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1-. Jahrgang. Mer TaseblattS Nr. 171. dirnstag, -en 2ö. ^utt 1-21. Das Wichtigste vom Lage. Gestern wurde in Berlin ein« Kabinett»- sitzung abgehalten, die sich mit dem Problem de» Yri«ven»schlüf1e» mit Amerika sowie mit der oberfchlefiichen Frage beschäftigt«. * Die Alliierten erwägen angeblich den Plan, Oberschlesten nfcht zu teilen, sondern e», ähn lich wie das Ta arge beb tri unter die Kontrolle de» Obersten Rate» zu stellen. O Temp» schreibt in seinem gestrigen Leitartikel, di« französische Regierung sei damit einverstan den. daß der Ober st e Rataw 4. Augu st zusam men trete, um die ob er schlesische Fraae zu prüfen. Die 11. französische Division soll aul jeden Fall nach Ob er sch lest en gehen, gleichviel, ob Deutschland zustiwmt oder nicht. Um clas Uclb'mett Wirth. Rv. Bei den Erörterungen über die oberschl^i- iiche Frage hat d'e englische Presse darauf verwie^n hih es unzweckmäßi,i sei und sehr unangenehm empsun- ven würde, wenn in der deutsttwu Oeffentlichkeit die D o"'U. g eu°gestohen würde, daß das Kabinet: zurück- treten müs'e, fa'ls den deutschen Ansprüchen in Lber- fth-lesien nicht Genüge getan werde. Tie englische Presse irrt, wei n sie annimmt, daß es sich, hierbei nur um Drohungen handelt. Wir haben gar kein Interesse dar- ar, irgendwie zu drohen, alles Interesse jedoch, eine Tatsache festzüsteilen, und diese Tatsache besteht darin v ß die Negierung Wirth unmöglich ist, wenn, sie im H-.'rbst mit leeren Händen vor den Reichstag tre.en muß Tas Kabinett Wirth hat sich mit dem Ultimatum be lastet und sich als ein Kabinett der Erfüllung des Ultimatums bezeichnet. Tie Regierung hat getan, .was sie nur irgendwie tun konnte, um die Forderungen d r Entente zu befriedigen,, die Reparationssumme für das erste Jahr ist sichergestellt, die Leipziger Prozesse hrben stattgcsunden und di« Entwaffnung .lst durchge- Uihct worden und zwar so, daß der General Rollet, der uewiß nicht unser Freund ist. .sich befriedigend über dal Erg bnis der Entwaffnung geäußert hat. Was die Neuerung §lso tun konnte, was sie. tun musge. das hat sie ge an. Nun hängt das Schicksal Deutschlands "u d.r Lösung zweier Fragen. 1. die Entscheidung über O der sch testen und 2. die Frage der Aufhebung der Sanktionen. Diese beiden Fragen sind ganz einfach gebens «ragen der deutschen Politik, und man kann --S lehr wohl verstehen, daß das deutsche Volk sich von lieser Negierung wenden wird^wenn die bilden Fragen licht im Sinne von Recht und Gerechtigkeit gelöst wer den. Wenn daS nicht geschieht, so hat sich eben gezeigt daß.die von der Regierung Wirth eingeschlagene Politik falsch war, daß diese Politik nichts anderes ist .als Hand langerdienst .der von gewisser Seite erstrebten Vernich tung Deutschlands. Man kann eS dann kernem Volke Übelnehmen, .wenn es sich gegen die Fortsetzung xiner solchen Politik sträubt. Ter Reichskanzler hat aber auch erklärt, daß.er mit allen Mitteln bestrebt fei, für die Herbeiführung eine» wirk lichen Friedenszustandes zu wirken. Dazu braucht er das Vertrauen de» deutschen Vo.kes, und dieses Vertrauen wird und muß fehlen, wenn in der Mehrheit de» deutschen Volkes di« lieber- zeugung vorhanden ist, daß unsere früheren Gegner selbst nicht den Frieden wollen, Di« setzt vor izn» lie genden Entscheidungen über die Sanktionen und über Ober schienen sind also nicht Entscheidungen nur über das Kabinett Wirth, sondern Entscheidungen über den Weltfrieden überhaupt. Wir haben gar keinen Anlaß, zu drohen ^aber wir müssen aus den Ernst dieser Ent scheidungen aufmerksam machen, und wir können nur hoffen, daß die Entente von den Wirkungen der schick salsschweren Entscheidungen genau so unterrichtet ist wie wir «» sind. * Schisser über -as Kabinett Virth. Auf einer festlichen Veranstaltung