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uer Tageblatt Ar. AS Sonnsbenä, 20. September 1A3 üd. de» fvzialdemvfttttt- des Interesses. Zwei Mutmaßliche Witterung am LI. Septemder: VL> nähme der Bewölkung, etwa» kälter, leia erheblicher »Zeder« schlag, "dc i 'S .00 tl8 ' UNll Hl.8. Bet der Ersatzwahl im Kreise Lüdinghausen- Beckum wurde Graf Max von Droste.Bi- schering (Zentrum) mit bedeutender Majorität gewählt. Die Meldung, daß Graf Stzözenh-Martch, der österreichische Botschafter in Berlin, von seinem Posten zurücktreten werde, wird de mentiert. Liese Rümmer umfaßt IS Setten. Außerdem liegt das achtseittge illuftr. Sonntagsblatt bei. Das Wichtigste vom Tage. Dt« Stadtverordneten von Dresden haben für den Kauf von 500 Milligramm Radium 200 000 Mark bewilligt. Mzeiger Mr -as Erzgebirge mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblatt. Spwchchw-e -« «e-adteu «11 fiusaah«, -er choauta-e uachawtag, 4—s Uhr. — «elegnwm-ftbnfle» Lagebla« fimmMtteg«. -vmfpwche» 5». Iä» anmrlaagt ttugrsaubt» Mauuskrtpt» kam, Vewtlh» nicht gelttget «erben. Da» Parlament der vereinigten Staaten hat die Gesetzesvorlage über die WLHrungSLnd«. rung angenommen. »» Nühkr«» fleh« <M ander«! ««»«,. Politische Wochenschau. V Endlich find alle Streitfragen -wischen Bnlga rten und der Türkei erlÄttgt, so daß der Friede nun mehr zur Tatsache wird. Demottka und KirMlisse blei ben türkisch, auch die strittige Frage des Gefangenen austausches ist endgültig erledigt. Nach zeynj Monaten ist während der vergangenen Woche der «fte Eilzug zwi schen Sofia und Belgrad wieder gefahren; Oesterreich und Serbien bereiten sich auf den Abschluß neuerHan- delSverträge vor; Serbien hat sich endlich bereit ge funden, seine letz ten Truppen au» Albanien zurückzu ziehen; Griechenland hat seine Demobilisation end. gültig erledigt r kurz, überall sind di« Voraussetzungen für den BaAanfrieden gegeben und endlich, endlich, dür fen die schwer geprüften und arg heimgesuchten Balkan- länder wieder der Friedensardeit sich hingeben. Die diesjährige Ernte ist gänzlich belanglos, der Export von Vieh au» Serbien muß in diesem Jahve ganz unterbiet. Ein Mittagessen. Humoreske von -emi Duvernot». (Nachdruck v«rbol«l>.) Herr und Frau Le Hourdache kamen soeben von dem Notar: die ganze Freude war ihnen verdorben. Wohl hatte die alte Cousine aus der Normandie ihnen ihr vermögen ver macht, aber sie hatte die Bedingung daran geknüpft, dah die Erben einem lHepaave, das bis zu ihrem Tode Lei ihr ge dient hatte, eine jährliche Rente von viertausend Franken zahlen mutzten. Was ist das für ein« Art und Weise, stöhnte Frau Le Hourdache, so über unser Geld -u verfügen. Das ist wieder einmal deine Familie: kleine Leut«, dt« nur an ihren Dienstboten denken. Helen« l protestiert« Herr, Le Hourdache, du List nicht gerecht. Er war «in stattlicher Fünfziger, dessen gepflegter Bart von Brillantine glänzt«. Seine große, magere und gefühllos« Gattin schien aus Eifersucht und Geiz zusammen- gesetzt zu sein. Es ist Mittag, bemerkte sie, «0 wollen wir jetzt essen? Um bis ins Hotel zu kommen, müssen wir «in« Viertelstunde laufen. Und was für ein Schmutz hier ist! Natürlich wird nie gefegt l Eine hübsche Stadt! Mein Kleid kann ich wegwerfen. Wenn wir ein Auto genommen hät ten — warf Le Hourdache «in. Eie würdigte ihn keiner Ant wort, raffte ihren Nock mit Seiden Händen und hastete vor wärts, ganz rot vor Wut und Sei jedem Schritt über die spitzen Steine stolpernd. Da» Auw wurde nm zu Besuchen bei wichtigen Personen benutzt: der Diener zog sich dann als