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Mer Tageblatt 20. Jahrgang Mittvoch» cten 2. Dezember t925 Nr. 279 M»»«,«>,«»,! v>» sie ft»»,!,,, »u» Nu« UN« U«,«,,n» « O»Ii»f«nnI>«, «u» »artt,« s>o,,t,«a u V.I»»k«nnt,« »»Ilami-P»»»,«»« »» *»I»pf«nn>>, amtlich» z«>>« « «,l»pf«nnl,». »aiaoramm», rag.blai, ^u«,rzg«btrg,. Enthalten- -ir amtlkchra -ekaantmachongea -r» Rate» -er Eta-t «n- -es Amtsgericht» Hue. p»mch«ck-x»nt» ftmt Leipzig Nr. 10», MM? /lnzeiger für öas Erzgebirge Der Locarnovertrag in London unterzeichnet. London. 30. Nov. Die deutschen und die belgi schen Delegierten trafen heute nachmittag von Ostende kommend in Dover ein. Die beiden Delegationen hatten auf dem Schiss gemeinsam gefrühstückt. Zur Begrüßung der deutschen Delegation hatten sich Botschaftsrat Ge sandter Dufour-Feronce und Gesandtschaftsrat Gras Bernstorfs etngefunden. Die Delegationen reisten im Sonderzuge nach London weiter. Die deutsche Delegation wird schon am 3. Dezem- ler wieder aus London zurückfahren. Bereits am 1. Dezember, im unmittelbaren Anschluß an die Unter zeichnung, finden bei Chamberlain die politischen Bespre chungen über die Nebenabmachungen statt. Aus Aeuße- > ungen des Kanzlers vor der Abreise nach London will man schließen, daß die deutsche Delegation m!ß genau formulierten Vorschlägen über die Politischen Ncbenab- Machungen nach London gefahren ist, und daß diese Vor schläge besonders die Festlegung bestimmter Zeitpunkte betreffen, die ausdrücklich vorher vom Reichskabinett und vom Reichspräsidenten angenommen worden sind. Der „Courant" meldet aus London: Tie Polizei trifft umfangreiche Vorkehrungen gegen die für den 1. Dezember geplanten kommunistischen Demonstrationen in London. An den Kundgebungen will auch die Union! der Hafenarbeiter teilnehmen. Tier „Times" zufolge rech net die Polizei mit einer leichten Unterdrückung et waiger Störungen. Das Hotel Ritz, der Sitz der deut schen Delegation, wird polizeilich besonders bewacht wer- den, da die englische Polizei von der deutschen Polizei Nachrichten über zahlreiche Drohbriefe an die deutschen! Beauftragten erhalten hat. * Paris, 30. Nov. Briand ist heute mittag mit der französischen Delegation nach London abgereist. Eine große Menge bereitete dem Ministerpräsidenten am Nordbahnhof freundliche Kundgebungen^ welche zugleich ' Kundgebungen für den Frieden waren. Mit dem glet-: chen Zuge wie Briand ist der tschechoslowakische Außen minister Dr. Benesch nach London gereist. Vor der Abreise Briands fand im Elhsee unter dem Vorsitz des Präsidenten Toumergue ein Ministerrat statt, in welchem der Wortlaut der Programmerklärung des neuen Kabinetts endgültig festgesetzt worden ist. Es bleibt dabei, daß die Programmerklärung am Mittwoch, nachmittags 4 Uhr. in Kammer und Senat erlassen wird. Loucheur äußerte sich im Ministerrat, er hoffe, in vier bis fünf Tagen den französischen Pressevertretern nähere Mitteilungen über die Sanierungspläne des neuen Kabinetts machen zu können. London, 1. Dez. Tie Unterzeichnung des Locarno vertrag begann 12.25 Uhr nachmittags und war um 12.38 Uhr beendet. Italienischer Sala*. Imperator Mussolini und mit ihm die Garde der „Schwarzhemden" ist in ein Stadium eingetreten, das man nicht mehr kritisieren kann. Das „schwarze Hemd" — deutet symbolisch bereits die „schmutzige Wäsche" an. Ter „Schmutz" feiert Triumphe, ein Grund mehr, daß sich saubere Menschen nicht damit abgeüen sollen. Selt samerweise richtet sich die Hetze des italienischen Ueber- nationalismus gegen Deutschland, obwohl man die Trink gelder der deutschen Touristen nach wie vor gern ein steckt und durchaus nicht erbost ist, wenn der Fremden strom von jenseits des Brenners den ehemaligen Frie!