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Llenstag, 26. September ISIt Uitir 4000 »ßlmst ädmnir». Nr. 224. Sechster Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge 0»l»nrwo,iIicher Redakttor: krtt, Nrnkotct. <ür die Inserat» verantwortlich: Maltei- klrao». Beide in Aue i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Quer Sonnlagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittag« von «—» Uhr. — Lelegrannn-Ndreffer Tageblatt Noeeqgeoicge Fernsprecher rs. Für unverlangt eingesandt» Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag lloer vknclt- n-vei-l-gr^eeellecitaki m. b. ff. in Aue t. Erzgeb. Bezugspreis: Durch unsere Boten frei ins hau, monatlich so0fg. Bei der Geschäftsstelle abgebolt monatlich qo pfg. 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An Stelle der in den Ruhestand tretenden preußischen Gesandten in Dresden Prinzen Hohenlohe ist der derzeitige preußische Gesandte in Bern v. Bülow «n Aussicht genommen. * Von der Besatzun > e L bertö werd 3 50 Mann vermißt,' Zaild r Lut u w:ed auf 300 geschätzt. iS Dir Vor e > » n n za «in tlieu««chenTripo» lisexved 0 u 0 llen er t >^i:. Infolge der strengen Zensur sind zuverlässige Nachrichten aus Rom noch nicht zu erlangen. In Amsterdam haben Strobendemonstrationen stattgefunden, gegen die die Polizei mitblankerWaffe vorgehen mußte. Veranlaßt waren die Demonstrationen durch dieWeigerungeinigerGeschäftSinhaber, ihre Läden um 9 Uhr zu schließe«. UM- Mutmaßliche Witiserung am Mittwoch: Südwestwind, heiter, warm, trocken. -Mc Armenpflege «nv Strafgesetzbuch. Der in den letzten Tagen in Dresden «-gehaltene deutsche Armenpflegetag hat sich auch mit dem Vorentwurf zum zukünftigen deutschen Strafgesetzbuch beschäftigt und sich in einer Resolution dahin ausgesprochen, daß er vom Standpunkt per Armenpflege aus die bisherigen Vorarbeiten al» geeignete Grund lagen für ein neues deutsches Strafgesetz ansieht. Man hat auf diesem Kongreß dankbar anerkannt, daß die Grundgedanken die ses Entwurfs der modernen Entwicklung entsprechen. Landge richtsdirektor a. D. Dr. Aschr 0 tt wie» auf die große Macht hin, die das künftige Strafrecht dem Strafrichter in di« Hände leg!, um die von dem Gesetzgeber erstrebten Tendenzen der mög ¬ lichsten Individualisierung der Verbrecher und ihrer Delikte zu erreichen. In den Debatten kam auch die legistatorische B e - kämpfung der Trunksucht zur Erörterung. Während man die im Dorentwurf auf diesem Gebiete festgesetzten sicheren Maßnahmen, insbesondere die vom Gericht anguordnende Unter bringung von trunksüchtigen Verbrechern in besondere Trinker- anstalien billigte, wollte der Referent Landgerichtsdirektor Dr. Aschrott das für die Zukunft geplant« Wirtshausverbot gestri chen wissen. Nach dem 8 -13 des Vorentwurfs ist nämlich be stimmt, daß, wenn eine strafbare Handlung auf Trunkenheit zu rückzuführen ist, das Gericht neben der Straf« dem Verurteilten den Besuch der Wirtshäuser auf die Dauer bis zu einem Jahr ver biet«» kann. Das Wirtshausverbot ist als Nebenstrafe in zahl reichen Schweizer Kantonen gebräuchlich und ist auch in den deut schen Entwurf übernommen «worden. Schon in der Begründung des Vorentwurfs wurde erwähnt, daß manche Sachverständige ge gen dieses Verbot protestieren, weil diese Maßregel, die in den meist kleinen Verhältnissen der Schweiz gute Wirkungen erzielen mag, in den zahlreichen größeren Städten Deutschland» und in den dichtbevölkerten Jndustrtebezirken mit ihren guten Verkehrsmit teln sich praktisch al« ^wertlos