Volltext Seite (XML)
vr!t öder 2800 »tleitr Nimstni Sprechstunde der Reduktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—s Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Verantwortlicher Redakteur: 7ri8 Rrndslit Für die Inserate verantwortlich: Walter Kraus beide in Aue i. Erzgcb. Bezugspreis: Durch unsere Loten frei ins Laus monatlich Lo ffg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich »o ftig. und wöchentlich lo psg. — Bei der Post bestellt und selbst abgcholt vierteljährlich >.so Mk. — Durch den Briefträger frei ins Laus vierteljährlich t ?2 Mk. — Einzelne Nummer ;o psg. — Deutscher Postzeitungs katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens yUhr vormittags. Für Ausnahme von größeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher bei uns eingehen. Insertion spreis: Die siebengespaltene Aorpnszcile oder deren Raum 10 Psg., Reklamen 2S Pfg. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. vru»."unä"Le!>-^.«.l-iis»,n m. b. H. in Aue i. Lrzgeb. Montag, s. Oktober 1908. vrlt Sb» 380V »blmSe Itmmstnl Nr. 232. Dritter Jahrgang. Nuer Tageblatt und Anzeiger iür das Erzgebirge Las Wichtigste vsm Lage. Der König von Spanien ist heute Vormittag zum B e- s u ct> des .Königs Friedrich A u gust in D r e s d e n c i n g e t r o s f en. (2. Art. i. Hplbl.j Zum ersten M a l e wieder verkehrten gestern Wagen vierter Kla > se aus den sächsischen 2 l a a t s b a h n e n; der Verkehr war ganz außergewöhnlich stark, * Eine französische M. ldung besagt, F ü r st F e r d i n a n d von Bulgarien werde sich Heine in Ternovo zum unab - hängigen Souverän vrvklanneren und den Titel Zar der Bulgaren annehmen. Auf den Schlachtfeldern bei Noisseville wurde gestern ein f r a n z ü s i s ch e S K r i e g c r d e n t in a l enihulU. Deutschlands wirtschaftliches Interesse an den Orientvahuen Zu der Besetzung eines Teiles der Orientbahnen durch das dem Deutschen Reiche befreundete Bulgarien gehen Ans von einem genauen Kenner der wirtschaftlichen Interessen Deutschlands auf dem Balkan folgende Darlegungen zu: Die ge- rvaltsame Besetzung des osrrumelischen Netzes der orientalischen Bahnen durch die bulgarische Regierung wird auch der deutschen Diplomatie als ein unliebsamer Zwischenfall empfunden, weil wir mit Bulgarien weiter in freundschaftlichem politischen Ver hältnis leben möchten. Dabei ist zu bedenken, daß die hier zu erörternden Fragen völkerrechtlich garnicht so einfach liegen, und das; es viele Leute gibt, die den Vulgaren bei der Be setzung eines Teils der Orientbahnen politisch recht geben. Die Orientbahnen sind türkischer Besitz, werden von Oesterreich aus verwaltet und führen zum Teil durch bulgarisches Gebiet. Wenn also die Bulgaren den Teil der Bahn, der durch bulga ¬ rische Landesteile geht, besetzen, so ist es schwer, ihnen daraus einen Vorwurf zu machen. Es wäre wohl möglich, daß ein An kaufsgebot Bulgariens an die Türkei, bezw. an die Verwaltung der Orientbahn, wenn es dem ziemlich bedeutenden Werte dieser Strecke entspräche, Annahme fände. Für Deutschland aber liegt diese ganze Angelegenheit nicht auf politischem Gebiete — die politischen Beziehungen sollen ungetrübt bleiben — sondern auf rein wirtsäjastliche Gebiete. Deutschland hat große wirtschaftliche Interessen auf dem Balkan: es ist speziell an dem so bedeutenden Unternehmen der orientalischen Bahnen erheblich interessiert. In ihrem Ver- walrungsrat sitzt eine Anzahl prominenter, reichsdeutscher Per sönlichkeiten. Vizepräsident ist der bekannte Parlamentarier Schrader; das Aktienkapital von 50 Millionen Francs ist am deutschen Geldmarkt mit placiert und die Aktien werden an