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Muer Tageblatt LVSS ... L«z,... 'L.'LW...Ü;^ -"-1 " ' ».«: Li"j:»!.....":i'.r..-^ü.-^.... n,. i„. Montag, -rn IS. August 1-21. 1». Jahrgang. Das Wichtigste vom Lage. «> dotauWchMch -ritt der völkerdundrat am »V.Mupnst-urBstratungpieroverfchiestschen 0»a!gZ Mamnm,. » Die englische Delegation ist gestern mittag nach London abgereist. Ti« italienischen und belgischen Delegierten haben gletchsall» Pari» bedlaMn. » Ter Ab'chluß «ine» Defensivbündnisse» -wi schen Polen und Tschechien gegen Deutsch- land sott bevorstehen. Deutschlanä unä äer DSlkerbunä. lvon unserem Berliner Mitarbeiter.) The französischen und englischen Zeitungen, die durch den Beschluß de» Obersten Rates, dem Böllerbund das ober schlesische Problem zur Prüfung zu überweisen, nicht minder überrascht wurden wie alle Welt.,sind nun mehr .voll von Betrachtungen über die Folgen des Be schlusses .für die Ententepolitik der Zukunft. Sie streiten darüber, wer zuerst .die merkwürdige Lösung vorge schlagen hat, und sie sind sogar uneinig darüber, ob England oder Frankreich Ursache zu größerer Zufrie denheit mit diesem AuSgang habe. Für Deutschland haben diese Erörterungen zunächst wenig Wert. Hier erhebt sich vielmehr die wichtige Frage, welche Fol gen die Ueberwetsung der oberschlesischen Grenzregu, lierung an den Völkerbund für Oberschlesien selbst und damit für das Deutsche Volk hat. Zunächst steht fest, daß dieser Lösungsversuch eine nicht absehbare Per^- zögerungder Entscheid ung bedeutet. Zwar hat der französische Ministerpräsident Briand dem gegen wärtigen Vorsitzenden des Völkerbundrates die Ent schließung. des Obersten Rates sofort übermittelt und ihn «gebeten, den Vülkerbundrat sobald wie möglich zu sammenzurufen. Aber selbst wenn das, wie vermutet wird, schon zum '20. August geschehen sollte, wird es noch längere Zeit dauern, bis eine ernste Beschäftigung der Mitglieder des Völkerbundrates mit dem schwierigen Problem einsetzen kann. Tenn zuerst wird ein Bericht erstatter gewählt werden Müssen, der mehrere Wochen brauchen dürfte, Um sich in den Gegenstand der Ent scheidung zu vertiefen und Vorschläge zur Beschlußfas sung zu unterbreiten. Der Rat wird dann erneut zu- sammentreten und vielleicht die ganze Angelegenheit vor die Vollversammlung des Völkerbundes bringen. Es heißt, daß die nächste Vollversammlung schon früher für den 1. September angesetzt war. Selbst wenn bis dahin die Sache soweit gefördert wäre, daß dir Voll-> Versammlung Hie überschlesische Frage behandeln könnte, würden wieder Tage oder Wochen vergehen, bis hier «ine Einigung erfolgt wäre. Dann aber müssen,Gut achten und ausführliche Begründungen ausgcarbettet und dem Obersten Rat unterbreitet werden. Dieser hat noch einmal zusammenzutreten und das letzte Wort zu sprechen, da fa nach dem FrtedenSdertrag Deutschland nur verpflichtet ist, die Entscheidung des Obersten Ra tes, aber nicht die des Völkerbünde- al» Lösung.her oberschlefischen Frage hinzunehMen. Line Verschlep pung der Entscheidung.uiN viele Wochen, vielleicht Mo nat«, ist also sehr wahrscheinlich. Inzwischen dauert der unerträgliche Zustand der Spannung und Unsicherheit in Oberschle sien Wetter fort. Ta» Wirtschaftsleben nicht nur dieses so schwer heimgesuchten Gebiete», .sondern ganz Deutsch land» wird unerhört geschädigt, und die Kosten der fremden Besatzung Laufen Wetter. Da die Enrentepar- lamente sich bis setzt geweigert haben, .die Drittel für diese Besatzung Hu bewilligen, wird irgend einmal Deutschland zugenmtet werden, diese Kosten zu allen Übrigen auch noch.zu