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Mittwoch» äen 9. April 1919 14. Nr. 82 /luer Tageblatt s»«m Mzeiger für öas erzgebirge A mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblatt. ZWR 5«a." UN» 5u'^"d.W"n,°"w'! Spttchftunü, -er N»»akN»n mit -»»«nahm, d»r Sonntage nachmittag« 4—s Uhr. — Trlegramm.flüress», Tageblatt ^ueerzgeblrg». Fernsprecher SS. w'nn »I»"nuh,ad, ^'nf.'?"WÜ'n.7'nr«r unverlangt eingesan-t. Manuskript, kann Semühr nicht geleistet «erben. m°A'"^n'K»'M^L»L^ Das Neueste vom Tage. Im Lugau.Oelsnitzer Kohlenrevier Pnd die Belegschaften ausständigr man meldet bereits ein Uebergreifen der Ausstandsbewegung auf das Lwt-aner Wevier. Der Uebergang ^>er FreiwiHtgenver- bände zur Reichswehr steht, wie mttgetetlt wird, unmittelbar bevor^ DI« Einnahmen und Ausgaben im Reich » hau »- rjultplan belaufen sich auf 138k849ö1l4 Marl. 878 600 000 Viark sollen im Wege der Anleihe be schafft werden. Schatzanweisungen sollen oiS zu inen« Betrag« von 6000 Millionen ausgegeben werden. - - * Die Avs ahrt des Dämpfer» des Präsidenten Wilson, George Washington, nach Brest, die am iS. April erfolgen sollte, ist nunmehr aus den 11. April festgesetzt. , Laut Echo de Paris wurde Genf endgültig -um Sitz de» Völkerbünde» bestimmt. gukunslsstaat. P.L. F. ES ist merlwiirdig, wie dumm die Men- chen in ihrer Gesamtheit waren und die Verfechter er freien Wirtschaft heute ^och sind. Und eS ist höchst aurig — nach Tr. Neurath, Kranold, Schumann und , rof. Ballod (Mitglieder der SozialisterungSkommission) - daß auch der tiberwiegende Teil der Sozialisten noch nicht klüger geworden ist. Da steht schon in der Bibel: Das Leben des Menschen währet sechzig Jahre und wenn cs hoch kommt, siebzig Jahre und wenn eS köstlich war, so war e» Arbeit und Mühe. Arbeit und Mühe das ganze Leben lang! Seit Jahrtausenden arbei tet und niüht sich die Menschheit und da» IW der Arbeit ist nicht geringer, sondern Wohl größer gewor den. Tie Anspannung de» einzelnen ist gewachsen, wenn auch in steigendem Maße die rohe Kraftanspannung durch Geistesarbeit ersetzt wurde. Und nun kommt Ballod, rechnet au», daß im sozia lisierten Staat jeder Mensch nur 8 Jahre (vom 18—23 bezw. bvm 17—23 Jahre) hu arbeiten braucht, um in den Besitz einer lebenslänglichen Stenre zu kommen, ohne daß die Menge der WtrtschaftSprodukte unsere» Gesamtbolkes geringer würdeI Dabet handelt «S sich bei dieser Rechnung nicht um eine neue Entdeckung, sondern die Gedankengäng« dieser WirtschaftStheorettker sind uralt. Statt aber von ihnen Gebrauch zu machen, haben die Menschen durch Jahrhunderte tagaus, taget«, ihr Leben lang Wetter gearbeitet und gerade die kleinen Handwerker und kleinen und großen Unternehmer je der Art wie auch ein ganz großer Teil der Arbeiter schaft und besonder» sämtlich« Bauern sträuben ftch mit Händen und Müßen gegen diese BolkSbealücker und wol len da» arbeitsvolle Leben nicht gegen da» arbeitslose» vertauschen. Ta drängt sich nun di« Frage auf — und sie sollte sich diesen VvlkSsührern selbst besonder» Pein-- lich aufdrängen — r Ist da» ganze Volk verrückt oder sind wir