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Montag, M. März Istll 5luer Tageblatt 's' '- .. öita ckovo ntlnst »Main Nr. SS. Sechster Jahrgang. und Anzeiger für das Erzgebirge 'erantwortlicher Redakleur krit, Nrnkolck. ,ür die Znserate verantwortlich: Malter «rao». Beide in Aue i. Erzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Äuer Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit kluinahme der Sonntage nachmittag, von «—» Uhr. — Lelegramm-Adreffe: Lageblatt Nueerzgebirg«. — Fernhirecher es Für unverlangt eingesandt« Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck mrd Verlag Svt» Vruclt- a. vettege-vweilecüeN m. b. H. in Rue i. Lrzg^. Bezugspreis! Durch unsere Boten frei ins Haus monatlich so Pfg. 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N'rfe NlMMk »Ufststl - teilt. yaa Wtchtigft, vom Lage D> r Reichstag beschäftigte sich auch am Sonnabend noch mit der Beratung des EtotS des ReichSamt-- d > « Innern. st» Di- in g a n , D e u t s ch l a n d am gestrigen Sonntag abgehallenen sozialdemokratischen Flauen»Wahlrechts- Versammlungen sind, soweit Meldungen vorliegen, rubig verlaufen. In Berlin Landen gestern Tagungen der N a t i 0 n a > l i b e - ralen Partei und der Fortschrittlichen Volk«, variei statt. (S. pol. Tgslch.) E" e Verireterversammlu-g der preußischen Feuerbestat- tiingsveretne stimmte gestern in Berlin den Grund zügen d'S von der preußischen Regierung vorgelegten Gesetzentwurfes über die Zulassung der Feuer- besta'tung zu. jDas Gericht in Brüss^el hat nach'Prüsung derAkten de» Untersuchungsrichter« über den Brand der Weltausstellung erklärt, daß zu einer strafrecht, lichen Verfolgung kein Anlaß vorliege. Da« italienische Kabinett Luzattfi ist wegen Difse- renzcn in der Kammerzurückgelrete n. lS. pol. Tgssch u. Tel.) kllplmlgMlllng üer bsnSlliiei'lisilil» Ser koenge- lilüieii ürbeitereereine im HöMelrli Leitleii. «t« Am 18. und 19. März fand unter überaus zahlreicher Be teiligung aus allen Landesteilen inLugauimErzgebirge die diesjährig« Hauptversammlung Les Landesvereins der Evan- gelischen Arbeiterverein im Königreich Sachsen statt. Bon den 110 Vereinen des Verbandes waren 90 durch «twa 200 Delegierte vertreten. Die benachbarten Vereine hatten außerdem zahlreiche Gäste entsandt. Am Sonnabend abend wurden nach kurzer Be grüßung eine Anzahl Anträge erledigt, die zum großen Teil orga ¬ nisatorischer Natur waren. Gin Antrag, 'der die Behandlung des Themas Arbeiterstand und Schule im Verbandsblatte forderte, wurde im Interesse der gedeihlichen Mitarbeit der Geistlichen und der Lehrer in dem Sinne Mgelehnt, daß wie Lis- desverLand wie bisher strengste Neutralität wahrt, im Uedrig«n aber der Schriftlettung freie Hand gelassen wird. Hinsichtlich der Verbandspresse wird in Aussicht genommen, dem Landqsver- bandsorgane lokale Beiblätter für die Kreisverbände zu geben, her in der Frage derReform des Religionsunterrichtes der Lan- die die besondere Aufgabe haben sollen, der sozialdemokratischen Presse des Bezirks entgegen zu in-.en. Nach einem gemeinsamen Kirchgänge am Sonntag fand die Hauptversammlung der Sterbekassse statt, während die Krankenkasse des Verbandes diese vor der Sonnabend-Sitzung abgehalten hatte. Der Landesverbandsvorsitzende, Herr Pfarrer Drechsler, Kl. Schachwitz, eröffnete nach der Mittagspause die eigentliche Hauptversammlung. Gesang und Gebet, Kaiser- und König-Hoch und die Begrüßung der Ehrengäste, die als Vertreter der Regie rung, der Gemeinde, der Kirche und Schul« anwesend waren, ging den Beratungen voraus. Als Vertreter der R«gierung war Amts hauptmann Fritzsche au» Stollberg erscheinen. Danach er stattete der Vorsitzende den Jahresbericht. Darau- ist hervor- zuheben, daß infolge der rührigen Tätigkeit de» Agitationsaus schuss«!