Volltext Seite (XML)
Anzeiger Mr -as Erzgebirge mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. Epr»chld«öe -« XeSakNon mit ftumahme »er Sonntag» nachmittag» 4—» Uhr» — relegramm-ft-eeff», Tageblatt Mrrorzgrbtrg«. I»r»ftr»<h«r 53. für nnverlangt rtagesanütr Manuskript« kann Vrw-Hr nicht grlristrt w»r-»a. Dr. 213. Sonnabenck, 13. September 1S13. S. Jahrgang. Diese Nummer umfaßt 14 Seiten. Außerdem liegt das achtsettige illustr. Sonntagsblatt bei. Das Wichtigste vom Tage. Z>N Berlin trat gestern der dritte deutsche Rich- tertag im ReichStagSgebäude zusammen. Der deutsch« AntoaltStag begann in Bre-lau seine Tagung. Der Gradsflieger Lorenz stürzte auf dem Flug. Platz Dorf aus 100 Meter Höhe ad und ver brannte mit seinem Flugzeug. * Im Spütherbst sollen die neuen deutsch-tschechi schen AuSgletchSverhandlungen ausgenom men werden. » Der Entwurf eine» russischen großen Flotten programm» wurde auf Veranlassung de» Pre. miermtntster» Kokowzew dom Marinemtnister wteder au» dem RetchSrat zurückgezogen. » Die bulgarisch.türkischen Verhandlungen stehen dicht vor dem Abschluß. Die Frag« von Adrianopel und Ktrkkilisse soll ge lüst sein. Der japanisch-chinesisch« Konflikt spitzt sich immer mehr zu. Sobald Ehina Schwierigkeiten in der Erledigung der Angelegenheiten macht, be. abstchtigt Japan bewaffnete» Einschrei ten. Nähere» - ehe an anderer Ste'le HW- Mutmaßliche Witterung am 14. September: Leb- haste Südwinde, heiter, geringe Temperaturiindmung, vor wiegend trocken. "WH Alarung. Die Erörterungen über das auf dem Reichsdeutschen MtttelstandStag in Leipzig abgeschlossen« Gemeinschaft», kartell — sofern dieser Ausdruck verstattet ist — nehmen ihren Fortgang. Sowohl au» Industrie- wie au» Hand» werkerkretsen hält der scharfe Widerspruch an, der al», bald nach dem Bekanntwerden der Gründung eingesetzt hat. Nun Haven sich ja sowohl der Zentralderband deutscher Industrieller Wie auch der ReichSdeutscheMittel- standsverband dagegen gewehrt, daß di« in» Leven ge rufen« Gemeinschaft parteipolitischen Charakter habe. Au» den beteiligten MittelstandSikeisen heraus hat man davauf hingewiesen, daß e» sich bei der geplanten Ge meinschaftsarbeit um praktisch« Ziel« handle, vor allem darum, iM Weg« einer Verständigung mit der Industrie Lieferungen für da» Handwerk zu er- halten, die diesem unter den gegenwärtigen Wirtschaft». Marcella's Vergeltung. Novellette von vtuo Daspi. (Nachdruck »erbot«.) Es war im Monat Juni. Die untergehende Sonne strahlte rot am klaren Himmel. Die weiße, am Abhange des grünen Hügels gelegene Villa schien sich im frischen Schatten der Lärchen und Tannen zu verbergen. Gin stei nernes, von einer Grafenkrone überragte» Wappen hob sich vom großen Tore ab; «ine breite Freitreppe mit einem guß eisernen, von Mnden, Dltctnten und rankenden Geranien bedeckten Geländer führte in den Garten. In der doppel, reihigen, blühenden Oleanderallee spazierte Marcella am Arme ihre» Verlobten. Di« Gräfin-Mutter betrachtete da« jung« Paar mit innerer Freude von der Terrasse au», wo > fie mit einer leichten Handarbeit beschäftigt war. Marcella war zwanzig Jahre alt, hatte eine schlanke Figur, «in blasse», von einem Wald von kastanienbraunen Locken etngerahmtes, liebliche« Gesichtchen: veilchenblaue, klug« und gute Augen leuchteten au» dunklen, dichten Wimpern hervor. Marcella war Mn unter dem rotseidenen Sonnenschirm, der warme Reflex« auf ihr braune», im Nacken in «inen großen Knoten geschlungene» Haar warf. Strahlend