der Deutsch- demokratischen Partei in Remscheid hielt Reichssuschz- Minister Schiffer ein«, bemerkenswert« Rede über die auswärtige Lage, wobei er auch auf die Stellung de» Kabinetts Wirth zu sprechen kam. Gr führte dabei au»: Ter Reichskanzler hat vor einigen Tagen in einer Vutz- etna «Versetzung dargetan,. daß ein Sturz de» Kabinett» droh«, wenn di« Regierung in der Aufhebung der Sanktionen und in der oberschbdsischen Frage mit leeren Händen vor den Reichstag treten müsse. Dies« Erklä rung ist teilweise so aufgefatzt worden, al» wenn er und die Mitglieder seine» Kabinett» für ihre Person.nicht g«..eigt seien, die Verantwortung für di« Führung der Geschäft« weiter ziz tragen. Tie Entente muß sich dar über k.ac sein,, daß ein Sturz de» Kabinett» Wirth mehr bedeute: als ein bloßer Personenwechsel. Wenn diese» Kabinett von der Macht der Ereig nisse hinweggefegt wird, so wird e» Lein» Regierung geben, die eine ordnungsmäßige Entwicklung möglich macht. Ein Kabinett der Rechten würde in kurzer Leit beseitigt sein, ebenso ein Sabinen der Linken. Die Auflösung ve» Reichstage» würde di« Zerretbung der Mitt« bringen. Wir hätten da» Thao». Tarum hängt von dem Schicksal de» Kabinett» Wirth da» Schicksal Deutschland»., Europa», der Welt ab. Au- scheinbar kleinen Dingen würden groß«, . gewaltige, furchtbar«, .vernichtende. Folgen entstehen. Ich weiß WM, daß bei den Mitgliedern der Entente vielfach an dere Auffassungen herrschen, .daß man un» größer« Leistungen zutraut,, al» wiv selbst für möglich halten. Wir haben keine Veranlassung, auf diese» Mr un schmeichelhafte Vertrauen stolz.zu sein; denn «S kann vernichtend für un» werden. Unsere scheinbare wirtschaftliche Blüte be ruh« auf.unserer fallenden Valuta, und der Zusam menbruch, der erfolgen kann würde furchtbarer und plötzlicher eintreten als der Zusammenbruch vor drei Jahren, der nicht bloß vielen von uns, .sondern auch den Feinden ganz überraschend kam, die nicht glau ben konnten, daß das siegreiche Deutschland so voll kommen zur Erde sank. Genau dasselbe kann sich wieder ereignen. Ganz plötzlich kann das in drei Jahren mühsam aufgerichtete Gebäude zusammendre- chen und das Reich unter seinen Trümmern begraben, und mit diesem Reich wird das wirtschaftliche Leben Europas vernichtet. So iurchtbar ernst ist die Situation. ES hängt von der Entscheidung über eine Politik ab, die darauf be rechnet ist, Deutschland zu erledigen. Noch brauchen wir nicht an der Möglichkeit zu zweifelt, daß Serechtig- lelt und Vernunft siegen, noch dürfen wir Hoffern baß der gu.e Geist den Sieg erringen, wird, nicht um unsert- wi.len, sondern um der ganzen Welt willen. Zwei äeulsche Antworten. (Von unserem Berliner Mitarbeiter.) Tie Antwort des deutschen Außenministers Tr. Rosen auf die französische Beschwerdenore über die deutsche B ev öl ker u n g.Ob e rs ch les i e nS hat in Frankreich, wie vorauszuseben war, wenig.Eindruck ge macht. Obwohl die Note zahlreiche Richtigstellungen un wahrer französischer Behauptungen, eindrucksvolle Pro teste gegen die Behandlung der oberfchlesischen Bevölke rung durch dis Franzosen und Polen und ernste Hin weise auf die Gefahr eures vierten Polenaufstandes enthält, wird sie in der französischen Presse nur kurz und obenhin behandelt. Natürlich, wenn man von vorn herein entschlossen war, neue Vorwände für gewalt tätiges französisches Vorgehen in vberschlesien zu fin den, dann dürfte man sich, auch nachher, nicht viel dar um kümmern,, wenn die Vorwände in ihrer ganzen Fragwürdigkeit entschleiert und die Wahrheitsverren kungen in ihrer ganzen Unerhörthett nachgewissen wur den. Man legte vielmehr die deutsche Antwormote zu den früheren und bestand im Siegertrotz aus der Durch- .