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Montag» äen 14. April 1919 Nr. 86 /luer Tageblatt ^Ük öas Ek^8kö!kAk bz«Ä.;ä.» ^,. E 5 MÄÄWsHiiA FM!r.°«.sÄ mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: ^uer Sonntagsblatt. 2ÄLW7«ÄM /r«g<"ui!» Gprechgunü« der ttedaktlon mit fiusnahm« -er Sonntag» nachmittag» 4—- Uhr. — Telegramm-Z-resser Tageblatt flueerzgeblrge. Fernsprecher SS, w«nn üi«"yufa?b^»« Nn!'Ä r«e unverlangt „ng.sanS.e Manuskripte kann Gewähr nicht gelelget werüen. VS 14. Jahrgang Das Neueste vom Tage. Der sächsische Krieg-Minister Neurtng ist ermordet worden, über den ganzen Freistaat Sachsen wurde der Belagerungszustand ver- tzälUt. s^s - > »l Die ersten Transporte von Regiernngs- truppen, die al- Verstärkung nach Dresden gesandt werden, sind bereit- gestern nachmittag Vvir Berlin abgegangen. Auch eine bewaffnete Mv- tvrbootflottille ging die Elbe hinauf nach Dres den gb und traf gestern abend dort ein. Die vtätercgierung in Mlinch en wurde durch die Garnison gestürzt, eine Wiederherstellung kommt nicht mehr in Frage. . * Reich-Minister des Aeußern Graf von Brock- dv rfs,. Ra u tz a n traf am Sonnabend uns Weimar tu Berlin ein, nm persönlich die Leitung der Vor bereitungen silr die Friede nSv er Handlun gen zu übernehmen. » Wie die Demokraten einen leitenden Ans- land »post en ans ihrer Reihe besetzen sollen, und zwar den Stockholmer, so ist der Haager Gesandt schaft-Posten dem Zentrum und der norwegische den M ehr hei tösozia listen angebvten worden. Die Münchner Diktatoren gestürzt! Proklamation der bayerischen Regierung. Nach Meldung deo t. Armeekorps aus München wurde die Räteregierung durch die Garnison gestürzt. Line Wiederher, stellung kommt nicht mehr in Frage. Einzelheiten fehlen. Die bayerische Regierung hat folgende Proklamation er, lasst»: An das bayerische Volk! Die Münchener Garnison hat die lLervaltherrschast in München weggesegt. Das Kartenhaus der landfremden Eindringlinge ist zusammengestürzt. München und ganz Bayern atme» erleichtert aus. Die Gewalt der rechtmähigen Negierung Hofsmann hat sich mit elementarer Kraft durchgcseht und sich nun auch in München wiederhergestellt. Als Bertrctcr der Negierung ist mit weitgehenden Vollmachten der Abgeordnete Vogel ans Fürth nach München entsandt; sei nen Weisungen ist bis ans weiteres unbedingt Folge zu leisten, «r vereinigt in sich die gesamte zivile und militärische Vollzugs gemalt in München. A l l e b i o h e r i g e n B e r o r d n n n g e n d e r Sk ii 1 e r e g > e r u n g s i n d n n s; e r M i r k s a m k c i t g e - setzt. Bayern, haltet treu zur Negierung Hostmann, vereint alle eure Kräste, um di« Wiederkehr der soeben niedergeworsenen vewnltherrschast siir alle ZuNustt unmöglich zu machen und der Regierung de» Wiedcransbau des zerrütteten bayerischen Staates zu ermöglichen. Nur Ordnung und Arbeit sührt zum Ziel. Dir Regierung de» Freistaates Bayern. Der Ministerpräsident Hoffmann. Line Meldung des I. Armeekorps aus München besagt: Gar. nison München hat sich gegen den Zentralrat erhoben. Garnison errichtet Militärdiktatur und tritt für Mtntsterium Hoffmann ein. Aktion für Wiedergewinnung der Hauptstadt ist