vor Freu»« Und Glück, den süßen Duft der letzten Moo»r0sen einatmend, stützte st« sich leicht auf ihren Giorgio und sprach im gärt- ltchsten Tone zu ihm. Giorgio war kein Gras, jedoch vor- nehm und reich und vor allem klug. Gr liebt« Marcella aufrichtig, und diese war glücklich, ja stolz, sich geltet zu wissen von dem kräftigen Uingling mit den männlichen Ge sicht,zügen, dem offenen, fast rauhen Wesen, da» in ihrer Gegenwart jedoch sanft und -Sttstch wurde Im kommenden Jahr«, wenn Giorgio fein Jngenteurftudtum beendet, sollte di« Hochzeit ftatMOWN. Verhältnissen verloren gehen; entsprechend sollte auch mit dem landwirtschaftlichen Großbetrieb eine Verstän digung erzielt werden. Gegen eine Gemeinschaftsarbeit in diesem Sinne kann kein vernünftiger Mensch etwa» einwenden. E» zeigt sich darin da» Bestreben, sich den veränderten Wirtschastsverhältnissen anzupassen, und es kann auf diesem Weg der Selbsthilfe für Handwerk und Gewerbe viel erreicht werden. Auf jeden Fall aber muß auch zugegeben werden, daß einem Zusammen wirken dieser Art zwischen den drei Verbänden ein parteipolitischer Charakter nicht beigelegt werden kann, freilich muß hier alsbald «tngewendet werden, daß da» angestrebte Ziel, soll «» erreicht werden, zur Voraus- iezung hast daß man alle Jnteressenorganisattonen von Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft zu dieser ^stmclnschastsarbest heranzicht. Denn es ist Wohl mög- ich, daß dem rheinisch-westfälischen Handwerk durch den die doc.tge Industrie in der Hauptsache repräsentieren den Zentralverband gedient ist, nicht aber z. B. dem Handwerk im Königreich Sachsen, dessen Industrie vornehmlich im Verband Säch sischer Industriel ler bzw, im Bund der Industriellen organisiert ist. Da» ist von um so größerer Bedeutung, al» der Reichsdeutsche Mittelstandsverband seinen Hauptanhang gerade im Königreich Sachsen hat. Nun ist ja zunächst gesagt worden, daß diese Verbände eben falls herangezogen werden sollen, und allgemein hat man erwartet, in Kürze authentische» darüber zu hören. Diese Erwartung wird nunmehr erfüllt durch einen Artikel der vom Generalsekretartat de» Reichsdeutschen Mittelstand-Verband«» heraus gegebenen Reichsdeutschen Mittelstands-Korrespondenz, der die nötige Klarheit bringt. Klarheit freilich in dem Gtnye, daß man di« anderen Organisationen nicht Will. Dem Bund« der Industriellen Wird in aller Form eine Absage erteilt (wobei erwähnt sei, daß der Bund der Industriellen auf seiner Generalversammlung in Leipzig (stehe 1. Beil.) diese Absage durch die einmütig beschlossene Ablehnung der Beteiligung an der In teressengemeinschaft quittiert hat). Der Artikel der Mit telstands-Korrespondenz bringt aber auch noch über ein Wettere» Klarheit. Er bestätigt, daß e» mit den oben gekennzeichneten praktischen Zielen nicht allein ge tan ist, sondern daß man auch noch politische Ziele im Auge hat. Im Schlußsatz htttzt «S zwar: Um neuen Mißverständnissen zu begegnen, sei hier ausdrücklich vevmnkt, daß «» sich bet der beabsichtig ten Gemeinschaftsarbeit nur um rein wirtschaft liche Dinge handelt, Vie den beteiligten Berufsständen gemeinsam sind, und deren Lösung im Interesse de» Allgemeinwohls liegt. Parteipolitisch« Ziele sind aus geschlossen. Mer über zwei lange Spalten hinweg ist vorher von nicht» anderem al» von der Wirtschaftspolitik die Red«. Wir hätten erwartet, mehr al» bisher von der rein Wirtschaftlichen Gemeinschaftsarbeit zu hören. Da rüber aber geht der Verfasser