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Nr. 104. Diese Nummer umsaht 8 Selten. Das Wichtigste vom Tage. König Friedrich August, der gestern zur Eröff nung der Buchgewerbeausstellung in Leip zig weilte, ist nachts um 1 Uhr 10 Minuten nach Tarvis abgeretst. * Der RetchSschatzsekretär erklärte im Haushalt», ausschuß des Reichstages, daß eine Kürzung der dritten Rate des Wehrbeitrages un wahrscheinlich sei, da man nkit nicht mehr als 1200 Millionen Mark Beiträgen rech nen dürfe. Der ReichstagSauSschuß für das Gesetz gegen Spio nage nahm die von der Regierung gebilligten Kompromißanträge der bürgerlichen Parteien an. Der diplomatische Vertreter Englands in Port-au-Prince hat der Regierung von Haiti ein Ultimatum über die Zahlung einer Entschädigungssumme, Überreicht. * Nach albanischen Meldungen sollen die aufständi schen Epiroten 200 mohammedanische Albanier in Skodra gekreuzigt und ver brannt haben.*) * Die amerikanischen FriedenSvermtttler mit Mexiko werden erst am 18. Mai an den Niagara fällen zusammenkommen. Nähere« steh« an ander» Stell«. Donnerstag, r. Mai 1SI4. s. Jahrgang. Mutmaßliche Witterung am 8. Mai: Böige West- u» nde, wechselnde Bewölkung, D-lnperai ukrückgang, zeit weise Regni. »ML gur Rückkehr äes Aaisers. Nach längerer Abwesenheit kehrt nunmehr der Kaiser von Korfu — durch den dortigen Erholungsauf enthalt gestärkt — nach Deutschland zurück. Wenn der Kaiser auch auf der schönen Znffel von den Regierungsge schäften nicht verschont geblieben ist, so bringt die Ent fernung Loch auch in wichtigen Fragen einige Verzöge rung mit sich. ES liegt auf der Hand, daß die Geschäfte sich schneller abwickeln lassen, wenn der Kaiser in der Heimat weilt. Da» Bild der politischen Gesamt lage, das sich dem Monarchen bet seiner Rückkehr bie tet, weist keine wesentliche Verschiebung auf. Die inter nationale Lage entbehrt noch keineswegs der Gespannt- Der Marangon. Skizze von Julin» Mucha. Nachd uck verdowi. Auf einer der beiden Landzungen, die gleich den sichel förmig abgekrümmten Scheren eines Taschenkrehses den Binnenhafen des dalmatinischen Inselstädtchens Lissa ein- schliehen, ruht auf hohem Granitsockel ein mächtiger Wwe aus Grz. Scharff lugt er, ein treuer Wächter, hinaus aus! die leichtgekräuselt« Fläche der blauen Adria, die vor mehreren Jahrzehnten hier ein blutig Ringen wild auf- schäumen ließ unter einschlagendem Granatenhagel und den mörderischen Rammstößen der feindlichen «Panzerkolosse. Heute gemahnen nur mehr einige windschiefe Kreuze um das LöwendeNkmal an jene Opfer, di« da» Meer damals mitleidig an den Strand geworfen, oder die später ihrer tödlichen Wunde erlogen. Hohe», von Salzkristallen glitzerndes Heidekraut wallt leise über die haldeinge- funkenen Hügel, Falter flattern tändelnd darüber hin, und goldgrüne Eidechsen huschen über die sonndurchglühten Stufen de» Denkmal», um zwischen den schützenden Löwen- tatzen «in behaglich Schläfchen im Schatten zu halten. Am letzten Tage meines Verweilens auf der dreifach gesegneten Weininsel sand ich dort unerwartete Gesellschaft, «inen alten Mann in der malerisch zerlumpten Gewandung der San- dinenftscher. Den grauen Kopf zwischen den sonngebräun- ten Fäusten, hockt« et am Ufer. Ich kannte ihn sofort: Es war der Marangon. So nenwt man an der