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Dienstag, 11. Dezember 1SW. ^«r j-OUD «bonMien! Nr» 8S. Erster Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge vcranlwcrtlichcr Rcdaklcur: Fritz Rriibclä. Für »>ic Znscratr rcronlwcrtlich: R11hur t< » p I c r beide i» Rue. iiiit der w öci) sittlich ei r Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Soiiittagsblatt. Sprechstunde der Redaktion nut Rurnabme der Sonulaac nachmittags von q—5, Uhr. — Teiegramm-Adressci Tageblatt Aue. — Fernsprecher zor. Für nnverlangt eiugesandte lNaunskriptc kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthuer <Zuh.: Paul Bcuthucrj in Anc. Bezugspreis: Durch uusere Voten srci ins Hous monatlich rn Pfg. 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" Graf Posadowsky wird das Bestehen der Ileijchnot bestreiten, die Gründe der F l e i s ch t e u c ru n g vorlcgen und die Oessnung der Grenzen ablehnen. » * Der Friedenspreis wurde vom N o b e l k o m i t e e des norwegischen Storthings dem Präsidenten Roose velt zuerteilt. * 1 -t 0 0 0 Man n der Vergstämme boten Raijuli ihre Hilfe an, um die Landung der französischen und spani schen Truppen vor Tanger zu verhindern. Zum Nachfolger des amerikanischen Botschafters M ei) er i» Petersburg ist der bisherige amerikanische Gesandte für Serbien und Rumänien, Riddle, bestimmt. ch Stolypin gab einem bei ihm vorjprechcnden Delegierten des Verbandes der russischen Leute die Versicherung, daß, salls die neue Wahl im revolutionären Sinne aussallen sollte, die Duma nicht wieder einberufen werden würde. Der Text der spanischen M a r o k k o n o t c, die am 5. d. Mts. von den Botschaftern der beiden Mächte, dem auswär tigen Amte übermittelt wurde, ist iiunmchr durch den Staats sekretär von Kirsten dem Reichstage zugestellt mor den. * Näheres siehe unten. Der hundertjährige Gedenktag des sächsischen Königtums. —I. Wir leben in einer sestsrohen Zeit, in der die Feste ge feiert werden, wie sie fallen. Jedes Ereignis muss heutzutage herhaltcn, um als Rahmen für eine Festlichkeit zu dienen und sei es auch nur, wenn der Nauchklub Gut Qualm sein Stiftungs fest feiert. Dcstoinehr fällt es aus, wenn einmal ein wirklicher Erinnerungstag sang- und klanglos voriibcrgeht. Wenn o a s der Fall ist, dann müssen schon gewichtige Gründe vorliegen, die den Jubiläumstag weniger zu einem Festtag als zu einem Tag traurigen Gedenkens stempeln. Allerdings feiern wir auch die hundertjährige Wiederkehr des Todestages unserer großen Geister. So haben wir im vorigen Jahre erst des 100jährigen Todestages Schillers gedacht und an dere weniger große und weniger bedeutende Männer des Jn- und Auslandes sanden zu ihrem Zentenarstcrbctage ebenfalls begeisterte Anhänger. Wenn also auch Tot en tage zu Sang und Klang in unserer sestsrohen Zeit, zur allgemeinen Begeiste rung herhalten müssen, so wirkt es natürlich doppelt ausfällig, wenn ein Erinerungstag, wie der heutige voraussichtlich in volleEN"hc und Gelassenheit vorübergehcn wird. Das König reich Sachen steht heute vor seinem Gedenktag, der von der allgemeinen Regel eine Ausnahme machen wird, an dem kein Hurrah aus patriotischen Kehlen erschallen, an dem kein Fenster mit flammenden Freudenlämpchen ins Weite leuchten, an dem nicht die Trommel gerührt wird und an dem kein Festgottes dienst an vergangene Zeiten erinnert. Einhundert Jahre sind es heute her, dass Sachsen zum Königreich erhoben wurde. Es ist ost viel über die Tage des Rheinbundes geschrieben worden. Auch Sachsens Königswürde stammt aus diesen