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Donnerstag» äen 2. August 192S /luer Tageblatt MMger ftir oas <krAgev»rge ^MZU L»l»sramm»: «agedla« ftoe«M»v»« Enthalten- -le amtlichen Sekanatmachnagen -es Nates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts fine. postw«<r.s»nt»r statt Lckpzis o,. leer Nr. 179 Donnerstag» äen 2. August 192S 23. Jahrgang Furchtbare Eisenbahnlataftrophe — wieder in Bayern Vis jetzt 16 lot« AUg-vurg, !S1. Jull. In Dinkelscherben kN Bayern ereignete sich amt Dienstag nachmittag 8.45 Uhr ein schweres Eisenbahnunglück. Der beschleunigte t Persvnenzug 911 (Saarbrücken—Ktuttgart-MM—AugS- ! bürg—München) fuhr in der Station Dinkelscherben auf den DurchgangSgüterzUg.7535 auf. HtlfSzüge wurden aus Augsburg und Neu-Ulm angefordert und sofort abgesandt. Eine zweite Meldung besagt: Das Unglück ist größer, als zuerst angenommen. Der beschleunigte Per sonenzug fuhr auf den in der Station stehenden Durch- gangSgüterzug mit voller Wucht auf, und zwar infolge falscher Weichenstellung. Mehrere Wagen wur den wie Zündholzschachteln geknickt. Die Folgen des Aufpralls waren furchtbar. ES wurden 12 Tote. 16 Schwerverletzt« und 35 Leichtverletzte festgestellt. Augsburg, 31. Juli. Nach Mitteilung der ReichSbahndtrektion Augsburg hat sich! die Zahl der Toten bet dem Dinkelscherbener Eisenbahnunglück auf 16 erhöht, da von den Schwerverletzten wettere vier ihren Verletzungen bereit- erlegen sind. Zwei wettere Schwerverletzt« schweben in Lebensgefahr. -in öer Unglücksstelle Augsburg, 31. Juli. Ueber den Hergang deS Unglücks wird folgendes mitgeteilt: Der Zug war be reit- von Dlm aus, ÄesonderS aber von Stuttgart sehr stark mit Fertenreisenden, die zum großen Teil Frauen und Kinder bet ssch hatten, besetzt, besonders die Magen vierter Klasse. Nach der Haltestelle Neuofsin- gen fuhr der Zug in ungefähr 70 Kilometer Geschwin digkeit. Bei dem Zusammenstoß wurden die Reisen den durcheinander geworfen, und der Zug kant augen blicklich zum Stillstand. Die Reisenden wurden zum ! Teil Mischen Gepäckstücken und zersplitterten Holztei- , len eingeklemmt. Die Lokomotive hatte sich auf die , rechte Sette übergelegt, während der Tender etwas auf- ! gerichtet stützen blieb. Die letzten Güterwagen bildeten , mit der Lokomotive einen Trümmerhaufen, in welchem i das Feuer der Lokomotive brannte, aber binnen kur- zem von der Feuerwehr gelöscht werden konnte. Der größte Teil der Reisenden blieb auf den Bahnhofsgleisen j! beim Zug und Half den Leichtverletzten. Die Schiwer- > verletzten wurden alsbald in den Gasthof hinüberge- j tragen, wo in kurzer Zeit mehrere Aerzte tätig waren. ! In der Umgebung des Bahnhofes spielten sich herzzer- k reißend« Szenen ab. Die aus den Trümmern Hervor- ! geholten Toten wiesen furchtbare Verstümmelungen auf. ! einem fünfjährigen Mädchen war der Kopf abgerissen. . Dis Leichen wurden vorläufig in der Güterhalle auf- j gebahrt und mit Tüchern zugedeckt. Außer dem RetchSbajhnprLsidenten List von der ReichSbohndirektion Augsburg waren noch! eingetroffen RegierungSdirektor Dorn von Augsburg, der Siche- rungSdezernent, ReichSbaHndtrektor Hellenthal von der Gruppenverwaltung Bayern-München, ferner der Chef der Landespvlizet von Augsburg und der Staatsanwalt schaft von Augsburg. des erste Sertcht -er Rekchsbahn-lrektkon. MugSVurg, 31. Juli. Die