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Mer Tageblatt Anzeiger Mr das Erzgebirge mit -er wöchentliche« Unterhaltungsbetlager Mer Sonntagsbla«. -pnchssu«», »» Nr-akti»« mit stuenah«, »„ r«mta-e nachmittag» 4—» Utz». — rp^nunm-st-epst» LagMa« stnwzgwpge. stwstwch« 4». gä» onvttlangt Mg»stm»t» Manuskript* kann -«Sh» «lcht g*l*isk*i vxw«. Nr. S. Freitag» 9. Januar 1914. 9. Jahrgang. Dies» Nummer umsaßt 10 Setten. Das Wichtigste vom Tage. Der preußische Landtag tvurde gestern im tvei- ßen Saal« de» königlichen Schlosse» mit einer vom Ministerpräsidenten verlesenen Thron- rede «rvssnet. Im Straßburger Prozeß stellt« der Krieg»««, rtchisrat den Antrag, den Oberst von Reut, ter wegen Freihettsberaubung zu st«, ben Lagen Gesängni» zu verurteilen und Leutnant Schad zu drei Tagen Gesängni».*) Die albanische Deputation, di« dem Prinzen zu Wied entgegenreist, um ihm die Ueber- nayme de» albanischen Throne» anzubieten, ist in yari «ingetrossen. * Der oberste Rat de» türkischen Kriegsmini sterium» ist ausgehoben worden. Ferner soll auch eine genaue Sichtung de» jüngeren Os- siziersstande» ersolgen. Die Bank von England hat ihren Diskont um V, Prozent aus 4V, P«rz«nt herabgesetzt. Die Verhandlungen zwischen der englischen Re gierung und den Führern der Unionisten in der tzomerulesrag« sind gescheitert. -> an and.r.r Der Hecht im Aarpfertteich. Es wäre gewiß /für den .bewährtesten politischen Propheten eine unmögliche Aufgabe, dem neuen türkt, schen Kriegsminister das Horoflvp zu stellen. Mit ei ner Tollkühnheit ohnegleichen hat der 33- oder, wie an dere behaupten, erst 31jährige Haudegen Enver nach seinem Regierungsantritt nichts eiligere» zu tun gehabt, als den Chef des Generalstabes und 280 andere Generäle, Oberste und Oberleutnants zu pensio nieren. Er hat damit durchgesetzt, Wa» die verwegen sten Köpfe unter den Jungtürken schon vor vier Mona ten planten. Damals erschien im Tanin ein Artikel, worin alle Schuld an den türkischen Niederlagen im er- sten Balkankriege den alten Pascha» zugeschrieben Wurde, die die türkischen Divisionen anführten. Damals konn ten es die angeklagten plten Deneräle und Stabsoffiziere noch durchsetzen, daß ihnen die Regierung durch eine zeitweilige Unterdrückung des Tanin, des Organe» des fast ausschließlich jungtürkischen Kabinetts, Genugtu- Cin Gottesurteil. Skizze von Hedda v. Schmid. lRaaw! » r"ni .) Dom ersten Augenblick seiner Verhaftung an war es Dimitri Kriwluks fester Entschluß gewesen aus Libi ien zu entfliehen. Unzähligen anderen war diese Flucht ge glückt, das hatte er häufig erzählen gehört — warum also sollte es ihm nicht auskommen? Und wenn nicht, dann lieber aüf freiem Felde elend verenden oder im Dickicht des sibirischen Urwaldes wie ein abgehetztes Tier den Tod fin den. Nur keine GefangenschaftI Dimitri Kriwluks ukrai- irisches Mut schäumte dagegen auf. Seine Vorfahren, Ukrai ner Bauern, hatten gegen die Türken gekämpft vor langen Jahren, hatten bei Poltawa di« Schweden besiegen geholfen. Und ihn, den freien Sohn der Ukrainer Steppen hatte man in Ketten gelegt. Fünf 'Jahre Bergwerk — Dimitri schau dert, wenn er daran zurüWenkt. In seinen Träumen in der Gefängniszelle hat er di« ferne Ukraine geschaut, hat da hohe Steppengras im Winde wehen gesehen wie «in grüne», uferlose» Meer - -- die Nachtigall hatte im Flied-rbusch im Gärtchen seiner alten Mutter geschluchzt... Ob sie wohl noch am Leben war, di« gromgebeugte, all« Frau? Mit