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Mer Tageblatt MW Anzeiger Mr -as Erzgebirge HEEÄW mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. ' Spnchstuo»« «e»«ruo« ml« Muonahm, »»r «evatag» uachmlUags 4-S Uhr. — r,l,-ramm.stSr«ss», Tageblatt ^ueerzgebieg». zvmjtzwch« «. , 'm»OS«st«liii»i«» süe unverlangt elngefanb«» Manuskript» kann Vrwühr nicht geleiskrt »erben. Nr. 3S. Donnerstag» t2. Februar 19t4. 9. Jahrgang. Dies« Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. . <e Wahlprüfungskommisfi on de» Reichs tages hat di« Wahl de» Abgeordneten don H«h- d «brand für gültig erklärt. * tttaatSsekretär von Tirpttz sprach im Haushalts ausschuß des Reichstages über dir Ursachen der Vernichtung der Marlneluftschisse. * ie Reichspartei und die Deutsch-Konserva tiven haben dem Reichstag einen Antrag aufW ie-- derherstellung der abgelehnten Ostnrar- kenzulage eingereicht. * ^a» Kuratorium der Nattonal-Flugspende gibt bekannt, daß die Mittel der National-Flug- spende für Prümienslüge er sch SP ft sind. » Der Friede zwischen der Hamburg-Amerika- Linie und dem NorddeutschenLloid ist durch den Slbschluß eine» Interessen gemein- schaftSvertrageS Hergestellt worden. » Tic Türkei hat beschlossen, ihren Befand schafts- posten in Cetinje aufzugeben und nach Al- vanien zu verlegen, sobald hier >.ine feste Regierung in Kraft getreten ist. oivher«» st«h« a» ander« Stell«. Die neueste Spionageaffäre in Frankreich. Ganz Frankreich ist in Heller Aufregun-. über eine neue Spionageaffäre an der deutsch-französisch en Grenz«, und in deren Mittelpunkt steht angeblich ein deutscher Lehrer aus dem Elsaß. Man hat natürlich nicht ver fehlt, der Angelegenheit jenseits der Vogesen «ine un geheuere Bedeutung beizulegen; glaubte man doch, in dem Verhafteten, Theodore Burgard, einen der gefährlichsten deutschen Spione gefaßt zu haben. Di« großen Pariser Blätter haben sogleich Spezialkorrespon- i,eaten nach Heillecourt, dem Wohnsitz BurgardS, ent sandt, und namentlich der Berichterstatter deS Journal telegraphiert seinem Blatte eine phantastische Schilde rung der Eindrücke, die er imn dem gefährlichen Men schen gewannen hat. Es ist natürlich noch mcht möglich, seine Angaöcn auf ihre Richtigkeit hin nachzchrüfen, auch widersprechen sich bis zur Stunde namentlich die amtlichen Meldungen über das Ergebnis der Untersuch ungen, immc.hin aber entbehrt dic Art und Weise, wie man sich in Frankreich mit dieser Angelegenheit befaßt, nicht eines gewissen Interesses. Theodore Burgard ist, wie es heißt, am 22. Februar in dem Städtchen Selz im Elsaß geboren. Er wohnt mit seiner Familie schon seit fünfzehn Jahren in dem kleinen französischen Orte Heillecourt, der Hauptstadt de» Departements Meurthe-et-Mosellr. Man hatte Burgard — aus ver schiedenen Gründen — schon von Anfang an nicht recht getraut, weshalb, wußte so recht Wohl eigentlich niemand. In der letzt::: Zeit hatte man ih.: besonders scharf be obachten lassen und hielt jetzt den Zeitpunkt für gekom men, um ihn ganz unvermutet zu verhaften. Die Un- tersuchung fördert« ein reiche» Material zutage. Da nach hatte Burgard seit IV, Jahrzehnten Vorbe reitungen für seine Spionage getroffen. Natürlich mußte e» Aussehen erregen, als er in dem kleinen Städt chen von nur »00 Einwohnern zum erstenmale auf tauchte, obgleich er sich den Anschein eines ganz ge wöhnlichen Landarbeiters gab. Aber eben weil man sich in dem Nest, wie sonst auch, gegenseitig ge nau kannte und beobachtete, so befaßte