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s. Jahrgang. Sonnabenck, ö. Dezember 1913. Nr. 2S3. /4uer Tageblatt Mzeiger M -as erzgebirge " WWLKNM mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsbla«. NA Mi Spnchstm»s« »« «Gattos «tt Mmnahm» der «»autag, nachmMag« 4—s Uhr. — r,l»qramm-ff»r»ff,, Lagebta« ftornMbtrg^ fernfbrechtt -s. «»«»*»«!»!>»»»!,» -2» onoertaagl «lngefan-t» Maanfkript, kann Vrwöhr nicht geleistet wee-en. n. «,«»/ -»«i!-»«i «Nch»NN»e«»«jf» »,«»», »Icht «elUffit »« »,»a »I, Nus«»« 0»/«i »«ich 1«n> sprich«» «chs»tßt — Maaustrtpt eicht »nMIchl«»»«» tg. »»« Diese Nummer umfaßt 24 Seiten. Außerdem liegt da» achtseitige illustrierte Son«iog»blLlt Se. Das Wichtigste vom Tage. DerKaiserhatbestimmt, daß dieGarntsonvon Zabern bi» auf weiteres nach dem Truppenübungs platz Hagenau verlegt wird; die schweben- den kriegsgerichtlichen Verfahren werden mit Beschleunigung zu Ende geführt wer den.*) Das österreichischeLandheer soll durch einen neue,- Gesetzentwurf auf die Fried«nspräsonzstärke von 375000 Mann gebracht werden. » Der Besitzer des Petit Paristen, FeanDupny.wirdic- suchen, ein Kabinett der Linken zur Eini gung der Republikaner zu bilden.*) » Die Vertreter der Pforte unterzeichneten mit den B «r > tretern de» Pariser Bankhauses Perter einen Anlethevertrag über 100 Millionen Franken. » Der türkische Marinemtnister traf mit einer englischen Firnis «in Abkommen über die Re organisation der türkischen Flotte. » Die amerikanisch« Einwanderungsgesetz gebung soll insofern eine Aenderung erfahren, alk die Zulassung der Einwanderer davon ab- hängig gemacht wird, daß sie in einer Sprache schreiben und lesen können. *1 MH,»«« s!«h, an and«»» Still». Die Critscheiäung äes Raisers. Mit dem Mißtrauensvotum einer ungewöhnlich großen Reichstagsmehrheit belastet, ist der R e ich » k a n z - l e r Donnerstagabend nach Donaueschingen zum Vortrag beim Kaiser gefahren. Der Verlauf der Interpellations kundgebung der deutschen Volksvertreter war derartig, daß schriftliche Berichterstattung weder dem Kaiser noch dem Kanzler genügen konnte. Am Vorabend der ersten Etats lesung, da die Gesamtpolitik der Reichsregterung von den Parteiführern besprochen werden soll, muh der verantwort liche höchste Beamte erst wieder festen Boden unter den Füßen haben, «he er möglichen neuen schwierigen Ausein andersetzungen mit dem Parlament entgegengehr. Mit der überwiegenden Mehrheit des Reichstage» wird auch die breite Masse de» deutschen Pockes an das Zusammentreffen des Kaisers mit dem höchsten Reichsbeamten den Wunsch knüpfen, es möchte in Donaueschingen «in Weg gefunden Das Nissen. Skizze von Neiirhold vrtmann. vachd.u« »«r»»t«n. An diesem Abend hat sich'» eichgültig entschieden: ich werde mein Leben als Junggeselle beschließen. Denn man ist für's Heiraten verdorben, wenn man keine Illusionen mehr hat, und dies unglückselige Kissen hat mir heute auch die allerletzten zerstört. Wie ein gestickte» Setdenkissen da» zuwege bringen konnte, ist vielleicht nicht ohne weitere- verständlich; aber da» Schicksal bedient sich zuweilen der geringfügigsten Dinge, um um» an ihnen darzutun, «in wir armselige» Spielzeug wir in seinen Händen find. Seit mei nen Erlebnissen mit diesem Kissen glaub« ich nicht mehr am die Existenz eines blinden Zufall», und ich weiß jetzt, wa» die Symbol« in Ibsen» Stücken zu bedeuten haben. Al» ich da» farbenprangende, mollig schwellende Kissen vor drei Jahren «rstand, ahmte ich wahrlich nicht, daß «» berufen sei, eine entscheidend« Roll« in meinem Leben zu spielen. Ich war in den Laden getreten, um irgendein Geschenk für meine Tante Ludmilla zu kaufen. Der Verkäufer zeigt« mir alle