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s. Jahrgang. Donnerstag. 2. Äpril 1914. /tuer Tageblatt MW Anzeiger für Sas Erzgebirge WMMME mit -er Wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mier Sonntagsblatk. »As" Vü Nu»gad«ft!u.n,^iol! Sprechstunde de» Nedattien «tt Ausnahme de» -ermta-e Nachmittage 4—- Uh». — LeLegeamm-ftdresse r Tagedlait MtEeezgedtege. Jeeastmche» AA* aehmea ^HesteUuagea eat-e-ea. Iti» nnneelangt eingestlndte Utanusteipt» tann Seredh» nicht geleistet werden« Nr. rs. Dirse Nummer »«faßt 8 Selten. Das Wichtigste vom Tage. Tas neue österreichische Mar in «Pro ¬ gramm, das der zu Ostern zusammentretenden Delegation vorgelegt werden wird, fordert den Bau von vier neuen Dreadnought». Die französische Kammer stellt« de« Finanz- Minister Renault mit 33» gegen 15S Sttunnen ein Vertrauensvotum aus. » Au den nächsten Lagen wird der englisch-italieni sche Vertrag über den kletnastatischen Bahnbau ratifiziert werden. Di» rumänische Hetz« gegen Oesterreich-Un garn nimmt neuerdings besorgniserregende Normen an. Die mexikanischen Bundestruppen erlitten durch die Rebellen «tue schwere Niederlage und mußten Torreon rtiumen. Rach New Aorllr MÄdungen besteht dte Wahrschein - ltchkett, daß Roosevelt und die Tetlneh- »er seiner Expedition im Gebiet des Amazo- nenstrome- verschorfen sind. -> NS-««» st«h« « nnd«, «Nil«. Das Ministerium ohne Premier. 'm? Harr Asquith, der Leiter der «lyrischen Poli tik, will also jetzt selbst versuchen, da» Offiziefforp» wieder in den Rahmen dieser Politik zurückzuführen. Indem er da» Ketegsamt anstelle des Obersten Geel, übernahm, der sich durch sein« Zugeständnisse «r di« Offizier«, ohne wissen und wollen seiner Kollegen unmöglich mochte, hat er deutlich zu erkennen gegeben, dich die Beztqhungen zwischen Regierung und Armee heute Anfang und End« aller englischen Negierungchoygen sind. Mehr all» Home- ru-le selbst, mehr al» die Freiwilligen man Mister bffchäf« tigen den Premier die widerspenstigen Militär». Es ist leicht zu verstehen, daß der Premierminister gerade das Ministerium übernimmst, das ihm Mr den Augenblick das wichtigste erscheint. Er ist Mr die Gffamtpolitik ver antwortlich und muh darum vor allem die Politik d« Kriegsamtes mit dieser Mffamtpolitik in Einklang bringen. Denn jede Eigenbrötelei des Krtegmninisteriums kann, da» haben die letzten Tage gezeigt, in den jetzigen AettlSus- ten in England das Gesamtkabtnett in» Schwanken bringen. Auch in anderen Ländern ist es wiederholt vorgekonrmen, Intimes aus äer Pariser Presse. p»«r»me »«rot«».) Die Affäre Taillaux-EÄlimette, di« nach immer weit über Frankreich« Grenzen hinaus di« öffentlich« Meinung beschäftigt, hat ein grelles Schlaglicht stuf gewisse Ver hältnisse in der Presse der französischen Hauptstadt ge worfen — sie ist dabei gleichzeitig sehr charakteristisch Mr eine Form und Entwicklung de» Journalismus, der von dem der anderen europäischen Ländern in wichtigen Punk ten abweicht. Mährend der Zeitungsmann in Deutschland und England trotz der intenstöen Mitarbeit seine» Matte» an den politischen Geschäften de» Lande» ein« nur selten durchbrochene Zurückhaltung bewahrt, während er sich mehr oder minder al» literarischer Fachmann fühlt und sich von dem aktiven politischen Treiben fernhält, besteht in Frank- re.ch zwischen einem zuvückgetretenen Minister und einem noch nicht zum Minister avancierten Journalisten kein Untersch ed; der Minister a. D. gründet und leitet persön lich eine Zeitung (Beispiel: Clemencean, , Direktor de» Somme Isidro und Dutzende andere), der