- unter Vorsitz des Herrn Pastors Richter- Königswalde den bisherigen zwei Verbandssekretären zwei neue im Haupt amt« zugesellt werden konnten, denen «in fünfter am 1. April in Zwickau folgen wird. Der Landesverband zählt 110 Ver ein« mit fast genau 18000 Mitgliedern: er ist im Be richtsjahre um 14 Vereine gewachsen. Immer wieder Nagen die Vereine über Terrorismus von gegnerischer Seit«. Einen Mark stein in der Geschichte de« Verbandes bedeutet der erste sächsisch« nationale Arbeiter- und Gehilfentag in Dresden, dessen Anreg ung und Durchführung dem Landesverband viel Arbeit kostete. Der soziale Ausschuß nahm zur R«ichstwertzuwachssteu«r, zur Verkürzung der beschlossenen Zeiten, zur Fleischteuerung, zum Terrorismus der sozialdemokratischen Gewerkschaften durch un billige und einseitige Tarifverträge und zu den sogen, gelben Gewerkschaften Stellung. Auch von den einzelnen Vereinen wird praktische soziale Betätigung an paritätischen Arbeitsnachweisen, unentgeltlichen Rechtskunftsstellen, Spar- und Bauvereinen und Fürsorge für die Arbeitslosen berichtet. Oft werden auch Er folge bei den verschiedensten Wahlen gemeldet. Der Bildung von Jugendgruppen und Arbeiterinnenvereinen soll künftig beson der« Aufmerksamkeit zugewendet werden. Dem Verbandsschrift leiter, Herrn Lehrer Alfred Ziegenfutz.Dresden wird für s«tn« außerordentlich fleißig« Arbeit Dank ausgesprochen. Der Kassenbericht des Landesverbandes balanciert mit etwa 27 000 Mark. Den Höhepunkt der Tagesordnung bildete de, Bortrag de» Ehrenbeisitzers Herrn Pastor Winter, Dresden, über Haben wir Ursache, uns de» neue« Deutsche« Reiche» zu fr«»««? Mit brausendem Beifalle wurde der Vortrag ausgenommen, und spontan brauste danach das deutsche Eturmlted: Deutschland, Deutschland Mer Alles, durch den Saal. Danach wurde Mer die Ärankenunterstützungskass« und Sterbekasse des Landesver bandes berichtet. Die Kraitkenunterstützungskall« schließt mit zirka 40 000 ab, die Sterbekasse mit zirka SO 0 .0 Vermögen ab. Zur Reichstagswahl wird folgende Resolution ange nommen: Die Hauptversammlung lenkt die Aufmerksamkeit d«r Ver eine auf die bevorstehenden Reichstagswahlen. Sie ist der Meinung, daß die Evangelischen Arbeitervereine bei diesen keine andere Stellung als die bisherige einnehmen können und weist die von verschiedener Seite daran geübte Kritik zurück. Unsere Vereine stehen auf vaterländischen und christlichen, aber nicht parteipolitischem Boden. Mitglieder all«, bürgerlichen Parteien haben in ihnen stet» friedlich und freundschaftlich zusammen gewirkt. St« w«rden deshalb für di« Hauptwahlen keine andere Lösung haben al» diese: Unsere Mitglied«, «äh. l«n unter kein«» Umständen sozialdemokratisch. Df« Abstim mung Mr einen soziavemokrattschen Kandidaten, den wir al» solchen für «inen Thristentum-gegn«r und für national unzu verlässig halten müssen, würde Mr sie ein« Verleugnung unsre, Bestrebungen bedeuten.