Volltext Seite (XML)
/luer Tageblatt Pogfihrck-Sonto: flmt Leipzig Nr. 1»»» 22. Jahrgang Z^llAklAtk ^Uk öas EkAAtölkAk . «n'h°»°n» »I, amtlichen o-k-n-tmochung«, »es n°.«s »er «-». UN» »es ftmtsg-richt- Mu-. '""^ Mittwoch, äen 23. März 1927 Abrüstungskonferenz und Balkankrise! Rüstungen an der Grenze. — Ein Zwischensall in der Skupschtinasttzung. Die Nachrichten über die ita lienische jugoslawische Spannung werden tn Völkerbund- "Eisen mit lebhaftem Interesse verfolgt und stehen be greiflicherweise am heutigen Bormittag, wenige Stun. den vor Eröffnung der entscheidenden Tagung des vor bereitenden Abrüstungsausschusses, im Mittelpunkt der Erörterung. Offenbar unter dem Eindruck, daß her Schwerpunkt in bezug auf eine eventuelle Intervention des Völkerbundes zunächst aus keinen Fall tn Genf liegt, bekundet man jedoch in jeder Hinsicht die größte Zurück. Haltung. Zn unterrichteten Kreisen scheint im Augen blick nicht damit gerechnet zu werden, daß der Völker bund in der nächsten Zeit mit der Angelegenheit befaßt wird. Die Bemühungen zur Beilegung dürften viel mehr nach hiesiger Auffassung zunächst von den inter essierten Kabinetten ausgchen. Der jugoslawische Ge- sandte Iovanowitsch, der als ein Hauptdelegierter der jugoslawischen Negierung an der künftigen Tagung des vorbereitenden Abrüstungsausschusses teilnimmt, er klärte, daß er keine Instruktionen von seiner Regierung habe, den Völkerbund mit der Angelegenheit zu befas sen. Aus unterrichteten Kreisen verlautet in bezug auf die italienisch-jugoslawische Spannung weiter, daß beim Völkerbundssekretariat von keiner Seele irgendeine Mit- tetlung in dieser Frage etngegangen ist. a Budapest, 21. März. AuS Agram werden mi litärische Vorbereitungen der Italiener längs der jugoslawischen Grenze gemeldet. So sei in Pola eine neue Militärflugzeugstation angelegt worden, und mehrere italienische Militärflugzeuge patroullier ten die südserbische Küste ab. Das 11. Bersaglieriregi« ment sei an die Grenze verlegt worden, während die italienischen Garnisonen tn Fiume, St. Peter und Adria um einige Bataillone verstärkt wurden. G Belgrad, 21. März. In der h eutigen Sitzung der Skupschtina erklärte der ehemalige Außenminister Trumbitsch (kroatisch-föderativ) in Besprechung des ita lienisch-jugoslawischen Konfliktes, die Italiener seien in ihrer Politik Jugoslawien gegenüber niemals aufrichtig gewesen. Auch während des Weltkrieges, als sie Ver bündete Serbiens waren, hätten sie sich nicht charakter voll benommen. Wenn die Italiener ihre gegenwärtige Politik fortsehen, so werde eines Tages an der Adria küste neben Italien, Jugoslawien und Albanien auch ein vierter Staat erscheinen, und dies werden die Italiener bereuen. Während der Rede Trumbttschs rief der Ab geordnete Wilder (Prtbieewtc-Partet), zur Diplomaten loge gewandt: Unser Gesandter Balugdzte mußte Rom verlassen, und Brodrero ist noch immer hier mit seiner ganzen Spionenband«! In dem hieraus entstandenen Lärm hob der Vorsitzende die Sitzung auf. Nach Wiederaufnahme der Sitzung er klärte der Minister des Aeußern, die Regierung bedauere, daß sich ein Abgeordneten derartig vergaß, daß er den Vertreter einer befreundeten Macht gröblich beleidigte. deutschlan- lsi uninteressiert. Berlin, 21. März. Die „Bezet" erfährt, daß die ausländischen Nachrichten, die von einem Eingreifen Deutschlands in den Balkankonfltkt zum Zweck der Ein berufung des Völkerbundsrates wissen wollen, mit den Tatsachen nicht überetnsttmmen. Deutschland hat keine diesbezügliche Anfrage an die Regierungen der West mächte gerichtet und beabsichtigt auch nicht, einen sol chen Schritt zu tun. An den jetzigen Balkankonfltkten ist Deutschland uninteressiert. der italienische öotschafter bei vr. Stresemann. Ter italienische Botschafter stattete gestern abend Tr. Stresemann einen Besuch ab. Wie gemeldet wird, hat der Botschafter im Anschluß an die der ReichSregte- rung