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Nr. US. Mittwoch, 20. Mai 1914. 9. Jahrgang. Solin frei In. tznu, monatlich *a p,L »<I»«, ad. .«hott «anatUch»»»». u. »tchant. !>u> t«pfq. »,t -».p.st b.st.llt un- stibst adv«d»It »I«rt<II«dkiich l.« Mk., monalUch »a pfa. durch »,n »rirstrlla.r srrl I». hau. virrtrl» IttdrÜch 4.« Nie., mo.iuiuch 74 vfg. «rs-hilnt tli.lich In »r» MM,,,st«», »an, mit stusnahm« »an Sann-und steirriageu. Unstr» -«Itunz.au.» «rß,r, uu» stuo,,d«ft»U«n, st»I, Ulst p«st»nstall«u un» 0rl«strll,«r NMnurn Oast.Uua,«» «atz«-«». /luer Tageblatt MnMger für -as lkrzgebirge AW mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. Sprichst«»-»S»rK»üaktton mit stuonahm« -»rSonntag»nachmittag» 4—SUhr. — T»l»gramm.fl-r»st», Tagrdlattfiurrrzgrdlrg». HrustrnherSZ. w'ua^'l, nustpN'»« 7ns'r«Ä ra« imv«rlangt »Ingrsan-t» Manuskript» kann S»o>öhr nicht g»l»,st»t wrrsm. «Äu^M»^<fst.LmK Diese Nummer umfaßt IS Setten. Das Wichtigste vom Tage. Beide Kammern des sächsischen Landtage erledigten in ihren gestrigen Schlußsitzungen gemeinsame Tagesordnungspunkte.*) * Der ordentliche sächsische Staatshaushalt Mr jedes der Jahre 1914 und ISIS ist durch das Etatsgesetz auf 492488443 Mark festgesetzt und zu außerordentlichen StaatLzMecken Mr beide Jahre noch ein Gesamt- ' betrag von 75322000 Mark ausgesetzt wor den. * Der bekannte Volksliederkomponist Thomas Koschat ist gestern in Wien im Alter von 69 Jahren gestorben.*) * Ter Zar hat das von der Duma und dem ReichSrat an- gei.ommene Rekrutenkontingent für 1914 von 585000 Mann bestätigt und,Bark zum Finanzminister ernannt. * Die Lage in Durazzo ist äußerst bedrohlich. Essad Pascha wurde gefangen gesetzt uiü> an Bord eines österreichischen Kriegs schiffes gebracht.*) -> Nähere« steh« an anderer Stell«. im»- Mutm chliche Witterung am 21. Mafi: Nordwind« meist t>re Temperatur, wenig geändert, vorwiegend trocken Himmelfahrt. Himmelfahrt ist das schöne Fest, da» so recht mitten in die reichste Fest- und Feierzeit des Jahres fällt! Noch liegt Ostern nicht weit hinter uns und die blühenden Pfingsttage stehen uns noch bevor. So können wir die Freude recht aus dem Dollen schöpfen, wo wir über den kahleren Anfang hinweg und doch auch noch weit von ihrem Ende sind. Denn Ostern blühten nur erst die einzelnen frühen Bäume und Sträucher, jetzt aber ist's ein Blütenmeer ringsum, und bi» Pfingsten wird sich immer noch eine neue Art an die andere an reihen, bis jede Pflanzengruppe ihren Liebesfrühling durchgekosret hat. Wer 'kann sie zählen, diese Scharen von Tausenden und Hunderttaufenden, die gerade diesen Höhepunkt der Frühlingsfeste, den Hinunelfahristag, so Cm Wink äes Schicksals. Himmelfahrtsgeschichte von Ludwig Mango. Nachdruck verbalen Wenn doch nur morgen auch solches Prachtwetter wäre! sagte die, hübsche Frau Lisbeth Werner und steckte den blon- den Kopf durch das «den geöffnete Fenster. Eine Welle von Wärme und Sonnengoid strömte in das Zimmer. Da keine Antwort erfolgte, schritt Lisbeth hinüber zum Spiegel, wo ihr Fritz, eben bemüht war, mit einem tiefernsten Ge sicht den Sieg über ein sehr widerspenstiges Knopfloch zu erringen, das den Kragenknapf absolut nicht hindurchlassen wollte. Lisbeth schob ihren Arm unter den des Gatten, lehnte ihren hübschen Kopf an feine Schulter und fragte zärtlich: Wohin gegen wir morgen, Fritz? — Aber Lisbeth, jetzt war der Knopf schon fast durch! Vorwurfsvoll wies Fritz auf den steifen, weißen Kragen, der sich seiner wieder gewonnenen Freiheit fessellos freute. — So «laß doch den dummen Kragen! Lisbeth verzog schmollend den Mund. Ich mutz