Ehauffeur mit den abgelegten Sachen seine» Herrn an und trug eine Mütze mit einer goldenen Schnur. Die Aufsicht ruf eine neu« Erbschaft hatte Frau Le Hourdache nicht be stimmen können, fich jhve» Wogen» für die kurze Fahrt zu bedienen. Je reicher sie wurden, desto mehr hielt sie das v,-—, Postomrmrttt- «r. ^.lerts sie PL Lb-r dr-a *5sinst.,r!d«m Ehepaar M» mü» «wLhrsnd über s«n breites, E-Hchgliche- Der wegen verdacht» der Kontrebande für Bul garien in Konstantinopel mit Beschlag belegte deutsch« Dampfer Ella ist wieder frei gelassen worden. In Konstantinopel wurde der jungtürktsche Kon greß eröffnet. Zum Vorsitzenden wurde der Senator Ahmed Riza gewählt. Len, e» steht sehr schlimm aus, und die dezimierte Be völkerung Wird sich nicht einmal in Jahrzehnten von den schweren Schlägen erholen können, die sie in diesen entsetzlichen Balkankriegen erlitten hat. Inzwischen fino die europäischen Großstaaten damit beschäftigt, die An leihefrage für die Staaten auf dem Balkan zu erledigen, die ihnen sicherlich noch viel Kopfzerbrechen machen wird. Die Folgen de» Balkankrieges ganz zu über schauen, ist vorläufig noch gar nicht möglich; umso er freulicher ist eS, daß durch die wahrscheinliche Berufung de» österreichischen Gesandten in Bukarest als Botschafter nach Berlin der Balka«Politik de» Dreibundes auch hierdurch äußerlich ein Zeichen völliger Ueberetnstim- nrung ausgeprägt wird. Unmittelbar nach Beendigung der Katsermanöver in Schlesien wurden auch in Oesterreich und Frank reich die großen Herbstmanöver abgehalten. Die öster reichischen erlangten dadurch ein besondere» Interesse, daß sie dem Erzherzog Thronfolger zum ersten Male Gelegenheit gaben, durchaus kriegsmäßig« Hebungen mit größeren HeereSkörpern durchzufahren. Die Manöver sind nach dem übereinstimmenden Fachurteil deutscher Offiziere glänzend verlaufen. Dt« grande» manoevre» fanden wie alljährlich an der französischen Ostgr«nze statt. Der auch in Deutschland wohlbekannte General Pau blieb Sieger, Krieg-Minister Etienne und Präsident Potnoar«, der al» Abschluß seiner großen Automobiltour durch zwanzig französisch« Departement» an d«r Kritik teilnahm, spendeten Offizieren und Mannschaften rück« haltlose» Lob. Für un» knüpfte sich an dlese Ma növer «in traurige» Ereignis. Am letzten Tage erlitt der daran teilnehmende dättsch« Militär-Attache in Pa ri», Oberstleutnant v. Winterfeldt, «inen schweren Mutounfall, der den hochgeachteten Offizier auf ein schmerzhaftes Krankenlager warf. AeuHerst sympathisch berührte die Teilnahme de» Präsidenten, der sich Wieder holt persönlich nach dem Befinden de» verunglückten erkundigte und ihn durch die Ueberveichung de» Kreuze» der Ehrenlegion auszeichnete. In Deutschland stand in der vergangenen Woche die tn Jena ' - - - ... - - . schen Kongres Momente waren dabei von allgemeiner Bedeutung; die Wahl de» Führers und die Debatte Wer den Massen streik. Di« Wahl für die Nachfolgerschaft Bebel» fiel übemaschenderweise auf den Abgeordneten für wlver- fMEawnen, den ehemaligen Parteisekretär Fritz Evert — einen Mann der mittleren Linie, der sich bisher durch aus noch nicht besonder» hervorgetan hatte, mit dessen Wahl man offenbar weder nach recht», noch nach link» Anstoß erregen Wollte, so daß Revisionisten wie Ra dikale ihn denn auch beinahe einstimmig wählten. Ebert trat auch auf diesem Parteitage nicht sonderlich hervor. Dt« Hauptrolle spielte dort vielmehr der Vertreter des Elberfelder Noahbarwahlkreise» Solingen, Philipp Gchei- demann. Er trat mit Witziger Schlagfertigkeit Rosa Luxemburg gegenüber, die