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Dienstag, 2S. November ISIZ. S. Zahrgang. Nr. 273. /luer Tageblatt mit -er wöchentliche« Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblatt. Sprechstm»-» »er de-aktt»« mit fiusnahm« »er Sonntag, nachmittag« 4—s Uhr. — Lriegramm-fl-ress» r tragebla« ftueerzgedtrg». gerusprecher«. a«hm,a ÄsteUun^« «nt,«,«" Zilr unverlongt ring»fan-t» Manuskript, kann Smvtihr nicht gelastet wrrbm. e«> -i- fpit» »»«I» ti» «kjcheinunttwnf, num «Ich" -«leistet »«an »I« Nufaad, te» 3«/,rate» »urch remspeeche» «ck»l-t »ter »«, Maouskript «Ich» »eutUch ie»t« ist. »»« Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Der Kaiser hat von dem bayerischen Gesandten, Gra fen vonLerchenfeld, die Anzeige der Thron- besteigung König Ludwigs III. in feierlicher Audienz entgegengenommen. * Der Bundesratsausschuh für auswärtige An gelegenheiten ist in Berlin zusammenge treten. » Die Berufung des Eerichtsherrn im Erfur ter Reservistenprozeh ist zurückgezogen worden. In Karlshorst überfuhr ein.Probezug eine Rot e Bahnarbeiter. Sieben Arbeiter wurden ge- tötet, einer schwer verletzt.*) * Der Sultan hat denFrieden » vertrag zwischen der Türkei und Griechenland ratifiziert. -I lNLHere« sieh« an anderer Hell«. Reichslagsbeginn. Es ist ein Nachteil der Parlament«, dah da», worü ber sie beraten, selten, so ne« sein kann, wie da», was in den Zeitungen steht. Sie müssen im Anfang einer jeden neuen Tagung mit dem Material dringender Arbeiten auf räumen, das sich seit der letzten aufgeschtchtet hat, und dabei läßt sich zu den von der Presse längst eingehend behandelten Gegenständen selten mehr viel Ergänzendes sagen. Aber auch nachdem diese Dinge erledigt sind, findet sich nicht oft Ge- legenhett, etwas zur Sprache zu -ringen, was nicht schon vorher durch die Presse Gegenstand öffentlicher Aufmerksam keit geworben ist. Nun kann freilich di« Presse nur Gesetze anregen, das Parlament aber solche beschlichen. Aber vor vielem Reden kommt man wenig zum Handeln,' die gesetz geberischen Mühlen klappern immer betriebsamer, aber es kommt immer weniger Mehl hervor. Nach fünfmonatiger Pause tritt der Reichstag am heutigen Dienstag wieder zu sammen. Der Tagungsabschnitt vor Weihnachten wird wohl reichlich durch Reden ausgefüllt werden. Bei der Les- ung des Etats oder anläßlich besonderer Interpellationen oder Petitionen wird zur Sprache kommen, was sich in den Ferien an politischem Stoff angesammelt hat, oder was die Parteien aus besonderen Gründen erörtert zu wissen wün. schen. Di« Petitionen berühren einige interessante Zeit fragen. Die Forderung nach Maßnahmen gegen das Heber- handnehmen der Warenhäuser, Filialen, und Konsumvereinen, sowie die einer Besteu erupg der Konsumvereine und eines Verbotes der Beam- tenkonsum vereine, schließlich die Frauenein gabe wegen Gewährung des aktiven und passiven Wahl rechts, könnten Stoff zu interessanten Debatten liefern. Erfolg garantiert! Humoreske von Max Dürr. Nachdruck v-rdat«n Manche Ehe wird zerrüttet durch die maßlose Spiel leidenschaft des Mannes. Aus diesem Laster entsteht mehr Unheil, als man gewöhnlich denkt. Sichere Me thode zur gründlichen Abgewöhnung! Ohne Zwang, ohne Wissen des Mannes! Garantierter Erfolg in ein bis zwei Monaten! Honorar bet Nichterfolg zurück. Man wende sich vertrauensvoll an Frau Gutekunst, Großprttschen, Postfach 8. Erna legte ihre Frauenzeitung auf den Tisch und ver sank in tiefe» Nachdenken. O Gott! Die 'Spielleidenschafti Das verdüsterte Gesichtchen wurde noch um eine Nüanee düsterer. Die dunklen