Volltext Seite (XML)
Nr. 70 Donnerstag, äen 24. März 1927 22. Jahrgang Mer Tageblatt /mzelgtt für oas Erzgebirge ZMW- ^urrrzgebirge Enthalten- -le amtlichen Bekanntmachungen -es Nates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts ^lue. Pogschrck-Nonto: Fmt Leipzig Ur. 1»»» Erklärungen Stresemanns. Der Haushalt des Auswärtigen Amtes. - Deutschlund und Albanien. - Räumung des Rheinlandes. »>»« März- Bei Einbringung des Etats ^1»^?!!,?^°" Amtes nahm heute vormittag der Reichsminister des Auswärtigen Dr. Stresemann das Rede, in der er sich mit den Problemen ausw^/^'A beschäftigte, die im Nahmen unserer "^ärttgen Beziehungen liegen, aber mehr oder ive- Rückwirkungen auf die Fragen ausllben wnnen, .die uns direkt angchen. Netchsminister Dr Stresemann beschäftigte sich zunächst mit dem haushalt -es Mowärtigen fimteo. Dieser Haushalt, so erklärte der Minister, spielt Im Nah. Aen des gesamten Haushalts nnv eine sehr bescheidene Nolle. Im Vorjahr machte der Wesamtetat des Aus« Amtes 5>ü Millionen aus. Diesmal sind eü Millionen mehr. Festzustellen ist eine erfreuliche Verminderung der Einnahmen an Paßgebühreu um I Million. Ter Rückgang ist zurückzusühren auf die Ten. den- des Abbaues der Postgebühren. Es würde mich freuen, wenn ich Ihnen einmal einen Etat vorlegcn könnte, aus dem die Einnahmen aus den Postgebühren überhaupt verschwunden sind. Denn es ist eine der unerwünschtesten Erscheinungen, dast wir den Verkehr -wischen den einzelnen Ländern durch Postgebühren er. schweren, statt ihn zu fördern. (Beifall.) Der Minister befaßte sich sodann mit den alarmierenden Tr. Stresemann ging dann zu den einzelnen deut schen Fragen über und berührte die beiden Tagungen -es völkerbun-srates, an denen Deutschland seit der letzten außenpolitischen Erklärung teilgenvmnien hat. Er gab der Erwartung Ausdruck dast der loyale Verständigungöwille, .den wir gezeigt haben, auch von der Gegenseite in den großen Fragen bewiesen werden wird, deren Lösung noch vor uns liegt! Die baldige Räumung des NheinlandeS «ud die Rückgabe des Saargelüeteü an Deutschland. Der Minister riet, die wettere Entwicklung ohne Aus brüche der Ungeduld/ ubznwarten. Aber das Wort ./Abwarten!" ist nicht gleichzusehen mit passiver Ni- stguatton. Wir haben es nicht nötig, den guten Willen der Gegenseite durch Wiederholung gemachter Angebote oder neuer Anerbieten hervorzurufen. Denn es han delt sich um eine Konsequenz, die im Interesse aller beteiligten Länder tt.egt. Sie ist eine Forderung des gesamten deutschen Volkes. Der Minister schloß mit der Bitte um das Wertratten, der Regierung die Ent scheidung darüber z^ überlassen, welche Schritte nach dem wetteren Verlaus der Dingo zu tun sind. Die berliner preffe zur außenpolitischen Reichstagsöebatte. Berlin, 23. März. Die „Deutsche Tageszeitung" faßt das Ergebnis der gestrigen außenpolitischen Aus- spräche im Reichstag in die Worte zusammen: Außen- Minister und Parteien waren sich ebenso einig darüber, daß Deutschland ein großes Interesse an der Erhaltung des Friedens habe, wie daß ein Hervortreten bet der für uns natürlichen Reserve dennoch untunlich und ge fährlich sei. Tie „Deutsche Allgemeine Zeitung" nennt die Ausführungen Dr. Stresemanns ein unzweideutiges FrtedenSbeckenntnis und eine Absage an alle etwaigen Versuche, uns in das eine oder das andere Lager hin« überzuztehcn. In der „Täglichen Rundschau" heißt e»r Die außenpolitische Aussprache im Reichstage kann jetzt mit der wichtigen Front — nämlich nach außen — vor sich gehen. Sie ist nicht mehr ein große» tnnerpoltti- sches Ereignis, sondern sie ist eine parlamentarisch« Aktion, die sich nach außenpolitischen Gesichtspunkten richtet. Tie „Germania" sagt: Ganz allmählich rücken wir doch in eine den anderen Mächten gleichberechtigte Stellung