zitternden Händen, Vlind vor Tränen, halt« st« den Sohn gesegnet, der in Sträflingen«tdern, gefesselt vor ihr gestanden. All« guten Gefühle, deren Dimitri fähig ist, er- wachen in ihm, sobald er feiner Mutter gedenkt. Da» Lied der Nachtigall erklingt vielleicht fetzt im Frühling auf ihrem Grabhügel, Wer den sich «in Strauch mit rotem Beeren neigt. Wonnig waren jene Träum« tn der Ge fängniszelle gewesen, um so furchtbarer jedoch das Erwachen au» ihnen. Hinaus in di« eisig« Morgenluft, getrieben, an- gekettet wie ein Stück Vieh — war er dem wirklich «in Mörder? Gr wußte «» ja selber nicht. Gr hatte vor Ge richt bi» zum letzten Augenblick geleugn«t. di« Tat mit vor- bedacht begangen zu hoben. Aber da waren Zeugen ge- ">"sen. di« von ihm ausgestoßene Drehungen gehört halten E» war schon richtig, er hatte sich nie ganz in feiner Gewalt ung leistete. Aber da» war vielleicht nur darauf zurück« -»führen, daß der Fried« von Konstantinopel nvch nicht abgeschlossen war. Jetzt ist der rücksichtsloseste Draufgänger, über den di« Jungtürken verfügen, an di« Spitze de» Krieg»Ministerium» gelangt, und er wagt nun da» Experiment einer radikalen Verjüngung d«» Offt- zterskorpe. wird er sein vermögen nicht überschätzt ha ben? werden die vielen Generäl« und Stabsoffizier«, die sich plötzlich zur Machtlosigkeit und Untätigkeit ver urteilt sehen, nicht mehr über genügend Einfluß im Lande verfügen, um di« Maulwürfe in Tätigkeit zu st. tz«n, die ihr« Stellen in kurzer Zett unterhohlen könn ten ? Di« Zahl d«r Jungtürken, di« nicht nur auf West europäisch« Art r«den, sondern ebenso handeln und ar. betten können, ist verschwindend gering. Enver Pascha wird ab«r rasch« Erfolge al» Reorganisator erzielen müssen, Wenn ihn di« Gunst de» türkischen Volke» für längere Dauer vor den Umtrieben seiner Gegner ret ten soll. Einstweilen wirkt er durch sein« frische Initiative wie «in Hecht im Karpfenteich. Gewiß auch im Be reiche der türkischen Zivilverwaltung. Wer sich im Deer oder in ber Bürokratie zu behaupten ver mochte, wird sich vom alten Schlendrian lo»sagen und sich tuMmeln Müssen, um nicht doch bald in» Privatleben zu verschwinden. Die Wirkungen der Ernennung En ver Pascha» zum Krieg-Minister reichen aber über da» ottomanische Reich htnau». Daß sein Vorgänger Iz zet Pascha nun fitt sein« albanischen Plän« die Hände stetbekommen hat, Wirkt Wie «in« Verpflanzung de» Enverschen Plan«» nach Albani««. Da» italieni sche in Konstantinopel Erscheinend« Platt La Turqui« be stätigt, daß Izzet tn Durazzo zum Fürsten von Al banien au-gerusen Worden ist, und Wenn nun zugleich über Wien bekannt Wird, daß di« provisorisch« Regierung Wer Balona den Belagerungszustand verhängen mußte, so braucht man nicht mehr daran zu zweifeln, daß sich in Albanien «tn Wichtiger Umschwung im Sinne einer Wiederbelebung de» mohammedani schen und türkischen Einflusses vorbereitet. Und Wa rum kommt jetzt plötzlich die Jnselfrage so rasch tn Fluß? Aus einmal wird verkündet, daß sich die Mächte des Dreibund«» und de» DreiverbarckeS darü ber einig seien, di« Inseln Chios und Mhtilene, Vie zu«, -eit von Griechenland besetzt gehalten Werden und auf die die Türkei Anspruch erhebt, den Griechen zuzu erkennen. Sollte diese Verständigung nicht der gemein samen Furcht der Mächte entsprungen sein, daß, wenn man noch lange mit der Einigung zögere, der tatendur. stige Enver Pascha versuchen Möchte, den gordischen Kno ten dieser