den Massenstreik proklamierte. Verdienst, wenn st« auch tat, als ob ihr jede» Geschäft ein Greuel wäre. Eie stammte au» einer Beamtenfamilie, wäh rend der Vater ihres Mannes seinen Reichtum einem selbst erfundenen Likör Navigotine verdankte. Zankte sie sich nun mit ihrem Mann, nannte sie thn Budiker, obgleich er sein Leben lang nie eine Tätigkeit gehabt hatte. Sie brüstete sich mit ihren Bekannten: es waren pensionierte Beamte, die noch auf den einstigen Berus stolz waren und deren Frauen sich nur mit der Rangordnung beschäftigen. Einmal wöchentlich versammelten fich tn dem nach Kampfer und feuchtem Flanell riechenden Salon Gäste -et Herrn und Frau Le Hourdache. Dt« Unterhaltung «ar trostlos langweilig. Manchmal wurde sie «in wenig lebhafte^, wenn die Frage erörtert wurde, ob man diese oder jene Person empfangen könne. Dt« Witwe eine» Millionär» wurde -urückgewtefen, weil ste das Geschäft ihr«, Mann« wettersührt«. L« Hourdache nannte fich Sammler, ohne daß man genau wußte, was er sammelte. Er wurde durch di« ihn «umgebende Atmosphäre angestockt und begann sich sein« Vaters zu schämen — den er jetzt als Far mer, der sich «nebenbei mit der Industrie beschäftigt, schilderte — ebenso wie des Navigotine, der ihm aber doch gestattet hatte, sein ganz« Leben lang faulenzen -zu dürfen. Niemals stand der verwünschte Likör aus ihrem Tische. — Helen«, ich kann dir nicht neuhkonrmen. — Sie geruhte stehen zu bleiben, umsomehr, als ein Tilbury schnell durch dt« enge Straße fuhr. Sie mußten ausweichen, um nicht bespritzt zu werden. Zu ihrem 'großen Erstaunen wurden sie von dem Herrn, der das Tilbury führte, tief gegMßt- Scheuß lich, murmelt« Frau Le Hourdache, dis scharfe Augen hatte, das ist ja Ritoux. Der ordinäre Herl, den ich seit unserer KochMt nicht fthen wollte! Sr hat uns erkannt! Gr hält an! Ein Freund dein«» Vater! Ein Budiker! Herr Ritoux hatte tn der Lat angehalten. Abwechselnd überwachte er sein Pferd, das ungeduldig stampfte, dann wandt« er sich wieder 8. Jahrgang Scheidemann und seine vealpolittscher gerichteten Gesin nungsgenossen blieben mit großer Mehrheft Sieger. Das Aammergerickl zu Vertin. (von unserem Berliner s - Mitarbeiter.) Selten nur haben einzelne Gerichte eine bestimmt« Phy siognomie. Meist find sie zu neu, lediglich Gebilde der Not wendigkeit, Orte, die zwar unendlich viel« Geschichten er leben, aber kein« Geschichte haben. Besonder» in Berlin mit seinen zahlreichen Gerichtostellen ist es fast unmöglich, daß di« einzelnen ein besonderes Gesicht auftoeisen. Si« sind «ben Amts- oder Landgericht« mit so und so großer Besetzung und damit Schluß. Anders das Berliner Kammer gericht, das eben die Einweihung seines neuen Hause» im Kleist- park gefeiert hat und unter allgemeiner Teilnahme nicht nur der Berliner sein ehrwürdiges Heim in der Lindenstvahe verließ. Feierlich hat fich der llnyug diese» populärsten Ge richtes vollzogen und dabei wurde von allen Seiten di« Ge legenheit wahrgenommen, in der reichen Geschichte des Ber liner Kammergericht» wieder einmal nachzublättern. Da» Kammergericht war Jahrhunderte lang der Inbegriff uner schrockener Rechtsprechung. Da» Wort II 7 u äes jug» a vorlin I ist der Ehrentitel des Kammergerichtes en. Und nicht etwa Mr tn Zotten, wo der Richter, durch Un ¬ absetzbarkeit und mit allen Mittelen freien Urteil», dw» als Recht anerkennen durfte, was er al» Recht empfand. Di« preußischen König« waren nicht Mr sehr selbstherrliche Her ren, sondern auch Kinder ihrer Zett. Uäd diese Zeit, vom großen Kurfürsten bis aus Friedrich Wilhelm