- densstand übersteigt. In Deutschland selbst hat man bisher den Faschismus belächelt. Die jüngsten Erlasse sind dazu angetan, dieses Lächeln in ein aufrichtig:- Bedauern zu verwandeln. Jeder Mensch bemitleidet den Nachbarn, den er langsam einer geistigen Umnachtung — der Volksmund spricht von „überschnappen" — ent gegen wandeln sieht. Eines der neuen Dokumente, das allerdings nur ein Psychiater beurteilen kann, lautet: „Die Wacht am Brenner." < Die Zehn Gebote der Brennertrtkolore. 1. Italien ist eine Gottheit. 2. Tie alten Römer haben alle Völker der Erde übertroffen. Der Italiener von heute ist unübertrefflich. 3. Ter Brenner ist kein Ankunftspunkt, sondern ein Ausgangspunkt. 4. Ter geringste Italiener ist mehr wert al- tau send Fremde. 5. Tie italienischen Erzeugnisse sind die besten der k ine Prozesse mehr gegen angebliche Kriegsverbrecher. Die Berliner belgische Gesandtschaft teilt amtlich mit: „Die deutsche Regierung ist durch die belgische Re gierung benachrichtigt worden, daß der Beschluß gefaßt worden ist, die in contumaciam noch schwebenden ge richtlichen Verfahren für Verbrechen oder Delikte, die durch Deutsche in Belgien während des Krieges be gangen worden sein sollen, nicht weiter zu verfolgen. Dieser Beschluß ist wegen der damit verbundenen Schwie rigkeiten in bezug auf gerichtliche Verfahren, die in contumaciam nach vielen Jahren für die begangenen Taten verfolgt werden, und wegen der Hohen Kosten dieser Prozesse, die keinen praktischen Wert darstellen, gefaßt worden. Die belgische Regierung ist außerdem der Meinung, daß nach der Konferenz von Locarno die Wetterverfolgung derartiger Prozesse unnützerweise ein Hindernis für die zu wünschende Bereinigung zwischen beiden Ländern bilden würde." ve Monzie im Soargebiet. Paris, 30. Nov. Der Minister der öffentlichen Ar beiten de.Monzie ist heute nach Saarbrücken abgereist. Offiziell wird diese Reise damit begründet, daß der Mi nister die Saargruben inspizieren will. In Wirklich keit hängt die Reise de Bionzies aber mit den Locarno- Verhandlungen über das Saargebiet zusammen. Vor etwa vierzehn Tagen waren zwei Vertrauensmänner der deutschen Parteien des Saargebiets zu Verhand lungen in Paris. Vte Müeutschen gegen Hinüenburg. In einer Erklärung des Alldeutschen Verbandes heißt es wörtlich: „Das völkische Deutschland bestreitet dem Reichs ministerium, dem Reichstag und dem Reichspräsiden ten das Recht, über uralt deutschen Volksboden, über die deutsche Ehre und die deutsche Zukunft zu ver fügen. Mögen sie die Verantwortung für das Un geheuerliche tragen, das sie begangen haben! Das völkische Deutschland erachtet das Vaterland dadurch nicht gebunden und wird sich bet seinem Ringen um die Befreiung des deutschen Volkes und um die Wie- derausrichtung des Reiches durch dies« in der Geschichte ehrltebender