Volltext Seite (XML)
WM Anzeiger für das ErMebirge mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. Sprechgm»»« «e-akttsa «tt Musnah«« »er Sormtag, »achmiNag» 4—S Uhr. — Trl«grai«m.ftür»ffr r Tageblatt Mreerzgebtrg«. Ivmfpreche» 5S. Äm«?'o«n«üoi>^a für uaverlangt »togesaaSt» Manafkript» kann Sewühr nicht grleistet «erben. Nr. 206. Di ie Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Di- standesamtliche und kirchliche Trauung des Ex königs Manuel von Portugal mit der Prinzessin Auguste Btktortavon Hohen- hvllern-Sigmaringen hat gestern statt» gefunden.*) * In einem Anfalle von Wahnsinn erschoß in Mühl hausen a. d. EmS ein Hauslehrer acht Per sonen und verwundete zehn.*) * Wie nunmehr festgestellt worden ist, beträgt die Zahl der bet dem Eisenbahnunglück bei Newha- ven tötlich Verletzten 23 und der schwer Verletzten 32.*) * Die auf der Stettiner Bulkanwcrft erbaute russische Torpedojäger Novik ist das schnellste Schiff der Welt. * 120 000 Gewehr«, di« auf einem französischen Segelboot den Aufständischen in Tripoli» zugeführt werden sollten, wurden von italieni schen Behörden mit Beschlag belegt. Bei der nunmehr endgültig erfolgten Eroberung von Nanking h<Len die RegierungStrup. Pen schwere Au» schreitungen begangen und die Stadt au-geplündert. -t Mi-««» st«d« an anderer Stell,. IW* Mutmaßliche Witterung am S. September: Nord, ostwind, heilere, getztng« Temperaturänderung, üorwbegend trocken. "dH Rrbeiterfürsorge in Ramerun. Wer auch nur oberflächlich in der Kolonialgeschichte der europäischen Völker Bescheid weiß, der kennt die großen Schwierigkeiten, die sich von jeher aus der Be- ' schaffung eines ausreichenden Arbeitermaterials für die von den europäischen Herren angelegten Kulturen er gaben. Entweder wurden die Eingeborenen in der rück sichtslosesten Weise auSgebeutet und körperlich und sitt lich durch die Arbeit zu Grunde gerichtet oder man hals sich mit der Einführung von Sklaven und Kulis. Erst in der neuesten Zett fing man an, auch di« Eingeborenen wenigstens gegen «in Uebermaß der Ausbeutung zu schützen. Moderne Humanitätsanschauungen Waren in erster Linie für diesen Umschwung maßgebend s und zwar nach zwei Rich Hungen hin. Man fing an auch den farbigen Menschen Recht« zuzuerkennen und da kam nicht nur den Eingeborenen in den Kolonien selbst zugute, «» erschwert« auch die Anwerbung fremder Skla ven und Kuli». Unterstützt wurden dies« sittlichen Er wägungen durch die wachsende Einsicht der Gefahren, die eine Ausnutzung der Eingeborenen mit sich brachte. Wie mancher Kolonialkrieg wurde nicht durch die Mißhandlung eingeborener Arbeiter verschuldet; schwerer noch aber wog die teilweise grauenhafte sitt liche und körperliche Verseuchung der Arbeiter auf den Pflanzungen der Europäer, die schließlich -u dem Unter gänge der eingeborenen Bevölkerung fühlen mußt« und latsstchlich auch geführt hat. Wenn daher jetzä Dr. Golf auf seiner Reis« in Kamerun mit den Pflanzern über ein« Regelung der Arbeiterfrage verhandelt hat, so wird man da nur mit Freuden begrüßen können. In den deutschen Kolonien, die ja erst verhältnismäßig jung sind, wurde nie der wild« Raubbau mit der Kraft der Eingeborenen getrieben, Wie e» in den Anfängen der Kolonialpolitik un:er den alten Kolonialmächten gang und gäbe waren. Ja, in Pflanzerkceisen wurden häufig Klagen laut, daß die deutschen Beamten an Humanität gegen die ja meist re^ t arbeitsscheuen Neger zu viel hätten. Allmählich ha sich jedoch auch in Pflanzerkceisen ein Umschwung hr der Behandlung