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WWW^MWWWMWW /luer Tageblatt US Anzeiger für -as erzgebirge MßWUD mit öer wöchentlichen Unterhaltunssbeilage: Muer Sonntagsbla«. le«,» UN» Ku„ad'N«u,n, f«»>. Sprrchgunö, s»r NrSaktton mtt Hll-oahm» Sonntag» nachmittag» 4-» Uhr. — r,l,-ramm.fl»r,ff», Tag,blatt ftu,«zg,blrg,. srrn sprech« SS. ?'»» »>' 5»^<>r,»».s°/,raNi A-.'. Ä!L.:» AM! «"> >°°» «E-d, «u>. »MM Dienstag, IS. Juni IS14 s. Jahrgang Nr. 136 Diese Nummer umsaßt 8 Setten. In Köln trat der vierte Deutsche Städtetag unter außerordentlich starker Beteili gung zusammen.*) * M» Stadt Durazzo ist «ach einer Meldung de- ita lienische« Gesandt«« gestern früh von drei Sei te« ««gegriffen worden; Oberst Thomson ist gefallen.*) 2V" Mutmaßlich« Witterung am 17. Juni: W chselnde Winde, Bewölkungszunahme, warm, später Abkühlung, E«. mitte« und Niederschlag. 'M»: Das Wichtigste vom Tage. Prinz Johann Georg reiste gestern abend nach Neustrelitz, um dort im Auftrage des Königs der Trauerfeier für den verstorbenen Großherzog betzuwohnen.*) * Tie Einstellung sämtlicher elsaß-lothringi scher Rekruten erfolgt von diesem Herbst an wieder, wie vor 1903, außerhalb des Reichs landes. Dölkerbogkott. Neben den vielen blutigen Schlachten, die unser« im Prinzip so friedensdurstige Zett in den letzten Jahren erlebt hat, sind auch einige zwar unblutige aber nicht minder verhängnisvolle Kriege geführt worden. Zwar gab es dabet keine offiziell« Kriegserklärung, kein Auf gebot von waffenstrotzenden Soldaten, aber die Wirkun gen des feindlichen Zustandes waren nicht selten von tragischsten Folgen. Irgend einer hatte die Parole aus- gegeben, die Waren des Landes, mit dem man den bluti gen Kampf aufnahm, zu boykottieren, die geschäftlichen Beziehungen abzubrechen. Das Wort Boykott ist ja das Schlagwort unserer Epoche. Es wird angttvandt, um parteipolitischen Zwecken zu dienen, um Wirtschaftliche Vorteile zu erringen. Bei der Bedeutung, welche die Handelspolitik im Leben der modernen Nationen, die in Europa ohne Warenaustausch ihre Existenz über haupt nicht fristen könnten, gewonnen hat, war eS bei- tenstv betriebenen Propaganda «inen neuen Si§t davon- ist es wohl hygienischer, die Gelegenheit des Rückweges als Spaziergang zu benutzen. Je weiter, der VollkingjZug das weite, mtt Stullenpapier besäte Tempelhafer Feld umkreiste und den Kreuzberg «ms.der Ebene auswachsen ließ, desto kleiner wurde in Erich die Zuversicht, daß ihm dieser sonnig« Vormittag überhaupt - zu etwas klagender Münze verhelfen könne. Wenn der Dramaturg mit seinem Manuskript etwas anzufangen wüßte, hätte er ihm doch schon längst Nachricht zukammen lassen. So konnte sein heutiger Besuch höchstens die Prüfung, die wahrscheinlich mit der Rücksendung gleichbedeutend war, beschleunigen. Es erwies sich, daß der Weg vom Bahnhof. Tompelhos bis zur Fabrik der Filmgesellschaft Tlou noch ein.z'emltch wei- ter und auch ein ziemlich schattenloser war, so daß Erich erst nach einer guten hallen Stunde sehr-erhitzt vor dem merkwürdigen Glashaus amkam, da» wie ausgsstorben da lag. Ein mürrischer Portier verwies ihn ins Hochparterre, allwo ihm das reichlich schnippische Fräulein der Telephon zentrale die Visitenkarte abforderte, und ihm-den Weg zu einem eleganten Wartezimmer zeigte. Ich will mal sehen, ob Herr Doktor Höcker zu sprechen ist. Und damit ver schwand ste, um nach einigen Minuten mit dem Bescheid zurückzukehren : Eine kleine halbe Stunde «erden Sie sich schon gedulden müssen, wenn Sie Herrn Doktor persönlich zu sprechen wünschen. So