in» Bureau, Schatz, höchste Eisenbahn! Meinetwc^en — aber vorher sage mir, was wir morgen unternehme? — ich will mich schon heute freuen! Bitte, Fritzl, bitt» — sage es mir schnell! — Der >Knopf war doch zu widerspenstig! Fritz Werner hatte plötzlich einen ganz roten Kopf, als er, jedenfalls infolge der Kraftair. strengung, mit der er den Kragen nun doch geschlossen hatte, mit etwas belegter Stimme erwiderte: Morgen? Morgen ist doch Himmelfvhrtstag, Mau»! — Ich weiß — Feiertag! Da können wir gleich zeitig morgen» ausfliegen! Ordent lich strahlend wurden die Augen der kleinen Frau. — Kindchen, morgen wirst du wohü mit Mama sein müssen morgen ist Herrenparti«. Du kennst ja den alten Brarichl — Und den-willst du auch mitmachen? Du willst mich morgen den ganzen Tag allein taffen? Fassungslos starrten ihn die hübschen, braunen Augen an. — Ich kann doch nicht anders, Liesel! Seitdem ich im Bureau Lin, haben wir Kollegen jädes Fahr zu HiMmelfaUt unseren Ausflug ohne Fmuen gemacht. — Da hattest du noch keine! unterbrach ihn Lücheth erregt. — Ach nicht -- aber dl« recht genießen wollen und hinausströmen aus ihren en gen grauen Mauern in die sonnenvergoldete, bunt ge schmückte WM. Da leuchten unter Blumen und Blättern und dem lachenden Himmel auch die lachenden fröhlichen Menfchengesichter und die Hellen Weißen und farbigen Fest- und tzeterkleider, Und so «flutet es hin und 'hier durch die Auen und Wälder, alt und jung und hoch und nied rig. Denn der Himmelfahrtstag ist von je ein rechter Wandertag gewesen. Und wenn ein Geist von der Htm- melSHWe nieder auf die Erde schauen könnte, der möchte von dem ganzen lustigen Schauspiel an Bilder au» dem Paradies erinnert werden. Ja wirklich, wir Menschen spielen so ein bißchen Paradies an diesem Feste. Wir werfen di« Sorgen und Mühen des Alltags einmal hinter uns und geben uns dem gcknzen holden lieblichen Jugendleichtsinn des Len zes hin. Die frommen Kirchenglocken selbst klingen uns so heiter, als sollten sie nicht an Sündenschuld und Pflichtenlasten mahnen, sondern als wären auch sie nur abgestimmt auf den gleichen Dank- und Jubelton, den die Lerchen droben in den lauen und blauen Lüften schmet ternd und jauchzend auswärts senden. Der Himmel auf Erden! das ist die allgemeine Losung heute. Wir wollen einmal das, wonach wir uns heimlich alle Tage unter dem Joch der Arbeit sehnen, was uns die Phantasie im mer wieder in lockenden goldigen Träumen vorgaukelt, in Wirklichkeit haben. Wozu leben wir sonst auch eigentlich, und auf was hoffen wir, Wenn es nicht hin und wieder einmal dieses Stück Himmel auf Erden gäbe? Gewiß, die Hoffnungen des Menschen gehen schließlich über das Grab noch hinaus und gerade der Himmel fahrtStag will uns daran erinnern, daß wir den Himmel über der Erde suchen und uns zur Fahrt dahin rüsten sollen?. Aber könnten wir nach einem Ziel steuern, von dem wir überhaupt keine Kunde hätten? Und könnten wir uns nach einem Himmel sehnen, von dessen Herr, lichkett es in uns noch nicht die geringste Vorahnung gäbe? Freilich kann auch das sonnigste Himmelfahrt«- fest die Erde noch nicht wirklich und nöch riicht Mr alle und noch nicht M» "immer in ein Paradies verwandeln. Es gibt Kranke, die auch heute klagen und sorgen, die auch heute nicht stillschweigen. Und gänzlich kann im fröhlichsten Wanderer und in der duftigsten, lenzfrohe sten Natur das Bewußtsein nicht untergehen, daß alles Irdische schließlich doch Stückwerk bleiben und der un erbittlichen Vergänglichkeit seinen Tribut zählen mutz. Aber deshalb sind die Augenblicke der seligtrunkenen Er hebung doch nicht unnütz. Sie bleiben eine frohe