Volltext Seite (XML)
Mer Tageblatt MDZ Anzeiger Mr öas Erzgebirge MWrHPW mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblatt. Spnchstuo», »er N»»<>r«ion mit ftusnahm» Srr Sonntag« nachmittags 4—s Uhr. — L«l»gramm.si-r«ff», Lagebla« Meeygeblrg». r»n,si>r*ch«» SS. o«»m,a s,ft«uui>,«a sür unverlangt »lngesan-t« Manuskript« kann S««Shr nicht grlrijkt w«r»«n. Nr. 261. Montag» 10. November 1913. S. Jahrgang. Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Bei Santa Clara sind 700 Mann mexikanischer Bundestruppen von den Rebellen über- rascht und fast völlig vernichtet worden. In dem Krupp-Prozetz wurde derAngeklagteBrandt wegen Bestechung zu vier Monaten Gefäng nis, Direktor Eccius wogen Beihilfe unter Annahme mildernder Umstände zu 1200 Mark Geldstrafe verurteilt.*) * Das Verbot des norwegischen Bo^t-ages des Po'arforichers Amunds en wurde vom Regierungs Präsidenten in Schleswig aus gehoben. * Rußland hat die allgemeine Dienstzeit von 3 auf 3^ Jahre verlängert. * Di« Unruhen im Neukameruner Bozirk Sembe sind beendet. Bei den Kümpfen sielen zwei Polizei soldaten.*) -> Nähere» siehe an anderer Stell«. Die gestürzte Aorruption Also es ist selbst den Amerikanern einmal zu viel geworden! Der abgesetzte Gouverneur Sulzer war zwar kein Beispiel eines unschuldigen Martyriums, aber a's Mär. tyrer hat er schließlich doch gewirkt. Der Parteiboß von Tommany-Hall konnte zwar vor dem Disziplinargericht über seine aufsässige politische Kreatur triumphieren, muhte aber eine so gründliche Aufdeckung seiner eigenen Schwächen und Betrügereien über sich ergehen lassen, daß er nun selbst mit seinem politischen Anhang darüber zu Fall gekommen ist. Die Wahlen in New Pork bedeuten einen kräftigen Protest gegen die Geschäftsmacherpolitik wie Boß-Murphy und seine Spießgesellen sie schamlos genug getrieben haben. Die Schar der anständigen Wähler wollte doch endlich einmal wieder redliche Politiker statt habsüchtiger Beute jäger ins Amt befördern. Ob diese Lohre nun die Boßi- partei bessert oder dauernd unmöglich machen wird? Eine schwerwiegende Zukunftsfrage, di« man aber jetzt schon mit ziemlicher Sicherheit beantworten kann. Leider nicht in erfreulichen Sinn! Denn dafür mühte man auf das poli tische Pflichtgefühl und den idealistischen Eifer der anstän digen Leute rechnen können. Und das kann man nicht. Nicht als ob diese Partei der Anständigen moralisch nicht zuverlässig wäre. Nein, ihre Entrüstung ist durchaus ehr- lich und wird das immer bleiben. Aber)-- die Bequem lichkeit! Ja, wenn diese Bequemlichkeit nicht wäre! Die ist es, die ja auch in andern Ländern den Politikern des Diplornalen-Los. . Maädd.uck verhol«». Zur höchsten und vornehmsten Gesellschaft in einer Residenz gehören die Gesandten und Botschafter der frem den Mächte. Da sie als Vertreter der Souveräne oder der Staaten, die sie sandten, betrachtet werden, erweist man ihnen geradezu königliche Ehren. In Berlin wird -um Bei- spiel der neuernannte Botschafter zur Vorstellung beim Kai ser Lurch Hofequipagen in größter Gala mit Dorreitern und königlichen Lakaien auf dem Wagen abgeholt, um dem Kai ser sein Beglaubigungsschreiben zu überreichen. Der Bot- schafter und seine Gemahlin werden von der Kaiserin und allen Prinzen empfangen, und zur Einführung de» neuen Gesandten in die Gesellschaft veranstaltet das Hofmarschall amt in der Wohnung oder in dem Palais des neuen Bot. schafters ein Fest, zu dem das Hofmarschallamt die Einlad- ung'n ergehen läßt, um di« Mitglieder der vornehmsten Ge sellschaft dem neuen Botschafter vorzustellen. Der Botschaf ter und sein gesamte» Personal stehen auherhalb der 'Lan desgesetze; sie können nicht