Journalist wieder macht direkt in hoher Politih wich ohne Schwierigkeiten Deputierter, Minister und Senator und kann es selbst, wie z. v. PoinoarS, zum Präsidenten der Republik bringen, Die Laufbahn bietet, wie man steht, die denkbar weitesten Möglichkeiten zum Fortkommen; sie wich dafür aber auch verantwortuNgsäoller, den Konflikten mit Dhr« und Gewissen nähergerückt. Publizistische und politische Machtmittel messen einander wie die schachen DegeEingen in den an der lVage»ochnum stehenden Presseduellen. Daß in der AM» Catllaur^lalmette di« Frau eine» Minister, zur Waffe greift, um einen Journa- listen, den sie als Kanaille betrachtet, uNßMlich zu machen, erscheint (ganz nebenbei) charakteristisch Mr di« Tatsache: Minister und Journalist find Leute von gleichem sozialen Rang. Die bi» an die Sicherste Grenze gehend« Preßfreiheit in Frankreich hat die -rotzen Zeitungen der Hauptstadt und iHv» populär«, Direktoren « Machchah toren heranwachsen LPea/mit deuea sestst die Spitz« der daß der leitende Staatsmann sich de» Ressort» mrnochm, da» gerade da» für di« Landespolittk entscheidende war. Bis marck» lieber nahm« de» prmchischen Handels. Ministerium» in den Jahren, da er den Uebergang vom Freihandel -um Schutzzoll vollzog, ähnelt bi» zu einem gewissen Grade der Handlungsweise des englischen Pre miers. Bismarck schien damals der wirtschaftliche Um- schwang das wichtigst« Ziel der inneren Politik und das Handelsministerium da» Mr dies« Umschwung bedrutungs- vollste Ressort. Um hier allen freihändlerischen Anmrnd- lnugen ei» Ende zu machen, trat er selbst an die Spitze diese» Ministerium» . Daß Asquith jetzt KriegSminister ist, wenn auch nur vorübergehend, ist darum nicht da» Merkwürdigste an der neuen Lag«, di« in England geschaffen ist. Dias Merk würdigst« ist vielmehr, daß die Engländer nun ein Kabinett ohne -Kgbinettschef haben. Denn Herr Asquith hat zugleich mit der Aebernvhme des Kriegs amts sein Parlamentsmandat niedepgelegt und damit er lischt Natürlich auch fein Recht, die Politik der Regierung im Unterhaus zu vertreten. Der Premierminister hat da mit «inen alten Brauch befolgt, der vorffchveM, daß ein Premierminister, der «in neue» Ressort übernimmt, sich einer Neuwahl zu unterziehen habe. Aber dieser Brauch ist nicht immer befolgt worden. Asquith Hütte darum nicht unbedingt nötig gehabt, sich von seinen Wählern in seinem neuen Amte gleichstem bestätigen zu lassen. Wenn er es jetzt trotzdem in diesen kritischen Tagen, da die Entscheidung in der Home ru le frage hevannocht, Mr erlaubt und -weck- mätzig hielt, dem Parlament zunächst fernzubleiben, so müssen ihn doch ganz bestimmte Gründe dafür geleitet haben. Wo dies« Gründ« liegen, das ist freilich noch nicht mit Be stimmtheit -v sagen. Es tft schon möglich, dich Asquith fei- nen Wählern Gelegenheit geben will, über feine Politik zu urteilen, ohne gerade den gchamten Apparat einer Parla- mentsaltflSsung in» Werk fetzen zu Müssen. Jedenfalls wird man der Ersatzwahl in dem schottischen Bezirke Gast Ftfe, der Asquith Im Dezember 1V10 mit 1800 SttMmen Mehr- Lett in» Parlament sandte, mit höchster Spannung entgegen- sehen müsse». Es 'ist auch nicht ausgeschlossen, däh Asquith hofft, frei von den Sorgen der Kabinettsleitung und ihrer Vertretung im Unterhaufe die Unordnung im Heere eher beseitigen zu können. Aber wie gesagt, da. stnd vorläufig nur Annahmen, die vielleicht in den Ereignissen eine ge wisse Bestätigung finden werden, die aber bloße Annahmen bleiben könne». Di« einzig« Tatsache ist jetzt, daß das eng lisch, Ministerium