deutschen Börsen gehandelt. Der Verkehr hat gerade auf dem Konstantinopeler Netz der Orientbahnen im letzten Jahre er heblich zugenommen und in Ostrumelien eine besonders günstige Entwickelung gezeigt: Die Zahl der Reisenden ist hier von 478 066 in Z906 auf 518 805 gestiegen, während noch im Jahre 1001 deren Zahl nur 281 629 betrug. Entsprechend gewachsen ist auch der Güterverkehr, der mit mehr als 800 000 Tonnen pro 1907 sie höchste bisherige Ziffer erreicht hat. Ueberhaupt ist der Ein; uhrhandel Deutschlands in Bulgarien in den letzten Jahren ganz außerordentlich gestiegen; er ist um 56W Prozent in den letzten 25 Jahren gewachsen, während die Vermehrung für Oesterreich und Frankreich im gleichen Zeit raum nur 80 bis 90 Prozent betrug. Aus alledem ergibt sich ohne weiteres, daß die Okkupation des ostrumelischen Netzes Deutschland nicht als gleichgültigen Zuschauer finden kann. Wir hegen deutscherseits volle Sympathie mit dem auf strebenden bulgarischen Staate und seinem Herrscher, und haben wiederholt und nachdrücklich gezeigt, daß wir auf freundschaftliche Beziehungen zu Bulgarien Wert legen. Allein es handelt sich hier um die Wahrung deutscher privatwirtschaft licher Interessen: die reichsdeutschcn Aktionäre der orien talischen Bahnen können mit Fug und Recht verlangen, gegen eine gewaltsame Okkupation ihres Eigentums gesichert und ge schützt zu werden. Die Behauptung, daß die Okkupation im Ein verständnis mit der Sofioter Repräsentanz der Orientbahnen erfolg: sei, findet bei der Zentraldirektion entschiedensten Wider spruch und klingt an sich wenig glaubwürdig. Aus diesen Er wägungen heraus hat denn auch unser Vertreter in Sofia sich dem Protest des österreichisch-ungarischen Geschäftsträgers« ange- schlossen und gleich diesem die Herausgabe des okkupier ten Bahnnetzes und Widerherstellung des Status quo ante ver langt. Diesen unseren Standpunkt werden wir aller Voraussicht nach, wahren. Gerade weil Deutschland auf dem Balkan nur wirtschaftliche Interessen verfolgt und mit Bulgarien in Freund schaft zu leben wünscht, wird und muß es jede Demarche unter stützen, die geeignet ist, gefährlichen Zündstoff zu entfernen. In Berlin hofft man, daß dir Angelegenheit freundschaftlich erledigt und das gute politische Einvernehmen zwischen Deutschland und Bulgarien nicht gestört wird. X. Vortrag ves Herrn Abg. Bauer in Jchavrrgeorgeusta-t. Johanngeorgenstadt, 4. Oktober. Im hiesigen Vaterländischen Verein erstattete Herr Land tagsabgeordneter Stadtrat Bauer gestern abend Bericht üdVl seine bisherige Tätigkeit im Landtage. Der Saal des Deutschen Hauses war gut gefüllt, auch viele Gäste hatten sich eingesunden, ebenso die Spitzen der hiesigen Behörden. Wir bemerkten unter den Anwesenden den Herrn Bürgermeister, den Herrn Pfarrer, Amtsrichter, sowie die anderen führenden Persönlichkeiten unserer Stadt. Herr Fabrikant Grunert eröffnete die Ver sammlung und hieß darauf in herzlichen Worten Hrn. ALg. Bauer in Johanngeorgenstadt willkommen. Er hob hervor, daß Herrn Bauer daran läge, Fühlung mit seinen Wählern zu halten, was von hohem Werte sei und um so höher einzuschätzen ist, als noch nie ein Abgeordneter in Johanngeorgenstadt außerhalb der Zeit des Wahlkampfes sich hat sehen lassen. Es ist allen bekannt, so fuhr Herr Grunert fort, daß Herr Bauer in energischer Weiss die Interessen unseres Wahlkreises im Landtage und im Mini sterium vertreten hat und daß er auch seine ganze Persönlichkeit einsetzte zur Erlangung besserer Zugsverbindungen zwischen Johanngeorgenstadt und Schwarzenberg, Ueber diese gewünschte Verbindung, die leider vom Ministerium abschlägig beschieden worden