verhaftet, nicht verklagt werden. Und doch har dies« glänzende Stellung ihre Schattenseiten, das Los manches Diplomaten gestaltet sich recht traurig. So eben melden die Zeitungen von dem finanziellen Zusammen- bruch des Gesandten einer transatlantischen Macht, gewöhn lich find esfinanzielleSchwierigkeiten oder un- angenehm« persönliche Charaktereigenschaften, die ei nen solchen Vertreter fremder Staaten in schwere Ungelegen, heiten bringen. Ein amerikanischer Gesandter mutzte im vorigen Jahrhundert aus Petersburg abberufen werden, weil er sich dort leider den Trunk angewöhnt hatte und tagelang betrunken zu Bette lag, so datz alle Ge- schäfte stockten Der dunkelhäutige Gesandte einer exotischen Macht wurde vor einigen Jahren in Pari» beim Falschspitt ertappt und mußte natürlich schleunigst ebenfalls seinen Abschied nehmen. unerfreulichen Schlages die Wege zur Volksvertretung eb net. Di« Partei der Anständigen hat sich zum Siege über Tan.many-Hall aufgerafft, weil sie durch besonders schäd- lichs Vorkommnisse der letzten Zeit energisch aufgestörr wurde Leider aber steht hinter ihrer Entrüstung keine ent sprechende dauernde Willenskraft. Man rafft sich wohl ein mal, wenn man zu stark geärgert wird, zu einer größeren Aktion au". Aber im allgemeinen will man doch von der Politik nicht zu sehr belästigt werden. Man hat seinen Be ruf. sein Geschäft, sein« Vergnügungen und Privatinter essen, dr bleibt für die po'itische Betätigung nicht mehr viel Zeit übrig. Auch ist ja offensichtlich diese politische Beläti- gung nicht immer angenehm und sauber. Man kommt da bei mit zweifelhaften Elementen in Berührung, man setzt sich unliebsameä Mißverständnissen oder gar Verleumdun gen aus, da ist'» schon besser, man rührt das Pech garnicht erst an, um.sich nicht zu besudeln. Man schimpft in seinen vier Wänden oder auch im 1-auten Freundeskreis«, man blickt sehe von oben herunter, blickt von seinen höheren mo'a'ischen oder geschäft'ichem, wissenschaftlichen oder künstlerischen Standpunkten aus auf Kandidaten, Partei führer nnd Boße herab, und hält sich für zu gut, als daß man sich zur dauernden Befassung mit diesen politischen Jämme l-chkeiten erniedrigen könnte. Mit diesem Hochmut aber, der im Grunde genommen doch in der Bequemlichkeit weit mehr als in der edleren Seelenverfassung sein« letzte Ursache hat, rechnen gerade die Deschäftspolitiker. Und deshalb tröstet sich Tammany-Hall auch über die jetzige Niederlage. Es ist ja die erste nicht. Schn erzlich ist sie gewiß. So viele wackre Parteistreber und Entenjäger sitzen für ein paar Jahre einmal auf dem Trock nen. Das ist nicht angenehm. Aber man sieht über diese Jahre hinweg in eine bessere Zukunft. Aus den früheren fetten Jahren hat man so viel gerettet, daß man sich über die mageren schon hinweghelfen kann, bis wieder der Wech sel kommt. Und der wird kommen. Denn jetzt wird die Partei der Anständigen, mit ihren Erfolgen zufrieden, sich wieder in die Prtvatgemächer -urückziehen und den Ge- s ch ä f t s Politikern da» Feld wieder überlassen. Wo die ersteren mit lauter Gleichgültigkeit den Lauf der politischen Dinge von ferne sehen, setzen die letzteren ihre ganze Ener gie «in, um den Wagen wieder auf sein Geleise herüber zuschieben. Gerade weil ihnen Politik Geschäft und Lebens beruf ist, weil sie sie im Hauptamt und nicht im Nebenamt treiben, find sie der Pattei der Anständigen so sehr über legen. Man kann gewiß mit Gesetzen manchen Uebelstand abhelfen. Man kann vor allem die direkte Korruption et was schärfer strafrechtlich treffen, als das bislang in Ame rika der Fall ist. Am Wesen der Sache würde damit doch nichts geändert. Das sehen