Adri« den Tauchervogel, der sich durch seine Fähigkeit, heutesuchend ein« Weile unter dem Wasserspiegel auszudauern, kenn zeichnet. Von ihm mag der Alt«, der ganz ander» hieß, seinen Spitznamen erhalten haben. Gr war «in Alleavelt»- mensch; tagsüber scheinbar müßig am Haffen lungernd, da- Lei zu jedem Dienst bereit, «rauchte man «inen Boten, Träger, Barkenführer — stets rief man nach dem Maran- heit, insbesondere ist nach wie vor das Verhältnis zu Rußland nicht das beste. Die harte Verurteilung der deutschen Luftschiffer durch das Gericht in Perm ist all gemein in Deutschland als eine Ohrfeige empfunden worden, die Preßkvmmentare waren begreiflicherweise in keiner Mr Rußland sehr freundlichen Tonaist gehalten. Man hat eben allgemein bet uns das Empfinden, daß Rußland mit Deutschland gar zu gern anbinden möchte und daß man im Zarenreiche alles tut, um uns zu reizen und di« Dinge auf die Spitz« zu treibens. Was wäre Wohl für ein Sturm der Entrüstung in Ruß land und in Frankreich ausgebrochen, wenn ein deutscher Luftschiffer, wie e» jetzt ein französischer Hauptmann getan hat, auf fremdem Gebiet eine Notlandung vvr^ nimmt, sage und schreibe, zehn Minuten auf die Ankunft der Behörden wartet und dann dreist und gottesfürchtig wieder aufsteigt und in die Heimat zurückfliegt. Wir in Deutschland machen daraus keine Staatsaktion, aber der kleine Zwischenfall zeigt, wie man anderwärts, wo man Mr Deutschland nichts übrig hat, glaubt, sich uns ge genüber alles herausnehmen zu können. Am besten stehen immer die Dinge mit England, aber wer bürgt dafür, daß das augenblicklich gute Verhältnis von Dauer ist und daß die Stimmung dort nicht gelegene lich wieder einmal umschlägt, da man jenseits des Ka nals lediglich Realpolitik treibt und sich von Neigungen nicht leiten läßt. Binnen kurzem steht die Erörterung der auswärtigen Politik im Reichstage an und Herr von Bethmann Hollweg wird di« Gelegenheit ergrei fen, sich im Plenum zu äußern. Biel neues wird man da aber nicht zu hören bekommen, denn er kann an dieser Stäjtte Loch nicht Ko frisch von!/der Leber Wegreden, wie er es innerlich vielleicht gern möchte. Was nun die in nere Politik anbelangt, so sind auch auf diesem Ge biete kaum »«rschiebungen zu verzeichnen, höchstens, daß die ReichSlande nun wieder einen Statthalter haben, über dessen künftige Tätigkeit sich heute noch kein Horo skop stellen läßt. Allzulange wird das Parlament nicht mehr beisammen bleiben, außer dem Etat wird man noch einige Wichtigere Gesetzesentwürfe erledigen, um dann die große Sommerpause etntreten zu lassen. Ob während dieser groß« Veränderungen vor sich gehen werden, läßt sich nicht mtt Bestimmtheit Voraussagen, indessen spricht wenig dafür. Es wäre zu begrüßen, Wenn nach den Er regungen der letzten Monate wieder eine ruhigere Stim mung Platz greisen würde, es könnte dies nur zum Se gen gereichen. Genua, 6. Mat. Die Hohenzollern und ihre Begleitschiffe warfen heute nachmittag gegen vier Uhr vor Portoftno An ker, nachdem sie gestern Messina und Neapel und heute Elba passiert hatten. Der Kaiser und die Kaiserin nah men den Tee bet dem Botschafter Dr. Freiherr« Mumm von Schwarzenstein im Kastell San Giorgio. Um 6 Uhr 15 Minuten erfolgte die Wetterfahrt nach Genua. gon, so daß mir der Name schon durch