Augen erhielten einen feuchten Schimmer. Eine unglückliche Ehe? Oh nein! Eig'.ntltch nicht. Aber es ist doch nicht zu verwundern, dah eine klein« junge Frau auf trübe Gedanken kommt, wenn der Mann zum Skat geht. Das war'»! Mitten in den rosigen Glanz der Flitterwochen — sie erstreckten sich nunm«hr auf den fünften Monat — fiel plötzlich «in dunkler Schein, bewölkte sich der Horizont. Als nämlich Kellmut erklärte, er müss« heute abend unbedingt -um Skat. Man will doch auch ein- mal wieder Skat spielen. Al» ob da» Skatspiel eine Lebens bedingung wär«! Ja, die Leidenschaft, di« Spielletden- schäft! Tränen hatte «» keine gegeben. Dazu war Erna viel zu stark. Aber man hat doch kein« Freud«, wenn d«r Mann -um Skat geht und die Frau zu Hause fitzen läßt. Man hat so viel Zeit zum Nachdenken, wenn man allein ist. Zum Beistriel, ob ein Mann, der Skat spielt, überhaupt noch liebt. Zweifellos et« fahr ernst« Sach», dachte Erna. z Es -st aber auch möglich, daß alle diese Ant'äge sang- und klanglos na'ch den Vorschlägen der Petitionskommission dem Reichskanzler als Material oder zur Kenntnisnahme über wiesen werden. Man wird im Reichstage gewiß auf die braunschweigische Frage zuvückkommen, aber ir gendwelche neu« G klärungen find dabei nich» zu erwarten. Ebenso dürften die Vorfälle inZabern erörert wer den. sie bedürfen ja zweifellos noch einer amtlichen Klar stellung. Das was bisher darüber mitgetellt worden ist, genügt nicht, um sich in den verschiedenen verantwortlichen Darstellungen zu-echtfinden zu können. Di« Regierung darf in einer solchen Frage nicht di« Zügel am BSven schleifen lassen Zu den ersten Deratungsgegenständen des neu zusam- menrretenden Reichstages wird das Spionagegesetz ^ebören. Gelegenheit zu leidenscha'tlichen Auseinandersetz ungen wird diese Materie gewiß nicht bie'en. In bezug auf d e Vorschriften de» 8 S dürfte man verhältnismäßig leicht zu einer Verständigung gelangen, nachdem in den maß« gebenden Regierungskreisen ihre Aenderungsbedürftigk«it schon zugegeben worden ist. Die Presse dürste also vor einer neuen Einengung ihrer verantwortungsvollen Freiheit be wahrt bleiben. Recht lebhaft mag sich die Besprechung der sozialdemokratischen Interpellation wogen Einführung einer Arbeitslosenversicherung de» Reiche» gestalten. Gewiß wird dabei da» sozialdemokratische Agi» tationsbedürfni» wieder Orgien feiern. Hoffentlich werden die Redner der bürgerlichen Parteien es nicht versäumen, den Genossen mit gebührender Schärfe vorzuhalten, daß sie selbst durch ihre Politik einer endlosen sozialpolitischen Be lastung der schäftenden Stände viel zur Vergrößerung des Ar-eitslosenleids beitragen. Solange die Parteien der Linken e» nicht einsehen, das völlige Freizügigkeit sich mit einer Verantwortlichkeit der Allgerneinheit für da« Schick sal der Arbeitslohn, in Jndustriegegenden nickt vereinbaren läßt, wird sich schwerlich eine Verständigung über das schwie rige Problem erzielen lassen. Indem man einfach Arbeit-« los« in Staatsrentner verwandelt, schafft man mehr neue Arbeitslosigkeit, al» alte beseitigt wird; denn die erfordere lichen Mittel fehlen natürlich der Dolkswirtschast immer ir- gendwo und -wann bei der Beschaffung neuer Arbeitsge legenheiten. Ohne große Schwierigkeiten wird die kom mende Reichstagstagung wohl da» Gesetz über die Ju gendgerichtsbarkeit verabschieden. Weniger glatt dürfte es bei der zweiten Lesung desKonkurrenzklau- selgesetze» und der Petroleumvorlag« abgehen. Noch vor den Weihnachtsferien sollte über die Ungüttig- kettsbeschlüsse der Wahlprüfungskommission