ReichSbahndirektton Augsburg hat um 21.20 Uhr folgenden amtlichen Be richt über da- Eisenbahnunglück bei Dinkelscherben herausgegeben: Der aus der Pfalz boMmende Personenzug 911 ist heute nachmittag 16 Uhr bet der Einfahrt in die Station Dinkelscherben infolge falscher Wei chenstellung auf den dort zur Ueberholung sichen den Durchgangsgüterzug,7585 aufgestoßen. Bei dem Güterzug sind die drei letzten Wagen entgleist und zer stört. Bei dem Personenzug ist die Lokomotive mit Tender entgleist, ebenso der nachfolgende Eilgutwagen. Dis folgenden sieben Personenwagen entgleisten eben falls. Einer von.diesen wurde zerquetscht, einer ge knickt. Getütet wurden zehn Personen, schwer ver letzt etwa IS, weniger schwer verletzt zwölf Personen, außerdem wurden 28 Personen leichter verletzt, die ihre Reis« fortsetzen konnten. Bon den Schwerverletz ten wurden zwölf mit Rettungswagen nach Augsburg gebracht. Bon diesen sind zwei auf dem Transport ihren Verletzungen erlegen. Dis weniger schwer Ber- letzten wurden in Sanitätsautos nach den Krankenhäu sern in Zusmarshausen und AugDburg gebracht. Der erste HtlfSzug wurde von der Station Augs burg um 16,05 Uhr angefordert, fuhr um 16.24 Uhr ab und traf 16.50 Uhr auf der Unfallstelle ein. In diesem befand sich -er Präsident der «eichöbahndtrek- tton, der BetrtebSdezernent, der Sicherungsdezernent, der maschtnentechnische Dezernent sowie der Vorstand des Betriebsamtes, des Maschinenamtes und der stell vertretend« Borstand deS BauamteS. Die erste Hilfe war in der Zwischenzeit von Aerzten aus Dinkelscher ben und ZuSmarShaufen sowie von Krankenschwestern des Krankenhauses ZuSmarShaufen geleistet worden. Kurze Zett später traf die SanitätSwlonne mit drei Aerzten, zwei Kraftwagen und Sanitätspersonal an der Unfallstelle ein. Gin weiterer HilfSzug fuhr um 17 Uhr von Augsburg ab und traf um 17.46 Uhr in Dinkelscherben ein. Ebenso kaM um 18 Uhr ein wei terer HtlfSzug aus Ulm an der Unfallstelle an. Der Zugverkehr war zuletzt gesperrt, konnte dann aber ein gleisig weitergeführt werden. Der D-Zug 59 wurde über Neu-Offingen—Donauwörth umtzeleitet. Der un beschädigt gebliebene Teil des Personenzuges 911 wurde um .18.46 Uhr nach Augsburg wettergeführt. Pou dort aus setzten die Reisenden die Fahrt mit einem Grsatzzug fort. D 60 erlitt ein« Verspätung von etwa 45 Minuten. Vie Ursache. MugSVurg, 81. Juli. Ueber die llrsach« deS Eisenbahnunglücks aus der Station Dinkelscherben wird von der Reichsbaihndirektion Augsburg mitgeteilt: GS steht zweifelsfrei fest, daß der Personenzug 911 infolge falscher Weichenstellung anstatt in das dritte Gleis in da- vom Güterzug besetzte vierte Gleis einfuhr. Die falsche Weichenstellung hängt zusammen mit den derzeitigen Umbauten deS Stellwerkes auf der Westseite des Bahnhofs Dinkelscherben. Zur Wahrung der Si cherung während des Uinbaues wurde dort ein BehslfS- stellwerk ausgestellt, durch Pas die erforderlichen Ab hängigkeiten zwischen Weichen und Signalen hergestellt werden. Dies« Abhängigkeiten zeigten insofern eine Lücke, als das Signal für die Einfahrt in GleiS Ul aufgezogen werden konnte, wenn die Eingangsweiche auf Gleis IV gestellt war. Diese Lücke trat weder bei der Abnahmeprüfung noch im bisherigen Betriebe des Behelfswerkes zutage. GS hat sich erst jetzt bei dey nachträglich gemachten Versuchen am