schreiberhäu ziemlich steil bergan führt, waren sie einander an einem der letzten Ferientage plötzlich begeg net. Die kleine zierliche Lehrerin legte beide Hände fest zusammen und wollte eilig an ihrer» Rektor vorüber. Aber der blieb stehen und sagte verwundert und leise; Ich Hatto keine Ahnung, daß Sic ebenfalls im Riesen gebirge wanderten, Fräulein Gierten. Sie kämpfte um- sonst gegen das Gefühl an, das ihr eine heiße Glut in da» schmale, liebliche Gesicht trieb. Ihre Lippen zit terten so sehr, datz sie keine Wort« zu formen vermoch ten. Darum schob der Mann, mich kurzen Augenblicken vergeblichen Warten», di« goldene Brille fester gegen die Augen und fuhr hastig fort; Ihr Schreiben, in dem Sie mir mtttetlen, datz Sie sogleich nach den Ferien in eine Privatschule, Weit im Osten, übersiedeln möchten, datz somit also Ihr aushilfsweise» Unterrichten an mei ner Schule ihr Ende erretcht hat, gelangt« erst gestern auf allerhand Umwegen in meine Hände. Sie fühlte, datz Sie nun nicht länger schweigen dürfet Ich hoffe, ich bringe Sie dadurch nicht etwa in Verlegenheit, Herr Rektor. Wenn ich nämlich recht unterrichtet bin, ist die erkrankte Kollegin wieder soweit hergestellt, datz sie in ihre alte Schule eintreten kann und auch will. Sr zog mit dem Wanderstecken «inen wohlgelungen Krei» in den losen, rötlichen Sand de» Wege»r Da» stimmt I Fräu lein Krüger hätte St« tatsächlich au» Ihrer jetzigen Stel- lung verdrängt. Indessen, ich dachte, «» gefiel« Ihnen bei un», und hatte daher bereit» «ine ander« Vertretung für Sie. Ihr schossen di« Dränen au» den Augen. Gr ge wahrte da» aber nicht, weil sich fein« Blick« mit dem Kreis beschäftigten. Sr sah nur, datz st« Lei seinen Wor ten nervös aufzuckt« und «in« Bewegung macht«, al» , wolle sie um jeden Brei» weit«. Da zog «in traurige» Lächeln Mer sein Gesicht. Gr strich da» leichtergraut« nicht müde, auf die zahlenmäßige UeberleUenheit des öst lichen Nachbarn hinzuroeifen. Wie aus dem ganzen Ver lauf der bisherigen Kampagne um die dreijährige Dienst zeit ersichtlich ist, hat die anfängliche Begeisterung Mr das dritte Jahr im französischen Wolke doch etwas nachgelassen. Das Projekt de» früheren Kriegsministers Meßmy, das eine 28 bezw. 29 monatige Dienstzeit vorsieht, wird ernsthaft ge nommen. Man kann es daher wohl verstehen» wenn das Ministerium Barthon alles aufbietet, um fein Kind glück licher vor den Gefahren der Erdrosselung zu behüten. Ms beste» Mittel, um das zu verhüten, erscheint den Herr", von der Regierung aber nach wie vor die deutsche Ge fahr in möglichst graulichen Farben den Volksvertretern zu malen. E» ist daher wohl begreiflich, datz auch der Mi- nifterprästdpnt selbst dieses Mittel nicht verschmähte. Herr Barthou ging dabei — der Zweck heiligt das Mittel — mit den Zahleir ein wenig frei um. Während der Effsk- tirbestand der französischen Armee ohne Offiziere und De- amte sonst allgem.n auf 896900 Mann angegeben wird, der deutsche aber nach der neuen Heeresvorlage auf 780 000 Mann anzusetzen ist, sodatz Deutschland eine Ueberlegenheit von etwa» über 180 000 Mann aufzuweisen hat, rechnet Herr Barthou kühn und keck «ine Ueberlegenheit von 400 000 Mann heraus. Nun weih ja auch der Late, datz der fran zösische Friedensstand nur auf dem Papier «reicht wird; ferner ist bekannt, datz in Frankreich Gendarmen, Grenz- und Zollbeamte (Douaniers), Forstbomnts zum Heere ge rechnet werden; man weih auch, datz tn Frankreich die Zahl der im sog. Hilfsdienst verwendeten Schreiber, Ordonnanzen usw.» die Mr den Frontdienst nicht tn Betracht kommen, un gewöhnlich hoch ist, datz ferner da» algerisch-tunsstsche Korps Mr gewöhnlich von den französischen Militär- und Zivilstra tegen außer Rechnung Mr einen deutsch-französischen «Krieg gestellt wird, obwohl der Feldzug von 1870/71 da» Gegen- teil bewies. Es mag daher schon stimmen, wenn Herr Bar thou für das französische Heer im Mutterlands wirklich nur einen Bestand von 