ist, verbreitete sich Herr Grunert sodann in ausführlicher Weise, um mit der Hoffnung zu schließen, daß es dem Herrn Abgeordneten doch noch gelingen möge, sie zu erlangen. Tie freundliche Herberge. Kriminal-Novellette von Ralph v. Rowitz. An einer Ecke des Konnaja-Mdrktes in Moskau, bekannt durch die großen Pferdemärkte, die dort stattfinden, stand bis vor kurzem ein Hotel, das den Namen zur freundlichen Herberge führte. Es war ein mehr nach der Tiefe ausgedehntes, als breites Gebäude, mit mehreren Höfen, großen Stallungen und etwa zehn oder zwölf Gastzimmern versehen. Hier pflegte eine getreue Stammkundschaft vorzusprechen, eine Anzahl von Händ lern, die entweder in Moskau selbst zu tun hatten, oder aus dem Süden Rußlands nach Nischny-Nowgorod zu den großen August messen pilgerten und einige Tage in der alten Hauptstadt des Reiches nach Herzenslust vergnügt sein wollten. Der alte Iwan waltete dort als Wirt schon seit mehreren Jahrzehnten und war mit seinen Gästen so verwachsen, daß er ihre Familien- und Vermögensverhältnissc auf das genaueste kannte. Und sie kannten i h n, seine Redlichkeit, seine guten Betten, die fette Küche und die weiten Stallungen auch und ließen manchen Rubel springen, zumal, wenn sie sich auf dem Heimweg beianden und die Meise gut ausgefallen war. Als der alte Iwan starb, übernahm sein Neffe Sergei das Hotel, her schon seit mehreren Jahren dem alternden Onkel zur Hand gegangen war; er stammte von jen seits der Wolga aus dem Ural-Gouvernement, hatte wenig Schulbildung, besaß aber einen ungemein scharfen Kopf und sehr viel Geschäftssinn. Auch ihm blieb die Kundschaft treu, zumal er cs verstand, den reichen Kaufleuten zu schmeicheln und ihnen jede Bequemlichkeit zu verschaffen. An einem warmen Septemberabend kehrte in der freund lichen Herberge der Großkauiman» Dimitri Pjcsnakoff ein, der von der Messe aus Nisch zurückkam und nach Kiew heimwollte. Er war ein starker Mann, Mitte der Fünfziger, sehr lebens lustige sehr heiter, wenn er einen guten Tropfen getrunken hatte. Er liebte die Frauen, lärmende Geselligkeit und feurige Musik und vertat jedesmal ein Säckchen voll Silberrubel, wenn er in Moskau weilte. Auch dieses Mal ließ er es daran nicht fehlen, und die Glocke auf den Türmen der Stadt hatte schon lange ein Ahr geschlagen, als er wieder in seinem Hotel eintraf. Der Ober- . :.,n lis i.: Zimmer, in in der Grcn- kaufmann sich einschloß, bevor er zu Bett ging. Am nächsten Morgen schlief der reiche Gast sehr lange, und es fiel auch nicht auf, daß er zum Frühstück nicht in die Gaststube hinunterkam. Erst in der zweiten Stunde nach dem Mittagsläuten wurde der Hote lier besorgt, und sandte zur Polizei, als auf das Klopfen nie mand antwortete. Es fanden sich auch bald zwei Beamten «in, die unter Hinzuziehung eines Schlossers das Gemach öffneten. In dein großen, bequemen Bett, in ruhiger, friedlicher Stellung, lag Dimitri Pjesnatosf da — kalt und tot. Sergei, der Hausbesitzer, war außer sich, er berief sofort den Oberkellner, bat auch zwei andere Gäste als Zeugen in das Ge mach zu treten und ließ dann zwei berühmte Aerzte holen. „Ich bitte Sic, meine Herren, den Toten auf Las genaueste zu unter suchen," sagte er zu den Doktoren, „denn jeder Todesfall ist für ei» Hotel ein entsetzlicher Schlag. Die liebe Konkurrenz beutet solchen Unfall sofort aus, und schon nach acht Tagen heißt es, der Verstorbene sei von böswilliger Hand beseitigt worden. Mein Haus genießt seit 35 Jahren einen glänzenden Ruf, den ich zu bewahren verpflichtet bin." „Sie haben schwerlich Anlaß zu Besorgnissen," sagte Professor Obutscheff. „Hier liegt ganz deut lich Herzschlag vor. Der Tote