selbst nicht ganz zurechnungsfähig? Nun, für un» besticht kein Weift!, daß sie mit ihrem Znknnstsstaat verrückt sind. Aber e» läßt sich auch rechnerisch Nachweisen, daß der arbeitslos« Zu- kunftsstaat eben nur auf Mechenfthlern beruhen kann. Sin« Rechnung von Ballod, über den Hausbrand, der durch Gas ersetzt toerden soll, ist von einem Fachmann «achgeprttft worden. Ballod Hatte da nur «in« Kletnig. kett vergessen (von technischen tvorauSfttznngkn zu schweigen) — di« Zuleitungen de« Gaft» von den Zen tralen. Statt der von Ballod angefordertin 8 Mil liarden Anlagskvston errechnet der Fachmann Wer 27 Milliarden. Da» heißt: da» Neunfach«. Wenn wir nach Ballodscher Nechenmet'kod« verallgemeinern, dann müssen wir sagen, di« ander««: Vtechnungen Ballod» sind vorsichtshalber wohl auch mit 0 zu multiplizieren. Also auch seine Grundlage« di« »jährig« Arbeitszeit. Auch in, Ballodschen Zukunftsstaat ohne Rechenfehler wird der Mensch also 48 Jahr« zu arbeite,: haben. Ohne aber so frei zu sein, wie er «» setzt ist. Nein, diese Sette der Sozialisierung ist Schwind«! pder Nechenfehler. Vevlockend ist dieser Zukunftsstaat auch nur für Arbeitsscheu« und Müßiggänge«. Wie aber steht es mit Ballod, Neurath und Genossen selbst? wir vermuten, daß ft« sich überarbeitet haben, daß ft« üb«r ihre« G«l«hrtenarbeit nicht die Zelt -efunden ha ben, einen Blick in» wirkliche Lebe« zu werf«», wir plädieren daher für Aussetzung «eine» Ruhegehaltes für all diese Herren, damit fte da» Versäumte nachholen und ihre aestört« Denyunkttonen Wied« in Ordnung drin gen wnnen. Zwei Negierungen in Bayern. Die Lage in Bayern ist verwickelter denn je, Die Proklamierung der Räterepublik in München hat durchaus keine einfachen und klaren Tatsachen geschaffen. Die bis herige mehrheitssozialtsttsche Regierung, an deren Spitze der Ministerpräsident Hoffmann steht, trat nicht zurück, sondern verlegte die Residenz nach Bam berg. Drehpunkt der Entwicklung ist aber Nürnberg, das von jeher die Hochburg der bayrischen MehrheitSsoztnltsien war. Hoffmann und seine Ministerkollegen bewahren über ihre nächsten Pläne undurchdringliches Schweigen, e» wird versichert, daß sie über genügend starke Truppen verfügen, um eine erfolgreiche Gegenaktion zu unternehmen. Nachstehend die neuesten Meldungen: Li« süddeutschen Staaten ««kennen di« Räterepublik nicht an. Sine von dem württembergischen Staatepräsidenten Bio», dem badischen Ministerpräsidenten (beiß und dem hessischen Ministerpräsidenten Ullrich verösftntlicht» Er klärung besagt: Vie Regierungen von Württemberg, Baden und -essen sehen da» Mini st er tum -off. mann nach wie oor al« di« alleinige rechtmäßige Regierung de» volwstaate» Bayern an. Die fränkischen Bezirke haben gegen den AuSruf der Räterepublik einen Protest veröffentlich! mit einem Hinweis auf da» AuSble i ben j e d e r Ernä hrung«- beihtlfe für ei«: bo lschewisttsches Bayern. Diese Wendung ist darauf zurückzuführen, daß der Ver treter der amerikanischen Lebensmittelkommission e» aus drücklich abgelehnt hat, Lebensmittel nach einem bolsche wistischen Bayern zu liefern. Die drohende Abschneidung