der Arbeiterfrage vollzogen. Sie haben etngesehen, daß «in« gesunde, leben-kräftige Gtn- geborenenbevülkerung auch für sie selber unentbehrlich ist. Und danach ist auch di« Verständigung zu beurteilen, die jetzt zwischen dem Kolontalstaat-sekretär und den Kameruner Pflanzern getrosten wurde. In Kamerun blühte bisher die wilde Anwerbung von Arbeitskräften besonder- üppig, die Agenten, di« au» dieser Anwerbung ein Geschäft machten, fragten meist Wenig danach, ob sie gesund« und kräftige Arbeiter lieferten und wt« diese Arbeiter 'den ost recht beschwerlichen Marsch von ihrer Freitag» S. Seprember 1913. Heimstätte zu der Pflanzung überstanden. Es ist daher begreiflich, daß die Pflanzer auch allmählich ein Haar in diesen wilden Anwerbungen finden und diese An werbung jetzt dem Gouvernement überlassen wollen. Sie sind auch damit einverstanden, daß gewisse Schutzbestim mungen für die Arbeiter erlassen Werden. Die Schwierig keit liegt nur darin, daß es der Regierung sehr viel Mühe kosten wird, die nötigen Arbeitskräfte zu beschaf fen. Schon heute ist ja di« Regierung berechtigt, Ein geborene, di« ihrer Gteuerpflicht nicht nachkommen, auch bei Privatunternehmern Uhr« Steuerschuld abverdienen zu lassen. Aber die Zahl dieser Zwangsarbeit«! ist naturgemäß nicht altzu groß, zumal da die Steuerscheu der Eingeborenen im Ab nehmen begriffen ist. Will aber die Regierung nun jetzt auch die Anwerbung vollkommen freier Arbeiter in die Hand nehmen, so kann sie natür lich nicht, Wie die Privatagenten, ohne Rücksicht auf Leben und Gesundheit die Arbeiter anwerben und kann auch nicht mit all den Mitteln und dem — Schnapsarbeiten die jetzt gewissenlose Agenten mit so viel Erfolg an wenden. Deshalb konnte auch Dr. Solf den Pflanzern nicht die Versicherung geben, daß da» Gouvernement auch wirklich imstande sein werde, die erforderlichen Arbeitskräfte zu liefern. E- wird also vermutlich noch mancherlei Schwierigkeiten geben, di» die wilde Anwer bung endgültig verschwindet. Immerhin zeigt da» Ver halten der Pflanzer, daß sie willen» sind, da» Menschen- kapital der Kolonie zu schonen, und da» läßt die Hoff nung zu, daß sich «in weg findet, um alle Schwierig, leiten in der Beschaffung von Arbeitern zu beheben. Die Arbeit äes Reichstages. (Von unserem Berliner Mitarbeiter.) In den Retchsämtern hat man augenblicklich reiche Ar beit, denn es gilt,, Vie in den kommenden ReichshaUshalts- etat «inzustellenden Posten Vorzuarbeiten. Daneben gilt es eine Reihe von Entwürfen auszuarbeiten, Vie in der win terlichen Tagung der Volksvertretung vorgelegt werden sol len.' Das Material, da» des Reichstages harrt, ist, so weit es «sich jetzt schon .Übersehen laßt, ziemlich umfangreich, wenn es auch an Vorlagen von so großer Bedeutung wie im vorigen Winter fehlen wird. Was Vie Außen- und Wirtschaftspoli tik anlangt, so fällt hierhin die Verlängerung des P r ov i - foriumsmitEngland.da man die definitive Rege lung unserer Handelsbeziehungen zum britischen Reiche vor der Feststellung unsere» neuen Zolltarife» nicht vorweg neh men möchte, wie man vor zehn Zähren in gleicher Weise ver, fuhr. Di« sonstigen anstehenden Entwürfe betreffen aus- nahmslos innere Angelegenheiten, wie beispielsweise die Neuregelung der Sonntagsruhe im Handelsge. werbe, Vie bekanntlich «ine weitere Ausdehnung erfah ren soll. Auch die Gewerbeordnung soll abermals mit einer großen Novell« bedacht werden und zwar mit «i- ner solchen, die da» Gast. UndSchankwirtschafts- gewerbe und di« mit diesem in Zusammenhang