eingcleitet und verläuft günstig. Der Minister deo Aeusieren der Räte regierung Dr. Lipp wurde in eine Irr en an st alt gebracht. Dr. Lernten soll flüchtig sein. Die Spitzen der Negierung, unter ihnen Landauer, Magner und Müsain, sind ver haftet worden. Im ganzen sind 1Ü Personen verhaftet. Morä! P.V. N» Der sächsische Krleg-ministev^ der Sozia list Neuring, ist von den Kommunisten viehisch er schlagen, ersäuft, erschossen worden! Die Menge half den Wehrlosen, Einzelnen verprügelt, sn die Elbe ge-, worfeir und nach den, Schwimmenden wie nach einer Zielscheibe geschossen. Drunten tin Wasser ein Manm der seine Arbeit, sein Leben für da- Wohl seines Vvl^ kes in schwerster Zeit einsetzte, der in Todesnot um seil, Leben ringt — oben ans der Brücke, am User die tausvndlöpfige Bestie, die sohlend und lachend sadistische Orgien feiert. Nicht Nschanttneger, nicht Znlnkasfern waren es, sondert» Sachsen. Sassen, die behaupten, die gerechteste, beste Gesellschaftsform errichten zu wollen i Kommnnisten! Sie werden sich auch von dieser Ver antwortung drücken wollen, wir höre»» ste schon von, der kochenden Volksseele, schreien, von den zn Verzweif lung und Raserei getriebenen armen kraulen Lazarett» insassen. — Wer aber waren dl« geistigen Urhebers Wer hat die viehische Menge geführt? Wer st« auf!- gestachelt? Vs- Werken sich verteidigen »vollen damit, dass die Verweigerung der Forderungen Schuld gewe- sen sei; di« armen Kranken und Verwundeten, di, für» Vaterland geblutet hatten, sollt«» sich von nun ab mit Frtedenslvhnung begnügen, während die Freiwilligen in den SchutzkorpS Tagegelder und Prämien und Famt- ltenuntLrstühung und Zulagen bekämen. Im ersten Augenblick stutzt man, und Fragt sich, ob das wirklich gerecht ist? Uber leider, ja. eF ist ge recht! Seit fünf Monaten Haben wir keinen Krieg mehr. Wer ist noch in den Lazaretten? Ein Paar Schwerverletzte, ein Paar Schwerkranke, gewiss! Aber die Mehrzahl besteht aus Leuten, die das ruhige Leben auf Staatskosten der Arbeit vorziehen. Die Aerzte und die Lazarettverwaltung kannten da- Uebel schon lauge. Aber ste entschuldigten die Arbeitsscheu mit dem Zusammenbruch der Nerven und ließen Lenke, die längst entlassnngsrets waren, noch im Lazarett, bis sic sich selbst hinausmeldcn würden. Ho wurde das Laza rettwesen zum Krebsschaden. Nun mußte etwas ge schehen, denn unser Volk ist nicht dazu da, Nichtstuern da» Leben zu versüßen. Es ist wahr, in Bezug ans die KriegSverletzten muß »loch viel geschehen, aber auch sic sind verpflichtet, weiter ihrem Volke gegenüber Wnv Pflicht zu tun und Millionen von ihnen tun sie. And diese armen Kranken waren nun plötzlich gesund ge nug inl TemonstrationSzug vor» KriegsnuntstertuM ZU ziehen, sich mit Gewalt Eingang zu verschaffen und eine,: Wehrlosen aus viehische Art zu ermorden. Was wird nun geschehen? Sieht die Regierung nun ein, daß von ihrer Entschlußkraft das Leben de- ganzen Volke» abhüngt? Lynchjustiz darf nicht mehr straflos bleiben, jeder Teilnehmer, und wenn e» Tau sende sind, muß das Höchstmaß der Strafe erdulden. Nur so ist Wandel zu schaffen. Denn wer in der Meng« war, ohne den Versuch zu machen, unter Einsetzung seines