ein Ministerium ohne Premierminister ist. Politische Tagesschau. Au», 2. April. * PettvagOeSmätzigung Mr dl» KLeustdoSenMerflcho» rinrg. Bon vielen Setten ist wegen der Höhe der Bei ¬ träge, die di« Krankenkassen Mir di« Versicherung der Dienstboten festgesetzt haben, Klag« geführt. Diewürt. temb «rgische Regierung hat noch einer foebeu ich, gegebenen Erklärung de» Minister» de» Inner» dttfs Klagen als berechtigt anerkannt und beschlossen, auf eine Ermäßigung der Beiträge htrquwirken. Di« Reichsversicherungsordnung bietet, wie auSgeführt Wird, eine Handhabe zu solcher Ermäßigung. * Zum Vorkauf de» Kwnumunrnschem Erbgutes Echte- zm. Der Pole Brunner, der, wie gemeldet, mit Hilfe des Notar» Levhseur den Kaufakt über das Gut Schierau abgeschlossen hatte, hat, wie zu erwarten war, die Klage gegen Frau Zouanne angestrengt, weil sie auf Grund der Polenklausel Im früheren Kaufvertrag ihre» Gute» da» Gut nicht an ihn, sondern an die AnsiedelungDkowt- Mission ausgelassen hat. * Eine österreichische AuSgplchnmeg Mr Geheimrat Paasch-. Kaiser Franz Joses hat dem ersten «izepräfi- denten des Reichstages, Geh. RegierungSvat Prof. Dr. Paasch«, da» Aontturkreuz de» Franz-Josef-Orden» mit dem Stern verliehen. Bekanntlich hat sich Geheim- rat Paasch« besondere Verdienste uM di« Ausgestaltung der deutsch-österreichischen Handelsbeziehungen erworben. * »ine Korkektwnow dm Mächte zur EptruSfragp. Die di« Wiener Reichspost erfährt, ist e» wahrscheinlich, daß In der Frage der Räumung des Nordeptru» durch die griechischen Truppen ein« Kollektiv«« t« der Mächte überreicht werden Wird. * VOEichifche Mw italienische BeirüM Metzle all- banische»Mintsterie«. Der albanisch« Ministerrot hat beschlossen, von den Regierungen Oesterreich» und gtm lien» die Entsendung je eine« Betrat» für die Minssdv- rien der Post und Telegraphen, der öffentliche» Arbei- ten und der Ftmmtzen zu erbitten. — Mureh» Bei D po» Mgrevmat al» alvantsthe«-Gesandten ta »wo «G» worden. « Die schMtdistM» MichAM-RGWe». Vie «eichRogG Wahlen im zweite» Stockholmer Wahlkreis« hab«» fol gende» Ergebni» gehabt r Me Partei der Verteidigung», freunde erhielt 10 SOS, di« liberale Partei (Anhänger Staaf») 4894 und di« Sozialdemokraten 77S8 Stimme«. Bei den vorigen Wahlen im gleiche« «reife erhielt« di« Moderaten S2S7, die Liberalen 8128, die Sozialde mokraten 7408 Stimmen. Di« Verteidigung-freunde ge- Winnen damit «inen Sitz von den Liberalen und einen Sitz von den Sozialdemokraten. Den liberalen Sitz hatte bisher der früher« Minister Staaf inne. * Lite Auleiheverhandknrge« da» SünfmächSWSHndv kat» mit der chinesischen Regierung stnd Wieder aufge nommen worden. Sie bezwecken, China in den Stand zu setzen, di« kurzfristigen Anleihen tzurückzuzohlen, die Währungsreform durchzufühven und do» Papiergeld wesen In den Provinzen zu regeln, fall» der Nachweis Negierung ernstlich zu rechnen haben. Die in den Zei tungsunternehmen angelegten riesigen Kapitalien der be sitzenden Klasse, sodann der Mr ein einziges Watt nach Millionen zählende, weit mehr als in Deutschland und Eng land direkt beeinflußte, ja, ziekbawußt geleitete Leserkreis lassen di« Position gewisser Pariser Journale al» nahezu unbezwinglich erscheinen, wer dies« beispiellos!