Stellwerk gezeigt, daß dieser Mangel nur bei einer ganz bestimmten, zu fällig sich ergebenden Stellung der Verschlußelemente zueinander auftreten konnte. Die RsichSbaMdirektion Augsburg Hatte jedoch neben der mechanischen Siche rung- die dem Behelfswerk dienen sollte, zur weiteren Sicherung noch ein besonderes Meldeverfahren ange- ordnet. Demzufolge Hatte der StellwerkSwärter bet je der Durchfahrt die richtige Stellung der Weichen zu prüfen und den Vollzug der Prüfungen und die rich tige Stellung der Weichen dem Fahrdienstleiter in einer dem Wortlaut nach genau festgelegten Meldung anzu zeigen. Zur wetteren Sicherung werden die Meldun gen sowohl vom Fahrdienstleiter wie vom Stellwerks wärter in Meldebüchern,'estgehalten. Bei dem. verun glückten Zug 911 Hat der StellwerkSwärter insofern eine falsch« Meldung erstattet, als er die Fahrstraße für diesen Zug in Gleis III hergestellt Meldete, obwohl sie noch vom vorauSgchenden Durchgangsgüterzug auf daS Gleis /V eingestellt war. Diese falsche Meldung ist als erste Ursache des Unglück- anzusehen, das aber nur dadurch .eintreten konnte, daß gleichzeitig auch der vorher erwähnt« Mangel an den mechanischen Ab hängigkeiten gerade bet der Bereitstellung dieser Fahr straße sich -um ersten Male zeigte. Der Stellwerks wärter ist seine» Dienste« enthoben worden. Zu dem neuen Eisenbahnunglück in Bayern be- richten die Blätter: Infolge de» gegenwärtigen Um baue» der Strecke für den elektrischen Betrieb werden die Weichen zurzeit provisorisch Mit der Hand bedient. Der diensttuende Weichenwärter gibt an, dis Weich« vor» schrtftSmäßig gestellt zu Haben, diese habe aber augen scheinlich nicht funktioniert. Al» der Lokomotivführer die Katastrophe nahen sah, soll er nach Möglichkeit gebremst Haben, wa» aus dem starken Schwarten der letzten Wagen des Unglückszuge» geschlossen werden kann. Der Anprall erfolgt« trotzdem Mit ungeheu rer Wucht. Die letzten Wagen des Güterzuge» wur den vollkommen zertrümmert und die FrachtsMcke um- Hergestreut. Die Lokomotive de» Personenzuges stürzte um und kam auf einen au» dem GleiS gesprungenen Wagen einer Münchener Brauerei zu liegen. Der Lo komotivführer kam vollkommen heil davon, während der Hetzer verletzt wurde. Bor der Lokomotive türmen sich nun die Trümmer von Güterwagen bizarr auf. Die unmittelbar hinter b«r Lokomotive befindlichen mo dernen P«rson«mvag«n blieben vollkommen unbeschä digt. Vs wurden bei ihnen nicht einmal di« Fenster scheiben zertrümmert. Die Personenwagen 4. Klaffe älterer Bauart jedoch, die in der Mitte des Zuge» wa ren, bilden «in unentwirrbare» Chaos, einen wüsten Trümmerhaufen. Die Schlußwägen de» Personenzug« sind weniger stark mitgenommen. Unter den Insassen der zerstörten Wagen befinden sich viele Turner «rü dem Bezirk MieSbach, di« vom deutschen Turnfest in Köln zurückkchrten. Di« Staatsanwaltschaft hat «in« eingehende Untersuchung über da» Unglück eingeleitel und an Ort und Stelle Erhebungen angestellt. Maßnahmen dr. Vorpmüllers. Berlin, 31. Juli. Der Generaldirektor der Deutschen ReichSbahngeseNschaft hat sofort nach Bekannt werden diese» neuen Unfalles in Bayern, um volle Klarheit über di« Gründ« de» Unfalles zu schaffen, zu sammen mit dem Reich SverkeHrSminister eine Kom mission an die Unfallstelle entsandt. Zu dieser Kom mission gehören die Reichsbahndirektoren