der Lebenimittel. DaS Verl. Tageblatt meldet an» München, daß auf den Straßen offen und laut zum Bürgerkrieg auf- aefordert wiro. Die Liste der neuen Dolksbeauftragten soll teilweise ihre Gültigkeit verlöre:: haben. Professor Jaffe erklärte dem Korrespondenten des Tage blattes, er könne die Wahl nicht annehmen. Auch der Bauernbündler Steiner dürste ablehnen. Weiter meldet der Korrespondent, daß die Geiahr einer Abschneidung von Lebens Mitteln, überdies von Kohle«: aus dem preußischen Norden überaus groß sei. Di« Regierung zieht Truppen zusammen. Im Bereich de» ». vrmeekorp» «erden Truppen der Regierung zusommengezogen, deren Bestimmung noch «nbekannl ist. Di« Eisenbahnlinien von Nürnberg nach au«- «Sri« sind seit Montag aus «eit« Strecken von Regierung«- truppen besetzt. Der Soldatenrat de» S. bayrischen Armeekorps be schloß die militärische Unterstützung des Mi nisteriums Hoffmann gegen die Münchner Räte diktatur. Nach Meldungen aus München haben die Räte in München Uber 80 politische Persönlichkeiten als Geiseln sestgenommen. Radikalisierung im vutomobiltempo. In säst allen größeren Orten NiedrrbavernS und der Oberpfalz sind Aba« sandte der Münchner Räte, re ater un a in Kraftwagen erschienen und habe«« ohne wettere» Befragen der Bevölkerung mit den an den Orten anwesenden wenigen Kommunisten di» Räterepublik proklamiert, den Belagerungszustand verkündet nnd RevolutlonSgericht» eingesetzt, Die Garnisonen in Nieder- bayern verhalten sich passiv. Di« Räteregierung nach nicht radikal genug, Di« aestrrn mittag erschienene Rote Fahne, da« Organ der Münchner Kommunisten, wendet sich in einem Ausruf an di« Arvett« s ch a r f gegen di« ietzige Räte regierung. Pi« erkennt den jetzt bestehenden revolu tionären Rat in keiner Weis» als ein» Vertretung der arbeitenden Klassen an. Die Sozialisierung der Press«. Die Münchner Zeitungen sind unter Vorzensur aestelli. ES ist neabsichtigt, die Sozialisierung der Press» In zu beschleunigen, daß sie in der Hauptsache noch un vanie dieser Woche al« nollenbet gelten kann. Ueber die Formen dieser Sozialisierung ist bi» jetzt nichts be kannt geworden. Die Leipziger Vorgänge in äer Sächsischen Volkskammer. TweSdou, 8. April. Ten Gegenstand der Tagesordnung bilde« die» In terpellationen über di« jüngsten Vorgänge tn Leipzig. Ter Inhalt der Interpellationen ist zum Teil schon veraltet, zum Teil durch Maßnahmen der Regierung erledigt. ALg. Frau Geh« (Unabh.) begründet dir Interpellation wegen Unterbindung da» Eisenbahnverkehr» «ach Leipzig durch di- WsrsnjbachndtviMva. —, Tie Interpellanten verlangten, daß der Leipziger Oberbürgermeister zur Rechenschaft gezogen werd«. Auch die Eisenbahndirektion und besonder» Vizeprä sident Miettig müßten energisch zur Verantwortung ge zogen werden. ASg. Tr. Menke, Glückert (Dem.) begründet sein« Interpellationen Über SKutz de» Universität Leipzig gegen die fortdauernden be lästigenden Eingrifft de» Leipziger Arbeiter- und Sol datenrats und wegen Sicherung de» Koalitions recht» der Beamten in Leipzig. Der Oberbürger meister habe pflichtgemäß gehandelt. Der Minister