am Sonnabend überreichte italienische Albanten- Note dem Außenminister bas angekündigte ausführliche Material tn der Form eines aide memoire überreicht. Der deutsche Botschafter in Rom, von Neurath- wird heute in Berlin ^erwartet. Paul öoncour zur -lbrüsiungsfroge. Paris, 21. März. Der französische Delegierte bei der Genfer Kommission zur Vorbereitung der Abrüstungskonfe renz, Paul Boncour, erklärte einem Vertreter des „Petit Parisien" u. a.: Wenn ein zu weitgehendes Programm auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen würde, würde man französischerseits das Programm auf seine Hauptelemente zu beschränken suchen und alles beiseite lassen, was zu langen, unzuträglichen Kontroversen Anlaß geben könnte. Zum Bei spiel würde man bei dem Potentiel de Guerre alles aus streichen, was man unmöglich genau begrenzen kann und Be schränkungen fordern, die man durchführen kann, nämlich die der Mannschaften in den Kasernen, die der Marincmannschaf- ten und die der Zahl der Flugzeuge. Außerdem scheint Paul Boncour, der wieder nach Genf zurückreiste, beantragen zu wollen, daß eine Art Verpflichtung für eine beschränkte Zeit übernommen werde, nicht zum Kriege zu schreiten, solange der Völkerbund mit den Fragen beschäftigt sei. Frankreich sei, so erklärte Paul Boncour, bereit, nicht nur ein derartiges Ab kommen vorzuschlagen, sondern auch cs zu unterzeichnen, wenn die anderen Mächte die gleiche Verpflichtung übernehmen. Die allgemeine Mobilisierung der gesamten Nation für Kriegs zeiten, die jetzt in Frankreich vorbereitet wird, ist mit einer derartigen Verpflichtung nicht unvereinbar. Schanghai gefallen. Landung englischer, amerikanischer, französischer, japanischer, italienischer und spanischer Truppen. Schanghai, 21. März. Die Südtruppen sind tn die Chtnesenstadt von Schanghai etngcdrungen. Ter Kommandeur der Schanghattrnppen tn Schanghai habe sich in die französische Konzession geflüchtet. Die Süd- truppen haben Aschangtschau, 40 Mellen nordwestlich von Sutschou, eingenommen und dadurch die Eisenbahn linie Schanghai-Nanking abgeschnttten. Reuter meldet, die Polizei mußte wiederholt ge gen di« tn den Straßen demonstrierende Menge vor gehen. Drei Soldaten des Pundschab-Regtment» wuv- den durch Schüsse verwundet. Einzelheiten liegen noch nicht vor. Schanghai, 21. März. Auf Wunsch der «e- meindeverwaltung der internationalen Niederlassung sind nunmehr auch englische, spanische und italienische Seesoldaten gelandet worden. In der französischen Kon zession wurden französische Eeesoldaten an Land ge setzt. Ferner sind IKOO amerikanische Teesoldaten mit Maschinengewehren gelandet worden. Im Norden der internationalen Niederlassung wuvd- ein gegen Mn- zu einem Zusammenstoß zwischen Polizei und Strei kenden. G chas zerstreuten hierauf die Menschenan sammlungen, die sich tn der Umgebung gebildet hatten. Die Ruhe wurde wieder hergcstellt, nachdem die Lage zeitweilig sehr bedrohlich erschien. Auch aus der Nan- kingstraße kam es zu Zusammenstößen. Heute wurden 1600 Mann japanische Seesoldaten gelandet. Sin französischer Vorposten wechselte einige Schüsse mit einer kleinen chinesischen Abteilung. Im Verlause de» Nachmittags gelang e», diese zu vertreiben Plünderung«« in Schanghai. London, 22. März. Reuter meldet au» Schang hai: Die Streikenden und ISO 000 Mann der Schan- tungstreitkräfte plündern die EHinesenstadt, wo ein« vollkommene Schreckensherrschast besteht. Räumung Nanking». Schanghai, 22. Mär». Reuter meldet: Die Räumung Nanking» durch di« ««»ländischen Frauen und Kinder hat heute bet Tagesanbruch begonnen. Di, Mtlltärkontrolle in Ungarn. , PariS, 21. März. Die Botschafterkonferknz hat heutr vormittag eine Sitzung abgrhalren, in der e sich, wie das amtliche Kommunique besagt, mit der Mtlttärlontroll, in Ungarn beschäftigte. Kein Volksbegehren zugunsten cier Meclerkerltellung cles Volksvermögens. Berlin, 21. März. Ter Retchsmintster