Völker unerhörten Abmachungen nach keiner Richtung hin verpflichtet -alten: für da» völ kische Deutschland sind die Locarno-Verträge nicht vorhanden." Ist das die Treue, die man dem „Sieger in hundert Schwertschlachten" geschworen? Wahre Treue teilt Not und Tod Wit dem Führer, — deutsche Treue knnt keine Kritik an dem Führer, sondern nur Dtenstberettschaft! Zorigefetzt Stillegungen. Berlin, 30. Nov. Tie Zahl der beim Arbettsmint- stertum eingeretchten Anzeigen über beabsichtigte Still legungen von Betrieben nimmt in erschreckendem Maße zu. Vom 1. bi» 27. November sind 877 derartiger An zeigen etngegangen. Auf di« Industrie der Maschinen, Instrumente und Apparate entfallen «in Dritkl aller Nttttägk. Eine neue Note -er Neichsregierung an -ie Miierten! Paris, 30. November. Nach dem „Intransigeant" sollen die Alliierten eine Note der deutschen Regierung erhal ten haben, in der folgende Forderungen aufgestellt werden: 1. Erhebliche Verringerung der Besatzungstruppen, 2. Verkürzung der Räumungsfristen, 3. Aufhebung der Vorschriften für den Bau von Flug zeugen. Insbesondere beanspruche die Reichsregierung das Recht zum Bau von Riesenflugzeugen; sie habe sich dagegen verpflichtet, vom Bau militärischer Flugzeuge abzusehen. Einträge im Reichstag zur Sehebung -er schwierigen Wirtschaftslage. Dem Reichstag ist ein deutschnationaler Antrag zu gegangen, der einen Gesetzentwurf zum Schutze des na tionalen Arbeitsmarktes fordert. Ter Antrag soll Deutschland be ähigen, Abfperrungsmaßnahmen fremder Regierungen gegen deutsche Angestellte, Arbeiter un sonstige Perfönl.chleiten deutscher Staatsangehörigkeit durch entsprechende deutsche Gegenmaßnahmen zu beant worten. Er soll außerdem Handhaben bieten, um den Maßnahmen der Schweiz, Polens, der Tschechoslowakei und anderer Staaten gegen dort tätige deutsche Ange stellte zu begegnen. Ein weiterer deutschnationaler An trag ersucht die Reichsregierung, die bisher gestundeten und jetzt fällig werdenden Steuern jn den Fällen offen barer Zahlungsunfähigkeit weiterhin zu stunden und gegebenenfalls ganz oder teilweise zu erlassen. Fer ner wird der Reichsfinanzminister ersucht, die Etnkom- menssteuer-Normalsätze, die die Grundlagen -er Vor auszahlungen der nichtbuchführenden Landwirte bilden, den veränderten Ertragsverhältntssen anzupassen. Nach einem Zentrumsantrag zur Milderung der allgemeinen Kreditnot soll die Wiederherstellung des Realkredites durch Aufnahme einer langfristigen Anleihe zwecks Her gabe von sicheren Hypotheken durch zwingende Vor schriften an die öffentlichen Sparkassen, einen möglichst hohen Teil ihrer langfristigen Einlagen in Hypotheken anzulegen, und durch Verpflichtung der privaten Ver sicherung-Unternehmen zur weitestgehenden Anlage ihrer Vermögen in Realkredtten gefördert werden. Zur Siche rung de« gewerblichen Betriebskredites soll ein zentra le» Kreditinstitut geschaffen werden. Zinsen und Ge bührensätze sollen durch schärfste Maßnahmen herab gemindert werden. das -rutsche Han-werk für -en Preisabbau. Berlin, 30. Nov. In einer außerordentlichen Sit zung hat der Ausschuß des RetchsverbandeS des deut schen Handwerkes im Zusammenhang mit der PreiSfen- kungsaktion der Regierung in einer Entschließung! als wirksamstes Mittel zur Bekämpfung der Teuerung da freie Spiel der Kräfte in allen Zweigen.der Wirtschaft bezeichnet. ES soll vorläufig die Festsetzung von Richt oder Mindestpreisen durch Innungen oder Jnnung-ver- bände, sowie die Verhängung von Ordnungsstrafen bet Pr«isunterbi«rtungi?n nnte^blelbe't. Welt. 6. Die italienischen Landschaften sind die schönsten der Welt. 7. Um die Schönheit einer italienischen Landschaft zu verstehen, muß man italienische, das heißt geniale Augen haben. 