AI. huldigt« der Ansicht, auch der Richter sei ein Diener des Kö nig», in dessen Namen er Rocht spricht und habe daher sich vor allem zu hüten, in Widerspruch mit der königlichen Ansicht, dem königlichen Willen zu geraten. Unter solchen Umständen ist es «in Zeugnis, wie es rechtskräftig Mr der Volksmund ausstellen kann, von edelstem Freimut und stol zem Selbstbsw-uHtsei-n, wenn sich das schöne Märchen bilden konnte vom alten Fritz und dem Müller von Sanssouci. Die Historiker haben längst nachgewiesen, daß es eben «in Mär- chen ist. Aber allein die Tatsache seiner Existenz ist ge schichtliches BoweismateriLl, weil di« Keimzelle auch der Märchen eben die Wahrheit ist. Stiefmütter find nicht nur im Märchen schlimm und junge Königinnen nicht Mr tn der Lage unglücklich, wenn sie mit alten, granen Königen oerhet- ratet find. So ist wohl zwar die ^ene zwischen dem großen König und dem Müller erfunden, aber goldwahr da» Wort auf die Drohung Friedrichs A.: Ja, wem» das Kommerse- richt in Berlin nicht wär'! Die Vorgänger der Herren, die fitzt Besitz ergreifen von den schönen neuen Räumen haben mehr als einmal Mr ihre Urteile mit Freiheit und vermögen eingefianden. Mr zu ost haben Könige von Preußen dt« Sprecher ihnen unbe quemer Urteile mit Geldstrafen belogt oder fie gar nach Span- dau auf di« Festung geschickt. Aber immer sprachen ste wie- der so, wie ihr Gewissen ste sprechen ließ. Eine bekannte AnRdote von l mann sei bei Gesicht ein Lächeln ging, winkte er di« beiden freundschaft lich heran Al» fie neben dem Wagen standen, rief er: Na so etwa»! Tad auch! Brr! Sich! Verdammt« Biehl G» ist erst drei Jahre alt und feurig. Na, was wollen Sie denn eigentlich hier? Auf da» Wiedersehen wollen wir doch ei nen trinken! Ich habe mir gesagt: Das sind ja Le Hour- daches! Gehts gut? Wollen Äe nicht auf den Kasten stei gen? MM fitzt ein bißchen eng, aber das ist immerhin Les- ser, als sich zu schmutzig zu machen. Le Hourdache -versteckte fich hinter seiner Frau, die «inen Moment zögerte. Der dicke Mann fuhr fort: Los! Los! Sie müssen -et uns essen. Es findet sich immer etwa». Na, keine Umstände. In .Paris laden Sie mich auch wieder einmal ein, nicht wahr? Mr, daß ich dort nie hinkomme. Hab' hier immer zu tun, verstehen Ei«? Die letzten Worte bestimmten Helene. Ihr MM half ihr auf den Wagen. Sie zwängten fich zusam men und waren entzückt, da» Geld für eine Mahlzeit zu sparen und den langen Weg im Schmutz zu vermeiden. Ni« tour frohlockte: Na, meine Frau wird sich mal freuen! Frau Le Hourdache wird ihr van den letzten Pariser Moden er zielen Gin Mädel hab' ich auch — Hü! Los! HÜ! Und ei nen Jungen. Guten Tag auch Vater Listirauft: einer mei ner Pächter .... Donnerwetter, man wird ein wenig durch geschüttelt, abst es tut den Eingeweide» ganz gut. Eben habe ich einen Kunden besucht: man trinkt zusammen, man ulkt: es ist mehr eine Zerstreuung al» ein« Arbeit! Hü! Klop- per! vorwärts! Jedesmal, wenn Ritoux sein Mrd an trieb, war Frau Le Hourdache außer fich Über die Gewöhn lichkeit des Mannes. Mr allein der Gedanke an'da» Mit. tagesson tröstet« fie. Als fie angekommen «ar, «ersuchte st« Frau Rttoux, dt« fie zuerst für di« Köchin hielt, «tn freund liche» Gesicht zu machen, lächelt« der Tochter des Hause», Charlotte zu, von der ste glaubte, fie wäre das Hauemäd chen, und begrüßte Tpprien, den Sohn de, Häuft», dm fie für Herr Pse-dLknrE Die Familie bewohnt« ein« dau auf di« Festung geschickt. Aber immer sprachen fie wie- dem charakterfesten Präsidenten von Grol- t dieser Gelegenheit hier erzählt, vor dem kein