ührung vorgefaßter Pläne. Allein ein zweiter Ant- wortbriet ,Tr. Rosens machte vorläufig, einen dicken Strich durch den französischen Plan neuer Tcuvoensen- dungen nach Oberschlesien. Ter deutsche Außenminister erklärt darin zwar die Bereitwilligkeit der deutschen Regierung, für Transporte alliierter Truppen nach Oberschlesien Eisenbahnmaterial entsprechend den Be stimmungen des Versailler Vertrage- zur Verfügung zu stellen, allein die Anforderung, desselben müsse nach eben diesen Bestimmungen von der Gesamtheit der drei Besatzungsmächte Oberschlesiens gestellt werden; er frage deshalb an, ob das Ersuchen um Truppenbefür- derung im Namen aller drei Okkupationsmächte gestellt sei. Dies« zweite Antwort hat die französische Press« in Helle Wut und di« französisch« Regierung in Vein-, liche Verlegenheit gebracht. Ta» ist gewiß nicht die Ab sicht der deutschen Regierung gewesen, di« sich bekanntlich dis Erfüllung aller au» dem Friedensvertrag entspre chender Verpflichtungen Deutschlands zur Aufgabe ge setzt hat. Vielmehr Haden eS sich, die Franzosen selbst zuzuschreiben, wenn sie sich durch ihr vertraglich nicht berechtigte» Ansinnen an die deutsche Regierung in eine mißliche Lage gebracht Haden. Ter.Antworlbries.de» deutschen Außenminister» ist vom rechtlichen Standpunkte au» unangreifbar. Im Pa ragraph 2 der Anlage zum Artikel 88 de» Versailler Vertrages heißt e»r Tie Zone der Volksabstimmung (in Oberschlesten) wird unverzüglich einem internatio nalen Ausschuß von vier Mitgliedern unterstellt, .die durch die Bereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, da» britisch« Reich und Italien ernannt werden, Sie wird von den Truppen der alliierten und assoziierten Mächte besetzt. Die deutsch« Regierung verpflichtet sich, Via Beförderung Dieser Truppen nach, Oberschlesien zu «leichtern. Und in Artikel 975 wird bestimmt: Deutsch land hat den Beförderung Sanweisungen einer im Namen der alliierten und assoziierten Mächte handelnden Be hörde nachzukommen. Au» beiden Artikeln geht Nar hervor, .daß wohl eine Behörde wie die Interalliiert« Kommission die Befugnis, hat, eine, Beförderung-«»- Weisung von Truppen durch Deutschland zu verlangen, nicht ab« eine einzelne der Besatzung-Mächte. Indem Tr. Rosen auf ptese Bestimmungen himmelst und um weitere Aufklärung bittet, wahrt er nur ein» der kärg lichen Rechte. Pie der Versailler Vertrag Deutschland noch Übrig Mt. wie peinlich korrekt diese Rechi»wah- runa durchdacht ist, gehr auch parau» hervor, daß der Rosensch« Brief gleichzeitig Pew englischen und italie ¬ nischen Botschafter zur Kenntni» gebracht worden ist. um auch von diesen beiden Setten Aufklärung^» er» halten. Ab« die französische Pres.se sieht in dies« deutschen Antwort lediglich eine bösartig« Spekulation de» Kabinett» Wirth auf die franzüsisch-englischen Un stimmigkeiten in der oberschlestschen Frage, die durch ihn angeblich erweitert und vertieft werden Folien. Ta» ist selbstverständlich Unsinn. Deutschland weiß .aus bitterer zweijähriger Erfahrung, daß alle Streitigkeiten zwischen den Alliierten, soweit sie die Auslegung des Versailler Vertrages betreffen, .aus Deutschland» Rücken unv zu seinen Ungunsten beglichen zu werden pflegen. E» wird auch diesmal nicht ander» sein. Schon au» dieiem Grund hütet sich selbstverständlich di« deutsche Politik, Oel in» Feuer zu gießen. Aber auch rein praktisch würbe di« Verschärfung des französisch-englischen Konflikte» Deutschland nicht» Wetter eintragen, als sine weitere Hinauszögerung per oberschlesischen Entscheidung, die im Interesse der vielgeplagten deutschen Bevölkerung Oberschlesiens höchst unerwünscht wäre. .Es liegt also nicht der mindeste Anlaß zur Begründung der gehäsit- gen französischen Unterstellung vor. T-ie eng.lts.ch« Presse erkennt denn auch- den eingenommenen deut schen Standpunkt aus 'juristischen Gründen als korrekt an und sie vertritt beharrlich