lange witd ihn seine Konferenz mit dem Herrn Generaldirektor noch in Anspruch nehmen. Erich machte sich nervös über die Lektüre einiger ab gegriffener Filmzeitschriften Md schrak jedesmal zusammen, wie bei einer unerlaubten Tat» ertappt, wenn «in Stadt- bahnzug näher hevanschnaubte Md die Fensterscheiben leise aufklirren ließ. Bisweilen klang «uch wohl MWcheNlache«, Werfen von Türm, SchrttteWarren, Saufen, wieder Lachen den Korridor entlang. Srich «ar gerade im Begriff auf- -ustehen, da ihm da» warten denn doch ein wenig gar -u lang« däucht«, al» ein dunkelbärtiger Herr in einem tadellosen Gchrock.eintrat, fich nur eben verbeugte und fragte: Womit kann ich Ihnen dienen, mein Herr? Erich trug sein Anliegen ein bißchen verwirrt und verworren vor und wurde mit dem Bescheid entlassen, daß ihm über dm ein- : tragen können. Nichts anders will dds gegen das gemäßigte > Kabinett Ri bot ausgesprochene Mißtrauensvotum be- : sagen. N.K Stimmen waren gegen Ribot. Sie setzten sich ! zusammen aus den 102 vereinigten Sozialisten (Jaures), aus den ca. 190 Radikalem und Radikal-Sozialisten (Tail- laur) und den 24 republikanischen Sozialisten (Augagüeur), .wenn man einige Enthaltungen und abwesende Deputierte abzieht. So erfreulich dieses Resultat auch augenblicklich für Deutschland ist — denn dies« Gruppen bedeuten die Gegner der dreijährigen Dienstzeit und damit der. un verhältnismäßigen Vermehrung der Präsenzstärke des fran zösischen Heeres — so darf man doch nicht vergessen, das diejenigen, die den parlamentarischen Sieg davontrugen, Sozialisten zum dritten Teil von reinstem Wasser find und daß die Besiegten die Bou-^eoiste, der ^Kapitalismus.sind. Drum darf man sich auch di^es Sieges nur .insofern freuen, als er Deutschland nicht zwingt, neu« Rüstungen vorzu nehmen. Ja, der Sieg der Sozialisten muh unL.sogar eine Warnung sein. Ebenso di« N'«eder!lage der Gemäßigten, wenn wir die Vorbedingungen zu diesem Mißtrauensvotum des Näheren beleuchten. Wir haben in Deutschland schon oft genug Gelegenheit gehabt, über dm Terrorismus, den deutsche Sozialdemo kraten ausübon, herzuziehen. «Wir haben in ihm ober auch die straffe Organisation anerkennen müssen, die die deutsche Umsturzpartei für sich erschaffen hat. -Wenn heute die fran zösischen Radikalen und Sozialisten -t» in di« Abstimmung hinein ihrem Programm, treugeblieben find, so ist da» eben falls nur auf eine stramme Disziplin MÄckzusÜhven^ die sich seit den Wahlen deutlich genug in ihrem Sagern fühl bar macht. Wenn man dagegen die letzte Vergangenheit der gemäßigten Parteien Frankreichs betrachtet, so kann man ebenso klar erkennen, daß ihre größte Schwäche di« mangelnde Organisation und am deren Stelle.inner« Zer rissenheit, Gruppen und GrLppchenhMung M. Die töäö- ratiou Zp« Sunedes, die gewissermaßen eine Abroehrorgani. satian gegen das Vordringen des Sozialismus bilden sollte, hat ein klägliches Ende gefunden. Die meistem ihrer Kandidaten, die durchgefallen find, mußten sozialistischen De putierten ihrem Platz, obtreten. Die älteren republi kanischen Organisationen haben nicht nur keinerlei gemein same Wahlpolitik getrieben, sondern auch nach dem Wahlen seit dem Zusammentritt der Kammer es meist Nicht einmal fertig gebracht, sich zu konstituieren Md ein Arbeits programm v-lMustellen, während die Sozialisten das bereit» am 1 Juni, dem Tage des Mmmerhegimwi taten. .Der Erfolg ist dtze am 1L. Juni gefallene Entscheidung. Ma» uns NM den Freudenbecher nicht überschäumen läßt, da» ist die Mirkung, die de r Sieg der foMlistilfchen Organi sation