Tagen Die Verhandlungen mit Preußen und Kurhessen Uber Gründung eines norddeutschen Bundes waren resultatlos verlausen. Nach - der Schlacht von Jena, in der 7000 Sachsen gefangen genommen worden waren, hatte unser Land unter gewaltigen Kriegskontri- butionen zu leiden. Dann war am 11. Dezember 1806 der Friede von Posen gekommen, der den Kurfürsten veranlaßte, als ° souveräner Fürst dem Rheinbünde beizutreten. Eine der Haupt- „ Verpflichtungen war dabei gewesen, dieS tellungvon 20000 Mann zum Bundeskontingent zu garantieren. Das wargeschehen. Hatte schon der Kurfürst Friedrich August kurz nach dem Frieden von Posen die Königswürde eigentlich ange nommen, so wurde nunmehr, am 20. Dezember 1806 — also heut vor hundert Jahren — Sachsen ossiziell zum Königreiche prokla miert, und der Kursürst nahm den Titel König Friedrich August I von Sachsen an. Im Jahre 1815 trat Sachsen dann gleich vielen anderen Staaten, die ehedem dem Rheinbunde ange hörten, dem deutschen Bunde bei. Wir wollen uns nicht zu Richtern auswersen in der Geschichte, nicht zu Richtern über die damalige Zeit und insbesondere nicht über den Kurfürsten, späteren KönigFriedrichAugust I. Wir wollen aber einem berufenen Mann an dieser Stelle das Wort erteilen, der als Historiker geachtet und geschätzt ist, nämlich keinen geringeren als den Berliner Professor Heinrich von Treischke. In seiner deutschen Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert sagt er auf Seite 255 des ersten Bandes: Nur eine der eingesessenen norddeutschen Dynastien war ihm fNapoleon d. B.) als ein natürlicher Freund willkommen: die alten Nebenbuhler der Hohenzollern, die Alber - tiner, für deren Souveränität er ja angeblich die Massen ergriffen hatte. Am 11. Dezember wurde Kursachsen durch den Posener Frieden in den Rheinbund ausgenommen und mit der Königskrone begnadigt. Um den neuen König für immer von Preußen zu trennen, schenkte ihm Napoleon die preußische Nie derlausitz, das treue Kottbuser Land, und befahl, ihm sofort ein Hilsskorps gegen den verratenen Bundesgenossen ins Feld zu senden .... In Kursachscn aber feierte die deutsche Unter tänigkeit ihre Saturnalien, gemeiner noch als ein Jahr zuvor in Bayern. Wie fühlte man sich so glücklich, den stolzen preußischen Nachbar endlich wieder im Range gleich zu sehen! Aus Neujahr 1807, während an der Weichsel um die letzten Splitter deutscher Freiheit gefochten wurde, veranstaltete die Stadt Leipzig ein p r ä ch t i g e s F r e u d c n s e st zu Ehren der n e u e n Rautenkro n e. Die Sonne Napoleons, das prah lerische Sinnbild, das er von seinem Vorfahren Ludwig XIX'. entlehnt hatte, leuchtete weithin durch die geschmückten Gassen Ans dem Markte prangte der Altar des Vaterlandes: die Stu denten rückten in feierlichem Zuge heran und verbrannten dort ihre Fackeln unter dem Jubclgesange: gerettet ist das Vater land! Auch die Kadaver in der akademischen Anatomie schlossen sich dem kursächsischen Nationalvcrgnügen an; eine er leuchtete Inschrift über der Eingangstür verkündete: Selbst die Toten rufen: Lebe! Soviel aus der sächsischen Geschichte vor hundert Jahren. Wir haben der Vergangenheit gedacht. Nun wollen wir aber auch nicht die Gegenwart vergessen. Ihr gilt es vor allem, denn sie ist uns die Schwelle der Zutunst. Von ihr aus bauen wir am Werdenden. Wenn Sachsen in den letzten Jahren auch große kul turelle Fortschritte gemacht hat, so bleiben doch noch viele Dinge zu verrichten. Aber wir wollen heute am Iahrhundcrtstag nicht unter die Schwarzseher stiegen. Wenn man