Bot schaft von höheren Möglichkeiten; sie blei ben ein Sinnbild des ewigen Himmels, von dem die fromme Seele träumt; sie bleiben die frische Quelle, aus der unser Herz inuner neues Verlangen, immer neue andern, und keine kam mit! Da kann ich nicht plötzlich eine Ausnahme machen! — Nein — mitnchmen kannst du mich nicht, das sehe ich «in >— aber du — mußt du denn gehen? Lieber, guter Fritz, laß mich nicht allein wir wollon gleich zeitig morgens hinaustfahren, -irgendwohin, wo es recht still und einstm ist .... ach Fritzl, laß doch di« Kollegen laufen und Skat dreschen und bleibe bei mir! Stürmisch umschlangen ihn Lisbeths weiche Arme aber Fritz blieb — ein Held — allen Bitten - gegenüber stand haft. Das rst unmöglich, Liesel, sei gescheit. Du weißt, ich habe dich in den sechs Monaten, in denen wir jetzt verheiratet sind, nie allein gelassen, bin allen Zusammen künften mit Freunden oder Kollegen aus dem Wege ge- gangen Scheint dir ja schön schwergefallen zu sein! kam es schnippisch von Lisbeths gefährlich weinerlich ver zogenen Lippen. — Davon ist nicht die Rede! Ich er wähne da» nur, um dir zu zeigen, daß, wenn ich dies mal nicht ausweichen kann, Gründe vorliegen. Ich kann und will mich von der obligaten Herrenpartie nicht aus schließen! Also sei mein kluges Frauchen und ergib dich drein! Und dabet blieb es, trotz Lisbeths neuerlichem Bitten und Schmeicheln, das dann allerdings im Laufe des Tage» mehr und mehr seinen Charakter veränderte und schließlich -um trotzigen Aerger wurde. Also Fritz ließ sie-wirklich allein! Nach kaum sechsmonatiger Ehe verbvachte er einen wonnigen -Frühlingstag lieber mit den dummen Kollegen al» mit seiner kleinen Frau. Da» war himmelschreiend! Wa» hatte er danach zu fragen, daß die- Kollegen ihn viel leicht auslachten! Mochten sie doch! Mer nein, daß er nicht für «inen Pantoffelhelden gehalten wurde, da» war ihm -wichtiger. Schämen sollte er sich! So also sah seine groß» Lieb» au»! Lisbeth war tief unglücklich. Am Wend diese» verhängnisvollen Tage» gingen sie -um erstenmal verstimmt und ohne -äMchen Guts-Nacht-Kutz -u Bett. Und al» Fritz nach acht Uhr am anderen Morgen da» Hau» verließ, stellt« sie sich schlafend, obwohl e» sie eine große Ueberwindung kostete, ihn ohne Abschied gehen -u lassen. Aber sie blieb fcht, sie war zu Löse. Fritz war es nicht ganz wohl zu Mute, Lisbeth tat ihm leid. Im Hoffnung, immer neuen Glauben trinkt. Der Flieger, der hoch über uns im Asicher und Sonnenschein schwebt, ist such noch nicht von Mer Erdenschwere gelöst. Auch er kostet seinen Triumph nur Mr Augenblicke, zwkschen denen er doppelt und dreifach Geist- und Körperkrast anspannen muß, um Herr der steten Gefahren zu blei ben, die ihm drohen. Und doch fühlen wir diesen Triumph stolz mit ihm und vergessen darüber die Gefahr und sind mutig im Glauben an eine Zukunft, in der die Gefahren 'schwinden und der Triumph dauern werde. So ist un» al les Zeitliche ein Bordeuten auf Ewige». Und auch den tiefsten Sinn des heutigen Feste» werden wir darin fin den: der Himmerl auf Erden, den wir bruchstückweise und für Augenblicke erleben, wird un» Gewähr dafür, daß Edleres und Schöneres in dieser Wett bebt; die Fähigkeit, sich nach Höherem zu sehnen, ist da» erste Zeugnis einer höheren Berufung. So taucht hinter dem jubelnden Frühlingsfest die Idee eines ewigen Frühling» und eines ewigen Himmels aus. Daß wir nach ihm un terwegs sind, ist der HtmmelfahrtSgedanke. Minister v. Loebells Zungfernreäe. (Bon unserem Berliner cW-Mitarbeiter). Die dritte Lesung des preußischen Etats hat der neue Minister des Innern, Herr von LoeLelk, zum An- Iah