- Dagegen Ll«t-t Hst ihnen-.Dörlassen, zu entscheiden, welch«, von den nationalen Kandidat«» den ge rechten Wünschen de. Arbeite, am meisten «ntgegenkommt und dann diesem ihre Stimme zu gebens Die Verein« al» solch« können zunächst Mr keinen Kandidaten «in« agitakörych« TL, ttgkrit «ntfalten. Dag«grn ist von ihnen zu «warten, daß st» in «in«r «twatgen Stichwahl mit voller Kraft Mr den natio nalen Kandidaten wirken. Ebenso einstimmig wurde folgender Z us atz zu der R«solu- tion angenommen: Hinsichtlich der Kandidatur de» Landesver- bandsschriftMhrer» Herrn Pastor Richter-Königswalde im Reichstagswahlkreise Frankenberg-Mittweida erachtet es der Landesverband als selbstverständlich, daß sein« Mitglieder mit aller Kraft für dies« eintreten, um dadurch einen tatkräftigen und zielbswußten Vertreter unserer Anschauungen in den Reichs tag zu entsenden. Falls di« Kandidatur des ehemaligen Schrift leiter» unseres Derbandsblatte», des Herrn Pastor Kruspe- Meißen zur Tatsache wird, gilt dieser Beschluß auch Mr dies«» hervorragende Vereinsmitglted. Eine weiter« Resolution -eschä- tigt!fich mit der Stellung des Landesverbandes zu den g elb en Gewerkschaften. Den Schluß der Tagung bildet« di« wei tere Behandlung von Anträgen organisatorischer Natur und Der Herzog von Reichstadt. Zum 100. Geburtstag am 20. Mär, 1Ü11. Nachdruck verbot«» In der FÄrstengruft des Kapuzinerklosters zu Wien ragt in mitten eines 1826 angegliederten Gewölbes ein hochgesockelter, erzgegossener, von den Insignien der Kaiserwürde gekrönter Sar kophag, mit der Inschrift: b'rLvoisous I. llusttttu regnoruw knvckamentum. Zu Füßen des Sarkophags ruhen in schlichten Särgen die Gemahlinnen des dreimal vermählt gewesenen Kai sers Franz, und unweit davon, recht» am Eingänge, schläft in lan gem, schmächtigem Sarge des Kaisers Enkel, der Herzog von Reichsstadt, SohnNapoleonsI. undder Maria Louis«, ge borenen Erzherzogin von Oesterreich. Zwischen den irdischen Res ten von Großvater und Enkel stehend, steigen in unserer Seele alt« Bilder auf, geeint zu einem ergrekfenden Drama, da» Mr de» Theognis pesstmtstisck>elegische Weisheit redet: Gar nicht sein, da» wäre dem Erdgeborenen da. Lest«, Und niemals zu «rschau'n Helios' sengenden Strahl. Der Hauch erhabener Schwermut ist über die Hauptgestalten de» Drama«, den jugendlichen Herzog von Reichstadt und d«n ent« trohnten Kaiser der Franwftn hingebreitet: der Sohn v«rz«hrt sich in Sehnsucht nach deins Vater, und dies«,, auf dem «infamen Felsen von St. Helena trauernd, sehnt sich nach dem Sohne, den ihm die allmächtige Hand Metternich« für immer entriss«» hat. Der Sohn war drei Jahre alt, ein zarte», bildschöne» KnäL- chen, als der Vater ihn zum letzten Mal« sah: «s war kurz vor jenem 20. April 1814, an dem der zur bedingungslosen Abdankung gezwungene Kaiser nach erschütterndem Abschied von der Garde Schloß Fontainebleau verließ, um sich nach Elba einzuschiffen. Den Knaben hatte man nach Schönbrunn zum Großvater, dem guten Kaiser Franzel gebracht, und dort ist er auch Zett seine» Leben» geblieben. Napoleon mag während d«» kurzen Eieg«»rausche», den «r nach der Rückkehr von Elba genoß, gewähnt haben, den Sohn in sein« Arm« schließen zu können, aber da» unerbittlich« Schicksal zwang den Schlachtengewaltigen nieder: das englische Linienschiff Bellerophon nahm den General Bonaparte an Bord, Segel wurden gesetzt, der Anker gelichtet, der Kiel durch furchte den Atlantischen Ozean, und Mr immer versanken hinter dem Gefangenen Frankreichs Küsten — er hat den-Sohn nie wie dergesehen. Als der Knabe am 30. März 1811 geboren wurde, hob sich ein Alp von Napoleons Brust, denn der heißersehnte Leibeserbe war La! Die Scheidung von der liebenwürdigen Josephine, die, trotz ihrer zahlreichen Schwächen und Kapricen, trotz ihres Leicht sinns, ihrer Freundschaft mit leichtlebigen Damen und ihrer Nei gung zu kleinen Jntrtguen, «in« sympathische Erscheinung ist, und die Vermählung mit der Erzherzogin Maria Louise war ja