entschieden wer den. Die Zahl LerunerledigtenWahlprUfungen hat sich zu nicht weniger al» 14 angehäuft. Es find darun- ter mehrere Mandate, die zweifellos kassiert werden müssen. Auch di« Frage desArbettswilligenschutzes heischt dringende Erledigung, aber es wird wohl eher damit zu rechnen sein, daß die sozialdemokratische Interpellation über den Ausschluß Les Abg. Liebknecht aus der Rüstungskom- Mission Anlaß gibt, den Krupp-Klatsch nochmals zu ei nem Panama aufzubauschen, al« daß sobald wieder Taten in der Hall« der Wiederholungen zu erwarten wären. Goläene Jubelfeier äes Bürgervereins vsn ir-r, r. T, ru -liie. Die fünfzigjährige Geschichte des Lürgerverein» Aue hat bewiesen, daß dessen Gründer ein klare», offe nes Auge hatten für die Bedürfnisse der Bürgerschaft, daß fie rechtzeitig erkannt haben, wie eine Vereinigung gut gesinnter, vaterländisch denkender, ihre Heimat liebender Bürger imstande fein müsse, zum Wohle der S'adt zu wirken. Wäre das nicht immer in jedem einzelnen der SO Jahre der Fall gewesen, dann ständen wir heute nicht als Gratulanten vor dem Verein, um ihn zu seinem 60. Geburtstage zu beglückwünschen. Dann wäre er sicher schon in jungen Jahren, vor der Blütezeit Aue», mit der Vergangenheit gestorben; so aber, indem «r hinüberzuwechseln vermochte au» der alten Zeit in die neue, war seine Lebenskraft besiegelt. Immer mehr erstarkte fie, der Stamm de» jungen Bau me», der vor 60 Jahren gepflanzt worden war, wurde immer kräftiger und umfangreicher, Zweig setzte sich an Zweig, weitau» griff die Krone de» Baume», um zum Sinnbild zu werden für da» Bürgertum Aue». Mit leuchtendem Beispiel ging der Verein in allen Fragen der Stadt der Bürgerschaft voran, fie schart« sich a«rn um sein Banner, der Verein wurde zu einem sKern der Auer Einwohnerschaft, zu einem Mittelpunkte de« Leben» in der Stadt. So soll, so müß e» -leiben! Mit diesen Worten schließt die Festschrift, die der Bür- gerveretn anläßlich seiner goldenen Jubelfeier h«rau»g«ge-en hat, und wer gestern dem großen Jubiläumsmahle im Engelsaal« beiwohnte, der muhte die Ueberzeugung gewin nen: e» ist damit nicht zu viel gesagt worden. Di« un gemein zahlreiche Teilnahme an dem Festmahle bewt«» es, daß der Bürgerverein einen Mittelpunkt de» Leben» in unserer Stadt bildet und da» Erscheinen der Vertreter unse rer städtischen Behörden in ansehnlicher Zahl sprach deutlich dafür, in welch hoher Achtung der Verein steht. Der Fest saal war prächtig dekoriert, ein Werk der Herren Richard Mühlmann und Hugo Braun. Herr Mühlmann hatte Em bleme und Wappenschilder eigens gemalt, di« sich von den gelb-blauen, weiß-grünen und schwarz-weiß-roten Draperien wirkungsvoll abhoben. Ueber der Bühne prangte auf blu migem Hintergründe das Stadtwappen, links u, recht» davon die Erinnerungszahlen 1863 und 1S13 und darunter in gol dener Schrift die Jubiläumszahl SO. Die ganze Dekoration war geschmackvoll mit Tannenreifig und Stadtwappen ab gesetzt, rechts und links auf der Bühne hatten inmitten von Blattpflanzen die Büsten des Kaisers und König» Ausstel lung gefunden; und links der Bühne schillerte auch da» Vereinsbanner in seiner vielseitigen Farbengebung. Den Saal füllten vier große Längs- und eine Quertufel, nah- men doch mehr als 200, Personen, Damen und Her ren, an der Festtafel teil. An der Ehrentafel hatten mit Herrn Bürgermeister HosmaNn die Ehrenmitglie - de r des Bürgervereins Platz genommen, daran anschließend Und Heimlichkeiten hat er auch noch. Als ob ich nicht ge- sehen hätte, daß er verstohlen «inen ganzen Taler etnschiebt! Man