« Entwick- lung der hauptstädtischen Presse —> die Provinz kommt da neben kaum in Betracht in ihrem eigentlichen Wesen verstehen will, danf die merLwürd ge Geschichte des Pariser Pressewesen», insbesondere seit der großen Revolution nicht außer acht lassen; sie ist im genauen Sinn« de» Wortes vtelbewegt und reich an intimen Ginzelzügen. Der Geburtstag der französischen Press» MechaM und der Pariser im besonderen ist der 80. Mai 1631, zu welchem Datum die erste Nummer der Oasstts äs Graues im Adressenbureau -um großen Hohn, Nue de la Ealandr«, verkauft wurde. Herausgeher dies« Zeitung war der Mbö Theophvastu» Re-naudot, seine» Zeichen« Weltpriester und Doktor der Medizin, ein weitgereister Mann und erfinde rischer Kopf, wie wenig« seinesgleichen. Der Erfolg war dem Unternehmen günstig. Die Pariser, schon damals al» rerum oovaraw eupiäl bekannt, zeigten stch entzückt von der Neuerung, und kein Geringerer al» der mächtig« Kar dinal Richelieu bedacht« den ingeniösen AbbS mit Miner roohlwoll«nden Protektion. Richelieu hotte gleich erkannt, von welchem werte die Zeitung Mr seine politischen Pläne sein «erd«: er ließ demzufolge in der Gazette olle» ver- öffentlichen, was man mit einem moderne» Ausdruck Stimmungsmache zu nennen Pflegt», und redigierte mehr al, «inen Artikel mit der eigenen, bffanntlich schaff ge- schnittenen Feder. Diese erste Pariser Zeitung, di« Mr »in Parist» (oa. stch» Centime») verkauft wurde, enthielt be. reit» alle Rubriken und selbst ein literarisch« Beilage di« alle Manat« erschien. Lange Zett ohne Nachahmer und Konkurrenten, entwickelte st« stch tmmer mehr zu einem Sprachrohr der «öffentlichem! Meinung und genoß «Lenh halben großes Ansehen. Da» 18, Jahrhundert sah »in« »p, -chlichs TWchl am Zettungm in Pari« eoi» iw übrig« Frankreich entstehen, aber erst die Rovolutionsepoche schuf jenen geistreich funkelnden, satirisch-witzigen, kühnen und aggressiven politischen Journalismus, der noch heute al» ein wesentliche» Merkzeichen der französischen Presse an- zufprechen ist. Damals erschien eine Flut von Dageqzei- tungen, Wochenschriften, Flugblättern ufw., die stch Oourreure», keutloeUe», Veästts«, ^vavt-Oaurreur», Tribuns nsw. nannten, und in temperamentvollster Weise der öffentlichen Diskussion dienten. Die Leidenschaft des Zeitungslesens in der Straße, die den modernen Pariser kennzeichnet, stammt aus jener Periode, von der di« Gon» court» schreiben, daß man sich bereit» in den Stunde«, wo kaum der Morgen graute, in den Straßen um die semmäl- frischen Zeitungen riß. Bald wurde «» Mode, den ge walttätigen Don der Straße und der politischen Beratungen in die Presse zu tragen. Fortan triefte st« sozusagen von Blut. Man lese z. B., was Marat in seinem LeiSblatt l-'.^wi äu keupls am 17. Dezember 17SÜ in einer be rüchtigt gewordenen Nummer schrieb: vor einem Jahr hätten fünf- oder sechshundert abgeschlagene Köpfe Euch srei und glücklich gemacht; heut« sollte man deren zehn tausend abhauen. In einigen Monaten vielleicht werdet Ihr hunderttausend abschlwgen, uNd das nenne ich ganz« Arbeit tun; denn e» wird Mr Euch keinen Frieden geben, wenn Ihr nicht bi» -um letzten Schößling di« unversöhn lichen Feinde de» Vaterlandes auegenMet HM. — Eine derartig« Leitatttkelsprache schien nicht mehr Überbote» wrrden zu können; Lis zu dem Lag«, wo HSbert, der Freunde «-bespienes, in s«inen bluttriefenden ttsttr« doagremeot patriotlequs, äu köre Vnaavio« Ezempel von zynischer Brutalität gab, die das stärkste find, was der politische Hatz eine, Journalisten jemals aus der Feder gespritzt hat. Marat und HsSbert kannten ihr Publikum - sie mutzten e» zu bedienen. Der Mißbrauch, de» diese und ähnlich« Guillotine- Journalisten mit der Preßfreiheit getrieben hatten, MW HS, unter tar DirektorialregierunL dkm Konsulat und Kais«rr*iH W»rch dtt UMeM»chnP d« Mwm» mwr strengste Zensur. Mm «»»<»!»»» de» Press» tzgchw,