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-luer Tageblatt Freitag, äen 21. Oktober 1S27 22. Jahrgang EM Mzeiger Mr -as ikrzgebirge MZW «° Ellch.» S.k°-»W°ch-.g«> n-tt, »« «-». u°s Ar. 247 Zweite Lesung de;; Reichsschulgesctzes. Das Arbcitsprogramm des Reichstages. Nerltn, 20. Ott. Um Reichstage hielten heute Vormittag mehrere Ausschüsse, nämlich der Nudels politische, der Siedlung«, und der Femeausschuß, Sit zungen ab. Auch! der Aeltestenrat des Reichstages trat bereits um 11 Uhr zusammen. Die Handelsabkommen mit Frankreich, Japan und dis Vereinbarung mit Norwegen fanden die Zustimmung de- handelspolitischen Ausschusses. Verschiedene Fraktionen, nämlich, die Sozialdemo kraten, .die Deutschnationalen, die Deutsche Volkspart-i und die Demokraten, hatten mittags FraMonssitzungsn etnberufen, während die Wirtschastspartei nach d-r Plenarsitzung zusammentreten will. Auf der Tagesordnung der Vollsitzung des Reichs tages, die heute wieder um 13 Wr beginnt, steht als erster Punkt die Fortsetzung der Debatte über das Schulgesetz. Es steht noch der größte Teil der zweiten Rednergarnitur aus und es ist noch fraglich, ob die weiteren Punkte der Tagesordnung sämtlich erledigt werden. Unter ihnen befinden sich! die Handelsverträge mit Frankreichs und Japan, ferner aber auch die Besob- dungSneuregelung und die GebührenevhöhUng. §cbulze(Dml.) eröffnet clie Debatte Berlin, 20. Okt. Um 13 Uhr wurde die Reichs tagssitzung eröffnet. Ohne Aussprach,o werden zunächst in allen drei Lesungen angenommen: der Gesetzentwurf über den deutsch,französischen Rechtsverkehr- der Ge setzentwurf über den deutsche-japanischen Handels- und Schiffahrtsverkchr, die Vereinbarung über norwegische Fischkonserven und das deutsch-polnische Abkommen über den Warth e^Grenzverkehr. Das Handelsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich wird vorläufig von der Tages irdnung abgesetzt. Hierauf wird die erste Beratung des Reichsschub- gesetzcs fortgesetzt. Abg. Schulze-Frankfurt (Dntl.) verweist auf die größere Mannigfaltigkeit der Schulfor- meu in dem Entwurf, wodurch, der Grundsatz der Ge wissensfreiheit klar zum Ausdruck komme. Der Ent wurf geben jedem das Seine und nicht etwa jedem das Gleiche, wie es die Gegner fordern. Erziehungs schulen, nicht Lebensschulen, müsse man schaffen. Er ziehungsschulen müßten aber aus einer gemeinsamen Weltanschauung gegründet sein. Die Wiederkehr der geistlichen Schulaufsicht werde auch! von den Deutsch nationalen abgelehnt, als solche könne aber auch die in dem Entwurf vorgesehene Einsichtnahme in den Religionsunterricht bezeichnet werden. Gerade in den weltlichen Schulen würde man erfahren, daß totes Wissen nie den lebendigen Glauben ersetzen könne. Der Redner wendet sich! gegen die Stellungnahme des deut schen Lehrervereins, den angeblich 150 000 deutschen Lehrern ständen 450 000 christliche Eltern gegenüber, die eine christliche Schule fordern. Der Lehrerveretn arbeite heute mit denselben Schlagworten, die er 1905 gegen das preußische Schulunterhaltungsgesetz aus streute. Zu einer allgemein anerkannten Einheitsschule, so erklärte der Redner zum Schluß^ werden wir nie kommen. Deshalb wollen wir den drei Schulformen Gelegenheit geben, im friedlichen Wettbewerb.neben einander ihren Wert zu