Lebens das Verbrechen zu verhindern, ist der Beihilfe, ist de» Mordes schuldig. Wir sind ein Volk von Arbeitern, wir wollen die Mörder unter un- auS- rotten und wir verlangen von der Negierung, Latz ste unseren Willen nach Recht und Gesetz vollzieht. miMlWMOaltt! rmt! StsnürM ist gssr Lachses, krnmtlung ürr fächMclml ürtrzuAMerr. Ter Geist der Aufreizung und Gewalttärigkett, der jetzt durch ganz Deutschland geht und schon bergehoch Unheil ausgetürmt hat, ist nun auch in unser im we sentlichen bisher verschontes Sachsen eingezogen und hat in Dresden eine unerhörte Bluttat gezeitigt. Dvr Minister für Milttärwesen Neurtng ist, wie das Auer Tageblatt am Sonnabend Abend.schon durch Sonder ausgabe meldete, von einer aufgcpeitschten Menge in der grausamsten Weise um- Leben gebrmht worden. Ten Anlaß zu der entsetzlichen Bluttat haben demon strierende Lazarettverwundete gegeben, die gegen die Verfügung des Kriegsmintsterö Neuring protestier ten, daß in Zukunft nur noch IrtedenSlvhnung an die Verwundeten ausgezählt werden solle, lieber Einzelheiten der unerhörten Mordtat wird wie folgt berichtet r Am Sonnabend früh habe» Verwundet« und La- zarritpersonal vor dem KricMministrrinm in Dres den eine Tcmonstration veranstaltet, in deren Verlauf es zu eine«» Busturin auf das Krieasministc« rium kam. Ter KriegSministcr Neurin» wur de auf die Trepp« hcrausgclwtt «»>di spraw mit dcns Demonstranten. ES kant zu heftigen Vu-ciuan-ersct- zungen, die iu einer Schläge re l envcten, wobei invm den KrUgoiniuistcr Neurin» auf Vie Friedrich- An gn st-V »ticke schleift« uusv von, dort au- > n die Elbe warf. Nenrtng, der offenbar ein guter Schwimmer war, versuchte sich zn retten; da die Demonstranten aber mit Was seit versehen waren und viele Gewehrschüsiss« ggf ihn abgabcn, ist er wahrscheinlich von einem oder mehrere»» Schüfssen getroffen untcrgesangen und tot. Ni» nach»- mlttaig gegen S Uhr wurde vor dem KrtegSmlntstcrinm heftig geschossen,mit Maschinengewehren und Granate», und zwar auh dem Kriegsministc- rium aus die Demonstranten und umgekehrt. Auch ei«» Offizier nito, soweit sich.feststelle,» ließ, zwei bi- drei Personen wurden erschossen und viele »wkwuncht. Tas Gebäude de- Ministerium- für Militärwesen, da» einen trostlosen Anblick gewährt, war in den Hän de»» der Spartakisten. Alle»» Anschein nach ist di« Negierung vollständig Herrin der Lage, vg die Truppen, soweit sich überblicken läßt, treu zu der Negirruug halten. Am übrigen griffe» auch freiwil lige Truppen ein, di« «ine,» ganz ausgezeichnete» Ein druck machte». Da- Krieg-ministerium war bi» Sonn tag früh » »ihr von den» Demonstranten beseht, dann wntve es jedoch geräumt. Die Bedingnng der Waffe » abgeb « ng ist nicht allgemein «Hüllt wor den. Tie Demonstranten habe» also noch «in« grö ßer« Masse Waffe»» mit sich genommen. Diese entsetzliche Scheußlichkeit kommt völlig über raschend, und man fragt sich, wie dergleichen Vorkom men kviiute, wenn die Regierung wirklich die Slndt, wie man nach tihren eigenen Versicherungen glauben muß, in der Hand hat. Daß gerade der Minister Neu- rtug ejnem solchen Anschlag zum Opfer fallen mußte, Ist natürlich kein Zufall, dem» er war wohl