Volltext Seite (XML)
Är«M Sonnabenä» 21. Zum 1913. Nr. 141. Mer Tageblatt /lnzeiger Mr das Erzgebirge mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsbla«. — S. Jahrgang. Dies« Nummer umsaht 12 Setten. Außerdem liegt da, achtsettüg« wuftr. SonntageblaU bei. Das Wichtigste vom Tage. Der Kaiser totrd feine diesjährige Nordlands, reis« nach Beendigung der Kieler und Travemttm- der Woche am 7. Juli von Travemünde au§ andreren. * In der Budgetkommission des Deutschen Reichs tages tvurde dieersteLesungdeSVermögens- SUtvachSsteuergesetzeS beendet. * In der Martenschule zu Bremen erschoß ein geisteskranker Lehramtskandidat dretKinder. Ein Lehrer und sechs andere Kinder wurden durch seine Schüsse schwer verletzt.*) « Das französische Kanonenboot Kessaint hüt die Insel Mali» in der Ftdschigruppe, die bi«, her herrenlos war, annektiert. « Die tvegen der Marconi.Affäre beschuldigten Mini ster Llohd Georges und Jsasc» wurden durch eine Entschließung des englischen Unterhauses frei gesprochen. Die bulgarische Regierung beantwortete die Forderung Serbiens auf Revision des Ge- heimabkommenS mit dem Verlangen, daß Ser. bien die im letzten Kriege besetzten Ge. bietsteile räumen soll,*) »t Nähere« stehe an anderer Stelle. sIMp- Mutmaßliche Witterung M 22. Juni: Südwest- winde, zeitweise ausheiternd, geringe Temperaturändcrung, kein erheblicher Niederschlag. -ML Preußische Hochzeitspolitik. Dem langen Hin- und Herraten über die politischen Folgen der Vermählung der Kaisertochter Viktoria Luise mit dem cumberländtschen Prinzen Ernst August macht die Veröffentlichung eines Briefes ein Ende, den der Prinz bald nach seiner Verlobung, aut 20. April die. seS Jahres, an den Reichskanzler gerichtet hat und der gestern von uns zum Abdruck gebracht wurde. Darin wird in feierlicher Form mitgetellt, daß der Herzog von Cumberland alle seine Rechte auf den braunschweigh. schen HerzogSthron aus seinen Sohn — dem einzigen ihm noch gebliebenen — übertragen hat, und daß dieser Sohu, eben der Briefschreiber, Prinz Ernst Au gust, als Schwiegersohn und Offizier de» König» von Preußen, das Versprechen abgibt, daß er nicht» tun und nicht» unterstützen werde, was darauf gerichtet ist, den derzeitigen Besitzstand Preußen» zu vermindern. Diese Sach, und Rechtslage, so schließt da» Schreiben an den Reichskanzler, wird in Verbindung mit dem Verzicht «keine» Herrn Vater» auf den braunschweigischen Thron nach meiner Ueberzeugung di« Aushebung der seitheri gen Beschlüsse de» Bundesrates rechtfertigen. Dies« früheren BundeSratSbefchlüffe (2. Juli 1885 und 28. Februar 1907) liefen beide darauf hinaus, daß, solange der Herzog von Cumberland, oder ein Mitglied seine» Hauses sich im verfassungswidrigen Streit mit Preußen befinde und Ansprüche aus Gebietsteile dieses Bun. deSstaates geltend mache, die Regierung eines Mitglie des des herzoglichen Hauses in Braunschweig unmöglich sei. Nun enthält die feierliche Erklärung de» Prinzen Ernst August kein Wort darüber, ob sein Vater auch auf Ansprüche verzichtet hat, die sich auf Gebiets, teile Preußer s (Hannover) erstrecken. Mandarf annehmen, daß «tu solcher Verzicht nicht ausgespro chen worden ist. Wenn trotzdem der Kaiserliche Schwte. gersohn die Erweiterung auf Aufhebung der beiden Bun» desratsbeschlüsse auSfpricht und auch der Kaiser selbst in seiner berühmt gewordenen Abschiedsrede