erweisen «werde. Es bleiben nun aber, wie in der Begründung mit vollem Recht betont worden ist, in Deutschland noch zahlreiche Gegenden mit einfacheren Lebens bedingungen, wo das Verbot leicht praktisch durchgeführt werden kann und segensreiche Wirkungen von ihm erhofft werden kön nen. Außerdem hat mau auch in Betracht gezogen, daß «das Wirt». Hausverbot auch da, wo seine Befolgung nicht leicht zu kontrol lieren ist, schon wegen seiner beschämenden Wirkung auf den noch ehrliebenden Verurteilten nicht stellen mit guter Wirkung erlas sen werden dürfte. Diese Erwägungen haben wohl auch den Armenpflegetag ver. anlatzt, entgegen dem Vorschlag des Referenten, das Wirtshaus verbot gutzuheißen. In der betreffend«» Resolution wurde allerdings hie Forderung aufgostellt, daß die Verhängung des Verbot» durch das Gericht in öffentlichen Blättern Lekan»tge- geben wird. In Eyvägung des Wirtshausverbots wäre es nach unserer Ansicht nötig, daß noch eine Strafbestimmung festgesetzt würde, nach der Gastwirte bestraft würden, di« kre- di t w e i s e Branntwein an Trunkenbolde oder sonstige Perso nen Lieben, von denen bei.Einräumung «ine» Kredits die Ge fahr «nies übermäßigen Brauntwetngenusses vorliegt klebri gen» hat das preußische Oberverwaltungsgericht in einer kürzlich ergangenen Entscheidung der Polizei die Befugnis zugesprochen, derartige Verbotvorschriften zu erlassen. Ein derartiger reichsge setzlich etngeführter Paragraph wäre sicherlich geeignet, sehr viel Unheil abzuwenden, denn gerad« der kredit-weise Verkauf von Branntwein an Trunkenbolde ist mit den gvößten Gefahren ver bunden. Viel« strafbare Trunksuchtsexzess« haben, wie jeder Kri minalist bestätigen wird, in dieser in manchen Gegenden sehr ver breiteten Unsitte ihren Grund. Da.75 Prozent aller stafbaren Handlungen mit der Trunksucht in kausaler Verbindung stehen, würde der Gesetzgeber seine Pflicht pernachlässigen, wenn er nicht an alle im Reiche der praktischen Durchführbarkeit liegenden Maß. regeln dächte. Marokko —Tripolis. Durch die in Berlin eingetroffene Antwortnote scheint der Marokko betreffende T«il der deutsch-französischen Verhand- lungen im wesentlichen beendet zusein. In den beiden bisher noch strittigen Punkten — Konsulargerichtsbarkeit und Schutz angehörige — ist anscheinend eine mittlere Lösung, mit Hilfe zeitlicher Begrenzung dieser Deutschland zugestandenen Rechte, akzeptiert. — In Konstantinopel, Rom und Pari» verbreitete Meldungen besagen, daßJtalieninTripolisTruppen ausschifft. Zn türkischen Ikgierungskrcktsen, -wo man an die Richtigkeit der Nachricht noch nicht glauben will, macht man sich zu kriegerischer Abwehr bereit. Es unterliegt kaum noch einem Zweifel, daß di« Verhandlun gen über Frankreichs Rechte und Pflichten in Marokko so gut wie abgeschl 0 ssen sind, und der französische Kurier, der mit den Beschlüssen des Ministerrats in Berlin eingetroffen ist, dürste, poetisch ausgedrückt, eine Friedenstaube sein. Heber di« beiden sehr wichtigen Fragen der Konsulargerichtsbarkeit und der Schutz- angehörigen — die der fremde Kaufmann als Vermittler und Agenten braucht — scheint die Einigung gleichfalls auf der mitt- leren Linie erzielt, wozu nur zu bemerken wär«, daß die Mittei lung der französischen Presse, Frankreich genehmige die Kosular- gericht« in der UebergangsM, etwas sehr dehnbar und unbe stimmt erscheint. Nun kann die Beratung über die Kongokompen- sationen beginnen, di«, wie die Norddeutsche Allgemein« verheißt, nach genauen Vorarbeiten nicht mehr langwierig werden soll. Mit