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onnabenä» r. November IS13 S. Jahrgang /lnzeiger für -as Erzgebirge mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblatt. NliiSi. Ppemhgwtt« »„ XeSaNt«, mtt Musnahm, »e, Sonntag, nachaNttag» 4—s Uhr. — Letegramm-st-reff», Lagrdla« stuevygebtrg». -«msiunch« «. s Iü» mwertaagl eiu-»s<m«e Maaofkrhrw kam, S«vLH, nicht gfffffttt om-m» Nr. 224 Diese Nummer umfaßt 14 Seiten. Außerdem liegt da» achtseitig- illustrierte Sauwbagablatt be. Das Wichtigste vom Tage. Der bisherige Herzogregent von Braun« -schweig, Johann Albiecht, hat Braunschweig verlassen. » Im Krupp-Prozeß wurze i von den Verteid'gern neue Dewet»an träge getellt, V« sich gegen di« Glaubwürdigkeit 1er von dem Zeugen von Metzen gemacht«.» Angaben richten. .4 " ' Der Flieger Ernst Siö f. er erlitt auf seinem Rück fluge aus Paris e i ne n U n f a l l. Erselbst blieb unverletzt. * Rußland unternimmt Berstch- die diplomatischen Beziehungen Mischen L erbi en und Bulga ri e n, die bisher un'terbn ch n waren, wieder her- a zustellen. De' f r -- n z ö s i s che M n i it > r r a t beschloß, die Kam mer mik einer S.tzung am t November zu ö'fnen, in d " s-fort das Budget volgriegt werden wird. * Der italt ionische Unterstaatssekretär des K r i e g s m i n i st s r i u m s, der bei den letzten Wah- 'en unterlegen ist, hat seine Demission einge reicht. * Im spanischen Budget würd'- «in Fehlbetrag DH von und 75 M i l l i o n e n*in'»eckt, der auf f vii h e- ren Jahren aus n ch 1 b ezo h l t e n A r b e i t« n ' bcrrllb't. —— st * »> MSHere« st«-« an and«««« »t«n«. Desonäerheiten äer braunschweigischen Verfassung 'UV Es liegt in der eigenartigen gerichtlichen Entwicke- . lung des Herzogtums Braunschweig begründet, daß seine ver« sassr-ngsrechtlichen Zustände noch viöksach einen recht alter« tiimlichen Anstrich hoben. Vom jugendlichen Herzog Ernst August zu Braunschweig und Lüneburg daff mann erwarten, daß er sich bereits bei Uebernahme seines'neuem hohen Be rufes ip den Verfassungsbestimmungen sr nes Landes aus kennt. Falls aber nichtbraunschweigische höhere Beamte mit . oder nach ihm einziehen sollten, werde, Ze die alten P» ' stimmungen des Landesgmndgesetzes von 12. Oktober 1832 mit ihren mannigfachen Abänderungen e.st genau studie ¬ ren müssen, ehe sie ihre Tätigkeit aufnehmen. Außer den Bestimmugen der Erbfolge, die ihre eigene, in den letzten Wochen oft erörterte, komplizierte GeWchte haben, interes siert vor allem die braunschweigische Parlaments verfassung; spielt doch die Volksvertretung in diesen Tagen der endgültigen Besetzung des Thrones eine « gene, wenn auch riecht besitze dene aktive Rolle. Dies« BoAsvertre- tung führt den offiziellen Titel: Stände des Herzogtums oder gesamte Landschaft. Sie übt ihre oeffassungsmüß ge Wirk samkeit entweder in der all« Mei, Jahre zu berufenden Lan- des-(Stände-)Dersanrmlung oder in der Zwischenzeit durch den aus sieben ihrer Mitglieder bestehender Landesaus schuß aus. Nach der Wahlrechtsreform von 18SS besteht die auf vier Jahre gewählte Landesversammlung aus 48 Ab- reordne en, von denen 30 durch allgemein indirekte Wahl nach den, Dreiklassensystem (15 von der Stadt und 15 .von den Landgemeinden) und die übr gen 18 von den Berufs ständen (Geistlichen, Gewerbetreibenden, Großgrundbesitzern, Akademikern und höchstbesteuerten Einkommensteuerpflichti« Hen) gewählt we den. Einz garttg im braunschweigischen Wah lrecht ist der sonst in deutschen Bundesstaaten unbekannte Stimm« z w a n g. Während man in einigen Kantonen der Schweiz und einigen nirderösterrechischen Landtagen den Wahlan- wesenheitszwang hat, besteht in Braunschweig sowohl