in Frankreich aus ihre Gesinnungsgenossen bet uns zuhause und im übrigen Europa naturgemäß auSübem «tM Wenn man so will, ist die Bewegung, die letzten Endes gereichten Film, der sich noch in Prüfung befände — er ahne ja gar nicht, unter welcher Last von Manuskripten man fast ersticke! — noch im Laufe der Woche Antwort zukommen werde. Einen Augenblick, aber auch nur einen ganz kurzen Augenblick schoß es ihm durch den erhitzten Schädel, ob er jenen tipptoppen Herrn nicht um einen Groschen, um einen Fünfziger angehen solle, von wegen Portemonnaie vergessen haben, Stadtbahnbillett kaufen müssen und so. Aber sein alter Stolz schloß ihm sofort so energisch den Mund, daß er bereits wieder allein war. Er schluckt.- ein paar bittere Wort« hinunter und schlenderte den langen Korridor hinab, den er vermutlich gekommen war. Da gewahrten stine Augen «in ganz merkwürdige» Bild, das ihn erschreckt zum Stillstehen zwang: Unter e nem rosigen Sonnenschirm glitt da eine entzückende weihe Mäd chengestalt durch eine Gaisblattpergola und bemerkte nicht» von dem alten schmierigen Strolch, der da eben hinter einem Daum hervortrat und sich nun froh auf sein Opfer stürzte, um ihm die Handtasche zu entreißen. Ohne sich auch nur einen Augenblick zu besinnen, durch- sprang Grich den letzten Teil de» Gange» und fuhr mit' kräftigem Griff dem Banditen an die Gurgel, der jedoch den Angriff wahrgenommen halben mußte; denn Erich fühlt« noch gang dunkel, wie ihn ein mächtiger Fausthieb an m e Schläge traf — da aber schwanden ihm auch schon die Sinne. Als er langsam wieder zu sich kam, erkannte er deutlich dieses holde Mädchenantlitz, da» er dach hatte schützen wollen, und das sich nun gang besorgt über ihn beugte; er hörte aber auch eine recht unwillige Stimm« sagen: Verpatzt uns da der Knabe in seilner übertriebenen Sa- lanterre die ganze Szene! Gehört doch wahrhaftig nicht viel Grips dazu, hier «ine Filmaufnahme gu liechen! — Und «ine andere Stimme.beruhigt« wieder lachend; Nee, nee, lassen Sie nur, so was Natürlich« ist mir lange nicht vorgekommen. Glänzend« vewegMgen hatte der Kerl. Und dieser neu« Teil paßt brillant tn Vie Handlung, Hoffentlich bekommt ihm dies« ungcchnte Mitwirkung nicht all zu schlecht, denn wo uns«, Benny hinhaut. -Aber sehen Sie, er schlägt ja schon wieder die Augen auf! Sie, mein Nie griechisch e Note ist hon der Pforte noch nicht be antwortet worden, doch tut die türkische Regte- rung ihr Möglichstes, der Erregung zu steuern. -l »Uiher«» stetz, an andere« Stell«. Alm-Schicksal. eiaihdruck verdole». Skizze von A. Thurand. O, seinem Namen kennt Ihr alle! Mer ich habe meinem Freunde, dem berühmten Kino-Darsteller, der hier in meiner kleinen Lebensfkizze unter dem Pseudonym Erich Stollen oorgeführt werden soll, mein Wort geben müssen, ihn nicht zu verraten. Und ich bin mit mir <M Augen blick, dg ich diese Zeilen niederschreibe, schon etwas im Unklaren, ob ich nicht mit meiner Geschchte bereit» zu viel enthülle. Hoffentlich nicht. Nein, Erich Stolten hätte den- jcnigqn, der ihm vor d-ei Jahren sein« zukünftige Lauf bahn prophezeit, mit seinen derben friesischen Fäusten ge wiß recht unsanft die Treppe hinabgsworffen. Denn wer hätte auch ahnen können, daß ein Film Wr ihn, den ver träumten Lyriker, schicksalsb«stimmend werden könne, und daß ein anderer Film — doch, da» erfahrt Ihr ja noch früh genug. Geduld ist ja eine gang hübsche Sache, bester Herr Stolten, trat seine WilmeredotferWirtin an einem schönen Sommermorgen mit dem Kaffee -ei ihm «tn, aber man wird nicht satt davon. Und