wir bei uns zu Lande. Denn seien wir keine Pharisäer; es ist auch in unserer Politik manches amerikanisch genug. Kennen wir sie doch auch, die Partei der Anständigen, der Vornehmen, die sich zu gut dünken, die Über dem vielen Schmutz in der Politik aristo kratisch die Nase rümpfen. D i e bessern auch bei uns kei nen Deut daran, datz di« Geilster zweiten und dritten Ran- Vor allem aber da» Geld, das Geld, das man be kanntlich nicht nur zum Kriegführen, sondern noch mehr in der Diplomatie braucht, es spielt im Leben eines Gesandten eine gar zu wichtige und oft traurige Rolle. Man sollte meinen, schon im eigenen Interesse zahlten die Staaten, die Gesandte und Botschafter entsenden, diesen Vertretern ge nügend Geld, um ihren Posten wahrzunehmen. Aber selbst ein so eminent praktischer Staat wi« Nordamerka be zahlt seine Gesandten und Botschafter miserabel und sorgt nicht einmal dafür, daß st« in eigenen Palais oder dauernd gemieteten Wohnräumen Unterkunft finden Andrew White, d«r als Vertreter Amerikas auch in Berlin erst Gesandter und später Botschafter gewesen ist, schreibt in seinen Erinnerungen: Die Vertreter der Vereinigten Staaten, die gewöhn lich mit unzureichenden Wohnräumen vorlieb nehmen müssen, die ihr« Stellung im Vergleich zu dmen anderer Staaten unbefriedigend finden und an Mitteln viel mehr verbrauchen, als di« Höhe ihres Salärs beträgt, sind gewöhnlich herzlich froh, wenn sie nach einem kurzen Zeit- raum irgendeinen Grund ausfindig machen können, wieder abzudanken. Ganz besonders ost hat sich das in Peters- bürg wiederholt. Dort ist di« Dienstzeit unserer Dertt«. ter stet» sehr kurz gewesen. Einige von ihnen haben drei oder vier Jahre dort ausgehalten; die meisten aber nur eine viel kürzere Spann« Zeit. Ein Gesandter blieb nur drei oder vier Monate dort, ein anderer gar nur vier Wochen. Wie hier eine Autorität verkündet, bezahlt Nordame rika sein« Gesandten so schlecht, datz nur sehr reich« Leute den Gesandtenposten annehmen können. Si« setzen in dieser Zeit von ihrem Privatvermögen mindesten» ebensoviel zu, al» ihr Gehalt beträgt. Deshasb ist auch di« Amtsdauer der amerikanischen Gesandten selbst in Berlin gewöhnlich sehr kurz, da die Leut« sich nicht ruinieren wollen. Auch in Bel l'- hat der nordomettkanifche Botschafter kein eigenes Va ges di« Politik machen. Zum Beweis dafür braucht man ja nur die heutigen Parlamente etwa mit dem der Pauls- kirche zu vergleichen. Gewiß dürf«n wir über Tammany. Hall kräftig urteilen. Vergessen wir dann aber nicht, auch in unser,.» Auge den Balken zu sehen. Deutschlanäs Seegettung. (Von unserem Berliner S-Mitarbeiter.) Nack einer Mitteilung des Reichsmarineamtes sollen zwei unserer größten Linienschiff« demnächst auf vier Mo nate eine Reis« nach dem Atlantischen Ozean an treten und be' dieser Gelegenheit nicht nur vor unseren west afrikanischen Kolonien, sondern auch in den Häfen von Südamerika die deutsche Flagge zeigen. Man wird diese Maßnahme allenthalben begrüßen, wenn man bedenkt, welche Freude es stets erregt, wenn im Auslands di« deut, schen Staatsangehörigen heimische Schiffe und deren Be mannung festlich empfangen können, ganz abgesehen davon, welchen Eindruck das Erscheinen deutscher Kriegsschiffe, noch dazu solcher neuesten Typs, bei der fremden Bevölke rung hervorruft. Tatsache ist, daß es mit der Entsendung deutscher Kriegsschiffe nach den Häsen des Auslandes im all gemeinen recht schlecht bestellt ist, 'weil wir für dies« Zwecke trotz aller Flottenvermehrung nicht genügend geeignetes Material zur Verfügung haben. Die Absicht der deutschen Marinwerwaltumg geht in erster Linie darauf hinaus, die heimischen