erweisen. beginn cler Scblicbtungsverbanä- lungen im braunkobienstreik. Berlin, 20. Okt. Wie mitgetetlt wird, begannen heute vormittag um 11 Uhr iM Reich Sarbeitsmi- nistertum die Einigung«, und Schlichtungsverhandlun gen zwisch en den Arbeitgebern und ^G ewerksch aften im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau. In unterrichteten Kreisen rechnet man damit, daß Pta Verhandlungen längere Zeit in Anspruch! nehmen werden. Vk Lage km Nk-erlausttzer Sraunkohkenrevker. Senftenberg, 20. Ott. Die Zahl der Arbeits willigen geht von Tag zu Tag zurück. Die Gruben Eva-Renate und Ilse konnten Von neuem in Betrieb gesetzt werden, ebenso zum Teil die Grube Weidmanns heil der Niederlausitzer Kohlenwerke. Auch die Grube Ada bei Lüllingen ist neuerdings zu einem kleinen Teil wieder in Gang gekommen. In der Gegend von Wel zaw ist auf den Gruben der Eintracht seit gestern eine Verschlechterung der Lage durch, stärkste Belästigung Ar beitswilliger zu verzeichnen, so daß, auch hier Schutz? Polizei angefordert werden mußte. Bis heute arbeiten noch! drei Werke der Eintracht, sowie da» Kauscherwerk. Zum Schutz der Arbeitswilligen sind wettere zwei Be legschaften Schutzpolizei im Niederlausitzer Revier be reit gestellt worden. Die Befehlsgewalt ist dem Leiter der Kottbuser Schutzpolizei übertragen worden. Stillegungen kn -er Hallesche« In-ustrie. Bersin, 10. Okt. Der mitteldeutsche Bergarbet- terstreik wirkt sich heute schon in der Halleschen Indu strie au». Die Ammendorfer Papierfabrth-A.-G. sowie die Grollwitzer AMenpapterfabrtk haben nach! einer Mel dung de» „Berliner Tageblattes" ihren Betrieb wegen Kohlenmangel» erheblich einschränken müssen. Die Zuckerraffinerie Halle, A.-G., die diese Woche ihre Kam- vagne eröffnen wollte, hat davon abschen müssen. Die konsolidierten Alkaktwerke Westeregeln haben gleichfall» ihren Betrieb stillegen müssen. stus -em sächsischen Stretkgeblet, Dresden, 19. Okt. Heute fand im sächsischen Wirtschaftsmtntstertum eine Verhandlung mit Vertre tern der Leitung de- Braunkohlenbergarbetterstreiks statt, die die Forderung erhoben, e- müsse die Tech nische Nothilfe und die zu ihrem Schutze eingesetzte Nchecheitrvottzei au» den Betrieben der Sächsischen Vene in Böhlen und Hirschfolde zurückgezogen werden, Da di« Aertreie« der Streikleitung erklärten, daß sie nur bereit seien, al» Notstandsartzeiten die Versorgung der »nfserwerk«, OrsErchSuler und ähnlicher An stalten mit Strom zuzulassen, die Stromversorgung für gewerbliche und landwirtschaftliche Betriebe sowie für Straßenbahnen ^.aber ausdrücklich! ablehnten und auch dis Stromversorgung der Haushaltungen nicht im er forderlichen Umfange sicherstellen wollten, war der Wirtschaftsminister nicht in der Lage, die Technische Nothilse, die nur für die Aufrechterhaltung des Be triebes in den «elektrischen Kraftwerken eingesetzt ist, zurückzuziehen, da er nach! der Verordnung des Reichs präsidenten vom 10. November 1920 verpflichtet sei. Stromversorgung der Bevölkerung, falls sie ganz oder teilweise bedroht ist, sicherzustellen. vk außerkarlflkchen Zor-erungan -er öergarbekter km Ruhrgebiet. Essen, 19. Ott. Die Bergarbeiterverbände hat ten den Zechenverband schriftlich um Verhandlungen über eine außertarifliche Lohnerhöhung ersucht. Der Zechenverband