höre, einen Taler! Erna rechnete: Wozu schiebt «r einen Taler ein? Vier Gläschen Bier macht sechzig Pfen nig, fünf Pfennig Trinkgeld — unter fünf Pfennig tut'» ja der Mann nie! >— macht fünfundsechzig. Also nimm! Hellmut in Aussicht unter Umständen zwei Mark fünfund dreißig Pfennig zu verspielen! Da» ist ja eine gräßliche Verschwendung! Wenn man bedenkt, was man sich für Liese» Geld alle» Nützliche anschafien könnte! Zwei Pfund Fleisch oder «inen Haarreif oder ein« kleine Buttermaschine oder Pralinees für ein« ganze Woche. . . Si« hatte gar nichts gesagt. Oh, Erna war stark! Jetzt aber la» sie das Inserat. War da» nicht «ine wunderliche Fügung, daß ihr gerade das Inserat ins Auge fiel, nachdem Helmut zum Skat gegangen war? Mit der ihr eigenen Energie fitzte sich Erna an den Schreibtisch. Andere Frauen hätten vielleicht an Mama geschrieben, ihr Herz ausgeschüttet. So 'was machte Erna nicht. Eie machte alle» selbst. Erna war auch praktisch. Am Anfang geht es noch nicht so schwer, das Uebel au»zurotten. Die Leidenschaft ist noch nicht so eingewurzelt. Und sie hatte recht. Während des Schrei bens hellte sich ihr rosige» Gesichtchen bedeutend auf. Denn ersten» kamen ihr über der Anstrengung de» Scheiben» die dummen Gedanken ein bißchen au» dem Kopf. Sodann war e» dock auch ganz reizend, einen kleinen heimlichen Brief wechsel anzuspinnen, wenn der Mann -um Skat ging. Und dritten» war «sie sehr neugierig, wa» kommen würde . . . Hellmut «ar erstaunt, wie fidel Erna «ar, al» er heimkam. Sie war doch ein gute» Weibchen! Hast du viel verloren, Männchen? Am Gegenteil. FünfundsieSzig Pfennig ge wonnen. Davon bekommst du die Hälft«, «eil du mein lie be», süße» Kerlchen -ist. Ich? Die Hälft«? Achtunddr«ißig Pfennig? «rnachm» Aatschte in di, Häiü>e. -er damit! Als Ernachen die Antwort aus Großprttschen, Postfach Nr. 8, erhielt, war sie einigermaßen verdutzt. Nämlich über den Ratschlag und die sichere Methode, und auch darüber, daß die Methode unter Nachnahme kam. Da» wies entschie den auch wieder auf Methode hin. Zehn Mark vierzig Pfin nig. An so gräßlich viel Geld hatte Ernachen nicht gedacht, aber den Postmann konnte man doch nicht avwetsen. Wa» hätte er gedacht, wenn fie die Nachnahme nicht einlöste? Aber gut, daß da» Männchen gerade nicht da war, al» der Postmann kam! Gnädige Frau! Erklären Sie Ihrem Gemahl, dah Sie selbst das Skatspiel lernen wollen. Daß Sie zu Haus« spielen wollen. Laden Sie einen Freund ein. Gr wird, er kann es nicht ablehnen. Sie spielen einen Abend meh rere Abende. Sie werden sehen, wie sein Interesse an dem Spiel abnimmt. Schon die Tatsache, mit einem An fänger spielen zu müssen, wirkt lähmend auf d-n leiden schaftlichen Spieler. Verlieren Sie, so kann er Ihnen doch kein Geld abnehmen. Verliert er, so verzichten Sie auf den Gewinn. Dann hat aber das Spiel keinen Retz mehr für ihn und wenn er der stärkste Spieler ist! Und schließlich. . . Al» Frau Erna so wett gekommen war, erglüht« fie vor Scham und fie knitterte den Brief zusammen. Nein, so 'was war ja gemein! Aber nach einer halben Minute glät tete fie ihn wieder und la» ihn zu Ende. E» stand auch nicht mehr viel drinnen, nur noch «in paar Zeilen. Und schließlich wird er eifersüchtig. Gnädige Fra«! So habe ich meinem Mann da» Skaten «-gewöhnt! Hun derte von unseren Leidensgenossinnen haben da» Mittel mit Erfolg angewendet. Da» Mittel ist probat! Am Ende ist e» doch nicht so dumm, dachte ErnL Und die «eise Frau in Großpritschen, Postfach Nr. 8, hatte recht. Es «ar ein denkwürdiger Lag in der junge« GH«, al» Erna