ans. Ebenso wie der „Lokalanzeiger" verlangt auch das „Berliner Tageblatt" eine wettere Aufklärung über Genf. Tie „Vossische Zeitung" betont, die Aner kennung der außenpolitischen Grundsätze hat sich kräf tig durch gesetzt. T er „Vorwärts" unterstreicht den Satz Stresemanns: „ES ist für un» eine glückliche Tatsache, daß das wohlverstandene gesamteuropäische Interesse mit dem individuellen Interesse Deutschlands sich völlig deckt. Melöungen über Albanien. Soweit sjch die Dinge bisher von Deutschland aus übersehen lassen, fuhr er fort, glaube ich nicht, daß irgendwelche akute Gefahr besteht. Deutschland hat nur ein großes Interesse, daß die Bemühungen um die Her beiführung einer internationalen Zusammenarbeit am Wiederaufbau Europas nicht gestört werden. Wir kön nen nichts dabet gewinnen, dast Verwickelungen zwi- schen dritten Staaten entstehen. Für Deutschland kommt eine Politik der Sonderbündnisse nicht in Betracht, son dern nur eine Politik, die den Gedanken der Verständi gung und des Ausgleiches widerstreitender Interessen fördert. Unser Weg ist gekennzeichnet durch die Verträge von Locarno, den Eintritt in den Völkerbund und den Berliner Vertrag. Damit liegen unsere Absichten offen vor aller Welt zutage. Daß wir uns in dieser Situa tion von jeder unnötigen Einmischung fernzuhaltcn ha ben, versteht sich von selbst. Der Minister erklärte dann, daß die deutschen Botschafter im Auslände nur den Auftrag haben, sich zu orientieren. Auch in der Reichs hauptstadt sind Besuche der Vertreter großer Mächte im Auswärtigen Amt au» diesem Anlaß erfolgt. Der Minister beschäftigte sich dann mit der Anfrage einzel ner russischer Zeitungen, ob Deutschland bei Verwicke lungen in östlichen Ländern den Truppen von westlichen Mächten den Durchmarsch durch deutsches Gebiet zu ge statten habe. Für diese Frage kommt ausschließlich der Artikel 10 der Völkerbundsatzung in Betracht und zwar nach Maßgabe der bekannten Note. Weitere Abmachun gen irgendwelcher Art bestehen nicht. Oer SteuerauslekulZ cles Reichs tages bebt clie Gemeincie- getränlrelteuer auf. Berlin, 22. März. Nach den Beschlüssen des Steuerausschusses des Reichstage« ist die Gemeinde« getränkesteuer vom 1. April d. I. ab aufgehoben. Es bleibt die Btersteuer, die nicht mehr als 7 Prozent de» Herstellerpretse» betragen darf. Kabln-ttsrat über -ao ^kbeltozeitnotgefeh. Berlin, 22. März Heute vormittag fand eine kurze KabinettSsttzung statt, auf deren Programm in erster Linie eine Besprechung über da» Arbettszeitnot- gesetz stand. E-n 1-7 und für die Lohngruppe 8 7S Prozent der Lohngruppe 7, eine Verkürzung der Arbeitszeit auf acht Stunden täglich und »war ohne Einbuße an Lohn. I Vie Zorüerungen -er Eisenbahner. Berlin, 22. März. Die Tarifgemetnschaft der Eisenbahner hat ihre formulierten Forderungen der Hauptverwaltung der RetchSbahngesellschaft überreicht- Tie Eisenbahner-Gewerk chaften verlangen neben einer Lohnerhöhung von 6 P g- Pro Stunde für die Lohn- Nanking gefallen. Wüste Plünderungsszenen in Schanghai. London, 22. März. Nach englischen Agentur meldungen haben die Nordtruppcn Nanking geräumt, die dort operierende Armee der Kantonregierung hat die Stadt ohne Kantpf eingenommen. Nach einer Neiatermeldung aus Schanghai spielen sich im Stadtgebiet Tschapez wilde Tumulte ab. Tie Kantonrcgierung kämpft dort gegen Streikende und Schantungtruppen, die Von ihren Offizieren im Stick gelassen worden sind. Der in diesem Bezirk gelegene Nordbahnhof und 3 00 umliegende Gebäude stehen in Flammen. Es spiel.'n sich dort Orgien des Mordens und Plünderns ab. Gin englischer Kreuzer wurde von Chinesen beschossen un d erwiderte in einem kurzen Feuer gefecht. Abteilungen von Schantungtruppen haben wiederholt schwache Mellen der englischen Verteidi gungslinien im Nietn