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Sonnabend, n Nr. ISS — HW- Mutmahl-ch« Witterung rm 1k. Jul.: Westw nd, me st heiter, Temperatur wen g -rändert, «rwiia-end trocken. Das österreichische Abgeordnetenhaus wird voraussichtlich aufgelöst werden, falls e» bet sei nem Wiederzusammentrttt das Provisorium nicht verlängert. * An-dem Attentat von Serajewo waren nach einer Meldung aus Budapest vierzehn Perso nen beteiligt, von denen sich bereits dreizehn in Haft befinden.*) * Italienische Finanzleute beabsichtigen, in Serbien ein italienisches Kreditinstitut zur Finanzierung öffentlicher Arbeiten zu gründen.*) » Die Unruhe in Durazzo nimmt täglich zu; gestern sind wieder fünf Gendarmen in voller Aus- rLstung mit Pferden desertiert. Das Wichtigste vom Tage. Die Ausschreitungen gegen Drusch« in Ga lizien führten zu einer Eingabe deutscher Verein« an da» Auswärtige Amt 1« Vers ' lin. Diese Nummer ««faßt Ik Seiten. Außerdem liegt das achtseitig« illustriert« Sountagsblttt bei. hatte Logas- Deutschlanä in äer Welt obenauf. In der Welt voran sen, ist bereits ein Schlagwort von gestern geworden, seit uns di« Rekorde im Wettbe werb um die Beherrschung der Luft die Augen nach oben haben richten gelehrt. Urb« di« anderen Rationen hin- über sich in die Lüfte zu «heben, da» ist jetzt die Auf gabe des ITchwÄßeS — und ost genug auch des Blüte»! — der Edeln wert. Und was vor wenigen Jahren nur al» poetische Metapher» gSten konnte, datz sich ein Be werb« üb« den anderen «hebe, daß An« in die Wol ken oder in den Himmel strebe, da» ist für un» Menschen von heute nun schon anschauliche und greifbare Wirklich keit geworden. Da schrauben sich in der Tat lebendige Menschen auf zentnerschweren Apparaten lediglich durch die Künste ein« raffinierten Mechanik kilometerweit in die Miste empor. Und so hat «S «inen ganz neuen Sinn bekommen, wenn heute danach gefragt wird, welch« Ak tion in der WM obenauf sei. Bor eine« halben Jahre Die yinanzkommifsion de» französischen Senats lehnte abermatt die Wohnungsgeld- zuschüss« für die unteren Postbeamten ab. -r «um, im« -» immer. Es oergcht kein Tag, an dem wir nicht irgend etwa» vergessen. I« intensiver der Mensch geistftz beschäftigt ist, desto vevgehficher ist er. Ganze Jndustviezwege leben lediglich von der Vergeßlichkeit der Menschheit, zum Bei- Mel di« RegmMrmWbrikat'on. Und wie viele Uvan- nchnEchkeiten, 1« Unglücke entstehen durch di« VergeM ch> keil: häuslicher Zank, mMtär M Strafen, verlorene Pro zess«, Eisenbahnkatastrophen» Explosionen >— die Rethe ist endlos. Iwzähltzz» Werte gehen der Menschheit verloren durch Vergeßlichkeit. Diesem Zttstand wollte Mister Snug, hart« «in Ende machen! — Ah, ein« neue mnemotechnische Methode! Etdächtnüststckung! warf ich «in. t- Rein, viel «instuher. Sehen Sie, sprach damal» Mister Snughatter zu mir, Mr find gegen alle» möglich« versichert: gegen Feuer, Unfall, Lod, Einbruch Erdbeben, Haftpflicht nur gegen un» selbst stad wir nicht oechchert, gegen die Micken Die MMaräemäee. Humoreske van Karl Ettling« (München). Ihre Dampfmaschine zur Herstellung von Denkmälern, siebenhundert Denkmäler in der Minute, ist ja gew h vor. trefflich und entspricht einem dringenden BedÜTsn s, sagte der Multimillionär, aber ich beteiliigte mich prinzipiell nsicht mehr an ,neum Usttmnehmungm. Ich habe eine jährliche Rente von zwei Millionen Marik, und wenn ich meinen Schneider schuldig bleibe, komme ich ganz gut au». Ab« Sie