sich die Bevölke rung mit dem Fremdling mehr, al» diesem selbst Wohl lieb war, zumal er ein wenig sympathische» Wesen zur Schau trug. Er sprach wenig und lebte angeblich von seinen Ersparnissen, die er noch vor seiner Dienstzeit in der Fremdenlegion gemacht hatte. Nur paßt sein ganze» Wesen wenig zu einem Frem- denlegtonär. Wohl ging Burgard barfuß, wie die an deren Ortsbewohner auch, aber den feinen Herrn konnte er doch Wohl nicht so recht ablegen, wennschon er sich die grüßte Mühe gab. Monatelang suchte Burgard der. gebens «in Unterkommen »nichts wollte ihm so recht ge lingen, bi» er sich entschloß, «in Mädchen au» Heille court zu heiraten und mit ihr «ine kleine Kneip« auf machte. Aber auch damit wollte e» nicht so recht glük- ken. Die Gäste blieben au», und die paar, die hin und wieder «in Gläschen Wein dort tranken, fühlten sich auch allmählich abgestotzen von dem unfreundlkhen und ab geschlossenen Wesen de» Wirte». Mit der Wirtschaft war es also auch nicht». Doppelt gelegen kam Burgard in die ser Zeit gerade ein« angebliche Erbschaft von meh reren tausend Franc». Damit kaufte er sich ein Gütchen, um e» mit seiner Frau und seinen vier Kindern, drei Mädchen und tztnem Knaben, zu bewirtschaften. Ein schöner Bauer, sagten die Bewohner Heillecourt». Bur gard nannte auch nicht «in einzige» Pferd, einen Wa gen, überhaupt irgend ein Stück Vieh sein eigen, küm merte sich herzlich wenig um die Bestellung de» Lan des, aber — er bewirtschaftete da» Gut doch Wetter, so daß sein« Frau und Kinder ihr gute» Auskommen hat ten und durchaus kein« Not litten. Aber nur nach außen hin. In Wahrheit glich das unscheinbare, einstöckige Bauernhaus einer Hülle, in der Frau und Kinder ter den Brutalitäten Burgard» zu leiden hatten, na mentlich, alS «S in dem kleinen Ort« nur altzu bekannt wurde, daß er in Nancy eine Geliebte hatte, mit der er recht häufig zusammentras. Wohl bemitleidete man die arme Frau, die ganz genau aus BurgardS eigenem Munde wußte, wie e» um ihn stand, aber wie sollt« Man ihr helfen, wie diesem Treiben «in Ende machen? Er selbst beachtet« die Vorwürfe seiner Frau durchau» nicht. IM Gegenteil, er war froh, auf diese Weis« sich ein MlM geschafft zu haben, um seiner SPtonagetättgkeit so nur umso eifriger obliegen zu können. Wochenlang lebte er in Nancy, angeblich bet seiner Geliebten, wie e» heißt, aber zum grüßten Teil bet Geheimagenten, di« zwischen Deutschland und dem Spion vermittelten. Go verkehrt« Burgard etwa zwölf Jahre mit «tner Witwe, einer Schneiderin, di« in «tner großen Fabrik arbeitet«. Jhret- wegen wurde er im Laufe der Zeit sogar auch einmal vor den Kadi zitiert. Au» Eifersucht hatte ihr der Bauer aus Heillecourt etnes Tages eine große Ttzene gemacht, wobei er auch handgreiflich geworden war. Die grau aber war hiervon wenig erbaut, bezichtigte ihren stürmi schen Liebhaber der Körperverletzung und hatte auch die Genugtuung, ihn deswegen zu einer Geldstrafe von 25 Francs verurteilt zu sehen. Seit dem Tage war natür lich diese Liebe immer kühler geworden, aber Burgard sand in Nancy leicht Ersatz, bi» er in diesen Tagen mit- 'ten in einem solchen Schäferstündchen festgenommen wurde. Vor dem Untersuchungsrichter zetgte « sich bei seiner ersten Vernehmung auffallend gefaßt. Man verschwieg ihm allerdings da» Ergebnis der m seinem Haus« zu Heillecourt» vorgenommenen Haus suchung, die angeblich belastende» Material zutage för derte. Vorläufig schweigt sich die Polizei mfch gründ lich aus, da sie