Schwarz, den man nach Leipzig zu Verhandlung«« gesandt habe, hab« sich nicht al» Diplomat bewährt. Und welche» Deutsch hat der Minister Schwarz in sei nen Anschlägen und Erlassen gebraucht! Wir find ta unseren Ansprüchen an die Bildung eine» Mini ster» seit den" November tagen sehr bescheiden gewor den. (Langanhaltender großer Lärm und erregt« Zu ruft Von den Unabhängigen und Mehrheftssozialisten: Frechheit! Gemeinheit! Schämen Sie sich! Pfui Teu fel! Herunter! Hinau»! Präsident yräßdorf ruft den Redner zur Ordnung, desgleichen den Abg. Mehnert wegen eine» Zwischenrufes.) Redner bittet die Regierung, endlich da» Schwanken aufzugeben und energisch zu handeln. Abg. Brost (D.-N.) begründet danach di« Interpellation seiner Partei über die Wahl eines sünfkvpfigen Präsidium» de» Arbei ter, und Soldatenrats in Leipzig zur Behaup tung der Errungenschaften der Revolution. Wa» ge denk« die Regierung zu tun, um da» Selbstverwaltungs recht der Stadt Leipzig gegen die Uebergrifft de» A.» und S.»Rates zu schützen? Tie Bürgerschaft werde «S nicht stillschweigend dulden, daß auf ihrem Rücken der Kampf gegen die Regierung auSgefvchten werde. Wir wollen keine Räterepublik Leipzig, kein Zaunkünigtum mit Herrn Geher an der Spitze. Minister da» Annern Uhlig: Li« Regierung ist sich ihrer Verantwortung durch aus bewußt und wird sich daher bei der Anwendung don Gewaltmaßregeln die grüßte ^Zurück haltung auftrlegen. Ti« Verteilung von Waffe» tn Leipzig bann die Regierung nicht billigen und muß restlos« Rücklieferung ftrdern. Ate yegft- ruug ist entschlossen, di« Bevölkerung ge gen jeden Terror zu schütz«» Ti« Reibungen, di« in dem Betrieb der Universität Leipzig hervorge- ruftn worden sind, bedauert die Regierung und wird alle» tun, um di« Lehrfreiheit der Universi tät zu schützen. (Bravo.) Zu keiner Zeit hat die Generaldirekiton der Eikenbahn die Streck« «rach Leipzig unfährbar machen lassen, um die Zufuhr von Mich und anderen Lebensmitteln zu verhindern. Was di« Errichtung eine» fünskvpstgen Präsi- diumS in Leipzig betrifft, ft muß man »bwarftrh wie sich Theorie und Praxi» zueinander Verhalten. Ti« Regierung wird aber dann mit aller Schärft «in- greift«, w«nn «» sich gegen di« verfassungsmäßig« Ge walt richten sollte. Le« Redn«r lvendet sich dann.zur Interpellation wegen der Sicherung de« Koalition»«-» te» der Beamten. Di« Beamten haben gewiß da» Koalttionsrecht, dürft« aber vom Streik nur al» bvm äußersten Mittel Gebrauch machen. Minister für Militärwefm Neurin« bestätigt di« Angaben de» Minister» de» Innern Üb« di« Waff«nvert«ilung und «vückgabe. Auch die Sich«r- hettstruppen erhielten kein« Arttlftriemunitjon. Ti« Gervalt L«ftnd« sich fest tn der Hand der gegenwärtigen Vftgftrung. berichtet üb«, sein« Leipzig«» .Verhandlungen. Leip zig hab« damals den Eindruck «tner friedlichen Stadt gemacht, von SO 000 verteilt»« Gewahren Lab« er nie gesprochen. Schließlich w«nd«t sich der Minister g«aen oft Kritik Dv. Menft-stlückert» an tz«n Psrfoa- lichketftn d«r Regierung. Lw Kammer beschließt bis Besprechung der Jnftv» pellationen. worauf va» Wort «rgvetfm di« Ahg. Uhg-