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Tluer Tageblatt Anzeiger Mr -as Erzgebirge mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: /wer Sonatagsblatt. Mmmhch«-« -« «e»a«im «LMwmch«, ««mm-, »achmtcka-» 4-» Uh,. — «Ue-nmm-fthwfstr ra-etla« ftamqMv Mmftwch« «» -ü» «mverlaugt «lngefan-tt Manuskript» kam, Vvvähr nicht g»l«ist»t «er-«». Nr. 232. Montag» S. Oktober 1913. S. Jahrgang. Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Der deutfch-fran-üstsch« Grenzzwischenfall tnBlllerSauyBoiqDnach,amtlichen deutschen Ermittlungen eine Erfindung.*) * Prüfident Poineare hat gestern abend um 10 Uhr die Reise nach Spanien angetreten. Eine Anzahl fränzüsischer Generäle, sowie Ge- neral Lhauteh sind bereit» mittags abge- retst. * Die teilweise Mobilisation der montenegri nischen Armee ist angeordnet worden.*) * Die Türkei und Gri echenland haben "ihre Trup pen im umfangreichen Matzstabe mobilt. sirrt. Der Ausbruch «ine» neuen Krieges ist zu befürchten. » Wie e» heißt, wird das amerikanisch« Schatzamt di« fünsprozentig« Zollermätzigung auch auf Waren aus dem Deutschen Reich aus. dehnen.*) N NLH«. st-tz« a» a»d«« »r,!!,. Nuslanäer an äeutschen Hochschulen. Deutschland hat es von jeher Mr «ine Wicht der Ehre und de» Anstand«» empfunden, allen denen ein« Gaststätte zu bereiten, di« der Wissensdrang zu uns trieb, um hier an der Quelle der Wissenschaft und der Kunst neue Kenntnisse zu erwerben. In keinem an deren Lande findet man so viel« Ausländer, die sich zu Studienzwecken aufgemacht haben, wie in Deutsch, land. Wir sehen da» auf den Universitäten und anderen Hochschulen, aber auch in den verschiedensten großen industriellen Anlagen können wir die Wcchrneh. mung machen, datz Ausländer Anstellung nachsuchen, um in die deutsche Praxi» etngeweiht zu Werden und diese nach der Heimat zu verpflanzen. Much Studien, kommissionen finden sich alljährlich zu dutzenden in Deutschland ein, um diese oder jene Frage bei un» eingehend zu prüfen und di« dadurch erworbenen Kennt nisse und Erfahrungen Wieder zu verwerten. Freilich hat diese Sache auch eine bedenkliche Kehrseite, denn Mir können un» d^urch eine gefährlich« Kon. kurrenz schaffen. Hat sich doch beispielsweise heraus. gestellt, daß die Japaner viele Erzeugnisse, di« sie früher bet un» kauften, jetzt selbst Herstellen, nächdem zahlreiche Japaner in Deutschland theoretisch und prakisch stu diert haben. Za man ist auch dazu übergegangen, die für die Fabrikatton erforderlichen Maschinen ebenfalls selbst zu bauen, so daß der größte Teil de» japanischen Marktes für un» verloren gegangen ist. Auf diese Weise rächt sich unsere Liberalität gar sehr, und man hat daher auf Mittel und Weg« gesonnen, wie man dem Abhilfe schäften kann. Jedenfalls kann man e» ver schiedenen großen Etablissement» nicht verdenken, wenn sie Ausländer nicht mehr anstellen und ebenso den sogenannten Studienkommissionen nur insoweit ihre An lagen -eigen, al» dadurch bestimmt« Geschäftsgeheimnisse nicht preisgegeben Werden. Auch auf den Hochschulen hat bekanntlich die AUSländerfrage mancherlei Unan nehmlichkeiten und Unzulänglichkeiten im Gefolge ge habt. An einigen Universitäten und Hochschulen ist ihre Zahl, und namentlich di« der russischen Studieren, den, so groß, datz di« deutschen Studenten darunter zu leiden haben und sehen müssen, wie ihnen die Aus länder die besten Plätze Wegschnappen. Wie erinnerlich, ist e» darüber Während des letzten Winter» in Halle zu einem Klinikerstretk gekommen, d« allgemeiner Sympathie begegnete. Im