stehen den Betriebe -betrifft. Auch soll eine Novell« zum Gesetz über den Absatz von Ka lifialzen kommen, ob dies freilich be reit» in dieser Tagung möglich sein wird, steht noch dahin, denn nach neueren Meldungen .find im . Bundesrat weit gehend« Meinungsverschiedenheiten vorhanden, über die so leicht eine Einigung nicht zu erzielen sein wird. Verschiedene -andere zu erwartende Entwürfe tragen einen mehr juristi schen Thar-akter, so die Haftpflicht der Eisenbahnen, ein« Ab änderung des deutschen Wechselrechts, das Zwangsversteige rungsgesetz, Wiederaufnahme «ine» Disziplinarverfahren», sowie ein Luftrechtgesetz. Mehr sozial-politischen Eharakter trägt das Reichstheatergesetz, sowie ein Entwurf zur Regelung der Unfallfürsorge im öffentlichen Dienst: auch die Regelung der Arbeitsvethältnisse der Rechts- anwaltsangsstellten gehört hierhin. Weiter spricht man auch davon, daß eine Regelung der Bezüge der Altpensio. märe in Aussicht genommen ist, und de» weiteren soll ein« Reform de» Totaltsatorgesetze» beabsichtigt sein, die angeb lich die Konzessionierung von Buchmachern vorsieht. Msn wird zugeben müssen, daß also reichlich De-atungsst-fl vor lieft, noch dazu, wenn man bedenkt, daß ein« Reihe von Vor .lagen, di« b"reit» den Reichstag beschäftigt haben, n^ch wei .1«- zu beraten sind, io beispiel weise das Sp'onagegesetz Postscheckgesetz, die Konkurrewk'ausel und dao Erbrecht do S^oa'e». Ob das Leuchtmittelmonopotgesetz beste' Beratun- nicht von der Stelle gerückt ist, überhaupt zu Ende Leraten werden wird, steht dahin, es wäre nicht ausgeschlossen, daß der Entwurf von der Regierung angesichts der Aussichtslosig. kett, ihn durchzubringen, zurückgezogen wird. Schulresultate unä Schulentbüräung. von einem Schulmann wird UN» geschrieben: Da» Pro. k!«m unserer höheren S ch u lb i ldu ng witd brennend. s. Jahrgang. Es ist kein Zufall, daß die Erörterungen darüber in ver Presse immer breiteren Raum «innehmon. Es ist vielmehr einfach eine Notwendigkeit, daß es geschieht. Das Problem muß in seiner ganzen Tragweite erkannt und zur gründ lichen Lösung gebracht werden, ehe die Nation unter ihm Schaden leidet. Es ist eine Sache, die auch nicht nur tn den Sch eibstuben der Behörden sich erledigen läßt. Hier Muß das ganz« Voll nach dem Rechten sehen, denn um seine In teressen handelt es sich Es handelt sich darum, vatz viejeni- gen richtig vorgebikdet 'werden, die später in führende Stel lungen einrüken sollen. Daß unsre höheren Schulen Vieser Ausgabe nicht mehr genügen, ist nachgerade öffentliches Ge heimnis. Unsere Universitätsprofessoren haben sich schon wiederholt über die ungenügende Vorbereitung der heutigen Studentenschaft beklagt. Im Verein für Hochschulpädagogik wies Professor Bernheim vor allem auf die mangelnde Aus druck fähigkeit hin. Die Marineoerwastung fordert neuer dings von den Abiturienten aller höheren Schulen «ine Prü- fung im Englischen, ehe sie den Eintritt in Vie Marin« ge stattet. Sie hat mit den bloßen Zeugntsnoton schlechte Gr- fahrungen gemacht. Ebenso hat sich da» Kriegsministerium schon über die mangelhaften Leistungen derjenigen beklagt, - die sich zur Fähnrichsprüfung melden. In der deutschen Auristenzeitung wird aus Vie zunehmende Zahl der Miß erfolge bei den juristischen Prüfungen hingewtesen. Man sieht, von den verschiedensten Instanzen laufen die Urteile auf dasselbe Ziel hinaus. Mus der anderen Seite hört mm immer noch die steten Klagen über di« Schulüberbürdung unserer heutigen Jugend und dann wieder über Vie Ueber- füllung