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Nr. 85. Dritter Jahrgang GwWMM U. WM MM. l^uer ^ageblaü und Anzeiger kür das Crzgsbirge nnt der wöchentlichen Uiüechaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. ^»r ».^7-^ (Segen Iustizral Bernstein in München ist Anklage wegen Beleidigung des Fürsten Eulenburg erhoben worden. Ein gesamtliberaler Kongrest tagt vom 20. bis 28. Juni in München. Das deutsche K a i s c r p a ar ist g est e r» auf Ko rfu ein getroffen. Kur» vor den» Erscheinen dieser Nummer de» Auer Tageblattes erfolgt« unerwartet noch rin derartiger Andrang von Inseraten, daß wir un» entschließen muhten, eln« kleine verspiitung in der Ausgabe eintreten zu lassen, um unseren werten Inserenten gerecht werden zu können. Wir bitten fit» diese Verzögerung in d«, heutigen Zustellung de» Auer Tage» blatt«» um gestilltge Nachsicht und danke» gleichzeitig stir dessen Bevorzugung als heimatliches Insertionsorgan. -MC In S ü d d eu t s ch la n d sollen heule 6 0 0 0 0 Arbeiter des Malergcwerbcs ausgesperrt werden. Die V c r st ä n d i g n n g zwischen Naliona llibcralen und Konservativen in der sächsischen Wahlrechts frage ist tatsächlich erzielt worden, wenn auch ein a b - geschlossenes Koinvromist noch nicht vvrliegt. Druck und Verlag Scdrüder Venthner <Jnh.: Paul BeuNiner) in Au«. VerantworNicher Redakteur Fritz Ren hold. .für die Inserate verantwortlich: IV alter Reau 5 beide in Aue. Viese rrunrinev rtnifatzt 1t» -eit«« Anßerdem liegt da» achtseittgr Illustriert« Sonntageblatt bei. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittag» von H—L Uhr. — lelegrainm-Adrejse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher lis. Für unverlangt eingesandte Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden. die Verleumdung feister eigenen Patteig«nossen abwehren müssen. So ti«f wär damals die liberale Pattel zerklüftet, daß, während dte Gefolgschaft des Lord Rosebery ist einem Gasthof sich um die festliche Tafel versammelte, Sir Henry TamglbeN-Bannerman in einem anderen Gasthof eiste Rede an sein« Getreuen hielt. Und unter diesen letzteren fehlte Henry Asquith, der jetzige Schatzlanzler und Premier, der mit Haldane und Sir Edmund Grey Lord Roseberys Wort« lauschte. Auch im Unterhause hat Sir H. Campbell-Ban ner- man vor Zeiten nicht immer die Anerkennung gefunden, die seiner Stellung als Parteiführer gebührt«. Herr Balfour, der damals an der Spitze der konservativen Regierung stand, liest sich dem liberalen Partetleiter gegenüber freilich keine Unhöflich keit zu schulden kommen. Mer die jüngeren Tories übten nicht dieselbe Rücksicht und bewiesen oft durch grobe Unterbrechungen, daß sie den liberalen Staatsmann, der sich vorwiegend auf den radikalen Flügel seiner Partei stützte, nicht als ebenbürtig an sahen. Und doch war dieser von den Tortes mit Verachtung, von mehreren seiner eigenen Parteigenossen mit Geringschätzung behandelte Staatsmann der einzig mögliche Premierminister, den König Eduard mit der Bildung eines liberalen Kabinetts be trauen konnte, als Herr Balfour am 5. Dezember IMS vom Amt zurllcktrat. In den letzten zwei Jahren hat Sir Henry durch seine Pflichttreue, durch seine persönliche Liebenswürdig keit und sein persönliches Auftreten alle Herze» gewonnen. Er ist tatsächlich das Opfer seiner P slichttreue geworden. Seine ernste Erkrankung reicht in den November des vorigen Jahres zurück, als das deutsche Kaiserpaar im Schlost Windsor zu East war und der 7ljährige Premier auster seinen erdrücken den Amtsgeschäften noch allerlei Höflichkeitspflichten bei Hofe erfüllen und politische Reden halten mutzte, welche die Körper kräfte des alternden Mannes überstiegen. Nach einer Rede, die er am 13. November in Bristol hielt, brach Sir Henry im Hause seines Freunde« H. Davies nach sechzehnstündiger Geistes arbeit zusammen und war dem Tode nahe. Von jenem