8. Italien hat alle Rechte, weil es das absolute Monopol des schöpferischen Ingeniums besitzt und be sitzen wird. 9. Alles, was erfunden worden ist, wurde von Ita lienern erfunden. 10. Deshalb mutz jeder Fremde Italien mit reli giöser Ehrfurcht betreten. F. T. Marinettt. So hetzt man munter darauf los. — Wie kürzlich mitgetetlt wurde, ist in Italien ein Katechismus für die faschistischen Jugendorganisationen veröffentlicht worden, worin u. a. gesagt wird, Italien müsse -en Kanton Tessin und die italienischsprechenden Teile Graubündens erhalten. Der Bundesrat hät dar aufhin Veranlassung genommen, in freundschaftlicher Weise die Aufmerksamkeit der italienischen Regierung auf dieses Buch zu lenken. Die italienische Regierung hat erklärt, daß diese Schrift eine „reine Privatarbett" fei. und daß die Regierung ihr ganz fernstehs. Der Verfasser der Schrift ist ein ehemaliger katholischer Geist licher. Die Kirchenbehörde hat das Buch, in dem sie eine Parodie des Katechismus erblickt, auf den Index gesetzt. In der schweizerischen Presse wird die Aufmerk samkeit darauf gelenkt, daß eine wissenschaftliche Gesell schaft in Mailand, die Societa Palatina, sich nur dem Studium der italienischsprechenden Teile der Schweiz widmet und in einer ihrer Veröffentlichungen ebenfalls einen Anspruch Italiens auf diese Gebiete erhebt. Hier gegen wird in der schweizerischen Presse aufs schärfste protestiert, und die italienische Regierung wird aufge- sordert, diesen Treibereien ein Ende zu machen. Italien ist also noch lange nicht italienische genug. Gott sei Dank hat man aber einen Mussolini, der trN Nebenberuf fünffacher Minister ist und sich der „Atten tatspropaganda" bedient. Attentats-Mussolini ver- ttalienert Italien. Ter Mann mit den „genialen Augen", der erste Priester der Gottheit Italien, macht das folgendermaßen: t - Eine Verordnung verfügt, daß der Walther-Platz in Bozen vom 1. Dezember ab Platz des König.» Viktor Emanuel III. zu heißen hat. Die Umbenennung erfolgt anläßlich des Namenstage» des König» und wird damit begründet, daß kein Anlaß bestünde, in einer italieni schen Stadt einen Platz nach dem deutschen Dichter Walther von der Vogelweide zu benennen. Die Be wohner des Alto Adige hätten größeren Anlaß, den König zu ehren, der ihnen Freiheit und wahre Kultuir gebracht Härte. Tie selbstverständliche Folge dieser Uw benennung wird die Abtragung de» Denkmal» sein. Wahrscheinlich wird dann auf dem Platz ein Denkmal de» Königs Viktor Emanuel errichtet werden. Armer Mussolini, den Ruhm eine» Walther von der V'ogelweide wirst du nicht schmälern können, genau so wenig, wie deine sonstigen Erlass« rühmlich sind. Die Attentat-Propaganda liegt dir auch besser, kl eine Propaganda für den yr,md«nb«such. Deutsch- Reisende wenigsten» werden Erholung wo ander» suchen —