bei der Hochzeit seiner Tochter deutlich die Hoffnung durchbliL ken ließ, daß demnächst da» neuvermählte Paar den Thron de» Herzogtum» Braunschweig besteigen werde, so kann nur mit einem Rückzug Preußen» im Bundes» rat und mit einer Abänderung der beiden bestehenden Beschlüsse gerechnet Werden. Solche Abänderung würde aber bei der gegenwärtigen Sachlage kaum auf Wider- stand stoßen. Zunächst hat der Prinz für sich loyal und feierlich auf alle Ansprüche gegenüber Preußen, also auch auf Hannover, verzichtet. Er will als Bundesfürst ohne Sondervorbehalte in die Reihe der anderen Bundesfür sten treten. Einen erbsolgeberechtigten Bruder, der trotz dem später Hannover Mr das Hau» Cumberland re klamieren könnte, hat der Prinz nicht. ES ist also keine Gefahr, daß die Wölfischen Ansprüche je wieder auf. leben können. Auch der 68jährige Herzog selbst macht sie jetzt nicht ausdrücklich geltend, Wenn er auch nicht direkt auf sie verzichtet. Vielleicht könnte man sich unter solchen Umständen damit begnügen, im zu erwartenden neuen Bundesratsbeschluß das Nichtaussprechen eines hannoverschen Verzichts des betagten Herzogs zu igno. rteren, und einfach festtzustellen, daß Prinz Ernst August für seine Person alle Voraussetzungen zur Besteigung de» braunschweigischen Thrones erfüllt hat. Der ein zige Beweggrund der vor solch menschlich erklärlichem Zurückweichen Preußen» abschrecken könnte, wäre viel leicht die Rücksichtnahme auf die wölfische Agi tation. Sie wird, solange kein ausdrücklicher Ver zicht deS Hauses Cumberland auf Hannover vorliegt, nicht eingestellt werden. Aber so unbequem sie sein mag, staatSgefährlich ist sie gewiß nicht und an Umfang und Bedeutung wird sie nach der glücklichen Aussöhnung Die böse Schwiegermutter. Humoreske von E. Rolfs. Nachdr ck verboten In einem Schnellzugabteil zweiter Klasse saßen zwei Damen. Die jüngere, ein allerliebstes, vielleicht achtzehn- jähriges Mädchen, war schon eine Zeitlang allein gefahren, al» die ältere zustieg, und sie empfand'» al» Wohltat, nun Gesellschaft zu bekommen. Höflich nahm sie der Dame da» Reisegepäck ab und half ihr, e» im Netz unterzubrtngen. Bald waren die beiden Reisegefährtinnen im eifrigen De« spräch. Das heißt, meist sprach da» jjunge Mädchen, da» am Goldfinger der Linken einen funkelnagelneu aussehenden, glatten Goldreif trug. Schon nach der ersten Viertelstunde wußte die ältere Dam«, daß ihr reizende» Visavis vier Wo. chen Braut war und den liebsten, besten Mann ron der Welt bekommen würde. Axel war einfach — na, da» ließ sich gar nicht beschreiben, was da» für ein Mensch war! Erst flebenundzwanztg und schon Privatdozent, furchtbar gelehrt, aber dabei ein Sportsmann ersten Range». Wirklich, ihn Tenni» spielen zu sehen, war ein Genuß. Und beim Ten. nt» hatten sie sich auch kennen gelernt, al» Axel zur Echo, lung nach dem Doktorexamen in derselben Sommerfrische geweilt halte, wie sie und ihre Eltern. Da» war nun schon fast ein ganze» Jahr her, und sie hatte dann immer An« sichtskarten von ihm bekommen und zuletzt auch Briefe, und vor vier Wochen, ja, da hatten sie sich verlobt. Und nun bin ich auf der Reise zu meinen Schwiegereltern, die ich noch gar nicht kenne. Gin tiefer Seufzer begleitet« diese Worte de» jungen Mädchen», und sie schwieg nachdenklich. Die ältere Dame fragte: Wie lange haben St« denn nach zu fahren? Wo sind denn