aller Berufe, die «ine höhere Bildung vorvussetzen. Da» reimt sich nur zusammen, wem man annimmt, daß unter der großen Zahl derjenigen, die Nach akademischer Bildung drängen, sich auch entsprechend viel Elemente finden, die keine besonderen Fähigkeiten dafür mitbringen. Sie wer den nur gelockt durch die äußeren Vorteile der späteren Le bensstellung, in der sie dann aber weder sich selbst glücklich fühlen, noch ihrem Volle alles Vas leisten können, was hie. ses zu verlangen «in Recht hat. Wem soll nun die Regierung ihr Ohr leihen? Den Ma gen über zurückgehende Leistungen, oder den Rufen nach weiterer Entlastung? Wem Lehrer und Schuldirektoren ihr« Anforderungen in die Höhe setzen, so werden sich gleich Tausend« von Ellern und Schülern erbittert über die Er schwerung ihrer Lebensziele entrüsten. Im Großen und Gan zen geht auch di« Behörde tatsächlich den anderen Weg der Entlastung. Mm braucht nur an die jüngsten Extemporal, erlöste und ähnliches zu erinnern. Mm empfindet auch of fenbar Vie bedauerliche Zahl der Schülerselbstmorde als schwere Verantwortung, di« mm nach Möglichkeit von sich abwälzon möchte. Wo soll nun der Mut Herkommen, es des- ser zu machen? Man möchte den Eltern ins Gewissen «- den, daß sie vor allen ihren Kindern nicht» zumuten, was diese ihren Anlagen nach beim besten Willen nicht gut leisteit können. Aber dieser Apell ist schon so ost erklungen, ohne viel gewirkt zu haben. Die materiellen Aussichten behalten das große Wort. Der Hinweis auf das Staatsindereste hat noch weniger Aussicht, gehört zu werden. Und doch Muß etwa» geschehen. E» muß irgendwie die Energie aufgebracht wer- den, die den Schubkarren wieder aufs rechte Geleise schiebt. Dem Staate 'müssen die gesunden und geistig leistungvfW. gen Kräfte geliefert werden, die er zu seiner lebendigen Er. Haltung und Entwickelung braucht. Das ist mit dem ein. fachen weiteren Nachlasten von Schulanforderungen nicht getan. Man versucht auch wohl, den einzelnen Lehrer ver- antwortlich zu machen, und zwar von beiden Parteien aus. Da gibt es geschriebene und ungeschriebene Verfügungen, wonach er uur einen bestimmten beschränkten Prozentsatz seiner Maste sitzen lasten darf, wem er sich «keinen Wettern», gen, Spezialberichten, Untersuchungen usw. auchetzen will. Demgegenüber steht der andere Vorschlag, den Lehrer we. gen Pflichtverletzung zu bestrafen, wem sich die von ihm ausgestellten Zeugnisse im späteren Leben nicht bewähren. Täte man letztere» wirklich, ließe künftig mehr durchfallen, und verlangte von allen Fächern Mehr, würde dann der Staat erreichen, was er muh? Hier liegt der Kern der Sache. Denn man muß auch diese Frage wieder ivernetnen. Der Fehl«' liegt vor ollem darin, daß unser« höheren Schulen zu vielerlei gleichzeitig und deshalb das Einzeln« nicht gründlich nenug be'reiben. Wenn frühe* die Gymnasien zum Beispiel mehr 'eiste en>, so lag das an ihrem einfacheren Lehrplan. Bor hundert Jahren entschied die Prüfung allein in Gltechisch und Latein. Kein Wun der, daß da in diesen beide« Fächern mehr geleistet wurde al« heute. Wir müssen aus diesen Weg zurück, wenn auch nicht durch mechanische Nachahmung. Unsere möderne Zeit »ft zu reich geworden, al» daß wir wieder mit Griechisch und Lateinisch allein für alle Aemter di« geistige Qualifikation feststellen könnten. Aber wenn wir nun fine mannigfalti gere Bildung nötig haben, so müssen wir nicht den Lehr, plan einer Schulart mannigfaltiger machen, sondern wir müssen mannigfaltigere Schularten nmcrwtnander auf.