müssen doch -ugeben, wandte ich ein, dich — Ich gebe alles zu, nuvHokn Geld! Ich habe einmal dreitausend Mark etngebüht. — Eine Lappalie für Siel — Sie ver gessen, daß ich meine Millionen fümstzigpfemrigweise ver dient Habel Durch die Gestchtssets« Senilis. Diese Seife machte nicht jung, frisch und Mm sondern tim Gegenteil alt, gelb und verrunzelt. Die jungen Snob» rissen sich um diese Sets«, denn bekanntlich galt es noch vor «tnigen Jahren al, todschick und Gipfel der Interessantheit, tMr- dent zu sein und icktt fünfundzwanzig Jahren verebt wie «kn siMgjähriger RouS auszusehm. — Leider hat der Sport dem Absatz der Senilis bitt« geschadet! Der Mulimillionär fachte, strich sich mit der pingbe setzten Hand üb« di« Glatze und sachte abermals: Drei tausend Mark geopfert... für «sine Milliardenide« ... Wollen Sie mir das nicht erzählen? Ich packe inzwischen die Pläne mein« DenEmalmaWme «in. Gern«. Der Fall liegt ungefähr fünfzehn Jahre zurück. Ich war da mals noch vertrauemSsefiger als heute, da» heißt: ich hatte zu jedem Menschen das vertrauen, doch « «in Gauner sei, und richtete mich danach. Heute habe ich leid« die Er fahrung gemacht, datz es doch auch «inch» anständige Men- noch war «» Frankreich, neur da» sechste Kilometer auf der Vertikalen nochum ISO Met« überstiegen. Ab« noch weniger att di« Red nerlorbeeren de» Aristide» den ThomistokleS, lassen die Fluglorbeeren der einen Ration die and«« schlafen. Der französische Rekord wurde sogleich eifrig und uni« Dransetzung von Leib und Leben angegriffen. Bi» -um letzten Hauch von Mann und Rotz, pflege Gneisenau di« äußerste Anstrengung, die « von feinen Truppen der- langt«, bildlich «mSzudvücken. Heute müßte es schon hei ßen r btt zum letzten Atom Benzin und Sauerstoff. Denn das sind die beiden Dinge, an denen die Leistungen da droben in den eisigen einsamen Höhen hängen. Wo der tapfere Flieg« keinen künstlichen Lebensodem mehr kn mitgeführten Sauerstoffapparat und der Motor keine Antriebskraft durch die Benztnflasch« mehr «HM, da ist all« Mut und all« gut« Wille umsonst. Ltnne- kogel, der berühmte Rumpler-Flieger, hat eS endlich noch manchem vergeblichen Anlauf bqwungen. vor ihm war Bruno Langer auf 5200 Met« gekommen, ab« da ging feinem Motor dtp Kraft au». Und Linnekogel selbst war schon im Mürz btt aüf 6800 Met« gekom men. Nun hat « 8570 Met« erreicht! Und sein «st« Gedanke beim glücklichen Abstieg Warr da» nächste Mal noch höh«! Da» nächste Mol soll di« Meile nach ob«, der siebente Kilometer, voll gemacht werden l Diesmal ging'» noch nicht. Der letzte Tropfen Ben- -in war verbraucht, att der Flieg« Wied« landete und Sauerstoff hatte « zu, viel mitgenommen, sodaß ihm dro ben in schwindelnd« Höhe davon übel wurde. Ab« trotzdem kein ander« Gedanke att der! Da» nächste Mal noch höh«! Die Menschheit kann stolz sein auf solche Vertret« ihr« Art. Die machen manche» Wied« gut, wo» andere fehlen lassen, und man möchte zu rechnen ansangvn wie da» Mittelalt«, do» dtt Mehrverdienste der Heiligen sich zu einem Kapital aufspeichern ließ, von dessen reichen Zinsen den reuigen Sündern 1>tt nötigen Zubußen zu den großen Lücken ihr« Frömmigkeit ge leistet werden konnten, wir stnd in der Tat alle in der Schuld solch« wackeren Piloten und namentlich darf jede Nation sich mttsveuen üb« die Lorbeeren, die ein« ih rer Sieg« der Lüfte heimbringt. Kommt ihr doch nicht nur der moralische Abglanz sein« Ehre zugute. Ihr ist sein Triumph vielmehr