für die Wahlmännerwahlen der Städte und Landorte wie für die Siändowah'en ein durch Ordnungsstrafen gesicherter Kimm zwang. Di« Einzelvorschriften über Straffestsetzung, gültige Entschuldigungen usw. sind sehr lehrreich für alle diffenigen, d e gelegentlich auch für andere Bundesstaaten oder gar Mr da» deutsche Reich die Wahlpflicht empfehlen. Noch lehr- reicher sind freiich die Ergebnisse dieses Wahlzwanges, di« dem ang«wandten schwierig«» Apparat keineswegs entspre chen. Aehnliche Eriahrungen hat man übrigens auch iw Bel gien mit der seit Jahren etngeführten Wahlpflicht sammeln könr en. Di« Stände des Herzogtums haben übrigens recht weitgehend«, ganz moderne Befugnisse: Steuer-«, w lligung, Zustimmung zu den Gesetzen» legislatorisches Vor- fchlagsrecht, Ministeranklagerecht Lei Verfassungsverletzung, Annahme von Petitionen und Weiterleitung van Beschwer den an den Lackdesherrn. Neben dem Parlament hat «in au» den drei Staatsministern, höheren Behördenchefs Und herzoglichen Vertrauenspeffonen zusammengesetzter Staats rat alle Gesetzentwürfe und andere wichtige Vorgänge zu begutachten. Es hängt mit dem stark bäuerlichen Charakter der braunschweigischen Volksvertretung zu sammen, daß sie ihren Präsidenten nicht wählen, sondern NUr den Landesherr» zur Präsentation Vorschlägen daff. Die Mitglieder werden auf «ine VorMagliste gefetzt, die so fort durch Boten dem Herzog zur Auswahl des Präsidenten zugestellt wird. Bi» er mit dem Namen des Glücklichen zu rückkehrt, das heißt Mr etwa zehn Minuten, vertagt sich das Haus. Dann übernimmt der Präsident sein Amt und es wird nun für jeden Vizepräsidenten je «in Kandidat ge wählt und in derselben Weise sofort vom Herzog bestätigt. Eigenartig wie diese Wahlformalitäten ist auch da» Amt des Landessyndikus, des Verwaltungsdirektor» des Paria- mentes, der al» -rechtskundiger Beirat der Versammlung fungiert und da» beratende Mttrederecht im Plenum wie in den Kommissionen hat. Sein Einfluß auf den Landtag ist naturgemäß nicht gering. Schließlich mag al« weffassungs- rechtliche Besonderheit noch die Zusammensetzung der lande», herrlichen Zivil l' i st e erwähnt werden, die so schwierig ist, daß sie «in eigenes Studium der historisch gewordenen Be züge von Taler« und Markmünzen ist,Gokd- und SilberwSH- rung erfordert, dafür aber auch genau bis auf N Mark — SS Pfennige, festgesetzt ist und seither 1125 322^ Mark betrug. Sie soll bekanntlich nach dem Antrag der Regierung diese Höhe auch für den jungen WelfeNMrsten be behalten. Die Seenor-Ronferenz. (Von unserem Berliner - Mitarbeiter.) Am 12. November wird dieiniernattonale Kon» ferenzfürdie Sicherung von Menschenleben auf See in London zusirmmentreten. Di« Einlösungen find ergangen und «in neues w ichtiges Kulturwerk ist damit ein geleitet. Gegen die Seenot hat ja der Mensch mit allen Mittelst seiner Erfindungsgabe angekämpft, solange er über haupt nur die Fahrt auf die große Wasserwüste hinauswagte. Brennend aber wie in unserer Zeit ist die Aufgabe einer Einschränkung der Opfer von Seeyefahren noch nie gewesen. Denn einen solchen Umfang, wie ihn der Seeverkehr heuti gen Latzes aufzuweisen hat, hat es noch vor einem Menschen alter, geschweige denn vor einem Jahrhundert .nicht ckn- nähernd gegeben. An jedem Tag, in «jeder Stunde sistd Tau sende von Schiffen auf dem Weltmeer in «qpen Zonen unter- weg«, darunter so mancher stolze Dampfer, der so viel Men schen an Bord hat wie auf -dem Lande sonst nur kn ganzen Städten -ufammemwohnen. Eigentlich darf man schon gar nicht mehr von der unbevölkerten Wasserwüste reden. Es leben auf ihr tatsächlich zu jeder Zett mehr Menschen als In manchen vom Glück benachteiligten