übernehmen. Das bankerotte Po len wird iedenfalls nichts dazuleisten. Vor. allem aber dauert die große Gefahr neuer polnischer Einfälle und Vergewaltigungen weiter fort. Zwar soll Deutschland und Polen fetzt offiziell gemahnt werden, bis zur end gültigen Entscheidung Hie Rühe zu bewahren. Aber inan weih au» Erfahrung, wie wenig, solche Mahnun gen von den Polen beachtet werden. Selbst wenn fetzt, wie e» scheint, noch Truvpenverstärkungen von den drei beteiligten Besatzungsmächten nach Oberschlesien entsandt werden sollten — um Frankreich wenigstens ein Pflaster auf die schmerzende Wunde seiner diplo matischen Niederlage zu legen — wäre die polnische Ge fahr für die deutsche Bevölkerung Oberschlesien» noch keineswegs gebannt. Jedenfalls ist di« Sorge dieser Be- völlepung grm Leben und Besitz noch auf lange hinan» durch di« Verschleppung der Entscheidung gerechtfertigt. Auf der anderen Sette soll freilich auch nicht verkannt werden daß der in Part» getroffene Ausweg nicht ikden Vorteils fit* Deutschland entbehrt. Zweifellos ist durch die Erklärung.der englischen, ita lienischen und fapantschen Delegierten der rechtliche An spruch Deutschland» auf Oberschlesten fetzt vor aller Welt so stark bekundet worden, daß di« Rechtslage kaum nach erschüttert werden kann. Wenn der Völkerbund rat selbst entscheidet,, so treten zu den Delegierten für England. .Frankreichs Italien und Japan noch die für Belgien, Brasilien. China und Spanien. Man kann, nur annehmen, daß ,in diesem Falle die Mehrheit aegen Frankreich noch stärker und erdrückender ist, al» sie be reits in der Pariser Konferenz des Obersten Rats war. Wenn aber gar die Vollversammlung des Völkerbünde» di« Lösung Vorschlägt,, so ist Frankreich» Niederlage erst recht besiegelt, denn in dieser Vollversammlung Haben auch die Vertreter der englischen Dominien ihr Wort n di« Wagschale zu werfen. Deutschland darf also der Entscheidung fetzt etwas beruhigter entgegensehen als vor Beginn der Pariser Konferenz. Freilich.eiwe Hoff nung auf ungeteilte Rückerstattung ganz Oberschle» lens besteht auch leider beim VülkerbundSrat nicht. Das haben fa die Pariser Verhandlungen schon allzu deutlich erkennen lassen. Aber wenigstens das wich tig« oberschlesische Industriegebiet dürfte ohne erheblich« Abstriche bei Deutschland verbleiben. Alle» in allem st also klar, daß das deutsche Volk keinen Anlaß zum Jubel über den AuSgang der Pariser Konteren- .hat. Nur di« verzweifelte Stimmung der letzten Wochen dürfte fetzt keine Berechtigung mehr haben. In der un erhörten Notlage., in der sich Oberschlesten und das deutsche Volk den Entrntemachthaberm gegenüber be findet. ist aber auch das schon «in Vorteil. Völkerbunäs-Entscheiäung erst im September. Line Note de» Obersten Rat» an Deutschland. Der Oberste Rat hat Sonnabend abend dem deut schen Geschäftsträger in Paris nachstehendes von Briand gezeichnetes Schreiben mit Datum vom Frei^- cag übersandt: Herr Geschäftsträger! In Anbetracht der Schwierigkeit, welche die Fest setzung einer Grenze zwischen Deutschland und Polen in Oberschlesien bietet, hat der Oberste Rai die Ent scheidung, welche ihm in dieser Hinsicht gemäß Ar tikel 88 des Vertrages von Versailles obliegt, ver taget. Ter Oberste Rat ist sicher, daß die Bevölkerung Oberschlesiens die Gesinnung Lu würdigen wissen wird, Hie ihn dazu geführt hat, eine überstürzte Lö sung abzulehnen. IM übrigen wird nichts unter lassen werden, .damit dieser Aufschub so kurz wie möglich ist. Ter Oberste Rat rechnet fest dar auf, daß di« deutsche Regierung ihrerseits das deut sche Volk auffordern