Zusammenhang damit ist auch, wie unser« Leser bereit» wissen, dieser Tage ein Erlaß de» preußischen Kultusminister» «folgt, der Einschrän kungen für die Immatrikulation von Ausländern Vor sicht. In Berlin ist man hierbei im Verfolg dies»» Er lasse» dazu geschritten, vorläufig russisch« Stu dierend« üb«rhaupt nicht m«hr anzunchMvn, da gerade diese di« Ueberfüllung hervorgerufen Haven. Liese Maßnahme mag bei unseren östlichen Nachbarn übel empfunden werden, st« ist ab« nur gerecht, denn Rußland kann für seine Studierend«» im eigenen Land« in besserer Weise sorgen. Deutschland braucht hierzu seine teuren Lchrstätten nicht herzugeben, vielleicht Wird man Überhaupt einmal diese ganze Frage ein« ei«. heitNchen Regelung unterziehen müssen. zur Praxis äerWohnungsfilrsorge. von unserem BerNnre Mitarbeit«. Wohnungsaufsicht und Wohnung-Pflege werden in -es. sen, Bayern, Württemberg und Vaden schon seit einigen Jahren al- Lande-einrichttrng au-geübt, und zwar mit zu nehmendem Erfolge Für da» Königreich Sachsen M die wohnung-fürsorge in der Organisation begriffen, sie ist bereit- in einzelnen Bezirken in die Pvax» übergrleitet. In Preußen ist in einigen Provinzen, wie in Rheinland und Westfalm, durch die verbände der BvUgemPenschaftm der Boden Mr eine planäßtg« Wohnung-fürsorge gut vorberei- tet, und mehrer« Großstädte haben bereit» Erfahrungen in der Au-Übung der Wohnung-fürsorge gesammelt. Juden besten Hoffnungen Mr «in vorwärWfchreiten auf diesem Ge biete berechtigt namentlich der Umstand, daßfichFrauen diesem sozialen Arbeitsgebiet mit Vorliebe -uwenden, und am natürlichsten ist .auch eine Verbindung der Wohnung-Mr» sorge mit dem meist durch Frauen ausgeübten Pflege- und Helferd lenst in solchen Familien, in denen Krankheit, Not und Zerrüttung von Hauswirtschaft und Frmilienzusammen- vrbeit Fuß gefaßt haben. Unter den Großstädten, die sich der planmäßigen Wohnung-fürsorge zmoenden, steht Ber. lin-Schöneberg in erster Linie. In einer Abhand lung, die Sanatätsrat Dr. RabNow in Heft IS der Sozia, len Hygiene veröffentlicht, wird ein Einblick in die Strucktur der Wohnungspflege und Wohnungsaufsicht in Berlin- Schöneberg genährt. Die Lektüre dieser Arbeit ist allen zu empfehlen, die für eine Förderung des Wohnungswesens In teresse haben. Hier möchten wir nach dem Reichsanzeiger, nur einige Punkte aus dem Aufsatz heroorheben, die Mr die Praxi« und für Nachahmung der Schöneberger Einrichtun gen «inen Anhalt bieten. In Berlin-Schöneberg werden WohnungsMoge und Wohnrngsau flicht und, mit dieser verbunden, der Wohnung», nachwei» von der Deputation Mr Wohlfahrtspflege ausge- führt. Dieser städtische Verwvltungszweig besitzt einen etge- nen Etat Und ist personell dem Arbeitsamt angegliedert. Di» Leiterin der weiblichen Abteilung de» Arbeitsamtes ist zu. gleich auch Leiterin de» Wohnung»nachweise«. Diese Beam tin ch mit den Leben», und Erwerb-Verhältnissen eine» gro- tzen Teile» der Bevölkerung vertraut, sie kennt die verhält- niss« de» ArLeiwmarkte», bi» zu einem gewissen Grad« den Umfang der ArbeitSsoligkeit und somit auch die Wirtschaft- lichen Verhältnisse, die zum großen Teil wenigsten» Mr di« Wahl der Wohnung maßgebend find. Diese Gestaltung hat sich bi» jetzt al» durchaus rationell erwiesen. Al» Organe der Wohnungspflege und Wohnungsauflicht sind ein technisch geschulter Wohnungspfleger und eine tn sozialer Arbeit er fahren« Wohnung-Pflegerin, beide mit Beamtenqualiftka- tion, angestellt. Beide find einander gleichgestellt, beckder Arbeit soll sich ergänzen. Die Deputation Mr Wohlfahrts- pflege hat «ine llnterkommiffion eingesetzt, deren meist ehren- amtliche Mitglieder auch bei Besichtigungen der Wohnungen hinzugezogen werden. Di« Organisation ist, um es schematisch gusammenzusaffm, folgende: 1. Wohlstchrtsdoputation mit Dezernenten und mit der Untertommtssion Mr die Woh. nungspfloge und Wohnungsaufsicht. 