vermutet, daß Burgard Helfershelfer gehabt haben muß, di« ihr jetzt noch unbekannt sind. Man fand in seiner Wohnung vor allen Dingen «inig« kompromittierend« Schriftstück«, mehrer« scharf« photo graphische Apparat«, etwa SO Generalstabskarten au» den Festungsgebieten Nancy, Toul, Luneville und an der« mehr. Auf alle Fälle wird man gut tun, da» Re sultat dieser Untersuchung mit Ruhs abzuwarten. E» wird sich ja bald Herausstellen, ob die leicht erregbaren Franzosen tatsächlich Grund hatten, ei» so große» Auf sehen über diese neueste Spionageaffäre zu machen, oder ob Burgard doch wohl harmloser ist, ab» st« selbst nur ungern glauben möchten. Alle Magen. (Dai unserem Berliner S> Mitarbeiter). E» vergeht so ziemlich keine Parlamentssession, in der nicht sehr lebhafte Klagen geführt Werden über die Go> fahren, die das Automobil für den Verkehr auf der Straße mit sich bringt. Diesmal erschollen diese Klagen bs- sonders lebhaft im Preußischen Abgeordneten haus. Der Unfall, dem vor kurzem zwei Zenttumsabge- ordnete de; Reichstags -um Opfer fielen, hat dir Partei freunde de- Herren Pütz und Hebel im Wbgeordi eienhaus» veranlaßt, ö< i der preußischen Reierung auzufragm, weich» Maßnahmen ste zu ergreifen gedenke, um der -urehmendcn Gefahr entgegen-muitten, welche durch den steigenden Der- kehr, insbesondere durch Automobile für die Bevölkerung herbeigefiil rt wird. Die Antwort, die Minister von Dall witz namens der Regierung gab, stellte zunächst M, daß di« Regierung mit der Vereinheitlichung der Vorschriften Pir Die Faschingsmusik. Humoreske von Käte Lubowski. tNachdru > «rtol«n > Ulo Mieze Baumgart noch glücklich im letz en Augen blick in das Raucherabteil zweiter «Klasse d« Bummel zuges hineinstolperte, mutzte sie sich, um nicht. u Fall zu kommen, krampfhaft an dem Arm des ihr zunäcl st sitzenden Mitreisenden festhalten . Der legte sofort die ireie Linke gewichtig auf ihre kleine Hand und lachte gutmütig: Sei froh, daß ich es bloß bin, Wtldfang! Sie amtete erleichtert aus: Du, Onkel Klaßen? Da, ist aber fein! Ich habe nämlich gerade an dich gedacht. Gr zwinkerte stolz zu dem vornehmen Herrn hinüber, der über den Rand seiner Zeitung Pi« reizende Jungmädchengestalt aufmerksam be- trachtet«. Uber der senkte di» Lider sofort aus da» Blatt und zwmkert« nicht zurück. Der alt« Rittergutsbesitzer und Hauptmann a. D. Maßen, der, al, nächster Nachbar von Mieze Baumgart, Vater und mehrfacher Patenonkel seiner Nachkommen, von j«dem hell« Bewunderung für die Lieb- lichkeit der kleinen Mieze verlangte, Nahm von dem an- derer hinfort nicht mehr die geringste Notiz. Gr beschäf tigte sich nur noch mit Mieze Baumgart. Soll ich mal raten, wo du hin willst, Mädel? fragt« er fröhlich, natllr- ltch zur Schneiderin in die Stadt. Vater hat sich noch breitschlagen lassen. Erscheint ihr übrigen, alle vier aus dem Faschlng-ball? Sie zog «in wehmütiges Gesicht: Selbstverständlich, Onkel KlaßenI Wir kommen al. Glück» kleeblatt: Trude, Dreie, Hanne und mein« Wenigkett. Entsetzlich, nicht? — Da, muß doch ober erstaunlich viel Grüne, kosten, Kind? — Damm dürfen wir ja ebenl Die von Großmutter ererbten giftgrünen Sammetportieren sollen äugen endet werden. — Braucht Ihr auch noch einen Stengel? Ich bin gern bereit, den vorzustellen, wenn ihr mir ein« Portier« abgebt. — Ach, spotte' nicht auch noch,! ich bin schon unglücklich genug. Nanu — so ein grüne, Blatt hat', eigentlich doch ausgezeichnet. Es kommt sicher irgendein Schaf und knabbert', an. — Das