de» In nern hat auf Beschluß der Reichsregierung den von der Reichsarbeitsgemeinschast der AufwertungSgeschädtgten gestellten Antrag auf Zulassung eine» Volksbegehren» zugunsten eines Gesetzes über die Wiederherstellung de» Volksvermögen» abgelehnt. ! j ' Dieser Gesetzentwurf steht die Wiederherstellung der vor dem 1. Januar 1924 begründeten vermögens rechtlichen Ansprüche auf Hypotheken, Schuldverschrei bungen privater Schuldner usw. vor und läßt die Wie derherstellung der Rechte der früheren Grundstücks eigentümer zu. Die wiederhergestellten Ansprüche kön nen zu vier Prozent verzinst werden, indessen-sollen die ZinSansprüche, soweit sie 21/4 Prozent jährlich überstei gen, bis zum Dezember 1936 nicht den Gläubigern, sondern einer „UeberlettungSstelle" zustehen. Diele Zinsbeträge sind von Schuldnern unmittelbar an die UeberlettungSstelle zu zahlen. Diese ist befugt, die Be träge im Verwaltungszwangsverfahren etnzutreiben. Tie Organisation der UeberlettungSstelle soll Vvm Reich»- justizmtntster durch Verordnung bestimmt werden. Der Gesetzentwurf regelt ferner die Verwendung der der Ueberleitungsstelle zufließenden Zinsbeträge. Diese sol len verwendet werden zu 60 Prozent zur Förderung de» Wohnungsbaues, zu 14 Prozent zur Entschädigung notleidender Gläubiger, zu wetteren 14 Prozent zur Gewährung von Beihtlsen an die Inhaber Notleiden der Haushaltungen, 10 Prozent zur Tilgung und ver- ztnsung der Retchsschuld, zu 2 Prozent zur Deckung der Berwaltungskosten der Ueberleitungsstelle. Tie der Ueberleitungsstelle zusließenden Zinsansprllche sind öffentliche Abgaben. Tie sollen zum überwiegenden Teile mittelbar und unmittelbar zur Erfüllung öffent licher Zwecke dienen. Hiernach sind die Leistungen an die UeberlettungSstelle Abgaben, die diesen Gesetzent wurf zu einem Abgabegesetz machen. Nach der Reichs verfassung kann über Abgabegesctze nur der Reichsprä sident einen Volksentscheid veranlassen. Damit ist auch ein Volksbegehren für Abgaben gesetze ausgeschlossen. Hiernach mußte der An trag der Reichsarbettsgemetnschaft au» Rechts- gründen abgewtesen werden. Unter der vorigen Regierung war e» Dr. Külz, der als Reichstnnenmintster ein Volksbegehren der Aus- wertler ablehnen mußte. Eine Flut von Schmutz.und Schmähungen haben seitdem die Auswertler gegen die Demokraten im allgemeinen und gegen Dr. Külz im besonderen ausgestoßen. Erinnert sei nur an die Vor gänge in Sachten, al» Külz der Nachfolger Dehne» werden sollte. — Nunmehr haben wir eine Regierung, in der vor allem die Bolkspartet und die Deutschnatto- nalen vertreten sind, und diese Regierung lehnt da» Volksbegehren ebenfalls ab Ein Beweis dafür, daß überall nur mit Wasser gekocht wird. de« -eutsch» ^«Kenhan-el. Berlin, 21. März. Der deutsche Außenhandel zeigt im reinen Warenverkehr im Februar 1927 gegen über Januar eine Erhöhung de» Einfuhrüberschuss«» um 44 auf 839 Millionen MM. Die Einfuhr ist um eine Million Reichsmark gestiegen, und di« Au-suhr um 48 Millionen RM. gesunken. Im einzelnen ist di« Einfuhr von Lebensmitteln um 27 Millionen RM. zu- rückgcgangen, hat dagegen bei Rohstoffen und Fertig waren um je 14 Millionen RM. »«genommen, vom Ausfuhrrückgang entfallen 8 Millionen RM. auf Le bensmittel, 1» Millionen RM. aus Nohstoff« und SS Millionen RM. auf Fertigwaren. El« politisch«« S«l«ihigung»proz»ß in Münchon. München, 21. März, vor dem Schwurgericht begann heute ein Prozeß gegen den G«schäft»sühr«r der kommunistischen ,,N«u«n Zeitung", Wilhelm Olschewski, wegen eine» beleidigenden Artikel» gegen den bayrischen Justizmtntster Gllrtner. «er Antrag der verteidiaung, di« Verhandlung zweck» Ladung von Zeugen au»zusetzen und ferner da» verfahren mit einem weite««« gegen Ol schewski wegen der in dem gleichen Artikel enthalten«« Beleidigungen de» Vberstaat»anwaltt «rau» schweben den verfahren zu vereinigen, wurde ivm Gericht uuf Antrag d«i StmttäanwaltD udßtlchtit.