mit ganzen zehn Zeilen hinweg, um dann überhaupt nur noch von der Aufrecht- Allmählich waren ste an da» Gitter am Ende der Alles angelangt, während fie sich viel Liebe» gesagt, Lustschlösser gebaut, Pläne geschmiedet und von einer Glückseligkeit ohne Schaden und Ende geplaudert hatten. Nicht wahr, wir gehen wach San Colombano? Der Weg ist schön schattig, sagte Marcella mit kapriziöser Anmut. Und ohne Giorgios Ant wort abguwarten, rief sie mit silberheller Stimme: Mama, wir spazieren nach San Tolombanol Die nicht weit ent fernt« alte Kirche von San Tolombano erhob stch auf einem von hundertjährigen Eichen bestandenen Plateau, auf dessen Mitte ein große», schwarze» Kreuz seine wurmstichigen Arm« über «in au» roten Steinstufen bestehende» Postament aus breitete. Bon dort beherrschte der Blick die ganze Ebene, die Ungeheure Ausdehnung der goldig schimmernden Kornfelder, unterbrochen von langen Rethen Pappeln, um die sich festonatttg von Baum zu Baum, da» smaragdgrüne Wein- laub waNo. Der Ort hatte etwa» Poetische», und Marcella liebte es, sich mit Giorgio auf die roten Stufen de» Kreuze» zu setzen. Die ale Kirche wurde nicht mehr -um Gottesdienst benutzt, seitdem vor zehn Jahren die Regierung Besitz pon dem anstoßenden Kloster ergriffen und «» in eine prak tische Ackerbauschul« verwandelt hatte. In den Nischen der Fassade fah man nur noch die Trümmer der Heiligen au» Gyp». Di« Fenster waren ohne Rahmen und Scheiben, der kleine Turm hatte seine Glocke etngebüßt, die leeren, verfal lenen vog«ngänge glichen Einfassungen ohne Juwelen. Mar cella äußerte den Wunsch in di« alte Kirch« zu treten, wäh rend Giorgio wenig Lust dazu zeigte. Giorgio versuchte fein« Braut von ihrem Vorhaben zurüchzuhalten, indem er sagte, Schöne» sähe er gern, alle» Monströse aber meide er. Alle behaupten indes, daß die «Kirche einst sehr Mn ge wesen ist, beharrte Marcella und schritt weiter. Möglich; sie ist jetzt ab«r in verfall, von den Menschen verlassen, von dn alles zenstärendsn Zeit gepackt, ^widert« Giorgio, ver- erhaltung unserer Wirtschaftspolitik zu reden. Demnach scheint da» der Hauptinhalt der Gemeinschafts arbeit zu sein. Ist da» «über so, dann ist die Leipziger Gründung in diesen« Teil ganz und gar Über flüssig, denn unsere Wirtschaftspolitik ist gar nicht gefährdet, und was zum Gegenbeweis in dem Artikel zusämmemgetragen Wird, ist lediglich dem Arsenal de» Bundes der Landwirte entnommen, in dessen parteipolitischem Interesse e» liegt, unsere Wirt schaftspolitik als bedroht hinzustellen. Da liegt die Ver mutung nahe, daß die Verbindung zwischen dem Reichs deutschen Mittelstand-Verband und dem Bunde der Landwirte über jene praktischen Ziele hinaus auch sonst eine sehr enge ist. Sofern «S dafür noch eines be sonderen Beweises bedürfte, ist eS der Ton, in dem der ganze Artikel der Korrespondenz gehalten ist r statt fach- itche Erklärung lediglich «in« mit Schlagwörtern arbei tende Polemik, di«, wenn e» auch nicht ausgesprochen ist, stch doch bloß gegen den Liberalismus richten Nach solcher Aufklärung durch den Reich-deutschen Mit- telstandsvevband wird man es begreift», daß der grüßte Teil der Industriellen seinem Gemeinschaftskartell kühl bi» an» Herz gegenübersteht. Der sozialäemokrattsche Parteitag. (Bon unserem Berlin«! S - Mitarbeiter.) Am Sonntag wird in J«na der sozialdemokratische Parteitag einmal wieder seine Debatten eröffnen. Partei tage, hinter denen nahezu der dritte Teil der deutschen Reichstag-Wähler