480 000 felddtenstfähigen Leuten heraus rechnet. Schmieriger aber wird die Rechnung Mr die 870 000 Deutschem die der französische Ministerpräsident vor den De putierten aufmarschieren läßt. Selbst wenn man alle Offi ziere, Beamte, Handwerker und Schreiber außerhalb der Ladres mitrechnet, kommen doch nicht viel über 800 000 Mann heraus. Um 60—HO 000 Mann dürfte sich also Herr Barthou schon zu Gunsten Deutschlands verrechnet haben. Zeigt schon die Gruppierung der Zahlen -bei dem leiten den Staatsmann der französischen Republik eine bedenkliche Neigung Mr politischen DafcheNfpielerei, so arbeitet sie mit offener Verdachung der Tatsachen bei der Beurteilung der Aeutzerungen des preußischen Kriogsminister» v. Heeringen über die Offensive Deutschland». Gewiß hat Herr v. Hee ringen — das tun auch andere Kriegsminister, die franzö. Haar aus der Stirn und nickte ein paarmal: Sie iver« den ja wissen, weshalb Sie diesen Wechsel anstreben, Fräulein Clerten. Sie verbessern sich natürlich? Und al» ihn« auch darauf keine Antwort ward, streckte er ihr mit einer unsicheren Bewegung die Rechte hin; Las sen Sie es sich also recht gut gehen, Fräulein Glerten, und haben Sie Dank! Sie legt« die kleine Hand einen Augenblick in die seine, neigte den Kopf und ritz sich dann eilig lo». To gingen sie beide verschiedene Wege. Sie, zur beschwerlichen Höhe der Baude entgegen, um die letzten Tage, nachdem sie dort oben di« Nacht verbracht haben würde, eine Kammwanderung zu unternehmen? er, hin- unter in» Tal. Annt Eierten hastete schweratmend Wei- ter. Nun war alle» au». Tie würde ihn nicht mehr Wie dersehen. Damit war alle Gefahr, datz er jemals ihre heiß« Liebe entdecken möchte, beseitigt. Sie dacht« an da» verflossene Jahr, da» trotz der inneren Kämpfe und de» beständig leise nagenden Schamgefühl» für sie heimlicher Wonnen gebracht hatte. Denn zuweilen fühlte st« die Blicke d«» ernsten Rektor» auf sich ruhen, sah, datz in seinen ernsten, klugen Augen eine bange Frage Mr sie bereis stand und erbat, mit pochendem Herzen, Laut und Wort für sie. Sie blieb aber schweig, sam. Rektor Stadt hatte in seiner kurzen Ehe, die sehr bald der Dod lüste, ein« hart« Enttäuschung erfahren, erzählten ihr di« Kollegen? und sie folgerte darau», datz er nun Wohl niemals wieder an yrauentreue und Liebe glauben wnne. Aber bald änderte sich ihre An sicht. Sie gikaubt« schließlich, daß er einfach nichts Mr sie empfind«, datz er sie nur in ihrer unerwiderten Liebe schonen wolle, Wenn er weicher und zarter al» mit den anderen ihm Unterstellten tzu ihr sprach. Ihre Wunde sollte wohl in Stille und Sanftheit wieder -eilen. Al« sie sich zu dieser Ginsicht durchgerungen hatte, stand auch der Entschluß, ihn nicht mehr sehen und sprechen zu müssen, in ihr fest. Da sie ausgezeichnete Zeugnisse besaß, hatten ihr« Bemühungen um «ine ander« Stell« schnellen Erfolg. Und dennoch hatte sie, dis heut«, an «i- I ner letzten, verzweifelten Hoffnung gesponnen. Mm- fischen nicht zum geringsten — bei der Empfehlung der Hee» resvorlage im Reichstage auf di« Notwendigkeit einer ra schen Offensive mit Merlegenen Kräften Hingewiösen. Diese Notwendigkeit ist durch hundertfältige Beispiels in der Kriegsgeschichte so schlagend erwiesen, datz sie kein Krieg». Minister sich entgehen lassen wird, wenn er eine Vermehrung des Heeres empfiehlt. Was macht aber Herr Barthou aus dieser Empfehlung eines rein militärischen Mittel» im Falle eines Krieges? Das politische Mittel eines vom Zau ne gebrochenen Offensivkrieges selber, eines Ueberfall» ob wohl er dieses Wort nicht ge-ade gebraucht:. Es ist wirk lich ein erbauliches Schauspiel, den französische; Promter und leinen schärfsten Antipoden Jau:6» an einem Strang« zie hen zu sehn — freilich nach verschiedenen Richtungen — dem französischen Volk die Gefahren «ine» deutschen Ueberfall«» vor Augen zu führen. Nur datz das, was bet dem Parla mentarier und Oppositionsführer hingehen mag, Lei