Anfall hat er sich in Biarritz nur vorübergehend erholt. Sein Nachfolger, H. H. A s q u i t h, ein Rechtsgelehrter aus Porkshire, — Str Henry ist Schotte — ist, wie man der Voss. Ztg. aus London schreibt, ein kluger, ehrlicher, arbeitssreudiger Mann, dem es schwer fallen wird, die aus vier Gruppen be stehende liberale Partei mit derselben Leichtigkeit zusammen- zuhalten, wie sein radikaler Vorgänger es getan hat. Die irischen Nationalisten sind ihm nicht gewogen, weil er nach dem Macht wort des Lord Rosebery von irischer Homerule nichts wissen will. Zum großen Verdruß der Iren hat er dieser Abneigung gegen dte irische Selbstverwaltung noch im Laufe der letzten Woche im Unterhaus« Ausdruck verliehen. Auch die Mitglieder der Arbeiterpartei, die nach ihrer Bereinigung mit den Eewerk- vereinlern 53 Mann stark ist, hat nicht vergessen, datz er als Iustizminister in Gladstones letzter Verwaltung das Nieder schießen von ausständigen Arbeitern rechtfertigte. Der radikale Flügel der liberalen Partei wird sich freilich mit dem Gedanken vertraut machen müssen, daß in Zukunft die Parteileitung, und somit die Leitung der Geschäfte in den Händen des Herrn As quith bleiben wird, dessen hauptsächliches Verdienst darin besteht, daß er als überzeugter Freihändler zur Niederlage der Schutz zöllner unter Chamberlains Leitung am meisten beigetragen hat. So lange Herr Asquith am Ruder ist, brauchen die englische» Die englische KabinettskkM Der amtlich bestätigt« Rücktritt des Sir Henry Campbell- Ba n n e r in a n von der Leitung der Geschäfte ist weit mehr als eine Kabinettskrists, die sich dadurch lösen läßt, daß der bis herige Schatzkanzler Asquith ans Steuerruder tritt. Wenig stens wird dieser Politiker, der zur Whiggruppe gehört, mehr Takt, Geschmeidigkeit und Nachgiebigkeit an den Tag legen müssen, als man ihm zutraut, wenn die Kabinettskrisis nicht in eine politische Krisis ausarten soll, in der das liberale Kabinett in Stücke geht. Herr Asquith hat, wie Sir Henry Campbell-Bannerman, dem vierten Kabinett Gladstone von 1892 bis 1895 angehört, aber er hat nicht dieselbe Anwartschaft auf die Parteileitung besessen wie der zurücktretende Kabinettschef. Sir Henry hat die leitende Stellung in der liberalen Partei schwer erkämpft. Be sonders in den Tagen des Vurenkricges, den er offen verurteilte, hat er nicht nur die Angriffe der politischen Gegner, sondern auch Das Wichtigste vom Lage. Fürst Bülow hat sich gestrrn Abend nach R o m begeben. Sächsischer Landtag. Zweit« Kammer. 97. öffentliche Sitzung. I>. Dresden, 10. April. Präsident Seh. Rat Dr. M«hn«rt eröffnet die Sitzung um 9 llchr 35 Min. Bei Punkt 1 der Tagesordnung ist Berichterstatter der Finanzdeputation 8 Abg. Wittig-Rabenau (Kons.), der b«. antragt: 1. die unter Tit. 20 des außerordentlichen Etats aus 1908/09 für Erweiterung des Bahnhofes Oschatz (dritte und letzte Rate) eingestellten 324 500 nach der Vor lage zu bewilligen; 2. die hierzu eingegangenen Petitionen des Stadtrats zu Oschatz, des Stadtgutsbesitzers Klefetter und Gen. in Oschatz und des Ritterguts- und Steinbruchsbesitzers Schubert und Betriebsunternehmers Kottwitz in Altoschatz, insoweit sie auf Herstellung eines Vollspurgletses von Bahnhof Oschatz nach dem Bahnhof Oschatz-Süd oder Altoschatz-Rosental gerichtet find, auf sich beruhen zu lassen, im übrigen der Regierung zur Kennt- nisnahme zu überweisen. Abg. Dr. Seetzen-Wurzen (Kons.) bittet die Regierung, in Verhandlungen einzutreten, damit die Wünsche der Petenten im nächsten Etat erfüllt werden können. Di« Dapptationsantrd'g« werden hierauf angenommen. Bei Punkt 2 beantragt der Berichterstatter derselben Depu tation, Abg. Richter-Großschönau (Natl): die Petitionen der Eewerbevereine zu Zittau usw. betr. den zweigleisigen Ausbau der Bahnlinie Z i t t a u - B i scho f s w e rda, zurzeit auf sich beruhen zu lasten. Nach kurzen