ehrlicher Befriedigung wird man in Deutschland eine Rede begrüßen, die der Ministerpräsident Cailleaux gestern gehal ten hat und in der er die Hoffnung auf eine Verständigung aus gesprochen, die dauernd ist und kein bittere» Gefühl hinterläßt. Herr Eailleaux betont sehr richtig, es handle sich um ein Geschäft. Mit diesem nüchternen Wort weist er die nationalistischen Lame», tationen zurück. Aber in dem Augenblick, wo die Marokkoaffäre sich zum Ende neigt, hebte die Tripolisaffäre an. Italien, da» Tripolis anscheinend durch einen Pachtvertrag zu erwerben Wandvekleidimgeu. Eine Studie von M. Doering. Nachdruck «rd-tr». Dao Bestreben, dem Heim eine behagliche, harmonische und künstlerische Note zu geben, ist in den letzten Jahren in das Sta dium der Verwirklichung eingetreten. Kunst und Kunstgewerbe haben erzieherisch auf das Publikum eingewirkt. Namentlich in den besser situierten Kreisen verschwindet mehr und mehr die Vorliebe für den protzigen Kitsch.zugunsten einer vornehmen Einfachheit. Auch einer der wichtigsten Aktoren der Innendekoration, die Tap«te, die tm ganzen IS. Jahrhundert arg vernachlässigt war, hat an dieser Geschmacksoerbesserung Anteil gehabt. Wie im frühen Altertum und in der Blütezeit der Renaissance, so lenkt man auch heutzutage wieder ein Hauptaugenmerk aus dis Wandbekleidung. Ihren Ursprung findet dis Tapete km Orient, wo sie zuerst in gleicher Herstellungsart wie die Teppich, in di» Erscheinung tritt. Kunstvolle Gewebe, mit flächigem, ornamen- talem Dekor von den Babyloniern gefertigt, dienten im Alter tum den Griechen und Römern al» WanVbehäng». Und die transportablen Wandbekletdungen gelangten au* den Moscheen de» Orient» zuerst in die christlichen Kirchen des Abendlandes und dann in di« Paläst« der fränkischen König«. Au» dem ritu ellen Dekorationrgewirk ging der mit reicher Handstickerei ge ziert» Prunkvorhana hervor. Fürstliche Damen wetteiferten in der Herstellung-kunst kostbarer Mandvsktttdungmr. Noch hmte birgt dsr Ktrchenschatz der Kathedrale von «aysux einen Pracht- vollen LetnenLehang, den di, Königin Mathild, Knst fist da» Gemach Wilhelm» de» Gröberer» gfferttgt. von dsn gttvtrkten und gestickten Wandbekleidungen ging man im Mittelalte zu den gemalten Behängen üb«. Mit geometrischen Tsgttlmustern, wie st, di, Glasmalereien dsr Frühgotik aufwstsen, wurden — stst» unter Berücksichtigung dsr Flächenwirkung — di» Htosf- oshänge verziert. Wertvoll» Produkt» dieser Art liefert» di» ita. lienisch, Renaissance, der auch di« «d»Ist» Bild «Wirkerei, di» Gobelintechnik, ihr Entstehen verdankt, die später in Brüssel, Antwerpen, Brügge, Löwen und besonder» in der Pariser Manu- faktur zur höchsten Entfaltung gelangt«. Während di« italieni schen Granden für den Schmuck ihrer Paläste die gemalte und fein gewirkte Stofstapete, die noch immer als beweglicher Behang die Wände zierte, bevorzugten, blieb man in nördlicheren Länoern bei den schweren, teppicharttgen WaNdbehäagen. Für die kühl feuchten Gemächer der hoch und frei stehenden deutschen Burgen eigneten sich schon aus rein praktischen Gründen die schweren StoffLehänge besser. In Rahmen gespannt, standen sie vor den kahlen Steinwänden und boten einen wirksamen Schutz gegen Feuchtigkeit und Kälte. So fand ein anderes Produkt der ita lienischen Renaissance willkommenen Eingang in die deutschen Ritterburgen: die mit schwerer Aufnäharbeit dekorierte Applt- kationstapete. In der FarLeirfteudigkett ihrer Muster und der Reichhaltigkeit de» vevwendeten Material» übertrifft sie