Ihre Schwiegereltern zu Hause? — In Würzburg. Aber dorthin komme ich erst übermorgen. Eher erwarten sie mich gar nicht. Ich bekam nun gestern eine Karte von meiner besten Freundin aus Kisstngen, wo ihr Vater die Mr gebraucht. Sie Lat mich dringend, sie dort zu besuchen, und so entschloß ich mich, heute schon zu reisen. Wir haben uns natürlich furchtbar viel zu erzählen, Herta und ich. Das wird sehr sibön sein, und die Mei Tage sind nun noch eine Galgenfrist für mich. Wieder ein tiefer Seufzer. Die ältere Dame lachte und meinte: Galgenfrist? Graut Ihnen denn so vor den Schwiegereltern? — Bor Axels Va ter nicht, o nein, Schwiegerväter sollen immer sehr nett zu ihren Schwiegertöchtern sein. Aber vor der Schwiegermut. ter — Huh — da hab' ich entsetzliche Angst, gnädige Frau, da» können Sie mir glauben. Man hört doch immer, wie schlimm die sind, und man liest'» in allen Witzblättern. Und wenn auch Axel sagt — Was sagt denn Axel? — Oh, er versichert, seine Mutter sei die prächtigste alte Dam«, die man sich nur denken könne. Alte Damen, so nennen die jungen Herren ja ihre Mütter scheußlicherweise. Aber Axels, Mutter ist erst »7 Jahre, und sie soll sehr hübsch sein. Ich hab' noch nicht einmal ein Bild von ihr gesehen. Axel be. hauptet, e» gäbe kein gute», und ich sollte sein hübsche» Ma. machen nicht durch ein« schlechte Photographie kennen ler. nen. Nun stell' ich sie mir vor mit großen, schwarzen Augen und einer Hackennas«, und fühle ordentlich wie sie mich durch, bohrend ansieht. Axel schwärmt für seine Mutter, und da» finde ich entsetzlich — Aber mein liebes, kleine» Fräulein, da» müßte Eie doch gerade freuen. Man sagt, ein guter Sohn gibt auch einen guten Ehemann. — So, sagt man da»? Möglich daß e» so ist. Aber wa» kann mir da» Hel. fen? Deshalb fürcht' ich mich doch vor meiner Schwieger, mutter. Denn sehen Sie, gnädig« Frau, ich nehm« doch Axel» Mutter den Sohn weg, wenigsten, ein Stück von ihm, nicht wahr? Da» ist'» wohl, wa» die Schwiegermütter so Stoischen Welfen und Hohenzvllern, sicherlich noch fort, gesetzt verlieren. Durch die Veröffentlichung der Erklärung de» Prinzen Ernst August wird, wie die Dossische Zeitung meint, der welischen Agitation etw End« bereitet. Auch das Berliner Tageblatt sagt: das Schreiben enthalte ein« Absage an die welfische Agitation, die an Deutlichkeit nicht, zu wünschen übrig lasse. Die Nattonaltzeitung schreibt- Wenn die preußische Regierung der Aufhebung der noch be stehenden BundesratsbeschWsse zustimmt, dann besteht auch für die übrigen Bundesstaaten kein Grund, der Thronbe. steigung des Prinzen Ernst August entgegen zu sein. — In Hannover hat die Erklärung des Prinzen Ernst August allgemeine Zustimmung gesundem nur im welfischen Lager ist man darüber sehr bedrückt. Die Welfenfrage dürfte nun mehr bald aus der Welt geschafft sein. Schon seit einer Woche waren die Wolfenführer von einer Erklärung de» Prinzen Ernst August unterrichtet, die am Tage vor der Ankunft des Kaiser» in Hannover veröffentlicht werden sollte. Die einsichtsvollen Führer der Welfen halten den Kampf für endgültig verloren. Der 29. Juni, zu dem eine WelfenversamMung einberufen worden ist, wird über da» Aufhören oder da» Wettevbestchen der Welfenpartei ent. scheiden. Die preußische Regierung will, wie die Tägl. Rund schau erfährt, die Erklärung de» Prinzen Ernst August für ausreichend