dem verantwortlichen Leiter der französischen Politik hei un» in Deutschland das äußerste Befremden erregen mutz. Hoff ent- ltch werden auch von unserer Regierung diese haltlosen Ver dächtigungen der deutschen Friedensliebe deutlich gekenn zeichnet. Es mutz tn der Tat schlimm um die Sachs der drei, jährigen Dienstzeit stehen, wenn ihr berufenster Verteidiger In ihrer Empfehlung zu der verzweifelten Taktik greift, hm Minister «ine» Staate», zu dem Frankreich offiziell fveuntd liche Beziehungen unterhält, derart zu verdächtigen. Um äas Steuerkompromih. (Don unserem Berliner S-Mitarbeiter.) In dem raschen Tempo, das jetzt im Reichstag beliebt wird, um die parlamentarischen Arbeiten' spätesten» Mon tag oder Dienstag beenden zu können, hat man am Frei tag auch Pas vielumstrittene Besitz st «uergefetz erle digt. Nicht das, sivas genehmigt wurde, macht ahgchchen pwh leicht von der Steuerpflicht der BundssMrsten eigentlich das Bemerkenswerte der Sitzung au», sondern das, was ab gelehnt wurde. Denn genehmigt wurde im wesentlichen alles, was schon die Kommission genehmigt hatte: Die Re gierungsvorlage mit ihren veredelten MatMularbeiträgen fiel, dis WerinögenszuwachSsteuer, dis nach der Regierungs vorlage erst dann eintröten sollte, wenn irgend ein Bun desstaat nicht im Stande war, di« veredelten Matvikular- beiträge im Woge der Bösitzsteuer aufzubringen, wurde Mr allgemeinen Reichsbesttzsteuer schoben, es fiel auch der Scheck stempel und die Zuckersteur wurde beibehalten. Allein in Bezug auf die Wertzuwachssteuer änderte das Plenum die Beschlüsse der Kommission. WähreM diese die Aufhebung der Steuer beschlossen hatte, kam das Plenum — hauptsäch lich auf Grund des Widerspruches der an der Aufrechterhal tung der Steuer interessierten Gemeinden -« M dem Be- ltch an der, datz er i?r npgesetzltch schnelle» FortgeWr, einfach nicht zulassen, sie lraften werde. Aber nicht» der gleichen war geschehen. Er ltetz sie ruhig ziehen. Warum aber dankt« er tn seinen letzten Worten? Sie wuKke «» nicht. Die hatte einfach ihre Pflicht wie dis anderen ge tan, nicht mehr. Dankte er ihr nun, weil sie sich selbst übernommen hatte? Ihr Füß« waren schwer und müde. Nur mit großer Anstrengung erreichte sie tyi- Ziel. De/ Sonnenunter gang von der Baude lockte sie plötzlich nicht mehr. Bor der einsamen Kammwanderung batte sie «in Gefühl der Angst. Nur die Aussicht sich an Ort und Stolle vorläu fig in ein stille» Eckchen zu vergraben, beschleunigte die langsamen Schritte. E» war oben wirklich fast menschen leer. Tie fand schnell ihren Wunsch nach Einsamkeit er füllt.-Schwer ließ sie den müden Kops aus den Tisch sinken und v«rharrte regungslos. Der Wind sprang gar lustig durch die offene Veranda und hob etwa» neben ihren Füßen empor. Mechanisch bückte sie sich danach. ES war eine kleine, sicher entworfene Zeichnung. Sin Schloß mit schlanken, von Rosen und Wein umwucherten Säu len grüßt« sie. Sogar ein« kleine heimliche Laube war gezeichnet. Darin stand ein Rundtischlein mit zwei Stüh len und darunter war zu lesen; Unser Sonnenschloß. Die Handschrift mutete aber im Gegensatz zu den festen Strichen der kleinen Skizze unsicher, wie die «ine» allen Manne» an. Lange starrte die kleine Lehrerin auf da» Blatt in ^hrer Hand. Dann flammte wiederum «tn« hell« Röte in ihrem Gesicht aus. Ihre Rechte zog einen gespitzten Stift au» der Tasche. Sie wollte frisch au» dem Gedächtnis sich ein letzte» Mal der Erinnerung htngeben. Dann sollt« «in neue», lediglich der Pflicht gegen ander« geweihte» Leben beginnen. Und st« begann zu zeichnen. Ihr starke» Talent,«»» st« ausgebildet ha ben würde, wären die der Elternlosen zur Verfügung stehenden Geldmittel nicht gar so gering gewesen, führt« den Stift nach ihrem willen und Herzen. Der, von dem - sie sich Mr all« Zeit geschieden hatte, erstand plötzlich mit i feinen, treffsicheren Strichen, unter ihren Händen. Er saß auf dem Stühlchen mn Rundtisch vor dem Sonnen-