Frage Mit dem Schwerte zu lösen? Jetzt darf man noch hoffen, daß die Türkst sich in ihr Geschick fü gen, daß es Enver Pascha noch nicht wagen könnte, die gehabt, nun mußt« er dafür büßen. Die Geschworenen, zum größten Teil Dauern au» seinem Heimcrtsdonf, hatten ihr Schuldig Wer ihn gefällt. Sie kannten ihn ja von kle-nauf, wußten, wessen er in seinem unbändigen Jähzorn fähig war. Ein Mord aus Eifersucht I Er hatte Ljuba, feine Braut, im Veibacht gehabt, daß sie ihn mit einem anderen hinterging, da» Verlöbnis mit ihm lösen wollte. Da hatte es ihn wie rasend gepackt — rot war es ihm vor den Augen geworden — dann wiederum pechschwarz, wie dichter häßlicher Nebel — er hatte die weiße Kähle des Mädchens mit seinen ner- vigen Fäusten umspannt — und als «r, plötzlich ernüchsrt, von jähem Grausen geschüttelt, den eisernen Griff gelöst, da war Ljuba entseelt in das tauige, duftende Steppengras gesunken. Alle hatten sie ihn Mörder genannt im Dorf, sich Mit Abscheu von ihm abgewendet —> nur seine alte Mutter nicht. G» war der Teufel in dir. mein Sohn, der Jähzorn, die Wildheit, Vie dir im Mut steckt, mein armes Kind, HÄte ich Vich lieber nicht geboren ! Nimm dein Kreuz in Demut aus dich, Dlwttri, bereue, büße, Gott mag vir gnädig oevgeben, ich werd« Mr vich beten, hier und droben im Himmel. Die alte Frau hatte das Zeichen des Kreuze» über den Sträfling gemacht -- An sein« Mutter hatte Dimitri gedacht während der gefahrvollen Flucht au» dem Bergwerk. Taufend« von Meilen hatte er zwischen sich und j«n«m furchtbaren Ort gelegt. Zu zehn Jahren Zwang», arbeit war «r verurteilt worden — nun nach Mr Hälft* ver- Vüßttr Strafzeit war er frei — vogelfrei. Jeder, d«r ihn erkannt«, könnt« ihn vechaften lasten, und dann würde er zurück müsstn in die Hölle. Mein« Mutter betet für mich, di« Flucht wird Mr gelingen, dieser Gedanke gab ihm neu« Kraft, wenn er meint«, nicht weit« zu können. Gr hatte sich einen gefälschten Paß zu verschaffen gewußt, und so ge- langte « unter fremdem Namen nach Weißrußland. In den Dörfern dort trugen die Ebereschen großen veerenbüschel, «atz iw voÄsabeuglauben so viel bedeutete, daß e» im nächsten Frühjahr keine heiratsfähigen Mädchen mehr in der Gegend geben würde — alle würden im Lauf« de» Winters unter di« Haube kommen. Rach den weih- nachtsfasten begann ja die Zeit der Hochtzettsseft«. Jetzt, Türkei zu neuen kriegerischen Abenteuern mit sich stutz- zureißen. Fragt sich nur, ov End« Pascha auf seiner abenteuerlichen Lau Wahn noch «tnhasten und nicht plötz lich mit der Zukunft seine» Lande» da Vanque spielen muß, um nicht plötzlich von sein« neuen Machtstellung tn völlige Bedeutungslosigkeit zu versinken, denn iver au» stlcher Höhe stürzt, hat in d«r Regel alle« Glück für fernere» Enchorstmmen verspielt. vefsentl. Staätverorcknetenfltzimg zu Kue. O Die erste öfstntttch« Sitzung der Stadtverordneten zu Aue in diesem Jahre war sür aqtern nachmittag S Uhr nach dem StadtverordnetenDunassaale etnberufen worden. Erschienen waren dazu 28 Mitglieder de» Kollegium» und 7>'ißerdem fünf Ratsmitglieder. Da Vie Stadtverordneten- oonsteher erst mu zu wählen waren, lag die-Leitung der Verhandlungen anfangs tn den Händen des Herrn Bürger meisters Hofmann. Dieser gab zunächst, einer alten Sit e treu bleibend, einen Rückblick Wer Vie wichtigsten Vorgänge in der Stadt Aue im Jahre ISIS, den unser« Lsser im Wortlaut an anderer Stelle dieses Mattes finden. Nach'den interessanten