die Aussicht, daß weder- Großbritannien noch Italien weitere Truppen nach Oberschlesien entsenden dürften, weil di« Verwirrung dann .immer größer würde. Es scheint, als ob Frank reich allmählich die englischen Widerstände als unüber windbar erkenne nnd infolgedessen bemüht sei, jjch zu einem Entgegenkommen zu verstehen. Pariser Montags- blätter deuten an, daß Briand schließlich auf seins For derung vorheriger Sachvertzändigenberatung verzichten nnd selbst einem baldigen Zusammentritt des Obersten Rates znstimmen könnte, wenn nur vorher England in der Truppenentsendung an Frankreichs Sette trei«. Die Besorgnis, Deutschland könne in seiner korrekten Ver tretung eines RechtsstandpunkteS Sieger bleiben, ist of fenbar größer als Vie sachlichen Bedenken gegen ein« schnelle Entscheidung. Uns kann das recht sein! Tenn uns kommt es lediglich und alleren darauf an, Paß di« Entscheidung .über Oberschlesivn so schnell als möglich gefältt wird. ttlekire politische Melvrrnseir. Dis deutsch« Rnssuhr 1920. Für die deutsche Ausfuhr liegen nunmehr die Abschlußziffern für 1820 vor- Danach hat di« Ausfuhr im reinen Warenverkehr (ohne Gold und Silber) im vorigen Jahre 68,3 Milliarden Mark betragen; hiervon entfielen auf den Dezember v. I. 7,1, da» ist 0,1 Milliarde Mark weniger al» im November 1920. Die Wert« der Einfuhr sind für das Jahr 1820 noch nicht feftgestellt. Da» kontrolliert« Deutschland. Echo de Pari» meldet, daß die französische Kontrollkommission für Deutschland in einer Sitzung am Freitag einstimmig beschlossen hat, von der deutschen Regierung die jeweilige Vorlegung der Gesetzentwürfe über den Staatshaushalt zu verlangen. Die Helgoland-Frag«. Dis Meldung von einer Denk schrift der englischen Admiralität über die Rückgewinnung der Insel Helgoland als Stützpunkt für die brittische Flotte erfährt «in Dementi. Dis Londoner Daily Throntest erklärt, daß in amtlichen Kreisen von einem Memorandum der britischen Admiralität über Helgoland nichts bekannt ist Di« Knebelung der Press, im besetzten Gebiet«. Eine kleine Anfrage des Reichstagsabgeordneten Dr. Quaatz macht auf das Vorgehen der Besatzungsbrhörden im besetzten Gebiet gegenüber der deutschen Presse aufmerksam. Kein deutscher Journalist im besetzten Gebiet sei seiner Persönlichkeit, in seinem Eigentum und seinem Beruf mehr sicher vor den brutalsten Uebergriffen. , Ein schwere» französische» Kriegsverbrechen. In der Humanitä erhebt Henry Barbusse gegen den Hauptmann Malis vom 134. Infanterieregiment die Anklage, daß er bei Fleury 180 deutsche Krieger in einem Schützengraben nach Beendigung des Kampfes habe nieder machen lassen. Nach dem Kriege habe der zum Major beförderte tzauptman Malis sich dieser Lat gerühmt. Italien verzichtet nicht auf Kriegsprozess«. Der Seeolo meldet aus« Paris: Eine Anfrage der französischen Regierung bei Italien, wann Italien die Aburteilung der deutschen Kriegsschuldigen vornehmen wolle, hat zu der italienischen Erklärung geführt, daß Italien «inen Verzicht auf die Aburteilung nicht auszusprechen beabsichtig«. Di« mitt«lamerikanlsch«n Republik«» — «tu Maat. Newyork Herald meldet aus Washington, baß di« Verhand lungen über den Abschluß einer Vereinigung d«r fünf zentral amerikanischen Republiken Panama, Salvador, Gua temala, Nicaragua und To starte« zu einem ein zigen souveränen Staat vor ihrem Abschluß stehen. Sachsen unü äie Getreiäeumlage. W. M. Nach dem vom Reichstag beschlossenen Gesetz ÜVer die Regelung Ve» Verkehr» mit Getreide sind im neuen Erntejahr im ganzen Reich 2,5 Millionen Ton nen. Getreide (Brotgetreide, Gerste Mrd Hafer), durch Urnlag« aufz»bringen. Einem rohen Durchschnitt »u- foige träfen demnach auf.jeden Hettar 2,5 Doppelzentner Getreide. Tie wirklich« Umlage auf die einzelnen Län der nimmt aber nicht die Fläche -m Grundlage, sondern