der bei den Radikalen bestgehaßt« Mau« der sächsischen Regierung. Insofern handelt «» sich offenbar un» mehr als bloß ein« vlötzlich« Aufwallung Kriegsbeschädigter, nämlich st»n einen politischen Pnt/ch. Und wir wieder hol«», von der Möglichkeit eine» solch«» hätte di« Ke- gierung unsere» Erachten» K«nntnt- haben und dem zufolge rechtßeitiy ihr« Massnahmen troffen müssen, Wir glauben, datz «S iHv gelingen wird, Wiederholungen vorzubeugen und 'Herrin der Lag« tzu vlflven,. um mehr ist zu beklagen, datz erst ein Minister sein Leben verlieren mußte. HelagerungsManö und StanSrecht in Sachsen. Infolge -er Vorgänge bei -er Ermor-ung -es Militärministers Neuring hat -as Gefamtminksterkum -en gesamten Freistaat Sachsen in Selage- rungszustan- erklärt) zugleich stn- -le Sr- stimmungen -er Gesetze über Gerichtsstan-, Ver haftung, Haussuchung, Srkefgehelmnls, presse, Ver eins- un- versammlungsrecht bis auf weitere- äußer Kraft gesetzt wor-en. Zum Ober befehlshaber ist Sruno Kirchhof in Vres-en, -er schon längere Zeit als Mitarbeiter im Kriegs ministerium gewirkt hat, bestimmt wor-en. die polizeistun-e -arf nicht über IS Uhr abenüs hinausgchen. Ferner ist für -ie Zeit -es Selage- rungszustan-es -as Stan-recht proklamiert wor-en. Mle Versammlungen unter freiem Himmel stn- verböte»» unü alle öffentlichen Versammlungen in geschloffenen Näumen be-ürfrn -er Henehmiguuß -es neuen Oberbefehlshabers. Sämtliche Vtzhtz- häufer stn- um S Uhr aben-s zu schließen. Dav Einfluß des Spartakist««. Nach einem von», Ministerium au di« L) reffe gege benen amtlichen Bericht erweist eS i,ich immer mOr, daß die Kundgebungen der Kriegsverletzten von spav- taktstischen Agitatoren in verbrecherischer Meise für ihre Pläne ausgcnutzt wurden: Die KrtegS- verletzten hatten nur die Absicht, ihre allerdings sehr zugespitzten Forderungen dem Minister füx Mlttürwe- tzn zu überreichen. Unter der Mengs der KrteMer- - letzten befand«»» sich auch einzeln« Zivilisten s bekannte spartäkistische Agitatoren tauchten auf, hielten aufrei zende Reden, forderte»» der» Sturz de« Regierung und die Ausrufung der Räterepublik. Tie da» Krieg-mini- sterium besetzt haltenden Demonstranten landten aeaen Abend ein« Abordnung an die Regierung, der st« ihr« Forderungen vorlegten. Di« Verhandlungen zogen sich bis tu die Morgenstunde»» des Sonntag« hin. Die Vte- gierung erklärte ihr bereits vor» Neurtng bestätigt«- Einverständnis, daß die Löhnung und sonstig«« AebUhrnifso der Kriegsverletzten in alte« Lüh- Wei ter gewährt werden sollen. Fern«« soll «ty« Verbesserung der Verpflegung und Gleich stellung der Kämpfverbünde nett den Grenzfchutztruppen herbeigeführt werden. Ti«. Beteiligung an de» Lemon- strativu und an der Besetzung de» Krieg-Ministeriums soll nicht strafrechtlich verfolgt werden, soweit nicht gerade Verbrechen vorliegen. Ta» Krieg-Ministe rium wurde daraufhin gestern früh von den Teinon»» stläuten geräumt und von den SichertM-truppen besetzt. / Nesfernn- in Drc-ven »uv im Zwickan-Oel-»»itz.Lutza»«» WMjM, Sonntag nachmittag - Uhr fand tn Dresden ein« außerordentlich« Pressekonferenz im Mtntsterialgibäude start, an welch«« de« Ministerpräsident L«. Gradnauer,