jeden anderen Wanddekor; und gerade diesem Umstande verdankt st« ihresfreudige Aufnahme Lei den auch in der Kunstrichtung etwas grobkörnigem Geschmack huldigenden deutschen Rittern. Im Ber liner königlichen Schloß wird noch ein« au» der Renaissancezett stammende Reltefstickereitopets als Kuriosum aufbewahrt. In der groben, mittelalterlichen Kunstepoch« kam in Flan- d«rn «in« ebenso kostbar«, rvt« dauerhafte Wandbekletdung auf, di« da» bewährte Wort von der Vergänglichkeit alle» Schönen Lügen strafte: di, Ledertapete! So mühevoll und zeitraubend di» Herstellung, besonder» der versilberten und vergoldeten Leder tapet« «ar, so fand si« doch alsbald in Holland. England und in Italien schnell« Verbreitung, vor allen übertrafen dick in der Kunststadt Venedig geserttgten Gold- und Silbertapeten auf Ledergrund an Schönheit und Haltbarkeit jeglichen Wanddekor. Lu dsn ästhetischen Vorzügen trat — zum Entzücken der deutschen Hausfrau — noch da» praktisch» Momsnt! Kein anderer Wand, dekor ist so bequem zu reinigen «t» di« Ledertapet«, die somit den wirksamsten Schutz gegen allerlei s«b»b»intg, Mitbewohner bietet, von denen auch di« Paläst« der'italienischen Nckbtli kein«»« weg» verfchont LlMen. Lang» Zeit h»rrscht» di» ideal» Leder- iavet, in d»n Wohnungen d«r vornehmen und Vsgüt«rt«n aller europäischen Kulturländer. Und nur die Wandelbarkeit der menschlichen Geschmacksrichtung vermochte diese «dl« Wandbeklei dung gegen die gewebten und die Papiertapeten «inzutauschen. In neuerer Zeit ist aus England vom Erfinder des Linoleum», Frederick Walton, ein billigeres Ersatzprodükt für Ledertapete eingeführt worden: Lincrusta, «in Art KovkwandbÄleidung. Deutsche Lincrustafabriken bestehen u. a. in Köln und Hannover. Auch dies Fabrikat ist noch, obwohl erfolglos, imitiert worden. Die Japaner haben indessen ein recht hübsches ErsatzfaLrikat für Ledertapeten in den Handel gebracht, das aus der präparierten Rinde des Kozubaumes hergestellt und mit gepreßten und bemalten Mustern versehen ist. Di« Einführung der Papiertapete in Europa «ollen di« Franzosen bewirkt haben. Und es heißt in einer alten Chronik, daß Ludwig XI. im Jahre 1481 dem xeiutrs et eolumlne-nr Jehan Bourdtchon eine bedeutende Summe für fünfzig Rollen Papiertapete bezahlen ließ. In Italien war dem Quattrocento jedenfalls die Papiertapete bereits bekannt, denn Ende de» 15. Jahrhundert» nennt sich ein Venezianer, Thomas Maphet: Dor hangmaler. Verhältnismäßig spät erst wurden die gemalten Tapeten von den bedruckten abgelöst. In Deutschland gründete der 167Ü verstorbene Johann Hauntzsch in RArüberg dl« erst« deutsche Tapetenfabrik. Aber nur ganz allmählich verbreiteten sich die Papiertapeten, die noch größtentetl» au» China — wo sie schon früh bekannt waren — sowie au» Indien und England etngeführt wurden, in d«n Herrschaftsräumen auf dem europäi schen Festland«. Ursprünglich tapeziert, man nur die Räumlich- leiten der Dienerschaft mit dem Papte,Produkt. Di, ältesten, noch mit Handmaleret versehenen Hapisrtapeten-gtmmer «eisen di» Schlösser von Schönbrunn und Austerlitz aus, si« sind gegen 1765 tapeziert. Gin, der bedeutendsten Tapetenfabriken ward von dem Holländer Eckard 1708 tm Haag begründet. Und «in Deutscher rief ein, solch, 1788 in» Leben, doch »ich- in seiner Heimat, sondern in Jouy bet versaill«» siedelte sich dies« Herr W. LH. Oberkampf mit seinem Institut an. Während de» Auf- blühen, der europäischen Tapetentnduftri» «ar da» Bestreben der Fabrikanten darauf gerichtet, der Tapettznmusterung th^r Sttm-