bloßes Hören ge- läusig war, lange «he ich dessen Inhaber zu Gesicht bekam, Wir begrüßten uns. Dann lehnte ich mich behaglich an eines der schräg in den Boden gestemmten Kanonen rohre, die dem Denkmal als Kettenffpeiler dienen. Einige Bemerkungen über das Meer, sein« Freuden und Leiden, leiteten unsere rasch geknüpfte Bekanntschaft «im So kamen wir auch auf seinen Beinamen. H, sagte «r, drn führe ich, seitdem ich lausen kann. Md doch habe ich eigent lich nie schwimmen gelernt. Aber, nach Gassenjungenart mich vonftüh bissträt am Strande herumtreibend, plumpste ich einmal beim Muschelsuchen unversehens in die See, und —> Not lehrt beten — puddelte mich prächtig «wieder ans Mer, wie ein junger Hund. Seitdem konnte der Hzoan mir nicht mehr Bpnge machen. Wohl Wvanzigmal des Tage» flog ich — Kleider beengten mich nichtjauchzend in di« Hochaufspritzenden Wogen. Bald genügte mir auch da» Nicht mehr. Ich wollte durchaus wissen, was unter der gleißenden Fläche steckte, und nach einigen mißlungenen Devstlchen wurde ich ein trefflicher Tauch«. Die wache habenden Offiziere der Kriegsschiff« in unsevm Hafen warfen häufig -um Scherz Kupfermünzen in das Meer, die ich gewandt während des blitzschnellen Versinkens erhaschte und, um ja leinen günstigen Augenblick zu verpassen, in den Mund zu stecken pflegt«, so daß ich schließlich aussah wi« der Blasengel an unserem Hauotaltar. An Gewandt heft kam mir dabei nur einer nach, «in gewisser Ntcoli. Schon damals war er neidisch auf mich wenn mein« Backen höher geschwollen waren, al» seine, und dann prügelten wir un» zu allgemeinem Ergötzen mitten im Wasser. AVer e« half ihm nicht». Ich blieb doch der Marangon. Ein- mal, eitel später, «ar er freilich nahe daran, meine Erb schaft an-utreten. Aber — wo doch der ander« bleibt? unterbrach er sich ablenkemd. Wir «ollen «in bißchen Hin- ! au» in di« Riffe, wissen St«. Da holen Mr schon seit «eum», S. Mat. Bor der Ankunft der Hohenzollern in Portofino wurden der Kaiser und die Kaiserin bei ihrer Fahrt durch den Golf von Santa Margherita von zahlreichen Booten in beflaggten und geschmückten Booten begrüßt. Ter im Golf liegende italienische Kreuzer Quarta hißte große Flaggengala und gab den üblichen Salut, den d ie deutschen Kriegsschiffe Breslau und Goeben er widerten. Die Grundstücksspekulanten am Aamerunslusse. (Von unserem Berliner S-MiimbÄter.) Dem Reichstag ist «in« interessant« Uenhsch risst zugegangen. Sie beschäftigt sick mit den Beschwerden der Dualahäuptlinge, die vor «äniaen Mocken bei der Beratung des Kolonialetats erhebliche E?r-gunq verursachten. Rechts anwalt Dr. Halpert war, wie noch erinnerlich sein dürfte, von den Duala beauftragt worden, für sie «in« Petition an Len Reichstag au^usetzen, in der sie da» Kameruner Gouvernement wegen eines Enteignungs verfahrens am Kamerunslusse heftig angrifffen. Ferner beschuldigten sie die 'Kameruner Post der Verletzung des Postgeheimnisses und der unberechtigten Beschlagnahme eines Telegramme«, das am 15. Januar 1013 — di« Ge schichte gcht bis ins Jahr 1012 zurück -- einer ihrer Vor führer, der Duala Manga, an den Reichstag obgchandt hatte. Bei den Kolonialdebatten nahmen sich vor allem rtentrum und Sozialdemokraten der Duala an. Da di« Erwiderung der Regierung der Mehrheft nicht genügt, be