wird, bi» zur endgültigen Ent scheidung die größte Rühe zu bewahren, und daß sie gleichzeitig ihren ganzen unmittelbaren nnd mittel baren Einfluß auf .die Bevölkerung Oberschlesiens ausüben wird, damit diese die Autorität der inter alliierten Kommission achtet. Ter Oberste Rat lenkt insbesondere die Aufmerksamkeit der deutschen Re- rung auf die schwere Verantwortung, die iie auf.sich laden würde, wenn sie es unterlassen sollte, auf ihrem Gebiete, insbesondere an den Grenzen Oberschlesiens, die geeigneten Maßnahmen zu trefjen, um fe-en Ver such zu verhindern, der darauf abzielt, Unruhen in deM Adst i m m u np Sge b ie t zu fördern, oder wenn sie nicht sede Zufuhr von Waffen und Muni tion und feden Uebertritt von Banden oder Bewaff neten streng unterbindet. Einberufung für den 20. August. Di« sieben Schiedsrichter. Mittel teilt im Petit Parisien mit, daß der fetzig« Vorsitzende des Völkerbundsrates, der iapaniich« Bot schafter in Paris, Baron Js.hHi, den Vülkerbundrat schoü zvM 20. August zu einer Besprechung der oberschlefischen Frage zusammenberufen werde. Einige Tag'e dev Beratungen könnten genügen,.da die Frage mehr als reif.sei. Wenn der Urteilsspruch mit Mehrheit gefällt werde, sei es vielleicht unnötig, den Obersten Rat aufs neue zusaMmenzuberufen. Wie auch das Echo de Parts mtrteilt, hat Baron JWi den Antrag sSrtands auf Einberufung des Völkerbundrates alsbald mit einem Schreiben beantwortet, daß er den Rat zum 20. August «inzuberufen gedenke. Auf alle Fälle wird sich der Völkerbundrat am 1. September vor. der 2. Versammlung, des Völkerbundes, .die be kanntlich auf den 5. September angesetzt ist, vereinigen. Wenn der Vülkerbündrat am 20. August Zusammen tritt, wird er sich dem genannten Blatt zufolge Wohl zunächst darauf beschränken, .einen Berichterstat ter zü ernennen. Unter diesen Umständen wird die oberschlesische Frage einige Wochen später nach Abschluß der zweiten Session de» Völkerbundes inner halb' des Rate» zur Debatte gelangen. » Augenblicklich setzt sich der Vülkerbundrat aus fol genden Mitgliedern zusammen: Hyman» für Belgien, Ta Lunha für Brasilien, Wellington Koo Mr China, QutnoneS de Leon für Spanien, Hanotaux Her Bour geois ersetzt) für Frankreich, Admiral Fisher Mr Eng land. ^Orsini-Baroni für Italien' und Baron Jshii Mr Japan. — Die Zusammensetzung de» Völkerbundrates hält man in Londoner wohlunterrichteten Kreisen Mr derart, daß der britische Standpunkt, wenn auch noch eine leichte Abänderung zugunsten Polen» möglich ist, tritt mpyiepen müsse. .Der Temp» meldet r Der vülkerbundrat wird nach der Auffassung Her fran- -ösilschen RegierüngSkretse sein Gutachten nicht vor. September fällen können!. Die Vorbereitung de» Gutachtens wird in einer Kommission de» Völler- undrate» erfolgen müssen, .bevor da» Plenum zu einer Entscheidung gelangen kann. B«dingung»los« Annahm« d«» Schstdfprnch». Reuter meldet: Lloyd George und Briand haben erklärt, daß ihre beiden Regierungen die Ent scheidung des Völkerbundrates bedingungslos an- n eh wen würden. Da» «ng« Einvernehmen zwischen den ANiwrtm. Bor Schluß der Sitzung.nahm der Oberste Mat auf BriandS Antrag und mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder folgende Entschließung an: Bet Beendigung einer Arbeiten bestätigt der Oberste Rat abermals sei nen Willen, ein enges Einvernehmen zwischen den Alliierten aufrechtzuevhalten, da» er mehr als « für unumgänglich nötig für den Weltfrieden erachtet. Aushebung äer wirtschaft» lichen Sanktionen. Vedinsvag: Zahlung der «oldmilliard, di, »1. «»«»st. T«r Oberste Rat hat in seiner Sonnabend-Nach- mittagsitzung