war dazu durch seine Fettleibigkeit sehr disponiert, auch hören wir von Herrn Kaufmann Paw- lowsky, der mit ibm gestern abend zusammen gewesen ist, daß der Hingeschiedene immense Mengen Alkohol zu sich genommen hat. Auch der äußer« Befund der Leich« spricht für Herzschlag. Ich trage keine Bedenken, ein dahinlautendes Attest auszustellen." Dr. Lewenowgorod pflichtete bei. In ihrer Anwesenheit wurde dann noch das Gepäck des Toten versiegelt und dem Polizei chef übergeben. „Mir kostet die Sache zwar viel Geld," sagte Sergei, „aber der Ruf des Hotels darf nicht leide». Kein Mensch würde sonst bei mir noch einkehren." — Dimitri Pjasnakoff wurde eingesargt und nach Kiew be fördert, wo die Beerdigung stattfand; er hinterließ einen Sohn Alexei, einen jungen, intelligenten Menschen, der einige Jahre in einem Petersburger Bankbause tätig gewesen war und in letzter Zeit die Prokura des väterlichen Geschäfts gejährt hatte. Alexei war tief betrübt, er war aber aii^ ein kluger Rechner. Und so stellt? er bereits am Morgen nach der Beerdigung fest, daß sein Vater mit Vorräten im Werte von 60 000 Rubeln abgereist war, wogegen sich in seinem versiegelten Reisegepäck nur 650 Rubel, «'ne t. uftt"NI i' °r Rude! und Schmruftachen O.'eme von etwa 2000 Rubeln befanden. Da einer Mitteilung einer be freundeten Firma in Nisch zufolge, sämtliche Vorräte in Geld umgesetzt worden waren, so fehlten mindestens 57 000 Rudel. Wo waren die geblieben? Alexei schlug keinen Lärm, er wendete sich nicht un die Polizei; er beschloß die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Ein Freund, reichlich mit Mitteln von Alexei ver sehen, unternahm es, in Moskau Schritt für Schritt nachzu prüfen, wo der Tode an jenem Septemberabend gewesen war. Daß e: das Geld in Papier bei sich getragen, konnte als sicher vorausgesetzt werden; denn dies war Dimitris Gewohnheit ge wesen. Es gelang auch festzustellen, was der Tote verzehrt und verausgabt hatte; allgemein wurde auch konstatiert, daß der Eroßkaufmann zwar viel, aber doch für seine Verhältnisse wenig getrunken hatte und durchaus nüchtern in sein Hotel heimgekehrt war. Auf Grund dieser Ermittelungen verstärkte sich in Alexei Pjeskanoff der Verdacht, sein Vater sei nicht nur bestohlen, son dern auch ermordet worden: ermordet in seinem Bett und wahr scheinlich durch Gift. Entschlossen, den Schleier zu lüften, koste es, was es wolle, beschloß der junge Kaufmann in die Mörderhöhls selbst zu gehen. An einem eisigen Winterabend traf er in Moskau ein und begab sich sofort nach der freundlichen Herberge, wo er sich als Alexei Sassulin, Bankier aus Riga, in das Fremdenbuch ein trug. Gleich bei der Ankunft ließ er dem Hotelier wie dem Oberkellner gegenüber große Barmittel blicken, um den Eindruck zu studieren, den dies auf den Hauswirt und die Bedienung machen werde; er hütete sich dagegen, etwas im Hotel zu ge nießen und schützte heftigen Magenkartarvh vor, bat auch um ein recht ruhiges Zimmer. „Wir haben zurzeit fast alles leer," er klärte der Hotelier, „der Herr kann sich ja aussuchen. Ich würde meinepteils Nr. 9 empfehlen, das sehr groß ist, Sonnenseite hat und durchaus ruhig liegt. Aber ich nehme noch Abstanv von diesem Vorschlag; denn ich will Ihnen nicht verhehlen, daß dort vor einiger Zeit ein East am Herzschlag gestorben ist. Sie wer de» gewiß daran Anstoß nehmen, und ich pflege meinen Gästen stets im voraus zu sagen, welche Bewandtnis es damit hat. Schad« — es ist mein bestes Zimmer!" „Das geniert mich nicht," sagte der Bankier Sassulin, „ich nehme Zimmer Nr. S. Lassen Sie gut Heizen und mir etwas Tee hineinstellen. Ich geh« sofort zu k'-st-br l-id.-d " i-.