schloß das Parlament, die KoÜoniawerwvAuntz um «in« ausführliche Darlegung ihres Standpunkts zu «Huchen, und deren Frucht ist die eben erschienene Denkschrift. Daß in jedem Enteignungsverfahren, das Menschen zur Aufgabe der altgewohnten Heimstätte zwingt, «in« gewisse Härte liegt, die man nicht ohne Not anwenden soll, ist sicher. Aber bei den schwarzen Genilemon ist im allgemeinen das Heimatgesühl nicht sehr stark entwickelt. Der Reger rückt sehr rasch und ohne viel Bedenken au», wenn er glaubt, einer Steuer oder einer Fronarbeit dadurch «mtgehen zu können. Wenn daher die Duala der Enteignung einen ft überaus hartnäckigen Widerstand entgegensetzten und «Vst mit Gewalt aus ihren Hüften hinausgetrieben werden muhten, so werden HeinratsgefüHle schwerlich dabei eine Rolle gespielt haben. Di« Denkschrift «führt denn auch den Widerspruch der Duala einzig und allein aus ihren speku lativen Sinn zurück. Die Duala, Vie früher den gesamten Handel «in Kamerun beherrschten und deren Geschäftssinn auch «heute noch, nachdem sie durch di« Kolonialioerwaktuntz aus ihrer Monopolstellung verdrängt wurden, keineswegs geringer geworden ist, haben sehr wohl etngysÄhen, wi« sich durch di« Eisenbahnen und die Weg«, die Pie Deutschen anlegen, ihr Land im Werte steigert. Und darum haben isie gerade jetzt, da die Kolonialoerwaliung ihres Be sitzes zur Anlage der ManengubahN zu bedürfen glaubt, zwanzig Jahren Schwämme, mitunter auch einen Korallen zweig, genug für uns Leid«, di« Mr da drüben in meiner kleinen Hütte gemeinsam Hausen, aus Wein und Brot. Und .mehr braucht es nicht. Vielleicht könnten Sie mir aber, warf ich, neugierig geworden ein doch noch kurz erzählen, wie — Der Marangon machte «in« abwehrende Geberde. Gin Weilchen kämpfte er mit sich selbst, um dann unpermit eilt zu fragen' Sie sind nicht von hier, reisen bald «ab, kam- ,men kaum mehr zurück, wie? — Erraten! Noch heul« abend petlasse ich die Insel. — So, ft! Da ist kein« Gefahr, wenn man darüber redet: denn - das ist meine Meinung: Die Toten soll man ruhen lassen. Gr wie» auf einen kleinen Hügel, ohne Kreuz noch Stein, unfern von uns. — Ein Kind? — Nein. Kein Mensch. Nur eine Hand. Der Marangon schob sich nachdenklich ein frische» «Stück Kau tabak in den Mundwinkel: Eie wissen vielleicht, daß da irgendwo draußen etwa sieben Millionen Livs aus dem Meeresgrund liegen. — Allerdings. Da» finkende italie nische Admiralsschiff, der SW d'Italia, soll sie an jenem blutigen Jlllttage mtt in die Tief« genommen Haben, hörte ich. — Richtig. Gehoben hat sie aber noch niemand. Di« Krabben und Polypen halten den Schatz alltzu «fest um schlungen. Zudem: Wer kennt genau die Stelle? Und wenn <» über hundert Meier: Wer «wagt den Abstieg? — So hat es niemand versucht? —> Doch doch Signor: ich der Marangon! — Jawohl. «Es «war bald nach Sech». .uMechzig. Da kam «in Mensch «aus uns.-re Insel, lang, mager, schlotterig, da» Gesicht gelb wie alte» Pergament; ein «Engländer. Sein Gepäck bestand in einer schweren Kist«. Gr hatte bereit» alle Weltteil« abenteuernd abg«. grast: nun ha «t« ihn der gleißende Schatz auf dem Meere», gründe auch hierher gelockt, wie «inen Fisch der Köder. Gr schien sich di« Sache bereit» -»rmchtgelegt zu habens denn seine erste Frage «ar nach einem tüchtigen, entschlossenen