steht, können auf alle Fälle Anspruch auf Beachtung und historische Bedeutung machen, auch wenn man fie durchaus nicht al» rein erfreuliche» Schauspiel betrachtet. Rein erfreulich pflegt es ja schon für die Teilnehmer selbst nicht zu sein, dank der tiefgreifenden Met nungsver- schieden heilen, durch welche die Partei zerklüftet wird und die bet der unbegrenzten Redefreiheit uiü> dem urwüchsi gen Temperatment ihrer meisten Anhänger zu rocht derben Zusammenstößen zu führen pflegen. Es wird auch Lei dom diesjährigen Parteitag zu kräftigen Auseinandersetzungen zwischen den Radikalen und dem opportunisti schen Flügel der Partei kommen. Man wird zu verhan deln haben über das taktische Zusammengehen der Pattei mit bürgerlichen Parteien, über di«, wenn auch nur indirekte Mitarbeit ihrer Reichstagsftaktion bei der Wehrvorlage, über persönliche Ding«, wie den Ausschluß de» radikalen Ge nossen Radeck, und vor allem wird der Tod Bebel» die Be stellung eines neuenFührersder Partei nötig machen. Das ist Stoff zu Explosionen genug. Man darff wirklich mit Spannung abwarten, wie di« Partei zu all diesen Dingen Stellung nehmen wird, ob eine Verstärkung de» radikalen Geiste» hervortreten, oder die Aussicht sich -eigen wird, daß di« praktischeren Opportunisten die große Milltonenpattet weiterhin in ein für unser gesamte» Vaterland heilsamere» Fahrwasser hinübersteuern können. Hinter allen Ginzelfra- gen aber st«ht auf dem diesjährigen Parteitag -um ersten Male da» Problem de» Stillstandes, ja man kann drossen Marcella folgend; auch mußt du -ugeben, daß da. Häßliche nicht anzieht, sondern abstößt. Giorgio hatte recht. Die große, verlassene, leere, kalte, verfallene Kirche flößte ein Gefühl des Abscheus ein. Die letzten Strahlen der unter, finkenden Sonne drangen durch die den leeren Augenhöhlen eines Totenkopfes ähnelnden Bogenfenster und warfen, gleich einer schmerzlichen Schmähung, ihre roten Lichter auf den zertrümmerten Tempel. Die Stuck», da» Simswerk, die Bas relief», alle- lag in Stücken, von in Fetzen Längenden Spinn- geweben bedeckt. Die vermodernde Feuchtigkeit hatte die Unterbalken verfault und fie gleichsam wie mit Aussatz über zogen. Bon dem Hochaltar «ar nur noch ein ungeheuerlich«, unter dem -ierlichen Bogen der zerbröckelten, zerrissenen Apsis sich ausrichtende« Gespenst geblieben, dessen -ervorschet- nenden, roten Backsteine an blutige Wunden erinnerten. An jenem Abend legten Giorgio und Marcella stillschweigend den Weg zu Villa zurück, nicht ohne daß in ihre Seelen ein 'unbestimmtes, zunehmende» Gefühl der Traurigkeit etnge- zogen war. Marcella lachte nicht mehr; ihre blauen, guten Augen blickten tränenfeucht tns Gesicht de» Verlobten. Eine» Tag«» wurde Marcella von einem heftigen Fie ber ergriffen. Die ganze Nacht war st« die Beut« schreck- licher Halluzinationen. Am folgenden Morgen war fie nicht Imstande, da» Bett zu verlassen, ste lag still da unter dem Drucke de» bös«n Fieber». In kurzer Zett war ihr ganzer Körper von bläulichen Flecken, schwarzen Beu chen bedeckt. Die Blattern hatten fie erfaßt. Die schmerz erfüllte, für da» Leben der geliebten Tochter zitternde Mut. ter wich weder Tag, noch Nacht von dem Bett« der Kran ken; ste erwies stch al» eine wahre Heldin. Giorgio zog je- den Tag, fast jede Stunde Erkundigungen Mer da» Ergehen der erkrankten B'aut ein. Nach den beiden ersten Tagen war er auf befonderen Befehl de» Arzte», der Ansteckung fürchtete und di »ft verhi-d-rn wollte, fern goblieSen. Mar-