erst mal in unseren Parlamenten mit den Konservativen gründlich ausge- r ä u m t und aus der a g r a r i s ch c n Regierung eine den Sym pathien des Volkes entsprechende, fortschrittlich gesinnte gemacht hat, dann wird's bei uns im Lande anders werden. Lassen wir die Vergangenheit — Vergangenheit sein, und hassen wir aus die Zukunst. In diesem Sinne rufen wir am heutigen Tage: Glückauf Saxonia! Politische Tagesschau. Aue, l l. Dezember 1006. Das beleidigte Abgeordnetenhaus. Der Prozeß, den das preußische Abgeordnetenhaus gegen zwei Redakteur der sozialdemokratischen Erfurter Tribüne ange strengt hatte und der mit der Verurteilung der Angeklag ten zu je sechs Monaten Gefängnis endete, wäre wirklich besser unterblieben. Die Artikel des sozialdemokratischen Blattes waren allerdings ganz im Stile Fränzchen Möhrings gehalten, aber cs muß konstatiert werden, daß auch die Angriffe im Ab- gcordnetcnhause aus die Sozialdemokratie, welche die Tribüne zu so scharfer Polemik veranlaßten, gerade nicht den Lehren ent sprachen, die Knigge über den Umgang mit Menschen erteilt. Wenn bürgerliche Abgeordnete gegen die Sozialdemokratie Worte gebrauchen wie: Schande, Frechheit, nichtswürdige schamlose Agitation, so dürfen sie sich doch nicht verwundern, daß ihnen in n o ch gröberer Münze diese Beleidigungen zurückgezahlt werden. Wer mit der Sozialdemokratie anbindet, der muß darauf gefaßt sein, gerade wie von den Konservativen, Grobheiten an den Kops geschmissen zu bekommen! Also erscheint einem die Empfindlichkeit, die das Abgeordnetenhaus der Sozialdemokratie gegenüber zeigt, ein wenig übertrieben. Im politischen Kampfe muß man heutzu tage eine Haut wie ein Rhinozeros haben und solange einem von den politischen Gegnern nicht Dinge vorgeworfen werden, die eine Verletzung der persönlichen Ehrenhaftigkeit bedeu ten, so lange kann man sich wirklich den Gang zum Kadi sparen. Anderseits ist es leider in den letzten Jahren immer mehr in Mode gekommen — auch in den deutschen Parlamenten ist be dauerlicherweise eine gewisse Verschlechterung des parlamen tarischen Umgangstones zu bemerken — daß Abgeordnete unter dem Schutze der Immunität Personen angreifen, die die Be treffenden nicht zur Verantwortung ziehen können, weil ein Volksvertreter für die im Parlamente getanen Aeußerungen ge richtlich nurdann belangt werden kann, wenn das Haus seine Auslieferung beschließt. Es sei nur an die Beleidigung erinnert, die der Zentrumsabgeordnete Rocren kürzlich dem Assessor Brückner zufügte ! Also sollten sich die Herren Abgeordneten wirklich nicht beklagen, wenn ihnen mal ein kräftig Wörtlein aus der Presse entgcgenschallt. Zum Tode Stablewski's. u. Der Weihbischof Dr. Likowski hat in seiner Eigen schaft als Verweser der Diözese Posen einen Hirtenbrief erlassen, in dem er zunächst darauf hinweist, daß er durch das Vertrauen des Domkapitels bereits zum zweiten Male zum Verweser der Diözese gewählt worden sei. Nach einem Hinweis aus das wohltätige Wirken des verstorbenen Erzbischofs Dr. v Stablewski in den 15 Jahren seines Erzbistums schließt der Hirtenbrief: Solange ich das Amt des Verwesers ausüben werde, hasse ich, daß man mir das gegenwärtig doppelt schwierige Amt nicht noch erschweren, sondern im Gegenteil durch Folgsamkeit ge genüber der Kirchenbehörde mich unterstützen werde. Im beson deren lege ich Euch die Empfehlung des verstorbenen Erzbischofs ans Herz, daß Ihr, geliebten Brüder, im gegenwärtigen Augen blicke, wo die Sinne angespannt sind, die nötige Ruhe und Ueber- legung in allem