Kilp und Staeck er sowie Ministerialrat Dr. Ebeling, Wie verlautet, ist Dr. Dorpmüller entschlossen, in rücksichtsloser Strenge iM Interesse der Sicherheit auf der Reichsbahn durchzugreisen. Keine Maßnahmen werden sich erstrecken insbesondere auf da» Gebiet dey Sicherung-Wesen-, auf di« Borschriften in der Durch führung des Betriebes und der Arbeitszeit und auf personelle Fragen. Unterre-ung mit -em Reichsbahngeneral-lrektor. Ein Vertreter de» Berliner ,HokalanzeigerS^ hatte spät abends, nach Meldung deS Unglück» in Bayern, eine Unterredung Mit dem Generaldirektor der , deut schen Reich »bahn. Dr. Dvrpmüller erklärte, daß sich die Ursachen de» Unglücks zur Stund« noch nicht voll! überseHen lassen, daß e» wahrscheinlich jedoch zunächst auf .einen Personalfehler zurückzuführen sei. Eine nicht geringe Rolle spielten jedoch! die bayerischen Betriebsvorschriften, die Dr. Dorpmüller schon in den nächsten Tagen einer Klärung unterziehen werd«. Da e» sich bei diesen Vorschriften um bayerisch« Re servatsrechte Handele, sei vorläufig noch abzuwarten, inwieweit man Zugeständnisse an die preußischen Reich»- bahnbetrtebsoorschriften erreichen werde. Eine volle Angleichung .sei zunächst noch nicht zu erwarten. Dr. Dorpmüller wird über dies« Angelegenheit in den nächsten Tagen eine Aussprache mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held Haben. Au» Anlaß dieses s«in«S Münchener Aufenthalte» wird er persön lich eine erneute Untersuchung des Unglücksfalle» Kn- stellen. Im..übrigen, so erklärte Dr. Dorpmüller wei ter, dürfe man bet der Häufung der Unglücksfälle in der letzten Zett nicht die Rolle des Zufalles außer gcht lassen, der nun einmal nicht ganz auszuschalten sei. Die Erhöhung der Verkehrssicherheit im Sinne seine kürzlich gehaltenen Vortrages sei bereit» in die Wege geleitet. Man müsse den Dingen zweifellos, so schwer das auch erscheinen möge, eine gewisse Entwicklungs spanne zugestehen. Ver baperlsche Lan-tag zum neuen Slfrnbahnunglück von Vinkelscherben. München, 81. Juli. IM bayerischen Landtag, der am Dienstag nachmittag zu einer Vollsitzung ver sammelt war und kurz vor dem Abschluß.seiner Ar beiten stand, rief di« Nachricht von dem neuen Eisen bahnunglück bet Dinkelscherben große Bestürzung her vor. Der Präsident Königsbauer sprach namen» deS Hauses daS Beileid au» und erhielt di« Ermächti gung, wie bet dem Münchener Eisenbahnunglück, auch hier den so schwer Betroffenen da» Beileid der Volks vertretung zum Ausdruck zu bringen. Settel- -er bayerischen Staatsregierung. München, !81. Juli. Ministerpräsident Dr. Held Hat an die Gruppenverwaltung Bayern der Deutsche« ReichSbahngesellschaft folgendes Beileidstelegramm ge richtet: „In die noch brennend« Trauer um die Opfer de» Eisenbahnunglück» am Münchener HauptbaHnhof mischt sich die furchtbare Kunde de» neuerlichen erschütternden Unglücks bet Dinkelscherben. Ich spreche der Gruppen verwaltung Bayern hierzu die tiefbewegte Anteilnahme der bayerischen Regierung au» und bitte, allen Ange hörigen der Toten und Verletzten da» innigste Beileid der bayerischen Staatsregierung zum, Ausdruck zu bringen. gez. Dr. Held." An da» ReichSverkchr-Mtnisterium Berlin ging folgende» Telegramm: „Die bayerische Staatsregierung nimmt ernste AptetlnaHm« an dem neuerlichen er schütternden Eisenbahnunglück Lei Dinkelscherben/