Strichen des festen Landes. Da ist es wohl begreiflich, daß man diese Menschen- menge genau so vor den Drohungen der Elemente zu sichern sucht, wie man es in Dörfern und Städten daheim «längst ge wöhnt ist. Noch «ins kommt dazu, um den Trieb'«Nach besse. rem Schutz gegen Seegöfahr in unseren Tagen echeblich zu verstärken. Wer ist früheren Jahrhunderten zur See tzing, der war in den meist«« Fällen entweder Seemann von Be ruf oder «in Abenteurer, der sein Leben aufs Spiel setzte, um irgendwo ein besonders großes Glück zu machen. Diele Seefahrer waren auch beides in einer Person zugleich. Wir brauchen nur an die Zeit der großen Entdeckungen zurück« - zudenken. Diesen wagemutigen Naturen selber galt die Gefahr für ebenso selbstverständlich und unvermeidlich wie denen, die im Land« blieben und sich reichlich auf ungefähr, «kicher« Weife nährten. Fand einer dann sein nasses Grab da draußen in der unermeßlichen Wassertief«, so dachte wohl men wäre, und es berührt« mich peinlich, als er erwiderte: Ge- rade das wollte ich vermeiden. Ich bin zu müde, um teil- nehmend« Besucher mit der gebührenden Zuvorkommenheit zu empfangen. Da» Alleinsein taugt mir am besten, denn ich stehe schon ein bißchen außerhalb dieser Welt. Was Mr ein Unsinn! widersprach ich energisch, der Oberarzt hat mir eben erst versichert, daß von einer Gefahr gar kein« Rede ist, und daß di: zum raschen Gesundwerden eigentlich nichts weite- fehlt, als anregende Gesellschaft. MW du wissen, was er mich gefragt hat? Ob es nicht irgendein weibliches Welen gäbe dessen Besuche d Freude machen würde - Diesmal wollte mir Thoma» Marolds seltsames Lächeln noch weniger gefallen als rorhin. Und er, der sonst immer in schamhafter Verschlossenheit di« Geheimnisse se n«s Her zen» hatte, «"widerte zu meinem Erstaunen: Gin solches Wesen gäbe es wohl. Aber ich darf mir leider kein« Hoff- nung machest auf ihren Besuch. Denn st« ist unglücklicher weise nicht meine Braut, sondern die Braut «ist«» andern. Ist es da«, was dich so lebensmüde macht, Marold? fragte ich voll herzlicher Teilnahme, du liebst ein Mädchen, das dir nicht gehören kann? Ohne die Augen von meinem Ge sicht zu wenden, nickt« «I Bejahung. Ein« sehr unzureichende Ursache, um die Waffen zu strecken — nicht wahr? fragte er leise, aber es ist noch ein widerwärtiger Nebenumstand dabei — der Umstand «nämlich, daß mir das Mädchen eigent lich schon gehört hat. Ich hielt mein Glück bereit» in den Händen und es fehlte mir nur an Kraft, e» zu halten. — Sie «hat dich also verraten, hat dich Mr einen anderen au!f- gegeben? Dann war sie auch nicht wert, daß du hr«n Ver. lust betrauerst. — O, ich tadl« sie nicht. Wenn man einer Geliebten tausendmal versichert, daß man bereit sei sein Herzblut Mr sie zu vergießen, hat sie dann nicht da» Recht, «tnen gelegentlich beim Wort zu nahmen? Al» der andere kam, der Ungeliebt«, d«r ihr Reichtum und Luxus zu bieten hatte, gesellschaftlich«» Ansehen und all« Freuden de« Leben», hatte ich da nicht di« Pflicht, ihren Bitten nachzugeben und sie ihm kampflos zu überlassen? Ich hatte ihr eben allzu ost und allzu überzeugend von der Selbstlosigkeit meiner Liebe gesprochen. Gr tat mir in innerster Seele leid, denn ich sah, wie grausam die Wunde war, die diese Enttäuschung ihm ge schlagen. Und ich erging mich in Worten härtester Ver. urt-ilung gegen die unbekannte Urheberin sein«» Kummer». Da wehrte er mir mit einem Kopfschütteln und sagt«: Es steht dir nicht zu, sie zu verdammen — dir nicht. Und da fällt mir ein, daß ich mich noch bei dir zu entschuldigen habe, weil ich vergaß, dich zu deiner Verlobung zu begMckwö i sben. Du mußt deshalb nicht mtt mir ins