Ausführungen der Abgg. Pflug-Zittau (Natl.) und Neutsch-Kamenz (Kons.) wird der Deputattonsantrag ai^genommett Bei Punkt 3 ist Referent der gleichen Deputation: Abg. Bleytt-Falkenstein (Natl.). Gr beantragt, die Petition der Stadtgemetnde Wurzen wegen Beseitigung zweier Wegüber gänge am Bahnhof Würze» der Regierung zur Kenntnisnahme zu überweisen. Abg. Dr. Seetzen-Wurzen (Kons.) tritt für die Petition ein, worauf der Deputattonsantrag einstimmig ange nommen wird. Zum letzten Punkt der Tagesordnung, Berich der Finanz deputation .V über Kap. 104 des ordentlichen Etats: Finanzielles Verhältnis Sachsen» zum Reich«, erstattet den Bericht Abg. Anders-Dresden (Natl.). Er bean tragt, bei diesem Kapitel nach der Vorlage die Einnahmen mit 15 046 430 zu genehmigen, dte Ausgaben mit 17 902676 .ck zu bewilligen. Ohne Debatte wird dies einstimmig beschlossen. NächsteSitzung: Donnerstag, 23. April, 11 Uhr. Tages- vrzngipreir: Durch uns««« Boten frei in, Hau» monatlich ro psg. Bri der <H«lchäfitstell« adaehoit monafsich eo pfg. und wdchentlich io Pfg. — V«i der Post bestellt und selbst abgeboll vlerlelMrlich pro Mk. — Durch »en Briefträger fr«t in» Bau» vlertellährlich >.gr Mk. — Einzelne Nummer zö psg. — Deutscher postzeitiingr- katalog. — Erscheint täglich ln den Mittag»stunden, mit Aurnahm« oori Sonn- und Feiertagen. W VKLM W-M - Mk Vv VHss MMlltriri Freihändler keinerlei Besorgnis zu haben. Auch al» Ec^tz- kanzler hat er sich ausgezeichnet bewährt; er hat di« Ginkom- mensteutr ermäßigt und wird in etwas-über zwei Jahren etwa 40 Millionen Lstt. von der von seinem Amtsvorgänger angehäuf- ten Staatsschuld zurückgezahlt haben. Di« nächste Zukunft wird uns darüber belehren, ob der klug« u>nd bedächtig« Herr Asquith auch die Charaktereigenschaften besitzt, die nötig sind, um di« große, aber zusammengewürfelte Regierungspartei beisammen zu halten. , -.-hm. P'LSSM M"" '7" Insertisnsvreis: Vie flebengespältene KörpiiszeUe oder deren Raum 10 pfg., Reklamen 25 psg. Vei größeren Aufträgen entsprechender Rqdatt- , Der besiegte Professor. Humoreske von R. v. Rawitz. In den Straßen der kleinen Universitätsstadt ging es statt und muiiter her. Die lichte und warme Aprilsonne hatte Jung und Alt ins Freie gerufen, und so schritten zwischen Schülern und Schülerinnen, die kürzlich Osterferien erhalten hatten, bunt- mütztge Studenten, würdig« Professoren und sorgsame Haus frauen, die noch alle Hände voll zu tun hatten. An der Markt ecke, wo es rechts nach der Unversttät und links nach der Kaserne de» im Städtchen garnisonierenden Jägerbataillons geht, trafen sich soeben zwei Damen, die eine etwa Anfang der Zwanziger, mit braunem Kraushaar, den goldenen Ehereif am Finger, die andere eine schlanke Blondine im v ollen Reiz der Schönheit und wohl drei Jahrs jünger. „Guten Morgen, Toni, wie goht's, wie steht's'?" „Danke, Irmgard — bei euch auch gut? Komm ein Stückchen mit, wir können so schön schwatzen. Lieber Himmel, ich -habe so furchtbar viel zu tun. Erstens einen Kringel backen, wie es mein Mann aus seiner Heimat gewöhnt ist, zweitens Braten bestellen, denn wir haben Besuch, drittens und viertens und fünftens noch vieles andere, das ich gar nicht auswendig weiß. Die Männer denken immer, unsereins hat nichts zu tun! Jawohl — nichts zu tunl Ubier ich schwatze immer nur von mir — was machst du denn, Liebe? So ernst, so still! Ist es noch immer nichts damit? Du weißt ja, was ich meine!" Jrmgclrd Ziegler, di« hübsche Tochter des Professor» und Germanisten Ziegler, drückte leise der Freundin di« Hand. „Ach, Tortt — weit es so gut wie du hat. Papa ist unerbittlich." „Aber deins Mama ist doch dafür!" „Mama wohl —, aber Papa hat kch so in seine Dennäntsterrt verrannt, daß für ihn ander« Menschen, als Alierkumsforscher gar nicht existieren. Ich glaube, wenn der alte Professor Corvinus käme, der über 70 Jahre alt ist — Papa gäbe mich ihm