beschlossen, die wirtschaftlichen Sanktionen unter der Reserve aufzuheben, daß Deutschland am 31^ August feine Verpflichtungen er füllt, das heißt, 1 Milliarde Gold mark bezahlt gemäß dem Ultimatum von London. Nach einer ein drucksvollen Rede des Ministerpräsidenten Briand ist beschlossen worden, augenblicklich die militärischen Sanktionen beizubehalten. — Tie Bedingungen, unter welchen der Oberste Rat beschlossen hat, die wirtschaft lichen Sanktionen vom 15. September ab aufzüheben. sind nach Meldung der Agenee Hava» folgende: Am 31. August bezahlt Deutschland die Milliarde Goldmark völlig. ES wird ein interalliierter Oraaniß- muS gebildet zur Ueberwachung der Erteilung von Ei nfuhrbew illi gungKNMr nach dem Rhein land gehende Waren. Tie Kommission in Koblenz wird ein Uebergangsregime ausarbeiten. ES wird eine Kon trollkommission gebildet. Bezüglich der in Deutschland bestehenden Kontrollkommissionen wurde beschlossen, sie beizubehalten. Gemäß dem Vor schläge des Marschalls Foch wurde eine sortschrei- tende Vermind erung der Besetzung in» Auge gefaßt. Als Sitz der LuftschiffahrtSkommtssion wird von dem interalliierten Militärischen Ausschuß Ver sailles bestimmt. Was e» mit der hiev erwähnten Goldmilliarde auf Was «S mit der erwähnten Goldmilliarde auf sich hat, geht aus einer Meldung de* Morntng Post her vor. Dort heißt es: Nachdem Deutschland am 10. d. M. eine weitere Zahlung von 15 Millionen Goldmark an die ReparationSkommission geleistet hat, sind b i S Ende August noch 3 1 0 Millionen Mark von Deutschland zu zahlen. Diese Zahlungen hat Deutsch land für den 20. und 28. August zu gesagt Der Oberste Rat unä äie Anegsschuläigen. Kein Protest, aber auch kein neuer Prozeß. Bon der VormittagSsihung des Obersten Mate« am Freitag berichtet die Agenee Hava» bezüglich dev Dedatt« über die Kriegsbeschuldigten: der englische Gene ra 1 st a a t S an w alt erläuterte seine Eindrücke über di« verschiedenen englischen Fälle und über die in Leipzig gefällten Urteile. ES gebe drei Möglichkeiten. .1. man könne auch neue 'Fälle dem Leipziger Gericht vorlegen, 2. man könne auf.den Friedensvvrtrag zurückareifen und di« Auslieferung Herlangen, 3. feder könne in keinem Lande die deutschen Kriegsbeschuldigten in contuma ciam verurteilen lassen. Außer in einem Falle hätten di« Engländer keine Klage über den Leip ziger .Gerichtshof vorzubringen. Ter belgisch^ Minister des Aeutzern Jaspar erläuterte dann kur-, daß der einzige Fall, welcher von Belgien dem Leipzi ger «Gericht unterbreitet wurde, .der Fall Ramdohr, iw Belgien große Erregung hervorgerufen habe. Die Be richte per belgischen Delegierten, die diesem Urteil»« sprach beigewohnt hätten, .lauteten außerordentlich un günstig. Nach der Anklagerede des Staatsanwaltes und nach per Zeugenvernehmung habe man allgemein die Verurteilung erwarten können. Jaspar kritisierte scharf den Freispruch. Briand sprach über die von Frank reich dem Leipziger Gerichtshof unterbreiteten Fäll« und schlug vor, der englische GeneralstaatSanwalt. so wie hohe französische, belgische und italienische Justiz beamte sollten die bisher abgeurteilten Fälle prüfen und dem Obersten Rat ihren Bericht vorlegen. Der Oberste Rat werde sich dann darüber aussprechen. Die betref fenden Beamten sollten gleichzeitig beauftragt werden, Anregungen über die künftig einzuschlagende Haltung zu geben. Inzwischen wird, wie die Agenee Havast weiter berichtet, dem Leipziger Gerichtshof.von den Alliierten kein weiter«* Fall voraelegt wer» d«n. Tie Alliiert«» werden gegen di« erfolgten Urteil« keinen Protest.erheben.