gleichzeitig «in Unterpfand dafür, haß sie auf dem Gebiet« de» Lustwettbewerb« ebenso wie aüf anderem die Konkurrenz der übrigen Kulturmächde aushalt«« kann. Denn solch« Wellrekorde können immer nur da errungen werden, wo dtt allge meine Technik de» Flugmaschinenbaue» eine genügend« Zahl von leistungsfähigen Apparaten zur Verfügung stellt, und wo gleichfalls dtt Zahl der wagemutigen Wettbewerb« groß genug ist, um wirklich dtt besten hermtttreten zu Hassen. Denn auch Rekordleistungen wach sen nur Wie dtt höchsten Berggipfel auf ein« breiten Grundlage ander« Höhenleistungen empor. Wie aus der See ob« in der Weltwirtschaft und Kolonialpolitik war Deutschland auch in der Luft lange Zett hinter an deren Nationen, namentlich Frankreich, zurück. Jetzt Mn gibt, und da» hat meine Weltanschauung vvllständ'g durcheinander gebracht. Zum ersten Mal« hatte ich dieses Gefühl eben vor fünfzehn Jahren, «'s nur ein junger, gut empfohlen« Mann gegenüber faß und mir seine Milliarden idee auseinandevsetzte. Ich habe heute noch die größte Hoch achtung für diesen Mann und ich würde sie ihm gerne öffent- ltch bezeugen, wäre mir nur sein« Adresse bekannt. Und worin bestand bestand dich« Milliardenidee? frug ich ge- spannt. — Ich kann es Ihnen leider nicht so schwungvoll auseinandersetzen, rott es damals Mster Snugharter ver stand. Der Mann hatte «liNe «eredtswnkeit, >- ich prophe zeite ihm ein« glänzende Karriere al» Parlamentarier. Er wurde aber nur Schaubvden-Au»ruf«. Schade, es war wirk- lich «iiN famoser Kerl. — Sie schmeissen ab, mahnte ich bescheiden. -- Stimmt. Also Höven Siel Haben Sie schon einmal etwas vergossen? — Massenhaft. Zum Beispiel vor /luer Tageblatt MW /lnzeigrr für -as Erzgebirge g mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mn« Sonntagsblaü. -u.''Aprechstun»» »er rttSakttsa mit fiumahm» tt» Som,tag, nachmittag, 4—s Uhr. — Lelegramm-fi-ress», «a-eöla« stmeezgedtrg». Hmsprech« «. .»M». für «nxttaagt eingefaMt, Mannftripw kam» SrwLhr nicht geletflet »«ttn. Die Aushungerung Deutschlands. (Von unserem Berlin« ^-Mitarbeiter). Man ist eigmtl ch erstaunt, diesem altem DHoma van der Aushungerung Deutschlands im Kriegsfälle gerade jetzt in der Presse wieder des Langen und Breiten zu begegnen, wo sich unser Verhältnis zu England freundschaftlicher als seist Jahren gestaltet und die allgemein« europäische Lage auch längst nicht mehr so bedrohlich und gqwttterschwül aussttht wie in den letzt-vergangenen Sommern. Und daß gerade englische Autoren « sein sollen, dtt das Thema neu amgeregt hätten, erscheint nicht sonderlich wahrschein lich, man mWe denn aimehmm, es Handl« sich um Schrift- stell« oder Militärs, di« absolut keinen anderen Gauil mehr zu reiten verstechen, al» den des englisch-deutschen Gegensatzes. Wir fangen gMcklichmweife «Mich aq, das deutsch-englische Verhältnis auch einmal von anderen Setten als denen der kriegerischem Möglichkeiten und der KonMrrenzmanöver anzusehen. Endlich, diesseits rott jenseits des Kanals! Wir fangen an zu überlegen, daß England in der Wplt dvauhen nicht nur ReibungsMchm mit Deutschland «mein hat, sondern noch viel mM paralelk« Jnterssfen- r-sschtung«n. Es ist wirklich nicht fo schwer, bei eimtgom guten Willen zu «Lennen, daß den russischen EMmsiona- gelüsten gegenüber sehr materielle Gründe auch d«n patrio tischstem Engländer und gerade ihm dtt deutsche Freund schaft wichtig machen könnten. Umd wem wir dtt unser« Zett leider nicht sehr eindrucksvollen