zur Frau, bloß weil er Gotisch und Nordisch liest." „Ich werde mal mit meinem Mann reden," erwiderte die Freundin, „vielleicht weiß er Rat. Wenn auch sehr viel jüngere - Kollege deines Papas, ist er doch bei ihm, wie ich glaube, gut angeschrieben. Gestern abend im Kegelklub Ist er übrigens mit deinem Karl zusammengewesen. Ich glaube fast, sie haben gehörig gekneipt! Ja, Irmgard, ganz ohne Schatten seiten ist auch die Ehe nicht!" „Die wollte ich schon ertragen — aber hier muß ich umkehren. Adieu, empfiehl mich deinem Mann und gesundes Fest. — A propos, wieviel Rosinen nimmst du in den Ostersladden? Gin Pfund? Ist das genug? Dann werde ich es auch so machen. Adieu, Toni!" „Adieu, Jrmchen, adieu!" Frau Professor Blankenburg ging die Querstraße entlang, Irmgard Ziegler aber zog den Weg durch die Hauptstraße vor, aus der ihr von fern Musik entgegentönte. Es waren die Hörner des Iägerbataillons, die immer näher kamen und schmetternd in die frische Lust ihre kecken Klänge hinaussandten. Da-s ist Lützows wilde verwegene Jagd. Trara — Trara — Trara! Sie kamen von einer Felddienstübung, die strammen grünen Jäger und sahen mit den roten Backen und den lachenden Augen wie die Verkörperung des jungen Frühlings aus. Irmgard blickte in mädchenhafter Scheu an den Soldaten vorbei, aber der Gruß des Leutnants, der am End« der vierten Kompagnie salu tierend den Degen senkte, entging ihr doch nicht. Sie noigte leis« das Köpfchen, das mit einem Schlage von hoher Röte übergossen war. Und dazu klangest dte Hörner so herausfordernd, so ver lockend — o Frühling, o Ostersonne, o Zauber der Musik, o knospende Liebe im Menschenherzen!— Beinahe zu derselben Stund«, wo dies geschah, hatte Pro? festor Ziegler eine nicht erfreuliche Szene mit seiner Gattin. „Ls ist etwas'Schönes, von alten Zetten zu hören," sagte di, würdige alte Dame, indem sie den Dackel Schrupp mit einem leisen Klaps vom Sofa jagte, wo er sich breit machte, „gewiß, etwas sehr Schönes. Aber man muß auch in der Gegenwart leben, und das zumal, wenn man drei Töchter hckt!" „Du bist manches mal recht spitz, liebe Amalie," sagte der Professor, „ich bitte dich, laß das. Denn schon Procopius sagt in seiner " „Ach was, Procopius — der hat gewiß keine Töchter gehabt, oder er war gänzlich unverheiratet. Du aber, Theodor, hast welche, und zwar alle heiratsfähig." „Welch' «in Irrtum, liebe Amalie! Irmgard, unsere Aelteste, ist 19, und die alten Germanenmädchen heirateten nicht vor 30. Schon Tacitus erzählt —" „Das hast du mir schon öfters gesagt, ich bitte dich aber, laß es heute. Irm gard ist ein hübsches Kind, und es gibt ansehnliche Leute in unserer Stadt, di« gern al» Bewerber austräten, wenn du sie nicht mit deiner Vrummigkeit verscheuchtest." „Ich bin nicht brummig, meine Liebe, ich bin nur vorsichtig. Gegen einen wohl- fundierten Mann, der tüchtige germanistische Kenntnisse besitzt und irgendwo habilitiert ist, werde ich nie Einspruch erheben. Gegen Leutnants, Assessoren und dergleichen aber, die keine Lieb« zu unseren Altvorderen besitzen und beispielsweise nicht misten, daß Ostern ein altes deutsches Fest ist, gegen solches Volk bin ich entschieden. Das sind oberflächliche Leute ohne Fond. Ostern ist nämlich, wie in der Edda an einer Stelle <" Frau Professor Ziegler hörte di« hochgelehrt« Auseinander setzung nicht an, denn sie hatte besseres zu tun. Dafür mußt« aber Irmgard, die gerade von der Stadt nach dem hübschen vor dem Stadttor inmitten von Gärten gelegenen Elternhaus heim kehrte, die ganze Geschichte de» Osterfestes über sich ergehen lasten, von Tacitus und Cäsar an bis auf den berühmtesten Forscher der Neuzeit, nämlich ihren eigenen Vater selbst. Sie tat es mit rührender Geduld und zeigt, sogar sonderliches Interesse, so daß der Professor mehrmals sein« Erklärungen wiederholen und wett ter aasführrn muht,. — Ja, nachdem Papa geendet, notiert«