Küsten zu schützen, alle weitergehenden Pläne sind trotz stürmischer Forderungen von Herrn von Tirpitz zurllckgewiesen worden. Tatsache bleibt es freilich ferner, daß man hinsichtlich der Vermehrung von Kreuzern grüße- ren und kleineren Tonnengehalts sich meist Beschränkung auferlegt mit dem Erfolge, daß unsere Auslandsstationen im allgemeinen sehr schwach besetzt waren. Die einzige Aus. nahm« bildet« Ostasien, wo allerdings die politischen Verhältnisse es erfordern, datz Deutschland mit einer Reih« von Schiffen stets zur Stelle ist, zumal die Entfernung noch so weit ist, daß eventuelle Nachschübe erst sehr spät eintref fen können, unter Umständen erst sogar, wenn die Entschei dung bereit» gefallen ist. Hier liegt zweifellos «in Man gel unserer maritimen Organisation vor, dem über kur öder laug doch einmal wird abgeholfen werden müssen. So sehr es an und für sich also erfreulich ist, daß zwei grohe Panzerschiffe in fremde Gewässer gehen, so ist dies doch auch ein Uebelstand, denn die heimische Flotte wird in ihrem Bestände dadurch geschwächt, zumal wir trotz aller Vermeh rung der Flotte wahrlich keinen Ueberfluß an Verteidi gungsschiffen haben. Nicht zu bestreiten ist ja, datz die bei den große» Panzerschiffe im Auslands einen erheblichen Eindruck machen und dadurch auch für uns werben werden, denn nichts ist so geeignet, eine Anschauung von der Macht Deutschlands im Auslands zu geben, wi« ein Hinaussenden unserer Kriegsschiffe. Aus diesem Grunde darf es ganz be sonders gut geheißen werden, daß man Schiffe des aller« neuesten Typs ausgesucht hat, um Deutschland in den fremden Gewässern würdig zu vertreten. Früher war da» terkommen; «r muß sich vielmehr mit vieler Mühe und Umständlichkeit eine neue Wohnung suchen und mit einem Aufwande von großen Mitteln aus eigener Tasche zur ReprA- sentation einrichten und möblieren lassen. Wenn aber auch andere Staaten als Nordamerika zu ihren Vertretern btt den Großmächten Persönlichkeiten aus den allersten Fami lien des Landes wählen, so geschieht dies nicht nur des halb, damit der Gesandte oder Botschafter einen klangvollen Namen hat, sondern auch, damit er eventuell imstande ist, aus eigenen Mitteln Geld zuzusetzen. Deutschland zahlt zum Beispiel seinen Botschaftern 80 000, 100 000 und 120000 Mark jährlichen Gehaltes, und doch kommen auch die deutschen Vertreter nicht immer mit diesen Summen aus und müssen aus eigenem Vermögen noch Aufwendun gen machen. Ein trauriges Los haben besonders in frühe rer Zeit, als unter der Willkürherrschaft des letzten Sultans die Finanzen in eine geradezu traurige Verfassung gekom men waren, die diplomatischen Vertreter der Türkei ge habt. Man ließ sie monatelang ohne Geld, sodaß zum Bei spiel vor einer Reihe von Jahren der türkische Botschafter in Berlin sich eines Tages kurz entschloß, nach Konstantino pel zu fahren und dort anzufragen, warum man ihn ohne alle Geldsendungen lasse. Der Grohwesir und der Sultan machten dem Botschafter di« schwersten Vorwürfe, weil er ohne Urlaub und vorherige Anzeige seinen Posten verlassen hatte. Aber der unglückliche Botschafter, der entschieden im Rechte war, erklärt«, er würde es auf einen furchtbaren Skan dal ankommen lassen und auf seinen Posten nicht zurück- kehren, wenn man ihm nicht sein rückständiges Gehalt aus zahle und Vorsorge treffe, datz ihm fortab regelmäßig die Gelder, die er brauche, zugesandt würden. Diese» energische Auftreten half; der Botschafter erhielt einen größeren Be trag ausgezahlt und fuhr wieder auf seinen Berliner Posten zurück. Selbst die Botschafter, die die deutschen Bundeefürsten untereinander au ihren Höfen rEerhalten, find zu einer