rlassungSgebict durchbrochen. Sie wurden aber jedesmal entwaffnet und aus der Fremden niederlassung entfernt. In Hankau sind alle Banken wegen de» Angestell- tsnstrcikö geschlossen. S Die Chinesenstadt von Schanghai bietet heute das Bild, das mau in Deutschland aus den Tagen der^Spar- Tte Verhandlungen übor die Forderungen dürsten laut „Vorwärts" Ende diesur Woche beginnen. Oer Mcirlenbn.Ser Etreit been-et. Prag, 22. März. Heute wird bekannt gegeben, daß da» Staatliche Bvd,enamt die Kündigung für das Brunuenversandhaus, daö Zentralbad, die Goldene Kugel, das Lepler Haut-, da» Neubad und das Talzusud- werk zurückgezogen hat. Dieser Schritt de» Staatlichen Bvdenamlss schließt zwar eine neuerliche Beschlagnahme nicht aus, zeigt aber, daß e» den deutschen Negierung». Parteien gelungen ist, in der Marienbader Frage zugun sten des.Stifte» Tepl etn-ugretfen. Prügelei zwlschen Faschisten un- Antifaschisten in Neupork^ Part», 22. März. „Ncuyork Herald" meldet au» NetWork, daß sich im Anschluß an eine faschistische Ver- sammlung, die sich mit der Organisierung de» Empfange» de» italienischen Flieger» de Pinedo in Neuhork be faßte, zwischen den Letlnehmern und antifaschistischen Elementen eine StreUtgkett entwickelt habe, bet der elf Personen, darunter zwei Polizisten, verletzt wurden. Elf Italiener wurden festgenommen. Bei einem der verhafteten wurde «in» Bomb« beschlagnahmt. takusunruhen noch in Erinnerung hat. Ueberall rote Fahnen, kommunistische Proklamationen an den Mauern, Barrikaden, hin und her eilende Truppen und Poltzei- mannfchafien, VerwundctentranSporte, eine aufgeregte Menschenmenge und von Zett zu Zeit irgendwo da» Knattern von Gewehrfeuer. Die Einnahme der Stadt vollzog sich fast kampflos, da die reguläre Nordarmee keinerlei planmäßigen Widerstand leistete. ts London, 23. März. „Times" meldet au» Schang hai vom 22. März: Tie Schießerei in den chinesischen Stadtvierteln hat aufgehört. Aber e» sind noch zahl reiche Brände zu beobachten. Das Hauptquartier der Südtruppen erklärte heute, eine Meldung aus Hankau erhalten zu haben, wonach Außenminister Tschen und die Mitglieder der Negierung und de» politischen Büros nach Schanghai unterwegs sind. Eine offizielle britische Meldung über die heutigen Ereignisse besagt u. a.: Ungefähr 10 000 Mann Nord truppen wurden nachmitiag» von 3000 Kantonesen überrumpelt. Tie Nordsoldaten flüchteten aus di» Grenze der internatwnalen Niederlassung zu, die an dieser Stelle von einem Dutzend britischer Infante risten beseht war. Die Nordtruppen drangen in di« Niederlassung ein und feuerten von hinten auf die bri tischen Soldaten und auf die anrückenden Kantonesen. Daraufhin antworteten die britischen Soldaten mit Ge wehr- und Maschinengcwehrfeuer, bis die Eindringlinge die Waffen streckten. Der Nest der Nordtruppen, unge fähr 1200 Mann, flüchteten in den von Japanern ge haltenen Stadtteil. Sie wurden interniert. London, 23. März. Der Berichterstatter der „Westminster Gazette" in Schanghai meldet, 1>te 3b russischen Weißgardisten, die die Besatzung de« Panzer zuge» „Große Mauer" bildeten, haben sich nach erbit terten Widerstand ergeben. Ueber ihr Schicksal wird von dem provisorischen Zentralkomitee entschieden wer den. Amerika un- -ls Sesehung Schanghai». Washington, 22. März. In den Negierungs kreisen enthält man sich jeder Stellungnahme über die Besetzung Schanghai» durch die Nationalisten. Seitens des Martneamtes wurde jedoch hervorgehoben, daß ge genwärtig nicht die Notwendigkeit zu ersehen fei, Ver stärkungen nach Schanghai ab-usenden. Piraten kn den chinest'chen Bewässern. Hongkong, 23. März. Der Dampfer der Indochine sischen Schiffahrtsgesellschaft ist auf der Fahrt von Schanghai nach Hongkong von Piraten überfallen worden. Lat Schiff wurde nach der Vias Bai -»bracht.