2. Wohnungspfleger und Wohnungspflegerin. Wie bet de- Organisation ist man auch bei Begrenzung de» Wirkungskreise» der Wohnungspflege und Wohnung», aufsicht von dem vielfach gegebenen Schema abgswtchen. Di« Wohnungqpflege und Wohnungsaufsicht beschränkt sich: 1. aus Wohnungen bis zu zweit heizbaren Mumm Mit Küche und Zubehör, 2. auf alle größeren Wohnungen, die Schlaf gänger beherbergen. Bet dm WohnUngsbesich- tigungen wird unterschieden -wischen ordentlichen und außer, ordentlichen Besichtigungen. Di« ordentlichen Besichtigungen werden tn dm verschiedenen Stadtteilen nach Sttcchenzügen Der Staatsanwalt. Nach dem Englischen de» Harry Eüwom. <Naq druck »«Sole».) Die Tragödie von Westminster, die dm Zeitungen voll« sechs Monate hindurch Stoff zu spaltenlangen Artikeln Zö ge geben hatte, war endlich aufgeklärt. Drei Tage lang war das Eerichtsgebäude von einer neugierigen Menge umlagert, und di« Telegraphenbeamten seufzten unter der Meng« von Nachrichten, die sie zu befördern hatten; sie fluchten dem Geschick, das den ruhigen, kleinem Ort Plötzlich zum Mittel- punkt des allg«m«inm Interesses gemacht hatte. Im Innern de» Gerichtsfaales ging di« Verhandlung ihrem End« ent gegen. Drei Männern galt die Hauptaufmevksanckttt; dem Angeklagten, dem Richter und dem Staatsanwalt. Der An geklagte war «in junger, kräftig gebauter Landmann, mit einem breitm gutmütigen Gesicht. Jetzt war er allerdings sehr blaß, und sein« Augm wanderten unstet und verängstigt umher, aber — wie ein gemeiner, kaltblütiger Mörder ßch er nicht au». Der Richter war ein alte« Herr, Mit einem Gesicht, in das sein Beruf und da» Leben tiefe Falten ein gegraben hatten. Sein« lebhaften, ausdrucksvollen Augm verrieten, wie aufmerksam er all«» in sich aufnahm, was Mr oder gegen dm Angeklagten sprach Der Staatsanwalt war die personifizierte, unerbittliche Gerechtsamkeit. Ihn inter essierten nur di« Tatsachen, aber au» ihnen zog «r Schlüsse und Folgerungen, die dem Mann hinter der Schranke da» Genick brachen. So führten di« drei da» bitter« Spiel zu Ende — der Mann, der von dm unumstößlichen Tatsachen sprach, der Mann, der aufmerksam zuhötte und da» Für und Wider erwog, und der Mann, der allein alle» wußte. Des Staatsanwalt» leidenschaftslose Stimme -ob und senkte sich wie es die wohlgesügtm Sätze seine» Plädoyer» verlang .»,!. Mit großem Geschick rechte er die Tatsachen anetnauoer, sodaß sie -u einer lückenlosen Kette wurden. Diese» pellte er a.» gänzlich belanglos hin, jenes hielt er Mr überaus wichtig; hier führte er eine Kleinigkeit an, di« Mr den Angeklagten sprach, dort Holte « «in gewichtiges Argument herbei, das ihn furchtbar belastete. Dir Rede d*s Verteidigers zerpflückte er, daß nichts von Bedeutung Übrig- blieb, und hicher und höher türmte er den Wall der furcht baren Anklagen. Sein Gesicht blieb unbeweglich kalt, wäh rend sein« DmKrvft arbeitete, wie ein« gutgepflegte Ma schine. Der Angeklagte hörte stumpfsinnig -u; er hatte kaum noch da» Empfinden, daß er es war, dessen Leben hier auf dem Spiele stand. Der Richter horchte mit pflichtgetreuer Aufmerksamkeit; das Publikum war bi» auf» äußerst« ge spannt und verschlang gierig