möglichen Ding«, und auch zu dem wunderschönen Sofakissen würde ich mich wahrscheinlich kaum entschlossen haben, wenn er mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, daß ich e» wegen eine» kleinen Fehler» für die Hälfte de» Preise» er- halten würde. Der Fehler, den man allerdtng» erst -ei schärfstem Hinsehen entdecken konnte, bestand in einem win- zigen Flecken auf der unbestickten Rückseite de» Kissen» — einem Flecken, der seltsamer Weis« ganz die Gestalt eine» kleinen Herzen» hatte. Ich bedachte, daß Tante Ludmilla hochgradig schwachsichtig »ar und in dem vertrauen, daß ihr da» Vorhandensein de» kleinen Schönh«tt»fehl«r» ent. gehen würde, erwarb ich die kunstvoll« Handarbeit. Di«> Wirkung, die mein Geschenk hervorbrschte, übertraf selbst I weiden, der die bedrohlich aufg«riss«ne Klu-t zwischen Ar mee und Volk, zwischen Reichsleitung und Regierten stark und sicher überbrückt. Der versuch des Reichskanzlers am Donnerstag, «ine solche Ueberbrückung nachträglich noch zustande zu bringen, kann nichtalsgrlungen bezeich- net werden Da» haben die nachher noch zu Worte gekom- menen Redner im einzelnen nachgewiesen, und das hat das nachher angenommene Mißtrauensvotum bestätigt. Aner- kannt wurde von allen Seiten, daß di« zweite Kanzlerrede erheblich mehrVersöhvlichkeit und Gerechtig- keit gegenüber dem elsässischen und dem deutschen Volke atmete al» die schroffe Militärverteidigung am Tage zuvo . Vielleicht wär« der ganze ve-lauf der Jnterpellationsdebat- ten wesentlich anders gewesen, wenn Herr Bethmann Hollweg gl«ich am Mittwoch so gesprochen dätlo, wie er er am Donne'stag tat. vielleicht! Allein oie enge Waffen brüderschaft de^ ,Kanzle » und des Kriegsministers, die aus einen Zwischenruf hin auch am Donnerstag noch besonders betont wu-de, beeinträchtigte die versöhnende Wirkung der zweiten Rede wieder erheblich. Kein Zwri'el, daß der neue Verwaltungschef im Kriegsministeriüm die Schwierigkeiten, parlamentarischen Auftreten» bedeutend umerschiiht und sich beim Reichstag von vornherein in eine höchst peinliche Lage gebracht hat. Bet der Beratung de» Militäretats wird sich da» in den nächsten Wochen und Monaten noch deutlicher al» jetzt Herausstellen. Allein von einer Krtegoministtrkrisi» kann gegenwärtig nicht gesprochen «erden, viel näher liegt di« Gefahr einer Reich» kanzlerkrtst». Herr v. Bethmana Hollweg selbst hat andeutungsweffe davon gesprochen. Di« eindrtng- lichen Worte, di« er zur Verteidigung seiner rrichsländischen Politik demonstrativ an die rechte Seite de« Hause» richtete, ließen nur zu deutlich erkennen, daß neben den demokrati- schen Kräften auch konservative an der Arbeit sind, Kapital au, der Wacke»-Affäre gegen den Reichskanzler zu schlagen. Mannhaft und wirkungsvoll hat dieser zwar seine rechtliche Ueberzeugung höher al» fein Amt gestellt und alle Verant wortung als Repräsentant der Hauptregierung auf sich ge nommen. Allein niemand kann verkennen, daß gerade bei dem vorliegenden Konflikt die Stellungnahme de» Kanzler» schwieriger als bei jeder rein politischen Entscheidungsfrage ist. Wenn irgend etwa, zur Beruhigung beitragen kann, so di« mit erhobener Stimme abgegebene Versicherung, daß auch nach dem Willen der Allerhöchsten Stelle Militär« und Zlvilverwaltung unter voller Wahrung der gegenseitigen Kompetenzen und unter voller Respektierung von Gesetz und Recht Hand in Hand arbeiten sollen. Die Bekanntgabe dieser Allerhöchsten Willensäußerung läßt ermatten, datz ein Le- friedigender Ausgleich der unerträglichen Gegensätze zwi- schen Militär» und Zivikverwaltung im Slash und damit ein« Aussöhnung der gereizten Stimmung in den Reichs landen und in Altdeutfchland