dreiviertelstünVigen und mit lautem Bravo aufgenommenen Ausführungen des Herrn Bürger meisters Hofmann wurde eur Wahl der S avtvrrordnetenvorstcher verschritten. Ms ersten Stad verordne envor- steh « r schlug Heu Lederer vor, Herrn Fustizrat Rechts anwalt N aab« wiederzuwählen, der die Verhandlungen stets unparteiisch und gerecht geleitet hat. Daraus wurde Herr Justizrat Raabe auch einstimmig durch Zu- ruf wiedergöwähtt und er nahm dankend die Wahl an, um sodann den Vorsitz zu übernehmen. Die wetteren Verhandlungen leitete er ein mit einem Glückauf dem Jahr« 1914 und der Stadt Aue. E» folgte di« Mahl ,de» ersten Stellvertre ter». Herr Weih schlug vor, Herrn Bär wiederzuwäh len, desgleichen Herr Roßner, während Herr Zettas Herrn Gerlach in Vorschlag brachte. Die durch Stimm zettel vorgenommene Wahl ergab folgende» Resultat: Herr Bär 12 Stimmen, Herr Gerllach S Stimmen, Herr Gaedt eine Stimme und drei Stimmen waren ungültig. Damit war Herr Bär wiedergewählt, der die Wahl eben falls annahin, Für den Poften de» zweiten Stellvertreter, brachte Herr Zettet Herrn Getlach abermals in Vor schlag, Herr Weih empfahl die Wiederwahl de» Herrn Gaedt. Es must« Mo auch hier der Stimmzettel ent scheiden mit folgendem Ergebnis: Herr Gaedt 10 Stimmen, Herr Gerlach 14 Stimmen, «in Zettel war ungültig. Ge- oählt war somit Herr Gerlach, der sich «Lenfall» zur Annahme der Wahl bereit erklärte. wo die Feldarbeit ruhte, wo der Schnee wie ein undurch dringlicher Wall sich um die Dorshütten türmte, wo Väter chen Fräst nächtlicherweile durch die Wälder schritt, wo unter seinen Tritten jegliche» Läden erstarrte, konnte r..an die Heiratsvermittlerin auf Vie Bauerngehöfte senden, so bald man freien wollte. Das aste Weiblein sagte alsdrnn, sich vor den Eltern der begehrten Braut tief verneigend, den hergebrachten Spruch auf: Ihr habt eine Ware — und ich habe einen Käufer, laßt uns sehen, ob wir handelseinig werden. Seit dem Herbst de» Jahres hauste Dimitri in Lapino, so hieß das Dorf, das von hohem, waldigem Ufer auf den Dnjepr hinabschaute, der tief und reißend vorüber strömte. Der entwichene Sträfling hatte Glück gehabt, -ei einem wohlhabenden Bauern war er als Knecht unterge- kommen. Er schaffte für zwei, denn er spürte Riesenkräfte, nun, wo er nicht mehr da« entsetzliche dumpfe Geklirr der eisernen Fesseln vernahm bet jeder Bewegung, nicht den mürrischen Anruf de» Aufseher«. Abends in der wrimen niederen Stube, wenn draußen der Echneesturm sein Un wesen trieb, wenn da» rote Licht der ewigen Lamp« vor dem Heiligenschrein tn der Ecke durch da» Zimmer geisterte, dann fang Dimitri di« alten schwermütigen Lieder seiner ukrai nischen Heimat, und die Tochter seine» Brotherrn, Vie blond« Xenia, hing an feinen Lippen ... Gi, wie das Lied jauchzte: Und frei, Koftckin würde ich sein, Und tanzte aus grünendem wiesenrain, Und jagte auf schwarzem Roh daher, Ein Donscher Kosake mein Ltsbster wär' .... Der Mond schaut« zu, wie sich di« beiden, Xenia und Dimitri, unter den «sißberefften Tannen hinter der Hütte küßten. Hier -«durfte es keiner Heiratsvermittlerin mehr: Xenia stöber sagte ihrem Vater: Dimitri will ich zum Manne, sonst keinen. Sie war das einzige Kind de« Bauern, und er sagte zu allem Ja und Tmen. Lstb und leicht wurde es ihm nicht, sein« Tochter dem Fremdling zu geben, der eines Tages müde und hungrig zugewandert «ar: aber er hatte den tüchtigen Arbeit« schätzen gelernt und söhnte sich