Argumente der Stam- mesmrwandtMstt Md der geistigen Ergänzung bei Seite lassen, fo bleibt immer noch dtt folgenschwere Tatsache, datz England und Deutschland nicht etwa nur Konkurrenten, sondern gleichzeitig gegenseitig dtt wirtschaftlich besten Kun den find. Man hat erstere« immer so laut betont, datz letzteres darüber ost rein vergessen werden konnte. Und doch ist es einfach das natürlichste Verhältnis von der WM, daß zwei groß» führende KttlturyraÄonsn in Sim reges Austauschverhältnis zu einander treten, daß,sie aus manchen Arbeitsgebieten in einen scharfen Wettbewerb ein treten, während fie auf anderen sich Mit gegenseitiger Er gänzung begnügen. Und dtt letzt«« ist von solchem Ufm- fang, daß im Falle eines Krieges England am deutschen Absatzmarkt und umgekehrt auch Deutschland am englischen Absatzmarkt mehr verlieren mußt«, als selbst ein krttge- unseres Gedächtnisses! AllviM, hier ist meine Milliarden- idee: Gründen wir Vie Berstcherungsgöfellschajst gegen Ver geßlichkeit! »— Donnerwetter! — So rief ich damals auch. Ich unarmte M stsr Snugharter, ich küßte ihn, obwohl wir beide nicht rasttrt waren (wir hatten es vergessen) Und nun legt« der geniale Kerl los und erzählte Probefälle au« der Praxis. Mit ein« Fixigkeit, daß mit ganz schwindlig wurde. Zum Beispiel: Die Gattin hat dm Gatten gebeten, ihr doch «in halbe« Pfund Gpioqzucker m!t- zubrtrgen. Was bringt der vergeßliche Gatte? Drei Kilo Kamillentee. Dtt Frau kriegt «inen Nervmchük -- die Ver sicherung zählt die Argtrochnung. Oder: der Student Kan- fufiu» steigt ins Examen. Er hat gelbüMt wie ein Bison. Pötzlich versagt sein Gedächtnis, er rasselt durch, datz mm es bi»>in di« Vororte hört. Karriere futsch, Enterbung, Verfluchung — die verficherung zahlt alle». Fabelhast! ries ich kogeistett. . Der Multimillionär lächelt«: von so «infachen Fällen wtt stehengebliebenm Regenschirmen, wichtigen Briefen, di« man in den Briefkasten zu werfen Versäumte, entliehenen Büchern, dtt man zurückzugebm vergißt, will ich gar nicht «dm, obwohl wir an der Hand der deutschen Wi tzblätter festgestellt haben, datz allein die Professoren pro Tag min destens 1« drei Regenschirme stehen lasten müssen. Aber mchmen wir and«« Mille: ein zerstreut«r Fahrgast vergißt sein Trambahnbillstt zu lösen — der Kontrollmr zeigt chn an — DerichtSkastM — hundert Mack Geldstrafe — die Versicherung zahlt st«. Gin Geschäftsreisender fährt dvstßtg Mellen über sein Reiseziel hinaus —> Sin verlorener «v- heitstag — ein «roß« entgangener Auftrag die vor- stchevung «fetzt dm Schaden. Ein Schauspiel« gastiert aus Engagement — al»Faust, eine Rolle, die « huHdeanEgs- spielt hat— er beginnt: habe nun, ach Phtlosttzchte, Juristerei und — und — aus ttl! Da» Publikum bäht, s. Zshrgrmg. ob« rüstet sich Linnebvgel ernstlich, auch hi« di« Vor- auSgekommmen einzuholen. Dtt Leistung Linne- kogels ist ein erfreulicher Beweis dafür, daß wir un» vor dm Fliegern anderer Länder nicht zu fürchten brau chen. Sie bedeutet kulturell, daß Deutschland mora lisch wtt technisch, mit.seinen Maschinen- wtt mit sei nem Mmschmmaterial Vollwertige» leisten kann. Selbst die Ungunst de» Wetter», ein finster«, stürmisch« Him mel, konnte Linnekogel von dem einmal mtschloffm gewolltem Ziel nicht abbringen. Sei un» da» «in Sinn bild dafür, daß wir auch in dm Stürmen der Zett und in dm besonderen Schwierigkeiten unser« Lage nicht zu verzagen brauchen, wenn nur unser Will« ernst und fest ist.