bedauert in seiner Antwort, dem Ersuchen nicht entsprechen zu können, da er eine grundlegende Aenderung der Verhältnisse nicht anzuerkennen vermöge. Im übrigen habe sich! die wirtschaftliche Lage des Ruhr- bergbaueS in den letzten Monaten derart verschlechtert, daß sie vielmehr Verhandlungen über eine Lohnherab setzung als über eine.Lohnerhöhung bedingen würde. Beratung über Auslanäsanleiben. Berlin, 20. Ott. Die Verhandlungen der Fi- nanzmtntsterkonferenz über die Beratungsstelle für Ausländsanleihen, die gestern abend vertagt wurden, sind heute vormittag um 11 Wr im Reichsfinanzmtnt- sterium fortgesetzt worden. Man hofft, daß sie heute zum Abschluß gebracht werden können. Ver Kelchskanzlerbefuch kn Men. Berlin, 20. Okt. In einem Interview einer Berliner Persönlichkeit mit dem Berliner Vertreter der „Wiener Neuen Freien Presse" wird betont, daß der be vorstehende Besuch de» deutschen Reichskanzler» in Wien mit dem Anschlußgedanken nicht da» mindestes tun hat und keineswegs al» eine Kundgebung für den Anschluß aufzufassen ist. painlevL will aus -er Partei austrete«. Part», 20. Ott. Um einen Streit ,tn der Hospt- tantenfrage innerhalb -er französischen soztalrepubli- kanischen Partei Watnleve-Briand) ein Ende zu ma chen, wollen die meisten Mitglieder der Kammerfra* tton, darvnt«* Painlsm. <m» -er Partei au-schetden. Startwetter ans clen Azoren. Horta lfizoren), 20. Oktober, wie -er VL0- Herichterstatter erfährt, bestehen infolge -es heute früh ekngetretenen schönen Wetters für einen Start heute Nacht gute Aussichten. Es herrscht Nor-wkn-. Die letzte Zcblackt cler ZegelkloNen. Der Tag von Navarino l20. Oktober 1827). Von A. Iwars-Wien. Bor hundert Jahren begeisterte der griechisch« Freiheits kampf Europas Kulturwelt. Das Philhellenentum stand in Blüte. Griechenlieder wurden gedichtet, und Lord Byron, ein neuer Kreuzfahrer, zog aus, Hellas Stätten befreien zu Hel- fen. Indessen tobte der Kampf in barbarischer Wildheit. Die Türken metzelten die Bevölkerung eroberter Gebiete nieder, bei den Griechen waren abgeschntttene Türkenköpfe ein ge schätzter Ztmmerschmuck. Die Lohe Pforte hatte, um tx griechischen Aufstandes Herr zu werden, den Bizekönig von Aegypten, Mehmed Alt, zu Hilfe gerufen, der seinen Schwie gersohn, Ibrahim Pascha, mit starker Armee und Flotte nach Griechenland sandte. Missolunghi wurde zerstört, Chios er obert, der Peloponnes verheert. Unter dem Drucke der öffentlichen Meinung machten die Regierungen der drei arte- chischen Schutzmächte, Rußland, Frankreich und England, der Türkei den Vorschlag, Griechenland eine autonome Verwal tung unter türkischer Oberhoheit zu gewähren. Um dem Vor schlag Nachdruck zu verleihen, erhielten die Mtttelmeerge- schwader der drei Mächte den Befehl, die im Hafen von Nava rino liegende türkisch-ägyptische Flotte, die 82 Schiffe zählt, am Auslaufen zu hindern. Da die Türket den Vorschlag ab lehnte, wollte der Kapudan-Bet, trotz der Blokade durch die verbündete Flotte, die unter dem Befehl des rangältesten Flaggenoffiziers, des englischen Vizeadmirals Codrington stand, den Hafen verlassen. In der Bucht von Navarino kan es am 20. Oktober 1827 zu einer Seeschlacht, in der die ver bündete Flotte, die nur 26 Schiffe stark war, die türkisch- ägyptische Flotte vernichtend