nicht nur au» Gründen der Politik und in d«r Absicht geschehen, mit einem der ältesten und vornehmsten Herrscherhäuser Europa» «er- wandtschaftltch verLunden zu sein, sondern auch in der Hoffnung, daß durch «inen Sohn die Thronfolge in direkter Linie gesichert werd«. Mit d«m stolzen Tit«l KönigvonRom kam da» Knäb- lein zur Welt. G» lag in goldener Wieg«, e» war gebettet in Spitzen, «, wurde ebenso wie di« Mutt«r Lesungen in hochtön«n- den Versen, di« all« ackf den Refrain hinausliefen, daß nun erst da» Glück der Franzosen vollkommen s«t. vor allen aber strahlt« in Freude der Kaiser, und überall, wo die Macht de» Korsen ge- Lot, mußten Freudenfest» g«f«t«rt werden — auch auf deutscher Erde. Und wenig« Jahre später? Der Schrecken Europa» war enthront, di« Franzosen waren von deutschem Boden abgezogen, wa» an die Fremdherrschaft erinnerte, wurde ni«dergerissen, da» französische Volk aber jubelte in Massenaufläuftn und in schwung vollen Dithyramben Ludwig XVIII. zu — an den kleinen König von Rom dachten nur noch wenige Menschen. Man ist versucht, mit Horaz zu rufen: Oät prokin uw vnlgue! Der stolze Titel: König von Rom, wandelte sich alsbald Mr da» Kind, dar nach dem Willen de» Vater» der Beherrscher der Welt «erden sollte, er neuernd das alte Imperium, in den schlichten Titel: Herzog von Reichstädt. Anfang, gedachte man, ihm «ine kleine Krone in Aussicht zu stellen: setn«r Mutter Maria Louile war durch den Vertrag von sFontainebleau 1814 da» Herzogtum Parma mit dem Recht« zugesprochen worden, diesen Besitz auf ihren Sohn zu vererben. Aber auch au» dem Krönchen wurde nicht», denn auf Grund «tnes zu Paris am 10. Juni 1817 ge schlossenen Vertrage» der verbündeten Mächte wuä>« dem Kna- Len sein Erbrecht auf Parma zugunsten des Sohnes der Königin von Etrurien entzogen. Das gab den Anlaß, daß ihm sein Großvater Kaiser Franz Mr den Todesfall des Großher-og- Fer dinand III. von Toskana, eines österreichischen Erzherzog», die Herrschaft Reichstadt und die dazu gehörigen, ehemals Pfalz- bayerischen Domänen in Böhmen zustcherte und ihm 1819 den Titel «in«s Herzog» von Reichstadt verlieh. So war die Her- kunft de» Knaben unter dem neuen Titel halb und -alb ver hüllt. Al» Marta Louise im Frühjahr 181« nach Parma zötz, hielt man vorsichtigerweise den Sohn in Schönbrunn zurück. Vi«l H«r, und Gemüt hat diese Frau nicht besessen. Ihre jüngst ver- öffentlichten Brief« zeigen zur Genüg«, daß ihr das tragisch« Schicksal ihre» Gatten keinen großen Kummer bereitet hat. Nach Napoleon» Tode hatte sie nicht» Eiligere» zu tun, al, sich mit ihrem ObrrZofmeister, dem Feldmarschalleutnant Grafen von Net- perg, morganatisch zu v«rmähl«n — «in« Eh«, au» der «in Sohn, der Graf, später« FürstMontenuovo, hrrvorgegan- gen ist. Allzu tief ist ihre Zuneigung zu dem Sohn« au» «rster Ehe nicht gewesen, wenn auch anzuerkennen ist, daß andere harte Vorkommnisse aus Rechnung der M«tt«rnichschen Politik zu setzen sind. Einigermaßen versöhnend, weil mütterlicher und zärtlicher, ist ihr Verhalten später, besonder» in den L«idensiag«n de» Soh ne», gewesen. Ein Lichtblick in diesem Drama gewährt da, Ver- halten de» gutmütigen Kaiser» Franzel. Er halt« den Enkel ltebgewonnen, ließ ihn Tag Mr Tag stundenlang in seinem Ar beitszimmer spt«l«n, nahm seine Mahtzeiten, soweit « di« Re- Präsentation -»ließ, gemeinsam mit ihm ein, pflegt« ihn aus kleineren Reisen mttzunehmen, teilte mit ihm den Landaufent- halt und suchte nach Kräften alle kindlichen wünsche zu erfüllen. Da» hatte zur Folge, daß der Enkel Zeit sein«, Leben» dem Groß-