gefunden wird. Diese Hoff, nung gewinnt noch an Zuversicht durch die Tatsache, datz mit dem Reichskanzler auch General v. Detmling und Statt halter GrafW«delin Donaueschingen beim Kaiser weil ten. Die verhängnisvolle Einseitigkeit rein militäri- scher Beratung de» Monarchen ist damit beendigt, die Ge wißheit einer objektiven Entscheidung auf Grund um fassender Jn ormation«n ist in greifbare Nähe gerückt. Möge diese objektive Entscheidung so ausfallen, Latz die ernsten Stunden der letzten Tage bald der Geschichte angehören und eine neue Aera der Versöhnung anhebt, die das deutsche Volk vor ähnlichen Zwischenfällen bewatz t. * Nachdem diese Zeilen bereit» im Satz fertiggestellt waren, lief bei un» eine drahtliche Meldung ein, welche die 'n dem Schlußsatz« auogesprochene Hoffnung bestärkt. Danach hat der Kaiser nach den Vorträgen bestimmt, datz die Garni son von Zabern bis auf weiteres nach dem Truppenübungsplatz Hagenau verlegt wird Die schwebenden kriegsgerichtlichen Verfab en werden mit Beschleunigung zu Ende geführt werden. Nach Erkundigun gen an Stellen, die darüber unterichtet sein müßten, wird ferner auf da» bestimmteste erklärt, Latz der Reichskanz- lerntchtdieAbsicht hab«, dem Kaiser sein, Deinist iion anzubi«ten. Gleichzeitig wird mttgeteilt, daß der «Kaiser den Reichskanzler nicht nach Donaueschingen be rufen habe, sondern datz sich dieser auseigenerJnitia- tive dorthin begeben habe. Der Kaiser ist übrigen» gestern mittag um 2 Uhr von Donaueschingen nach Stuttgart ab gereist und abend» W Ahr dort eingetroffen. Dl» vettegpny de» Zaberne, AnfantwPe - Regiment» nach dem Truppenübungsplätze in Hagenau und die Ankün digung einer beschleunigten kriegsgerichtlichen Untersuchung wurde, wie au» B e r l in berichtet wird, im Reichstag Freitag nachmittag gegen 4^s Uhr bekannt. Diese Maß nahme wird in den Kreisender natiockalliberalen Reichstaasfraktion folgendermaßen beurteilt: Die Verlegung des SS. Infanterie-Regiment» au» Zabern stellt eine ziem lich zweischneidige Maßregel dar. Sie bedeutet zwei fellos» für das Regiment eine Straf«, aber falls da» Regi ment nach Jabern nicht zurückkehren sollte, würde diese schein-* bare Konzchsion an Parlament und Volk auf eine Vestra - fungderStadtund ihrer Einwohner hinauslaufen, die durch den Verlust der Garnison schwer geschädigt würde. Die Bezeichnung der Verlegung als eine vorläufige läßt die Hoff nung zu, daß diese Befürchtung unbegründet ist. Die Be schleunigung der kriegsgerichtlichen Untersuchung ist zu be grüben, und von ihrem Ergebnis wird es im wesentlichen abhängen, ob die Zaberner Affäre vom Reichstage al» in befriedigender Weise erledigt betrachtet werden kann oder nicht. Es ist zweifellos, daß die Autorität des Reichskanz ler» gegenüber dem Parlament durch da» Mißtrauensvotum scharf gelitten hat. Es ist zu hoffen, daß der Lurch Lie ver- 'egung Le» Regiment» leider recht spät bekundete Wille, die Affäre von Jabern zu beenden, dem Reichskanzler ermög lichen wird, dem Reichstage dasjenige Matz von Vertrauen zurückzugewinnen, Las zu einer gedeihlichen Zusammen arbeit von Regierung und Parlament im Interesse de» deut- schen Volke» unbedingt erforderlich ist. - Bald nach der Be kanntgabe der Verlegung des SS. Infanterieregiment» von Zabern nach dem Truppenübungsplätze in Hagenau durch da» amtliche Lelegraph«nbur«au erschien Unterstaatssekretär mein« kühnsten Erwartungen. Nicht so sehr, was di« Aeutze- rungen von Tante Ludmilla» Entzücken betraf, al» vor allem durch di« schier überschwengliche Bewunderung die Fräulein Rosa meinem Geschmack zuteil werden ließ. Fräu- lein Rosa war nämlich, wie ich nur zu bald bemerkte, der eigentliche Anlatz und Zweck