halten, um seine Thronbesteigungin Braunschweig zu ermöglichen. Tin Verzicht de» Vater» de» Prinzen, des Herzogs von Cumberland, soll nicht zu er. warten sein. Tisza gegen Nußlanä. Der ungarisch« Ministerpräsident Mer dl« BaUaupolttik. Der bulgarisch<erbische Konflikt scheint die Folge zu ha ben, daß auch der österretchisch.russische Gegensatz wieder auslebt. Der Ministerpräsident Gräf T i» za hat im ungarischen Reichstag «ine bedeutungsvoll« Rode gehalten, in der er das ganze Problem der österreichisch-ungarischen Balkanpolitik aufrollte und in entschiedenen Worten dage gen Stellung nahm, daß Rußland sich als Vormund der Balkanstaaten aufspielt. Der ungarische Politiker sucht sicht lich einen Keil zwischen den Balkanbund zu treiben, und wie Rußland sich auf Seiten Serbiens stellt, so nimmt Oester- reich-Ungarn für Bulgarien Partei, das sich dem Schied», spruch des Zaren nicht beugen will. Die Rede Tiszas über- mittelt folgendes Telegramm: Budapest, 20. Juni. Beim Nachtragskredit zum Budget gab Ministerprä sident Graf Tisza zunächst einen lleberblick über die Hal. tung Oesterreich-Angarns zur Selbständigkeit der Bal« kanstaaten. Er «klärte: Sobald wir erkannten, daß di« Balkanvölker ihre Unabhängigkeit durch eigene Kraft und nicht durch Einmischung ein« oder mehr«« Vormund. spielende, Großmächte zum Geschenk «halten würden, ha ben wir Liese Tatsache anerkannt. Wir haben di« böse macht: sie sind eifersüchtig aus die Frauen ihrer Söhne, und das, so denk' ich mir, ist um so schlimm«, je lieber fi« ihre Söhne haben. Ach, und Axels Mutt« hat ihren Ein- zigen ganz furchtbar lieb, das weiß ich aus ihren Briefen und aus Axels Erzählungen. Gott, hab' ich eine Angst vor diesem ersten Besuch! — Mein liebes Kind, dazu haben Sie ganz gewiß keine Ursache. Wenn Ihre Schwiegermutter den Sohn so innig liebt, dann muß diese Liebe auch auf Sie übergehen, das ist meine feste Ueberzeugung. Ich — ja, ich würde mich freuen, wenn mir mein Sohn ein so allerliebstes Wräutchen bringen würde. Uebechaupt, es gibt gewiß viel mehr gute Schwiegermütter, al» böse. Ich selbst hatte eine ganz prächtige, und ich denke oft noch mit Sehnsucht an die liebe, gütige Mutter meine» Manne» zurück. — Oh, gnädige Frau, sind Sie vielleicht auch schon ein« Schwiegermutter? Aber nein, wie könnt' ich nur so dumm fragen! Dazu find Sie ja noch viel zu jung. Beleihen Sie mir, bitte. Ach, wenn ich doch nur die Angst los werden könnte! Aber im mer seh 'ich meine Schwiegermutter vor Mr, wie sie mich, mit ihren großen, schwarzen Augen prüfend mustert. Ich Lin doch noch ein so junge», unbedeutende» Ding, ich kann'» ihr nicht einmal verdenken, wenn sie sich wundert, daß Axel mich gewählt hat. — Aber «Kindchen, verbannen Sie doch solche GÄraNken. Jede recht« Mutter ist glücklich, wenn ihr« Kinder es sind. Und ich bin fest überzeugt, Axel» — ich mein« Ihres Bräutigam» Mutt« wird darin keine Au», ncchme machen und Sie werden ihr Herz im Sturm erobern. Meinen Eie wirklich?—Ach ja, wenn alle so dächten wie Sie, gnädig« Frau, dann braucht ich freilich mich nicht zu fürchten. Aber daß «meine Schwiegermutter so lieb sein könnt«, da» kann ich mir nun einmal nicht vorstellen. Doch bin ich Ihnen furchttbar dankbar, daß Et« Mr so tröstlich zugesprochen haben, und ich will mir Mühe geben, meine Angst zu bekämpfen. — So ist'» recht, liebe» Kind, ich möch-