Sie können sich wohl denken, daß mir der Hausbesitzer hier die Etage «auch nicht gerade gratis und franko iiberlassen hat. Eine Pinkepinke ist der an deren wert! Tun Sie mir schon den Gefallen und pressen Sie sich wenigstens einen kleinen Goldfuchs au» den Rippen. Als ob ich das Goslarer Dukatemnännlein wäre! er- widerto Erich melancholisch. Aber ich will Ihnen mal was sagen: Pumpen Sie mir. gutwillig -wangig Pfennig, damit ich nach Tempelhof htnauäfahren kann und mich mal höchstpersönlich nach meinem famosen Film erkundige. La ich da, Mittagessen immer wieder mal «Unfällen lasse, macht mir fast gar nicht». Nur wenn ich die Kilometer noch per psao» apoatalorum. >— Al». Erich mit feinen -wei Groschen angenehm beschwert unten auf der Straße stand, meinte er philosophisch zu sich selbst: Ich glaube, es ist.für meine Stimmung «m allge- meinen al» auch km besonderen förderlich, wenn ich mir für den einen Groschen «in paar Zigaretten erstehe. Auch Mähe unvermeidlich, daß eines Tages die Völker eS mtt ffolchen Maßnahmen versuchten. Auf dem Wege der amt lichen Handelspolitik sind neue Grst>lge gegenwärtig Ikaum müh zu erzielen. Von ihren Leitern aus ist kaum etn Mittel unversucht geblieben, um unbequeme Gegner zu schädigen. Aber alle Zollmauern, Schiffahrtshinder- ntsse, Warenzeichen und sonstigen Schikanen haben ihren Zweck immer nur zeitweilig erreicht. Handel und Wan del sind darauf angewiesen, Geschäfte zu machen. Der Kaufmann bezieht seine Waren immer von da, wo er sie am besten und billigsten bekommt. Er hat daher noch al lenthalben Mittel gefunden, sich mtt etwaigen staat lichen Hindernissen auf iizgendeine Weise abzusinden. Das Interesse des eigenen Geldbeutels hat sich immer stärker erwiesen als die Rücksicht auf die Politik der Re gierungen. Ganz anders würden sich allerdings die Ver hältnisse gestalten, wenn nun wirklich in Zukunft die Völker selbst die Sach« in die Hände nehmen und sich freiwillig Opfer auferlegen wollten, um damit Feinde irgendwelcher Art gegebenenfalls gründlich zu schädigen. Aber eS steht auch zu befürchten, daß aus diesem Wege wenigstens tn Europa, aus die Länge der gehoffte Er- folg nicht erzielt werden wird. Jeder solch« Boykott schä digt natürlich auch zahlreich« Existenzen im eigenen Land«. Während der Kriege der Engländer um Kanada im Interesse der Amerikaner haben die amerikanischen Kaufleute nach Kräften ruhig an die Franzosen Waffen Munition ML sonstige KrtegSvorräte verkauft. Aehn- licheS 'hat sich auch später oft genug wiederholt. Die Aussicht aus «tn gutes Geschäft ging diesen smarten Kaufleuten über allen Patriotismus! Sollten die Men schen heute so gänzlich anders geworden sein? Auf dem Balkan war vor Jahren, al» man sich noch mtt den Bandenkämpfen begnügt«, der Völlerboykott besonder beliebt. Gerbten verschloß sich wiederholt in empfindlich ster Weise den österreichischen Waren, und die Türket warf ihre Bedeutung al» Muser auf dem internationa len Markt zu mehreren Malen durch da» Mittel der wirtschaftlichen Sperrung in die Wagschale. Auch Deutsch land hat zur Zett des BurenkriegeS durch England und zu Beginn de» tripolitanischen Krieges durch Italien seine Begeisterung Mr die angegriffenen Völker am ei genen Geldbeutel spüren Müssen. Sollte der neue drohen de Konflikt am Aegätschen Meer nochmals unblutig verlaufen, so wird man doch bald von einem heftig einfetzenden Bölkerbohkott hören. Der Erfolg äes französischen Sozialismus. O Man schreibt uns aus Pakts: .Der französische Sozialismus hat als Krönung seiner seit Monaten so in-