ist'» ja gerade! Sie werden wieder dämliche Witze machen di« Artilleristen,! die Volontäre — Gott alle. Gr machte eine heimliche Kopfbewegung zu dem zu rückhaltenden Mitreisenden hin: Vorsicht, sKiNd! — Der schläft ja wie «in Dach», Onkel Kl ah en, und seine Mütze Hai er ganz tief in« Gesicht geschubst. Du, Onkel, ich mache von Hause fort. Ich halt'» nicht länger au». Ich soll schott wieder mal — heiraten Da» Mondkalb von Nachbar Pagel»! — G, steht aber in einem goldenen Stall, Mi«zeken — Aber Ich kann trotzdem nicht! — Liebst du vielleicht schon «inen anderen? — Jetzt beleidigst du mich auch noch zu aller Verzweiflung. Nein — ich will ordent lich singen lernen. — Aber dein Vater erlaubt «» doch nicht. Weil er nicht weiß, wa» ich eigentlich kann. Und er muß „ endlich wissen. Onkel Klaßen, hör' mail rin bißchen zu. Du weißt doch, daß Bvuernhui'en und Eimatztg von der letzten Hochflut ganz kaput gemacht sind. All di« netten Häuilein und Gärten einfach fortgeschwemmt. St« tun ja alle» möglich- Gute. Aber ich möchte noch ganz wa» Besonder«, anstillen. In vaurrnhufen wohnt doch der Fritz PegSlow mit Rike Ändert, unser« Kutscher tochter und mein« früher« Gespielin. Di« haben alle« ver loren. Sogar die Gardinen sind weg. Und Vater will nicht, daß extra etwas Mr sie gegeben wird. Da will ich aus dem Fastnachtsball vor allen Leuten etwa, singen, und du spielst die Laut« dazu. Bitte, bitt«! Zu üben brauchen wir beide nicht mehr. Mir tragen einfach die kleinen Ktrderlieder, auf die wir so fein etngeübt sind, vor. Paß nur auf, wie di« Leute da wohltun worden. Auf hundert Mark rechne ich bestimmt. Rike und Fritz werden ! selig sein, und ich darf vielleicht doch zur Ausbildung 1 meiner Stimm« nach Berlin zu Tante Amaicha. —> Na, Miczecken, da» ist aber eine riskante Geschichte. — Schön wird'». Ih freu« mich schon jetzt halbtot. Wenn man > doch bloß reich wäre, damit man wie ein Sämann o«s einem großen Laten mit vollen Händen Geld unter di« Bedürftigen streuen könnt«. Na, ich seh' schon, du mutzt doch das MondkLlb erhören. — Nie! Wenn ich mal h, irate, tu« ich'» bloß au, großer Li«b«. Sonst nicht! Und darum will ich auch meinen festen Beruf haben. — Wir wollen mal UeLer erst da» andere bereden. Also, ich soll mit meiner Laute erscheinen. .Kann ich die aber wirklich als Schornsteinfeger malttattteren? — Natürlich. Bring» mich di« Noten mit. Di« Texte kann ich auswendig. Schön, vielleicht, wär', vernünftig«», ich täte nicht mit. Tb» kann man dir denn wa» abschlagen? Ausammensinden werden wir beid« un, schon, und dafür, daß ich nicht «in« von deinen Schwestern erwisch», wirst du sorgen. Herrjch, wt« schnell ist di« Zeit v,rgang«nl Wir find ja schon am Ziel! Ich komm« gl«ich mit dir in di« Stadt, wart' mal «inen Auarnbltck. Wie meinen Sie, m«in Herr? wandt« er sich, bereit, im Begriff, da» Abt«il zu verlassen, während Mieze Baumgart schon aus dem Perron stand, an den Mitreisenden zurück, ich hätte etwa, liegen lassen? Wüßte zwar nicht recht, was ,» s«in könnte. AVer, s«hr verbunden — Gr klettert» zurück und risf nach «in«m Weilchen durch das zur Hälft« herabgelafftn« Fenster seiner Lieblingspat, zu: Ich kann mm doch nicht mit dir g«-«n, MiqzSken. Laus nur allein! . Aus Wiedersehen also auf dem Faftnachteball. Und Mieze Baumgart mutzt« sehen, wie der verschlafen« Mitreisende plötzlich aus ihren Nennonkel einredete. Dabei wurde st« natürlich auch sein Gesicht ge wahr, wurde ror und blickte noch einmal verstohlen zurück.