jedes Wort des gewandten Redners. In atemlostr Stille wurde das Ende des Smfa- tionsprozesse» ermattet. Und dann war plötzlich alles vor bei. Die zwölf Geschworenen hatten ihren Spruch abgegeben und der Richter hatte sich erhoben, di« Kappe abgenommen und da» Urteil verkündet. Schuldig! Jetzt waren di« Zungen gelöst, und wie «in aufgelöster Bienenschwarm oer- ließ die Meng« da» Gerichtsgebäude: Das war ja von An. fang an zu erwarten! — Al» der Staatsanwalt anfing zu sprechen, wußte man doch alles! — Stille Wasser find tief. Ich dachte gleich, daß er «s getan hat! — In eine« Abteil 1. Klaffe des V^Zuye» nach der Haupt, stadt faß der Staatsanwalt und dachte über den Prozeß mich Di« jahrelange Gewohnheit hatte ihm di« Freude an sei. nem Beruf nicht genommen, und mit demselben Stolz, dm er hei seinem «rsten Steg empfunden hatte, dachte er an feine brillant« Red«, mit d«r «r heute dm Mörder der oer- dienten Strafe überliefert hatte. ... die Tatsachen find so überzeugend, daß kein gegenteiliger Beweis ihnen mehr stich- halten kann. Gr wicdecholte lächelnd seine eigmen Motte. Mevkmllpdtg, wie diese alten Phrasen hängen bleiben! dacht« er, vor etwa zwanzig Jahren las ich sie in einem Werke über die Macht de» Indizienbeweise», und heute, während der Verhandlung, mußte ich daran denken. Immer »st jg der Indizienbeweis nicht ausschlaggebend; aber in diesem Fall war er'» Er ist -»'r selten besser gelungen al» heute, und — ohne mich selbst loben zu wollen —> glaube ich, daß ich nie überzeugmder gesprochen und kräftiger auf das Uv- teil «ingewirkt habe, als heut«. -- Der Zug fuhr langsam in die einzige Station ein, auf der er halten mußte. Als er fich schon wieder tn Bewegung setzen wollte, kam «in Mann auf de r Bahnsteig gerannt, sah dem Staatsanwalt, der ans Fenster getreten war, in« Gesicht und stieg in sein Abteil. Der Staatsanwalt starrte ihn an. Er hatte dem Schaffner extra ein Trinkgeld gegeben, um allein zu blei, ben, und nun wurde er bei der ersten Gelegenheit gestört! Der Mann hatte sich in die Ecke gesetzt. Seinem Aeuhorm nach paßte er nicht in ein Abteil 1. «Klaff«. Anscheinend ein Landmann, dacht« der Anwalt. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, denn er hatte sich sein» Mütz» tief in die Stirn gezogen, und «in Shawl, dm er um dm Hal» gewunden hatte, verdeckte alle- übrige. Der Staatsanwalt entfaltete eine große Zeitung und versuchte fich einzubilden, daß er allein war«. Ein paar Minuten la» er aufmerksam, aber dann kehm- tm seine Gedanken wieder zu dem Prozeß zurück und merk würdigerweise auch zu dem Mann in der Ecke. An wen sp innert« ihn nur dies« Gestalt? Halb unbewußt lieh er da» Zeitungsblatt finken und betrachtete dm Mann. Er stutzte. Sein Reisebegleiter hatte die Mütze abgenommen, und das jetzt sichtbar« Gesicht glich vollkommen dem Gesicht des Man ne», der an demselben vormittag -um Tod« verurteilt war. Der Mann kniff «igentümlich die Augm zusammen. Na, sagte er, haben Sie mich jetzt lange genug angeglotzt? Km- nm Sie mich nicht? Sie ähneln dem Manne, der heute verurteilt wurde, antwortete der Staatsanwalt vorsichtig. Der Kerl konnte doch nicht ausgebrochen sein? Und so schnell? Aehnelnl wiederholte der Mann in der Ecke, ähn«lnl Sie kennen wohl den Menschen nicht mal, dm Sie in dm Tod gejagt haben, Sie — schttnhetliger Teufel! Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, antwortet« der Staatsanwalt un- sicher — der Kerl mutzte verrückt sein, aber di« Sehnlichkeit war außergewöhnlich — aber wmn St« weiter in diesem