genommen, sich beim Abgeordnetenhaus einzuführen. Nicht mit einer Programm rede. So etwas ist des Landes hier nicht Brauch; und das ist gut so. Jene fran zösischen und italienischen Minister, die sich bei ihrer lieber- nähme der Geschäfte ihren Kammern mit langatmigen Ar beitsprogrammen vorstellen, ahnen garnicht, welche komische .Rolle sie spielen. -Die parlamentarischen Mühlen aller Länder mahlen in unseren Zeitläuften ihr Refsrmm.ht so langsam, daß die ministerielle Lebensdauer in die Patriarchenjahre kommen müßte, um eine Aufarbeitung des ganzen Speisezettels zu- erleben. Daß ein Minister aber vergänglicher ist, als die Blumen de» Felde», weiß die Welt. Und bei uns steht es noch nicht einmal so schlimm, wie jenseits von Appeninen oder Vogesen. Immerhin kann man es Herrn von Loebell nachfühlen, wie sehr es ihm widerstrebte, sich auf den Spitznamen des Wahlreiorm- Ministers festlegen zu lassen, den ihm di« Presse vorschnell anhängen wollte. Wenn der Minister präsident am 15 Januar den Zeitpunkt Mr einen neuen Reformversuck nach dem gescheiterten von 1910 Mr noch nicht gekommen erachtet, -kann in derselben Tagung, am 18. Mai, ein frisch ins Amt gekommener Subaltern minister die Säule nicht Wer das Knie brechen wollen. Es ginge schließlich, wenn ein fester Reformwille da wäre. Aber der - fehlt ja eben: Vielleicht nicht bloß im Ministerium, sondern wohl mehr noch —- im Landtage selbst. Grunde wäre ja auch er viel lieber mit der -Kleinen hin eingelaufen in diesen strahlend schönen Frühlingsmorgen, als mit den Kollegen loszuziehen. Die hatten Da doch weniger Sinn Mr all die neuerstandene Pracht in der-Natur, als dafür, recht bald einen bequemen Schlupfwinkel Mr einen gemütlichen -Skat zu finden. Gr war wirklich so ganz her aus aus all diesen Junggesellenfreuden. Aber sie ver ulkten ihn ohnehin schon, weil er einzeln nicht mehr ab gegeben wurde, er mußte den lieben Kollegen zeigen, daß er noch Herr seines Willens war. Nur, daß Liesel die Sache so krumm nahm, tat ihm doch leid. Und als er auf dem Wege zum Bahnhof -an seinem Bureau vorüberkam, durchzuckte ihn der Gedanke: der Liesel telephonieren, sie schnell versöhnen, damit ihnen nicht beiden der Tag ver dorben war. Gin Blick auf die Uhr überzeugte Fritz, daß er reichlich Zeit, ein Griff in die Tasche verriet ihm, daß er gewohnhsitsgemäß die Bureauschlüssel eingesteckt hatte. Eilig lief er die Treppen hinauf, schloß da» in feiertäg lich :r Stille und Einsamkeit liegende Bureau auf und nahm gleich den Hörer des im ersten Zimmer auf dem Schreib tisch stehenden Telephons ans Ohr. -Was war denn da» nur? Warum meldete sich das Amt nicht?? Diese schreck- lichsn Damen! So würde er doch noch seinen Zug versäumen- Er legte den -Hörer auf und lief hinüber in sein Zimmer, wo eine gepolsterte Telophonzslle -um interurbanen Verkehr stand. Gr betrat dem kleinen Raum und zog die Türe hinter sich zu, die mit einem -scharfen Knacken einschnappte .... Endlos erschien Lisbeth der strahlende Sonnentag. Endlos, einsam und' traurig. Mühselig verstrichen di« Stunden Au» ihrem Groll gegen Fritz wurde, j« mehr die Zeit vorrückte, allmählich Sehnsucht und verzeihende» verstehen. E» war nicht hübsch -von ihr gewesen!, daß sie ihm etm so selbstverständliche Sach«, wie diese obligat« Herrenpartie, von der er sich nicht ausschliehn konnte, so schwer gemacht. Und daß sie ihn ohne WWÄ gehen ließ war direkt abscheulich von ihr. Et« wollte aber gut machen und Fritz um Verzeihung Litten, wenn er heinckam! Ja, da» wollte sie. Wenn er nur erst da mä*e! Schon um fünf Uhr hatte sie keine Ruh« mehr bei der Mama. Sie