Gericht gehen. Ick, E wohl schon krank, als ich die Mitteilung erhielt. U o dn weißt ja: Kranke denken immer nur an sich selbst. Du-bist sehr glücklich, wie ich annehm«. — Es Wirkte mich fqsii ein Unrecht, davon zu reden; aber ich konnte nicht anders. Mein Herz war zu voll von jaulendem Glück, uni nicht beim geringsten Anstoß überzuflietzen. Wenn es mehr/ ist, daß keine Liebt heißer und leidenschaftlicher ist als die Lieb« auf den ersten Blick, so war mein egoistisches Mitteilung» beWrfnt» ja auch einigermaßen entwürdigt. Al» ich vor wenig mehr als Monatsfrist um Ed Meiner» geworben, hatte ich st« kaum öfter al» eia Hal? s Nutzend Mal gesehen, und ich wußte von ihr nicht«, als dass sie schön und klug, von entzückendem Liebreiz und von bezaubernder Lebens freude war. Auch daß sie arm sch, ball« ich freilich gewußt, di« Tochter einer in engsten Verhältnissen lebenden Lehrer» witwe. Aber gerade ihrer bisherigen Armut war ich ja jetzt so von Herzen froh; denn ich konnte ihr nun doch wenigsten» zu einem kleinen Teile vergelten, was sie mir mit ihrer Jugend, ihrer Anmut schenkte. Ich überhäufte sie mit allem, was me n« Phantasie an Ausmerksamkeilen und Heber- raschungen ersinnen konnte, und sie hatte ein« so hinreißende Art, ihrer Freude über jede» Geschenk, ede» Vergnügen Au» druck zu geben, daß ich Lest Vorzug, reich zu sein, niemals mtt gleicher Befriedigung empfunden hatte, al» seit dem Tag« unsere» Verlöbnisse». Bon alledem sprach ich jetzt mtt der unerschöpflichen Beredsamkeit de» Glücklichen; und daran, daß ich am Bette ein«» armen Kranken stA i ' wieder erinneff, al« ich sth, wie HWWW ma» k magrr Role Rosen. AllerseclenSkizze von Reinhold Or.mann. > i chdr ck v-rdoten Durch einen unserer Bekannten hatte h zu meiner Be stürzung von Thomas Marold» Erkrankung ehört, und es war mir eigentlich erst bei diesem Anlaß u n Bewußtsein gekommen, daß er sich seit Mnf oder sechs W m n nicht mehr hatte bei mir blicken lassen. In der Sei gk i meines jun gen Liebesglücks hatte ich das Ausbleiben es Freunder wahrhaftig kaum bemerkt. Jetzt aber f--l er mir um so schwerer auf die Seel«, daß ich mich n cht um die Ursache gekümmert hatte, und ich beeilt« mich, ihn im j rankenhaufe aufzusuchen. Der Oberarzt seiner Ab eilung bei ich auf dem «Korridor traf, war m r von irgendwoher betau . Zu mei ner Beruhigung schien er den Fast nicht allzu ncy isch zu neh men: Das eigentliche Leiden kst ganz ungefähr ia. Nur die Herzschwäche macht uns einige» zu schaffen. Ai ei bei seiner Jugend halte ich die Sache nicht Mr ernst. Srh« r St« nur zu, ihn ein bißchen aufzuheitern. Ich wünsch'er hätte öfter «tnen Besuch, der ihn auf fröhliche Gedo ck n bringt. E» steckt nicht die richtige Leben»en«rgte in d w jungen Manne. Hat er denn keine vraut? — Ich wußff «» nicht; denn Thoma» Marold, d«r überhaupt ein scheu stiller Mensch war, hatte mir nie von feinen Herzensangffegenhei- V! ten gesprochen Aber ich versprach, fortan nach m Kräf ten Mr seine Aufheiterung besorgt zu sein, und bemsiiit« mich, i i ein recht vergnügte» Gesicht zu machen, al» ich d e fköchwelle 1 des kleinen Krankenzimmer» überschritt. Ich hattt es Mr . selbstve.stiind'ich gehalten, daß m«in Besuch ihm eine ange- r nehm« Ueberraschung s«in würd«. Ab«r e» sah «tzeittlich i n cht so au«. Wa» -ff mffnem Anblick über sein bleich«» Gesicht glitt, war nicht Freude, und da» Lächeln, zu hem dann auf meine muntere Anrede -in sein» Lippen vckzogen, X war nicht das unbefangen lieben»«ürdtg« Lächeln, »r» ich Ian ihm kannte. Ich macht« ihm freundlich« VorwÜ«, daß er mich nicht von seiner Erkrankung hatte benachrMgen 'lassen, da ich dann natürlich schon viel früher