schlug. Die Türken verloren 55 Schiffe und 6000 Mann Besatzung. Europa jubelte bet der Nachricht von dieser schweren Niederlage der türkischen Seemacht, die Griechenlands Geschick entschied. Ibrahim Pascha mußte abziehen, die Türket ihre Absicht, das aufstän dische Griechenland zu unterwerfen, aufgeben. Me Selbstän digkeit Griechenlands zog die der übrigen christlichen Ballan völker nach sich, die bald den Brandherd der europäischen Politik bildeten. Doch nicht bloß wegen ihrer politischen Folgen ist die Schlacht Lei Navarino bemerkenswert. Sie ist auch deshalb merkwürdig, weil sie die lebte Schlacht der bis dahin die Meers beherrschenden Segelflotten war. Kaum hundert Jahre, liegen zwischen dem Tag von Navarino, den noch die hochbor digen, kanonengespickten hölzernen Linienschiffe entschieden, und den modernen stählernen, schwer gepanzerten Ueberdread- nougths. Vieler Jahrhunderte hatte es bedurft, bis das Segelschiff zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts die tech nische Höhe erreichte, die weitere Verbesserungen nicht mehr zuließ. In seiner begrenzten Manövrierfähigkeit vom Winde abängia. war das hölzerne Linienschiff trotz seiner 130 Ka nonen keine besonders gefährliche Kampfwaffe. Die eisernen Vollgeschosse der Breitseiten brachten selten den Kampf zur Entscheidung, die fast immer in Entergesecht Mann gegen Mann gesucht werden mußte. Die kämpfenden Schiffe sandten sich auf eine Entfernung von höchstens zehn bis fünfzehn Schritten die vollen Lagen ihrer Breitseiten zu, und steckten in einem undurchsichtigen Gewölk von Pulverdampf. Da der Durchmesser der runden Vollgeschosse etwas geringer war als der der Rohrseele des Geschützes, wurde nach dem Hinein, stoßen des Geschosses in das Rohr auf die Kugel eine Dorlar, von geteerten Tauringen gesetzt. Beim Schüsse zerriß die Vorlage, fing Feuer und fuhr brennend in die Takelage oder die Segel des feindlichen Schiffes, die lofort in Flammen standen. Wurde der Brand nicht rechtzeitig bemerkt und ge löscht, war meistens das Schiff verloren. Auch bet Navarino hat mehr das Feuer als die feindliche Geschütztwtrkung die Zerstörung der türkischen Flotte bewirkt. Als Codrington das Schlachtsignal aufsteckte, stand die "-rbündete Flotte luvwärts vor den in langer Linie au» dem Hafen brechenden türkischen Schiffen, drang durch die Zwi schenräume der türkischen Linie und griff ihre Schiffe leewärts einzeln an. Die überlegene Feuerdiszipltn, die geschickter« Taktik, der bessere Zustand der Schiffe und die vollkommener« Ausbildung der Mannschaften und Offizier« gestatteten der verbündeten Flotte, die türkische Vorhut kampfunfähia zu machen, ehe die Nachhut heran kommen und in das Gefecht einareifen konnte. Es war dies die typische Kampfesmethode der Segelflotten, die auch in den Schlachten bei Abukir und Trafalgar Anwendung gefunden hatte. Navarino war der Abschluß. Seither ist kein« Seeschlacht mehr mit Segelschiffen geschlagen worden. Schon durchfurchten Dampfschiffe den Atlantischen Ozcan und wurden bald darauf in die Kriegs- marinen eingestellt. Schon donnerten die von wneral Vai- schon» erfundenen Bombenkanonen aus den Schießplätzen, um die Wirkung der explodierenden Lohlaescholst zu erproben, deren Einführung Li» PmWvuna der Schiffe k-tnate.