bewahren mögt, und Eure Schäslein sollt Ihr ' warnen, daß sie sich nicht zu irgendwelchen illegalen Schrit ten hinreißen lassen mögen, die mit traurigen Folgen verbunden sein könnten. — Die Meldung polnischer Blätter, der Erzbischof von Stablewski sei kurz vor seinem Tode von der Regierung aus gefordert worden, seine Stellungnahme zum polnischen Schulstreik zu ändern, widrigenfalls ihn die Regierung als einen politischen Gefangenen betrachten würde, bezeichnet das Po sener Tageblatt als reine Erfindung. Zur Ncbenregierung des sreikonservativen Abgeordneten Arendt und seiner politischen Freunde veröffentlicht jetzt auch die Fra u des verstorbenen KolonialdirektorsKayser einen Bei trag. Sie schreibt unter anderen über einen Besuch, den Arendt ihrem Gatten abstattete: „Mein Mann lag schwer darnieder an den Folgen einer Blutvergiftung, und der Arzt hatte aus das strengste jeden Be such, sogar oen der Famile verboten. Da kam Dr. Arendt und verlangte meinen Mann zu sprechen; ich bedauerte ihn nicht vorlassen zu können; er ließ sich aber nicht abweisen, und durch die Unterhaltung vor seiner Tür aufmerksam geworden, wünschte der Kranke Bescheid. Ich teilte ihm also mit, um was es sich handelte, und A. wurde unter der Zusicherung seinerseits, dem Kranken nur eine kurze, wichtige Mitteilung zu machen, hineingelassen. Ich blieb im Nebenzimmer in der offenen Tür, und nach kaum zwei Minuten trat ich erschrocken ins Zimmer und sah, wie mein Mann sich erhoben hatte und mit ausge strecktem Arm ries: „Was, Sie unterstehen sich, zu mir zu kommen und mich in meinem Hause zu bedrohen? Sie verlassen augenblicklich meine Wohnung, und ich verbiete Ihnen, jemals wieder mein Haus zu betreten." Das ist einer von den Herren, die sich jetzt zu Beschützern des Dr. Peters auswersen. Ein Lob für Dernburg aus des Kaisers Mund. Der Kai ser hat, wie die V. Z. entgegen andern Angaben meldet, das Vorgehen Dernburgs durchaus gebilligt und verlangt, daß der Chef der Kolonialverwaltung seine Beamten schützt, wie er auch verlangt, daß alle Kolonial-Enthiillungen nachdrücklichst untersucht werden. ». Der Bundesrat erteilte in der gestrigen Sitzung seine Zustimmung dem Ausschußbericht über den Entwurf einer deutschen A r z n e i t a x e für 1007, sowie dem Entwurf eines Ge setzes, Uber die Feststellung des Reichshaushalts-Etats für das Rechnungsjahr 1007 nebst dem Haupt-Etat und der er läuternden Denkschrift. Deutsche Entschädigungsansprüche an Rußland. Der Reichs anzeiger veröffentlicht die Uebersetzung der russischen Bestimmun gen betreffend die Prüfung der Ansprüche, die infolge von Ver mögensverlust während des russisch-japanischen Krie - gesan die russische Regierung gestellt werden. Die Ansprüche, für deren Prüfung eine Kommission eingesetzt ist, sind bis spä - testens zum 1. Mai 1007 anzumelden. Zur russischen Ministerkrisis wird gemeldet: Man hat in Hof kreisen alles darangeseht, um den Fall Eurko-Lidwall aufs feste Geleise zu schieben. Die ganze alte Bürokratie hat mobil gemacht, um Herrn Eurko, der über gewaltige Verbindungen ver fügt zu retten. Man nimmt es Stolypin sehr übel, daß er nicht „mehr Takt" bewiesen, d. h. die ganze Angelegenheit ver tuscht hat. Da auch von liberalerer Seite gegen Stolypin vor gegangen wird, so ist seine Stellung im Kreuzfeuer beider Co- terien sehr stark erschüttert. Die Audienz, die Witteam Sonnabend beim Kaiser hatte, wird in maßgebenden Sphären als höchst bedeutungsvoll betrachtet. Man bringt sie mit der erschütterten Stellung Stolypins in Zusam menhang.