meiner Einladung gewesen. Sie war die Tochter einer alten Freundin meiner Tante, ein« hübsche junge Dam« von zwanzig und etlichen Jahren. Ich sah sie -um erstenmal, und ich verhehle nicht, datz sie mir außerordentlich gefiel. Namentlich um der geradezu wunder, ba-en Uebereinstimnmng willen, die zwischen ihren Ansich ten und den meinigen zu -est«hen schien. So «a» von See lenverwandtschaft war Mr noch gar nicht vorgekommen, und da auch Tant« Ludmilla nicht müde wurde, ihr Er- staunen über diese seltene Harmonie zu betonen, war ich so ziemlich überzeugt, daß ich endlich gefunden hatte, wa» ich schon so lang« vergeblich suchte. Al» ich mich verabschiedete, «rwidert« Fräulein Rosa meinen Händedruck mit unzwei deutiger Her-Hastigkeit und sagte: Hätte mich nicht Ihr Gr- schenk auf d«n «Gen Blick erkennen lassen, daß Eie «in Mensch von ungewöhnlichem Feingefühl und subtilstem ästhetischen Empfinden sein müssen — wer weiß, ob wir «n» dann so schnell nah« gekommen wären! Ich segnet« da» Kissen, a-«r am nächsten Morgen Leg«g- net« ich zufällig «inem Bekannten und hörte von ihm, Latz vor acht Tagen Fräulein Rosa» dritte Verlobung zurück- gegangen sei, und daß ihr Papa unmittelbar vor dem Ban kerott stände. Di« erstaunliche Seelenverwandtschaft hatte dadurch fü>r mich mit einem Schlage alle» Wunderbare ver. loren; ich führte Fräulein Rosa» Entzücken über meinen sublilen Geschmack auf sein, wahr«» Beweggründe zurück und sagt» mein Erscheinen -um nächsten Mittagessen unter einem so durchsichtigen Vorwand» ab, daß damit da» Tisch tuch Mischen Tante Ludmilla und mir für immer zerschnit- ten «ar. Di« nächst» Seit durste ich im gastlichen Haus« einer sehr ehrenwerten Familie verbringen, mit der ""mich herzlich angefreundet hatte. Nie vorher hatte ich eine <v angenehme Häuslichkeit kennen gelernt. Sowohl zwischen dem Glternpaare wie zwischen Len Geschwistern, die au» oer zwanzigjährigen Hermine und dem zwölfjährigen Bruno bestanden, herrschte ein Einvernehmen von watz-haft er quickender Innigkeit. Und HerMnen» immer gleiche, be zaubernde Liebenswürdigkeit hatte es mir so vollständig an getan, daß ich mehr al» zur Hälfte entschlossen war, mich ihr zu erklären. An meinem Geburtstage setzte e» mich nicht sonderlich in Erstaunen, al« Fräulein Hermine mir eine kleine Gabe überreichen wollte. Wie gebannt aber hastet« mein «lick an dem Geschenk. Denn die» farbenprangend«, mollig schwellende Kissen wollte mir schier unheimlich be- kannt Vorkommen. Ich hoff«, datz mein Töchterchen Ihren Geschmack getroffen hat, sagte die würdige Dame, die ich im Stillen bereit» al» meine künftige Schwiegermutter betrach, tete, sie hat sich'» nicht nehmen lassen, ihr Geschenk selbst auszusuchen, wie sie «» ja auch von dm Ersparnissen au» ihrem Taschengeld« gekauft hat. Meine Zweifel waren zer streut, und ich fühlt« mich sehr glücklich. Gestickt« Seiden- ktssen haben ja immer eine gewiss« Familienähnlichkeit mit einander, und al» ich mein Präsent an di* Tante wieder- zurrkennen glaubt«, «ar ich eben da» Opfer einer Gedächt- nieirrung gewesen. Fräulein -ermin« «ar -eute bezaubern der denn je, und inbrünstig sehnte ich die Gelegenheit für mein« Erklärung herbei. Nach «iniger Zeit verschwand die Angebetete au» dem Salon, und in der Hoffnung, ihrer in einem der N«bmgemächer unter vier Augen habhafi zu wer den, stahl ich mich ebenfall» hinan». De- wohlbekannt« Klang ihrer Stimm« war «», der mir den Weg wie». Auf den Fußspitzen schlich ich bi» zu der Tür de» Gemache», in dem sie sich befinden mußte. E» mußt« ihr Brud«" sein, mit dem sie sprach; aber sprechen konnte man, e» eigentlich kaum noch nennen, denn «» waren schon recht bedenklich